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Sammelthread für gelungene Textstellen

Begonnen von Warlock, 29. Juni 2007, 15:08:38

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Sprotte

#1035
Mit viel Wonne geschrieben. Die Hautfarbe ist übrigens Anthrazit, das geht nicht aus diesem Minischnipsel hervor.

ZitatDunkle Augen, die Iriden beinahe im gleichen Farbton wie die Haut, sodass die Pupillen sich nur deswegen absetzten, da Sterne in ihnen zu tanzen schienen.

Lucien

 :wolke: Wie schön Augen sich doch beschreiben lassen!

Sprotte

Dankeschön! Ich merke immer wieder, wie augenfixiert ich bei meinen Helden bin. Ich beschreibe da zu gerne.

Lucien

Die Augen sind ja auch ein wichtiges Merkmal, finde ich. Wenn ich mir die Augen einer Figur nicht vorstellen kann, fehlt mir etwas.

Sprotte

#1039
Wenn Fürsorge als Waffe verwandt wird ...

ZitatDoch kaum hatte sich die Tür vor den Nasen von Wachen und Lakaien geschlossen, da ergoss er lange geübte und bis zur gnadenlosen Perfektion gereifte Fürsorge über sie.

canis lupus niger

#1040
Hier hätte ich mal einen Auszug aus einer nicht veröffentlichten Szene. Chronologisch und auch sonst passt sie nirgendwo rein. Aber ich finde, speziell diese Stelle hat etwas sehr Intimes, das mir nicht oft gelingt.

ZitatWanja trat näher und nahm den nun satten Säugling zärtlich auf seinen Arm. Er setzte sich in einen der Sessel vor dem Kamin, die Füße in den feuchten Stiefeln danach ausstreckend. Staunend beobachtete er, wie seine Tochter nach seinem Zeigefinger griff und mit der Hand spielte, die schon so viele Menschen getötet hatte. Sie wusste noch nichts von dem, was außerhalb dieser Mauern in der Welt geschah. Die Eltern mussten dem Kind gewaltig und unfehlbar erscheinen wie Götter.

    Der Wind draußen frischte auf und rüttelte heulend an den Läden. Wanja lauschte dem Lärmen angestrengt eine Weile, dann seufzte er und dieser vollkommene Augenblick, diese Seifenblase der Unbeschwertheit war dahin. Er küsste die Stirn seiner Tochter und lehnte sich zurück, um in die Glut der Holzscheite zu starren.   

    Ja, kalt waren die Winter im nördlichen Amudaria, und der Schnee kam oft über Nacht, um die Ebenen zu bedecken wie ein Leichentuch. Und wenn es im Frühjahr fort gezogen wurde, ...  Er rieb seine Augen.

Valeria kauerte sich neben ihn und nahm seine freie rechte Hand.
    ,,Was bedrückt dich, Liebster?", fragte sie sanft. ,,Und sage nicht, es sei `nichts´! Ich kenne dich."
Das Lächeln, mit dem er sie beschwichtigen wollte, misslang.
    ,,Nur Erinnerungen, Valeria. Alte Erinnerungen."
    ,,Und es sind keine angenehmen Erinnerungen." Das war keine Frage.
Er schüttelte kaum merklich den Kopf.
    ,,Nein", sagte er leise. Sein Blick war auf Maryam gerichtet, beobachtete, wie sie an seinem Daumen zerrte. So klein wie dieses Kind auf seinem Schoß waren auch einige der Leichname gewesen.

Coppelia

@ Sprotte
Das klingt ein wenig so, als wäre Zirys von der Fürsorge genervt. ;D

@ canis lupus niger
Auch wenn der Zusammenhang etwas unklar bleibt, kann ich gut nachvollziehen, dass Wanja düsteren Erinnerungen nachhängt. Neues Leben und alter Tod, sehr schön verbunden.

Ich muss heute auch mal was reinstellen aus einer Art Kessler Bonusszene, an der ich schreibe, anstatt mein Lektorat zu machen. Mervil soll seinem zum Tode verurteilten Freund Lukial moralischen Beistand leisten. Mervil hofft aber noch, irgendwie Lukials Leben zu retten.

Zitat,,Ich lasse nicht zu, dass du stirbst, Luk. Was sollte ich denn ohne dich tun?"
,,Du hast eine Frau, die dich liebt, drei Kinder und eine große Bibliothek. Du wirst die Zeit schon irgendwie totschlagen."
Mervil biss sich auf die Lippen, um nicht ins Lamentieren zu verfallen. Gejammer war gewöhnlich Lukials Part. Und, oh, wie sein Freund jammern konnte über all die Kleinigkeiten, die ihm das Leben sauer machten! Aber jetzt, da er sich dem großen Unbekannten gegenüber sah, jammerte er nicht, sondern spie nur noch Worte voller Pathos aus, Phrasen, die reif waren für den Schreiber und für die Ewigkeit. Mervil wurde bewusst, dass es einen Teil in Lukial gab, den er nach all den Jahren enger Freundschaft noch nicht verstanden hatte.
,,Ich bin froh, dass du bei mir bist", sagte Lukial in diesem Moment. ,,Ich fühle mich schon ruhiger."

