• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Aber das ist doch (nur) ein Kinderbuch!

Begonnen von Silvia, 12. Juni 2006, 21:06:36

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

Silvia

Aber das ist doch (nur) ein Kinderbuch!

Heute bin ich schon wieder über dieses "Argument" gestolpert, als ich meiner Kinderbuchkollegin bestätigte, daß ich eins der neuen Fantasybücher beim Reinlesen als "ziemlich flach und weit hergeholt" empfand. (das neueste aus der Laura-Reihe).
Ich muß gestehen, daß ich nur hier und da angelesen und dann auf Ende geschaut habe. Aber das kam mir alles wieder so bekannt vor: Vater von einem bösen Typen entführt, groooßes angedeutetes Geheimnis um die verschollene Mutter, Drachen (schon wieder Drachen, seufz), ein kaputtes Schwert, das zusammengeschmiedet werden muß, damit man dem Bösling damit beikommen kann, viel Magie und ein 13jähriges Mädel anstelle des sonst üblichen Buben.
Dann hieß der Bösewicht auch noch "Borboron" - warum mußte ich da nur sofort an den "Borbarad" aus "Das schwarze Auge" denken? Der Typ sollte doch nun langsam wirklich in Fantasykreisen bekannt sein. Warum schon wieder so ein einfallsloser "Damit-ihr-wißt-daß-ich-der-Böse-bin-heiße-ich-auch-gleich-so"-Name? Und warum kann am Ende ein 13jähriges Mädel aus unserer Welt mit ihrem tollen Zauberschwert einen Profi-Magier von den Füßen hauen, setzt ihm die Klinge an die Kehle und setzt mit dem Schrei: "Stirb, du Hund!" zum entscheidenden Zustechen an?
Das hat mich ja schon bei den Jungs-Varianten immer etwas befremdet, aber als Mädel ... ich denk da mal an mich in dem Alter - hm, weder körperlich noch geistig fähig dazu, jemanden einen Kopf kürzer zu machen.

Aber: "Du mußt bedenken, daß ist ein Jugendbuch. Wir haben das alles schon gelesen, aber die kennen das alles noch nicht."

Erwarte ich zu viel, wenn ich gern ein Jugendfantasybuch hätte, das in manchen Punkten halbwegs nachvollziehbar und nicht so inhaltlich austauschbar ist? In den letzten Jahren hatte ich den Eindruck, daß in der Jugend- und Kinderfantasy mehr frische Ideen auftraten als im Erwachsenenbereich ... und in diesem Jahr stolpere ich immer wieder über so altbekannte, hohle Geschichten.
Und lesen Kinder nicht mit 9-10 Jahren schon die Klassiker wie Kapitän Nemo oder Tom Sawyer oder Winnetou? Vom Gehalt und der Sprache kann da manches heutige Buch für 14jährige gar nicht mithalten.

Bin ich zu verwöhnt von meiner Kindheit? Bei uns in der Ostzone gabs so gut wie keine Fantasy, aber wenn ich die alten Bücher so anseh, hatte jedes irgendwie Sinn und mir fällt kaum eins ein, das ich als "flache Story" bezeichnen würde. Damals nicht und heute nicht.

Wahrscheinlich habe ich inzwischen wirklich zu viel Fantasy gelesen.
Ich sollte um das Regal "Jugendfantasy" in nächster Zeit wohl erstmal einen Bogen machen und mich endlich mal "Dem Lied von Eis und Feuer" widmen. So langsam fühl ich mich alt genug dafür *lol*

Allerdings ist das genau die Sparte, für die ich grad zu schreiben versuche, also werde ich ums Gucken und Schauen, was es Neues gibt, früher oder später nicht drumrum kommen ^^'

Kalderon

Zitat von: Silvia am 12. Juni 2006, 21:06:36
Wahrscheinlich habe ich inzwischen wirklich zu viel Fantasy gelesen.
Ich sollte um das Regal "Jugendfantasy" in nächster Zeit wohl erstmal einen Bogen machen und mich endlich mal "Dem Lied von Eis und Feuer" widmen. So langsam fühl ich mich alt genug dafür *lol*

Sag das nicht  :'( Soetwas macht mich immer so traurig.
Nur weil das alles Hohlbratzen sind, heißt das nicht, dass es nicht gute Kinderbücher oder überhaupt gute Bücher gibt. Eines meiner Lieblingsbücher ist "Momo". Es ist sowohl Kinder- als auch Erwachsenenbuch. Ich finde es klasse. Es ist heutzutage denke ich wie bei den Filmen. Die meisten Verlage wollen Mainstream-Produkte. Da kann man nicht viel verkehrt machen (meinen sie). Die "Ab-und-zu-Leser" haben sie damit auf jeden Fall bedient.

Aber da müssen wir uns ja nicht dran gewöhnen  ;) Wie sieht es denn mit den Wuddelbucks aus?

