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Perspektivenwechsel

Begonnen von Alaun, 14. Juli 2009, 15:56:19

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Lucien

Hmm, ich habe auch grad eine Geschichte, die mit einer "Ich-Erzählung" eingeleitet wird. Aber es ist nicht wirklich eine, sondern eigentlich beginnt das Ganze nur mit einer sehr ausführlichen wörtlichen Rede, ohne eine Einleitung vorweg. Der Leser wird also erstmal in einen Moment der Verwirrung gestürzt  :darth:
Allerdings bin ich da auch noch am überlegen, wie ich im weiteren Verlauf weitermache. Die Protagonistin befindet sich im Kerker und erzählt sozusagen einem Mitgefangenen ihre Lebensgeschichte, während sie auf ihre Hinrichtung wartet. Die Erzählung beginnt dann mit ihrer Kindheit und geht bis zu dem Moment ihrer Gefangennahme. Dabei wird immer wieder mal zwischen der Erzählung (1. Person) und der Erinnerung (3. Person) gewechselt, weil ich so die Möglichkeit habe, dem Leser auch relevante Informationen zu vermitteln, von denen die Protagonistin nichts weiß.
Dann kommt allerdings der Punkt, an dem meine Protagonistin aus dem Kerker befreit wird. In diesem Augenblick wird aus der "Ich-Erzählung" eine übergeordnete.
Ich überlege noch, wie ich das genau anstelle.  :hmmm:

Angelus Noctis

Ähhh ... Wie wäre es mit Anführungszeichen?
Das wäre zumindest die einfachste Lösung. ;)

Churke

Zitat von: Jenny am 30. Juli 2009, 14:52:19
Dabei wird immer wieder mal zwischen der Erzählung (1. Person) und der Erinnerung (3. Person) gewechselt, weil ich so die Möglichkeit habe, dem Leser auch relevante Informationen zu vermitteln, von denen die Protagonistin nichts weiß.

Dem Leser Informationen vermitteln, von denen die Protagonistin nichts weiß?  ???
Sie war im dritten Monat schwanger, wusste es aber nicht.

Das heißt allwissender Erzähler?
Aber dann erscheint mir die Ich-Erzähung unsinnig.

ZitatIch überlege noch, wie ich das genau anstelle.
Logischerweise endet die Ich-Erzählung, wenn sie fertig ist.

Die Anführungszeichen halte ich nicht für eine gute Idee, weil man dann regelkonform in der direkten Rede halbe Anführungszeichen setzen muss, dich ich persönlich nervig finde.


Lucien

Ich habe mich da undeutlich ausgedrückt. Es ist ja nicht wirklich eine Ich-Erzählung. s ist schon irgendwie insgesamt ein Allwissender Erzähler vorhanden.

Stellt euch das so vor:

Sie setzte sich hin und begann zu erzählen: "..."
Aber halt ohne diese Einleitung. Der Leser wird mitten in die Situation hineingeworfen, so als ob man einen Raum betritt, in dem sich schon welche Unterhalten. Ohne den Perspektivwechsel hätte man also die ganze Zeit nur eine Person, die da sitzt und erzählt.
Und dazwischen kommen halt die Sprünge. Okay, das sind dann wohl nicht wirklich Perspektiv-, sondern eher Zeitsprünge in denen der allwissende Erzähler eine stärkere Rolle hat ... Jetzt verwirre ich mich grad selber  ???

Das mit den zusätzlichen Informationen meinte ich so, dass die Handlung sich während dieser Sprünge auch mal von der Protagonistin löst und mal einen Einblick in das gewährt, was ihre Gegner z.B. gerade tun. Ob ich von dieser Möglichkeit aber wirklich Gebrauch mache, weiß ich noch nicht.

Und bei der Befreiung aus dem Kerker habe ich mal wieder die Hälfte vergessen  :wums: Die Geschichte endet dort nämlich nicht. Die Prota kommt im Kerker zu einer Selbsterkenntnis und erkennt dadurch, dass sie noch einiges gutzumachen hat. Der Teil, der danach passiert, ist entscheidend für die andere Geschichte, an der ich grad arbeite. Es ist die Vorgeschichte dazu.

Churke

Was du machen willst, ist kein Perspektivwechsel, sondern ein Wechsel der Erzählebene.

Ist ein völlig übliches Stilmittel - nur würde ich raten, nicht ständig zwischen den Erzählebenen hin und her zu springen, der Leser wird es danken.

ZitatUnd bei der Befreiung aus dem Kerker habe ich mal wieder die Hälfte vergessen  :wums: Die Geschichte endet dort nämlich nicht.
Das hatte ich schon verstanden. Mit "die Geschichte endet" meinte ich nicht das ganze Manuskript, sondern die von der Person erzählte Geschichte. Wenn die vorbei ist, muss entwander ein anderer weiter (oder was anderes) erzählen ODER es geht in der 3. Person weiter.