Klecks

Eine sehr berührende Stelle, Coppi. Ich hoffe jetzt mal, dass "The Donnerhall" nicht stirbt.  :-\

Grey

Ach Lukial. Das passt sehr zu ihm. Dabei finde ich seine Worte in dem Moment gar nicht so pathetisch, eher pragmatisch. Armer Mervil. :seufz:

Coppelia

Danke. :) Ja, das Zitat ist irgendwie merkwürdig ausgewählt, das fällt mir jetzt auch auf, als würden die Phrasen für die Ewigkeit den Satz meinen, der unmittelbar vorher steht. Aber das bezieht sich auf Dinge, die Lukial vorher gesagt hat, wie etwa "Willst du Willst du mich zu einem erbärmlichen feigen Kriecher machen, der wie ein Hund vor dem Tyrannen um Gnade winselt?"
::)

Issun

Die Stelle gefällt mir sehr gut! Ich lese übrigens auch gerne platonische Szenen.  ;)

Naudiz

Eine sehr schön geschriebene Szene, Coppelia, sehr berührend. Gefällt mir sehr gut! (Aber: Lukial! :'()

Coppelia

Auch euch vielen Dank! :)
Tja ... Lukial ... :-\

Naudiz

Vor einigen Tagen wurde mir ein neuer Protagonist vorstellig. Ich weiß noch nicht viel über ihn, nur seinen Namen - und den Beginn seiner Geschichte, aus der dieses hübsche Fragment stammt:

ZitatDas blendende Weiß kommt immer näher. Ist es vielleicht gar nicht das Ferne Reich, sondern das Ende? Ist es das, was jene erwartet, die gefallen sind? Ein endloses grelles Licht? Die Ewigkeit, gebündelt in ein alles verschlingendes Nichts?
Es riecht nach Winter.
Ich krache in die harte Erde, die Schwingen weit ausgebreitet. Unbeschreiblicher Schmerz fährt wie Feuer durch meinen Körper. Ein Bersten, als würde ich in Millionen flirrende Partikel zerrissen werden. Sternenstaub. Ich möchte ohnmächtig werden, fallen in das ewige weiße Rauschen, das mich umgibt. Aber ich muss die Augen aufreißen, ein Drang, gegen den ich nicht ankomme. Federn wirbeln in einem surrealen Tanz um mich herum, ein Sturm, entfesselt von Mächten, die größer waren als die Elemente. Schneeflocken schmelzen auf meinem Körper, ein Leichentuch für jemanden, der nicht sterben kann.
Ich schließe die Augen, flehe um den Tod. Doch als der Schmerz langsam verebbt, weiß ich, dass es keine Gnade geben kann für einen Sünder wie mich.
Ich bin ausgestoßen.
Ein Engel, gefallen für seine Überzeugungen.
Mein Name ist Ithuriel. Und mein Vater hat mich verlassen.

Lucien

Wooow! Ich bin geflasht, Naudiz! Mehr davon!  ;D

Ich habe da etwas Ähnliches auf Lager, was ich mir auf jeden Fall warm halten werde. War ein wunderbarer Moment plötzlicher Eingebung.  :wolke:

ZitatZwei Jahre ist es nun her, seit ich den ,,Kuss Wiltras" empfing, der mich heilig machte. Mich, einen Ungläubigen. Ich glaube nicht an Wiltra und wenn es ihn doch gibt, so ist er es nicht wert, dass man ihm huldigt. Trotzdem bin ich seit jener Nacht jeden Monat zu Neu- und Vollmond zugegen, wenn ihm, dem Herrn und Hüter zügelloser Wildheit und unbegrenzter Freiheit die höchsten Ehren erwiesen werden.
Es heißt, allein Jombri, die Hüterin des Mondes, habe Macht über Wiltra, dessen Stärke wächst und schwindet mit dem Licht des Trabanten. Und Jombris Wille sei es, dass Wiltras Macht und Stärke unterdrückt werde. Nur in einer einzigen Nacht im Monat, wenn das Licht des Mondes am hellsten scheint, dürfe er frei sein. In dieser einen Nacht erscheine der Gott unter den Menschen durch die Leiber seiner ... Kinder.
Das ist der Grund, warum ich seit zwei Jahren ein Dasein in Ketten friste, als wertvollster Schatz einer Splittergruppe der Wiltra-Sekte. In der Fratze des Ungeheuers glauben sie den Gott selbst zu erblicken. Der Wahnsinn wird ihnen zur Offenbarung.