Geli

vorausgeschickt: ich lese Bücher sowieso mit einem gewissen zeitlichen Verzug. Ihr wisst, ich bin Bibliothekarin. Ich leide wie viele Kolleginnen am "Wie-warum-kaufen?-Wenn-es-in- einer-Bibliothek-steht?-Syndrom.
Nun sind wissenschaftliche Bibliotheken aber nicht üppig mit Fantasy bestückt und man muss meist Überzeugungsarbeit leisten, selbst bei Kollegen, die bei Leservorlieben eigentlich nichts mehr wundern sollte, wenn man sich "so etwas" per Fernleihe bestellt.
Kurz: meine Chancen, Nullachtfuffzehn-Fantasy zu lesen, sind durch meinen persönlichen Geiz beschränkt.
Aber - ich muss sagen, auch mir fällt auf, dass Fantasy-Romane und offenbar auch Fantasy-Autoren gerne immer wieder in dieselbe Kerbe hacken. Einen wirklich originellen Ansatz zu finden, fällt mittlerweile schwer.

Ich gebe bei dem ganzen Problem nur zu bedenken, dass wir alle, wie wir hier an unseren PCs sitzen, mit dem Standard-Leser nichts gemein haben.
Wir dürfen nicht vergessen, dass es einem Teil des Publikums gefällt, immer wieder einen neuen Aufguss von"Junge oder Mädchen rettet die Welt" zu lesen.

Denkt an die rund 250 oder noch mehr Romane einer Barbara Cartland.
Lies einen, und Du kennst sie alle.

Oder, wie mein Mann nach jedem Tatort im Fernsehen sagt:
"Du Guten haben ausnahmsweise gewonnen. Aber nur knapp."

Rei

Hmm, traurig, wenn den Autoren nichts mehr Neues einfällt... Aber wenn es sich gut verkauft, warum nicht? Man muß es ja nicht lesen, wenn man von vorneherein weiß, daß es einem nicht gefällt. Darum lese ich keinen Hohlbein und auch keine Fantasy an sich mehr. Ich bin gerade auf dem Dan Simmons-Trip und fühle mich dort ganz wohl...

Moni

Zitat von: Silvia am 12. Juni 2006, 21:06:36

Erwarte ich zu viel, wenn ich gern ein Jugendfantasybuch hätte, das in manchen Punkten halbwegs nachvollziehbar und nicht so inhaltlich austauschbar ist? In den letzten Jahren hatte ich den Eindruck, daß in der Jugend- und Kinderfantasy mehr frische Ideen auftraten als im Erwachsenenbereich ... und in diesem Jahr stolpere ich immer wieder über so altbekannte, hohle Geschichten.

Die Erwartungshaltung hab ich auch und sie wird immer nur auf Neue enttäuscht...
Das mit dem frischen Wind war auch nur zeitweilig, eigentlich ist in den letzten Jahren nicht wirklich viel originelles erschienen.  :zensur:
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Feuertraum

Entschuldigung, aber was erwarten Sie denn? Es gibt nun wirklich kaum etwas, was noch nicht kreiert, ausgedacht, fabuliert worden ist. Also gibt es allein schon aus diesem Grunde kaum eine Chance für etwas Neues.
Und selbst WENN man mit etwas Neuem kommt, wird entweder auf den Autor rumgehackt und man versucht ihm auszureden, das das, was er sich da ausgedacht hat, funktioniert (ich sage  nur geschmiedetes Holzschwert) oder man steckt ihn in die Schublade "Peinlicher Versuch, einen anderen Autoren zu kopieren"

Ich möchte da an Parallelen aus der Musik zurückgreifen: Manchmal kommt im ganzen Mainstream ein Titel, der sich wohltuend von der Masse abhebt, sich lange Zeit in den Charts hält und dann wieder verschwindet. Ein weiterer Song dieser Band findet dann nicht mehr halb so viel Beachtung, während der Mainstream wieder die absolute Oberhand gewinnt.

Woraus wir schließen können, das das Althergebrachte im Endeffekt ein Ozean ist, in dem die Badenden immer wieder gerne schwimmen.

LG

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Dorte

Es gibt durchaus gute Fantasybücher für Kinder und schlechte Fantasy für Erwachsene... von letzterer sogar mindestens ebensoviel wie schlechte Kinderfantasy ;)
Ich glaub eher, der allgemeine Stand ist "wieso, ist doch nur Fantasy".

Moni

Zitat von: Feuertraum am 13. Juni 2006, 10:46:37
Entschuldigung, aber was erwarten Sie denn? Es gibt nun wirklich kaum etwas, was noch nicht kreiert, ausgedacht, fabuliert worden ist. Also gibt es allein schon aus diesem Grunde kaum eine Chance für etwas Neues.

Das Thema hatten wir ja schon des öfteren... Das Problem ist meistens ja nicht einmal das "Was" sondern das "Wie". Viele der Jugendfantasybücher der letzten Jahre sind einfach lieblos zusammengeschusterte und heruntergeschriebene Potter-Abklatsche.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Dorte

Damit reihen sie sich in die ehrenhafte Fantasy-Tradition der lieblos zusammengeschusterten und heruntergeschriebenen Tolkien-Abklatsche für Erwachsene ein ;)

Silvia

#9
Klar, bei jeder Literatursprate gibt es Bücher, bei denen man sich fragt, wer das liest und warum das verlegt wurde *g* Abgesehen vom persönlichen Geschmack, der ja bei jedem verschieden ist.
Was mich aber irgendwie ärgert ist dieses "Argument", es sei ja nur ein Kinderbuch, als ob damit alles erklärt/erlaubt/entschuldigt wäre.

Und ja - es gibt immer noch neue bzw. von neuen Seiten betrachtete Ideen, die zuvor in dieser besonderen Art noch niemand als Buch geschrieben hat.
Wenn ich an Bücher wie "Der goldene Kompaß" vom Pullman denke (top - und für die gleiche Altersgruppe wie "Laura und xyz" geschrieben) oder "Tintenherz" von Frau Funke ...

Termoniaelfe

Ich habe durchaus nichts gegen das Schema "Mädel rettet Welt" aber was mich stört ist genau das, was Sylvia sagte:
ZitatUnd warum kann am Ende ein 13jähriges Mädel aus unserer Welt mit ihrem tollen Zauberschwert einen Profi-Magier von den Füßen hauen, setzt ihm

kann ich auch nicht nachvollziehen. Nun ist es ja bei mir auch so, dass meine Kathy nach Termonia reist, damit die Prophezeiung sich erfüllen kann. Aber ich achte dabei schon akriebig darauf, das aus der ahnungslosen Kathy nicht eine supercoole Tante wird. Nein im Gegenteil. Sie ist nach wie vor ängstlich, unsicher, und kriegt das am Ende nur mit gehöriger Unterstützung hin. Aber sie macht auch eine Entwicklung durch und lernt auch mal an ihre Grenzen zu gehen.

LG
Termi

Arielen

Wie einige schon sagten. es gibt gute und schlechte Fantasy, genau wie bei den Erwachsenenbüvchern. Ich erinnere mich noch datran, wie in den 80gern beim ersten Fantasy Boom plötzlich alle möglichen Reihen erschienen, die auch nicht besser waren als "Laura". Damals geriet zwar noch ein Junge in eine magische Welt und zog mit einer gleichaltrigen amazone und einem fetten Händlerssohn durch die Gegend aber die Abenteuer waren ähnlich flach. Man versucht mit Schnellschuss-Reihen den Markt auszunutzt.

Und es gibt viele, die dann nur Fantasy nach Auftrag schreiben. Für die ERwachsenen gibt es  "Die Orks", "Die Zwerge" und Co. Für die Kinder eben "Laura". Und nicht jeder Autor ist wie Astrid und ein langjähriger Fantasy-Fan. Immerhin hat sie ja auch durch diese Marktpolitik die Chance bekommen, Jungendbuch-Fantasy zu schreiben.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Astrid

Stimmt, und ich quäle mich gerade ziemlich, eine NICHT abgedroschene Klischeegeschichte zu schreiben. Bin gespannt, ob das was wird.

Möchtegernautorin

Hmm... mein Mann und ich haben irgendwann einmal beschlossen, dass alle Menschen, die so stink normale Namen wie ,,Tim Schmidt" oder ,,Hans Schneider" haben Erzdämonen sein müssen <nick> Einfach, weil die Bösen immer so böse Namen haben.

Und ich muss auch sagen, ich lese gerade ,,Die Elfen" - oder versuche es... - und frage mich, weswegen da eigentlich alle Statisten umkommen müssen <kopfschüttel>

Zum Thema:
Also, ich muss sagen, ich hatte irgendwann einmal aufgehört Kinderbücher zu lesen. Als Erwachsene meine ich :)  Ich hatte es damals einfach als zu ,,kindlich" bezeichnet, aus genau den bisher genannten gründen: Immer die selbe Geschichte, seltsam geschrieben und immer wächst der Protagonist am Ende über sich hinaus und gewinnt ohne Probleme zu haben.
Die wenigen Kinderbücher, die ich gelesen habe, waren Ausnahmen, wenn ich mir Pullman und Cornelia Funke denke, sind das positive Beispiele. Das waren jene, die mir als gut empfohlen wurden.
Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

Arielen

Zitat von: Astrid am 14. Juni 2006, 09:11:08
Stimmt, und ich quäle mich gerade ziemlich, eine NICHT abgedroschene Klischeegeschichte zu schreiben. Bin gespannt, ob das was wird.

DAS glaube ich dir! Hat der Verlag denn irgendwelche groben Vorgaben gemacht, was drin sein soll und was nicht? Denn meistens wünschen die sich ja bestimmte Sachen, die in der Altersgruppe besonders gerne gemocht werden.
Alles liegt im Auge des Betrachters