Lucien

Zitat von: Churke am 30. Juli 2009, 17:20:25
Was du machen willst, ist kein Perspektivwechsel, sondern ein Wechsel der Erzählebene.
:hmmm: Man lernt doch immer was dazu.

Mir  wird nichts anderes übrig bleiben, als in der 3. Person weiterzumachen, das knifflige wird der Übergang, weil sie ja bei der Erzählung quasi "gestört wird". Ich kann ja schlecht schreiben *räusper* Ich bin es, der allwissende Erzähler. Ich übernehme ab hier dann mal, okay? Gut, ist jetzt etwas überzogen ... ARGH! Jetzt bin ich versucht, wieder an drei Sachen gleichzeitig zu arbeiten! Pöse Vorgeschichte!  :pfanne:

Angelus Noctis

Vielleicht könntest Du dann die Geschichte, die Deine Prota selbst erzählt, mit drei Pünktchen enden lassen, dann eine Leerzeile, und dann gehts weiter. Das ist zumindest das, was mir spontan einfällt.
Und natürlich gebe ich Churke Recht: Das Ding mit den Anführungszeichen ist doof, wenn dann noch wörtliche Rede in der Erzählung Deiner Prota kommt.

Liebe Grüße!

Lucien

Das ist eine gute Idee, danke!  :jau:

Sorry, aber die Anführungszeichen brauche ich, schon wegen dem Aufbau der Geschichte. Ist mehr eine Hilfe (und wenn nur für mich). Erst wollte ich die Erzählung kursiv machen, aber ds sind schon die Gedanken.
Aber keine Sorge, in der Erzählung, die ja schon eine wörtliche Rede ist, werde ich keine wörtliche Rede mehr einbauen  ;) Versprochen.

Ich hab doch meine (zukünftigen) Leser lieb.  :knuddel:

Mika

Hallo zusammen!

Ich weiß, ich krame hier einen wirklich uralten Thread wieder nach oben, da ich allerdings zu meiner Frage nicht unbedingt einen neuen Thread eröffnen wollte und dieser hier mein Problem eigentlich am besten trifft, bin ich mal so frei hier hinein zu schreiben. Ich hoffe das passt so weit und geht in Ordnung, wenn nicht bitte schimpfen... Leider habe ich diese konkrete Frage die ich habe noch nicht gefunden (oder meine Suche war nicht gründlich genug).

Es geht um folgendes:
Momentan beginne ich an meinem Projekt zu scheitern weil ich mit meiner Prota nicht so sehr in die Tiefe gehen kann wie ich es gerne würde. Ich schreibe alles in der dritten Person und es gibt mehrere Handlungsstränge (ziemlich viele um genau zu sein wenn ich die ganzen Backgroundgeschichten dazu zähle).
Gerade eben kam mir die Idee ob es vielleicht möglich wäre meine Prota in der Ich-Perspektive zu schreiben statt in der dritten Person.
Kann ich so etwas machen wenn ich alle anderen Handlungsstränge in der dritten Person belasse oder verwirrt das zu sehr?
Was würdet ihr mir raten? Muss man bei einer Person bleiben oder kann man wild durchmischen? Ich denke es könnte zu verwirrend sein wenn ich alle Stränge aus der Ich-Perspektive schreibe. Aber geht das überhaupt? Kann ich die Perspektive einfach so mischen? Habe so etwas schon einmal bei einem Autor gelesen, allerdings trat die Ich-Perspektive dabei ziemlich in den Hintergrund und stellte nur die Rahmenhandlung, bei mir würde es dann eher so aussehen dass die Ich-Perspektive der Hauptträger ist.

Für eure Hilfe wäre ich euch wirklich dankbar, bin gerade ein bisschen am Verzweifeln.

Grüße
mika

et cetera

Spontan fällt mir da Bartimäus ein: Alles, was Bartimäus erlebt, wird in der Ich-Perspektive erzählt, während alles, was die beiden anderen Hauptpersonen erleben, in der dritten Person geschrieben ist. Bartimäus ist dabei schon recht eindeutig die wichtigste Person.
Der Perspektivwechsel war im allerersten Moment etwas irritierend, aber das verging schnell. Ich fand es jedenfalls sehr unproblematisch zu lesen (Zusätzlich steht über jedem Kapitel aber auch, aus wessen Sicht nun erzählt wird).

Kurz gesagt: Kapitelweise die Perspektive zu ändern, finde ich in Ordnung. Innerhalb eines Kapitels könnte es vielleicht verwirrend sein (mir persönlich ist es aber ohnehin lieber, wenn der Perspektivträger das ganze Kapitel über der selbe bleibt und nicht mitten drin wechselt).

Churke

Wenn etwas fast nicht gemacht wird, hat das in der Regel triftige Gründe. Alatriste hat auch einen Er- und einen Ich-Erzähler, wobei ich nie ganz verstanden habe, was sich der Autor dabei gedacht hat. Ich würde es nicht machen, so lange es sich irgendwie vermeiden lässt.

Lexa

Ich würde sagen, es ist möglich, damit erhält diese Prota allerdings eine formale Sonderstellung und ich finde, das müsste sich auch inhaltlich wiederspiegeln.
Wenn diese Prota also besonders wichtig ist, oder sich sonstwie von den anderen unterscheidet in ihrer Rolle, fände ich keinen Grund, es nicht zu machen.
Wenn nicht, wäre das ein Gegenargument, aber das heißt ja nicht, das du es nicht machen darfst. ;)

Mika

Danke schonmal für die bisherigen Statements :)
je mehr Meinungen ich natürlich noch zu dem Thema bekommen könnte, desto besser.

@Lexa: Momentan sieht es so aus (habe gerade nachgesehen), dass die Prota in etwa 70% der Perspektive einnimmt, die restlichen 30% sind Nebenstränge. Sie hat auch inhaltlich eine tragende Rolle da mit ihr die komplette Handlung steht oder fällt, gäbe es diese Prota nicht, gäe es auch keine Geschichte und in dieser Geschichte hat sie noch dazu eine sehr wichtige Rolle. Danke auf alle Fälle für dein Argument, das macht mir das Herz schonmal ein bisschen leichter!

Werde es jetzt wahrscheinlich einmal ausprobieren. Habe meine Geschichte jetzt einfach kopiert, umbenannt in 3. Person und Ich-Form und werde mal die Probe aufs Exempel machen in dem ich meine erste Leserin darauf loslasse, mal sehen was sie dazu sagt und ob es zu unübersichtlich wird. Versuchen möchte ich es auf alle Fälle auch wenn es tendentiell eher ungewöhnlich ist. Da ich mit dieser Geschichte teilweise versuche mit den Klischees zu brechen, warum also nicht auch mit der gängigen Perspektive?

Zit

#43
Ich komme ums Verrecken nicht auf den Titel, aber es gibt einen Gegenwartsroman um vier (glaube, es waren so viele) Jugendliche in Irland (meine ich), um Drogen und um Geld (in einer Sporttasche). Bin auch der Meinung, der Roman wurde verfilmt.
Jedenfalls erzählen alle vier Jugendliche in Ich-Perspektive und man erkennt sie untereinander nur an ihrer Art zu erzählen. Alles Ich-Erzähler und -Perspektive ist also möglich.

In deinem Fall würde ich das aber nicht so machen. Lieber so wie du es schon probierst: Die Prota als Ich-Erzähler. Du kannst ja versuchen Ereignisse, von denen sie weiß oder vom Hörensagen kennt, auch durch sie erzählen zu lassen. Wäre dann zwar auch ein Er-Erzähler, aber das wärst dann nicht du dahinter, sondern die Prota. Dinge, die sie nicht weiß, würde ich entweder weg lassen oder als nicht-wertender Er-Erzähler schildern. (Die Prota kann ja als Er-Erzähler Kommentare abgeben und Hintergründe zu den Figuren liefern - schwafeln, gewissermaßen - und du als Autor könntest dich als Er-Erzähler eben dadurch abgrenzen, dass du das nicht tust.)
Ist aber nur so ein Vorschlag. :)

PS.: Kennst du den Film Big Fish? Da gibt es auch zwei Ich-Erzähler: Vater und Sohn. Das dient, imho, dort dazu, dass man beide Charaktere besonders nahe gebracht bekommt, auch, weil es gerade um die Beziehung der beiden zueinander geht. (Der Film ist nach einem Roman, da ich den aber nicht kenne, weiß ich nicht wie es sich dort abspielt.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Kuddel

Hi *mika*,

warum sollte es nicht gehen? Artemis schreibt auch gerade an solch einem Roman. Ein Teil in 3.Person und einen anderen aus der Ich-Perspektive. Wenn du schon schreibst, dass sie die Hauptfigur ist, dann spricht da wirklich nichts gegen. Es ginge auch, wenn z.B. ein Krimi geschrieben wird. Da kommt es häufiger vor. Die Perspektive des Mörders wird aus der Ich-Perspektive geschrieben, damit man nicht erfährt, wer er ist. Also, warum nicht?

Liebe Grüße,
Kuddel
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway