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Perspektivenwechsel

Begonnen von Alaun, 14. Juli 2009, 15:56:19

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Lucien

Hm, ich mag es auch lieber, wenn man sich mit den Charakteren identivizieren kann, trotzdem wechsle ich häufig die Perspektive, weil ich mehrere Handlungsstränge beschreibe.
Aber manchmal passiert es auch, dass ich innerhalb einer Szene in der Perspektive springe, weil es sich einfach automatisch so ergibt. Ich habe mal versucht, das ein wenig zu reduzieren, aber ich arbeite viel mit denGedanken der Figuren und irgendwie denken alle was wichtiges.
Glaubt ihr, dass eine ausreichende Identifikation trotzdem noch möglich ist oder sollte ich die Perspektivensprünge etwas abspecken?  ???

Churke

Zitat von: Jenny am 18. Juli 2009, 14:43:01
Glaubt ihr, dass eine ausreichende Identifikation trotzdem noch möglich ist oder sollte ich die Perspektivensprünge etwas abspecken?  ???

Nehmen wir an, du hast zwei Figuren: einen Frosch und Vogel.
Wenn du beschreiben willst, wie der Frosch die Welt sieht, was interessiert es dann, was der Vogel über die Welt denken mag?  :engel:

Das Beispiel ist simplifizierend, aber ich denke, die Richtung stimmt. Und für die Leute, die sich nicht entscheiden können oder wollen, gibt es noch den allwissenden Erzähler, der ist weder Frosch noch Vogel.

Lucien

Dein Beispiel hat es schon gut getroffen, Churke, danke! Da werde ich doch lieber mal die Variante des allwissenden Erzählers wählen. Ich liebe es einfach, eine Situation von mehreren Punkten zu beleuchten.  :vibes:

Angelus Noctis

Ich glaube, es hängt auch ein bißchen von der Geschichte selber ab, ob ein Perspektivenwechsel angebracht ist oder nicht. Wenn ich als auktorialer Erzähler eine Szene schreibe, in der grad mal nur Nebenfiguren vorkommen, muss ich mir eben einen Charakter aussuchen, aus dessen Sicht ich die Szene beschreibe. *find*

Liebe Grüße!

Lucien

@ Angelus Noctis: Bei mir ist das irgendwie so, dass es sozusagen einen "Oberprota" gibt, dessen Perspektive sozusagen den rote Faden durch die Geschichte bildet. Aber durch die ganzen Nebenhandlungen, ergeben sich da bei mir automatisch noch "kleine Protas", die in diesen Nebenhandlungen die Führung übernehmen, manche aber auch nur zeitweise, wenn deren Sicht der Dinge in dem Moment wichtig ist. Es bietet sich also immer jemand an, aus dessen Sicht ich schreiben kann (dazu gehört dann auch das Kundtun seiner/ihrer Gedanken).
Wenn in einer Szene mal nur Nebenfiguren vorkommen, gehe ich gar nicht so tief in die Gefühlswelt der Charaktere, dann bleibe ich eher sachlich.

Wenn es aber um eine Geschichte mit nur einem oder sehr wenigen Handlungssträngen geht, kann ich dir da nur zustimmen. 

Angelus Noctis

@ Jenny:

Bei meinem aktuellen Projekt ist es so, dass ich neben meinen Hauptcharakteren eine Reihe von weiteren Figuren habe, die alle auf ihre Weise wichtig sind, weil sie die Handlung vorantreiben. Da lasse ich - trotz der vielen Handlungsstränge - schonmal jemanden denken/empfinden, der sonst nur am Rande erwähnt wird. Manchmal kann es sehr wirkungsvoll sein, dem Leser auf diese Weise ein Gefühl zu vermitteln. (In gewisser Weise ist mein Zitat ein gutes Beispiel dafür, denn der Folterknecht wird während der gesamten Geschichte nicht mehr erwähnt. Hier nutze ich die Sichtweise des Folterknechts, um den Leser über den Gefolterten und den, der foltert, im unklaren lassen zu können und ihn damit vielleicht neugierig auf mehr zu machen. - Ich schreibe "in gewisser Weise", weil ich darüber nachdenke, die Szene ganz neu und ohne Folterknecht zu schreiben, einfach, weil ich ausprobieren will, ob es sich aus Sicht dessen, der die Folter befielt, vielleicht schöner liest.)

Liebe Grüße!

Lucien

@ Angelus: Ja, so ungefähr habe ich mir das auch gedacht und ich arbeite viel Über das Mitteilen von Gedanken. Die Figuren denken viel über das nach, was gerade passiert, was ihnen unklar ist etc. Und ein Fürstensohn weiß ja z.B. andere Dinge und betrachtet diese von einem anderen Winkel, als es bei einem einfachen Bauern der Fall ist. So versuche ich eine möglichst facettenreiche Geschichte zu erhalten.

Sicher ist es interessant, noch eine andere Perskektive in der Folterszene auszuprobieren, allerdings würde ich an deiner Stelle die ursprüngliche Version noch aufbewahren. Dieses Furchteinflößende, was der Gefangene (es war doch der Gefangene?) auf den Folterknecht hat, wirkt auf den Bösewicht vielleicht weniger beeindruckend, weil er ja selbst auch böse ist. Vielleicht könntest du ja hier auch mit zwei Perspektiven spielen?

Angelus Noctis

@ Jenny:

Ja, aufbewahren tu ich das Ganze ohnehin. Außerdem habe ich mir vorgenommen, den Anfang erst dann umzuschreiben, wenn ich mit der Geschichte ansonsten fertig bin. Ich habe furchtbar schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ich den Prolog irgendwann mittendrin schreibe ... ;)

Liebe Grüße!

Lucien

Ich habe auch mal einen Prolog geändert, aber das hatte eher positive Auswirkungen, weil ich nämlich auch nur die Perspektive geändert habe. Ich steige mit einer Legende um meine Welt ein. Zuerst habe ich einfach nur auktorial erzählt, dann habe ich es so geändert, dass eine meiner Charaktere die Legende erzählt. Die Geschichte ist nun so aufgemacht, dass eine Fee sie erzählt. Zwischendurch wechsel ich deshalb immer in die Ich-Erzählung, um längere Zeiträume zu überbrücken oder um bevorstehende Ereignisse anzudeuten. Bei sowas macht sich der Wechsel wirklich gut, finde ich.

Sialan

ZitatSpannender eher nicht. Spannend ist eine Story nämlich nur dann, wenn man sich mit Charakteren identifiziert, also wissen will, was mit ihnen passiert.
Wollen wir diese Beurteilung nicht jenen überlassen, die den Roman gelesen haben?

Kaeptn

Das hier erscheint mir passend, um nach der Androhung von  :pfanne: im Heyne-Wettbewerbesthread die Perspektiven-Diskussion fortzuführen.

Zitat von: Coppelia am 28. Juli 2009, 06:35:18Irgendwie muss ich den Thread noch mal zur Perspektive zweckentfremden, weil ich noch den ganzen Abend drüber nachdenken musste. ;) Oder vielleicht können wir uns in nem anderen Thread unterhalten.
Was ist denn mit George Martin? Der hält seine Perspektiven ein, ich kenne kaum einen Autor, der das so genau macht und mit so guter Wirkung. Ich mag seine Bücher jetzt nicht so übermäßig, aber die Art, wie er seine Personen auf die Art charakterisiert, finde ich echt bewundernswert.
Ich arbeite lieber daran, das auch mal so zu können (was vielleicht auch klappen könnte) anstatt daran, etwas zu versuchen, wozu mir offenbar irgendwas fehlt. ;)
Aber ok, wahrscheinlich ist Martin einfach nur ein fähiger Autor, aber kein Genie.

Ich find es ja gerade beim Schreiben nett, dass man in den Kopf einer Person abtauchen kann und alles erlebt wie sie. Solange ich schreibe, genieße ich das besonders (vor allem, wenn ich nicht ans Veröffentlichen denke). Vielleicht liegt's daran, dass ich mehr auf die Personen konzentriert bin. Nun ja, falls mal irgendwann ein Verlag will, dass ich die Perspektive breche, werd ich mich da bestimmt nur ein bisschen zieren. ;D
Ich wollte immer schon mal meine Protas vom Aussehen her einfach so beschreiben, ohne Perspektivenbrüche befürchten zu müssen ...

Mir fallen in letzter Zeit immer mehr Vertreter mit munterer Perspektive-Wechseldich auf. Markus Heitz bei den Zwergen z.B. auch. Er macht auch oft Perspektioven auf, die ich für vollkommen unnötig. Da wird mitten im Buch 2 Seiten aus Sicht eines Orks erzählt, der am Ende dann prompt ein Beil in den Schädel bekommt.
Aber auch mitten im Text wechselt wer und beschreibt Dinge, die der Perspektiv-Charakter nicht wissen kann. Aber das tat seinem Erfolg ja keinen Abbruch - der nicht wirklich einfallsreiche Plot im übrigen auch nicht.

Ein Gegenbeispiel ist Harry Potter: Abgesehen von den späteren Anfangskapiteln mit Snape spielt hier eigentlich immer alles immer nur aus einer Harry-Perpektive. Auch erfolgreich.

Ich denke wichtig ist nur, dass man es vernünftig macht. Wer Perspektiven wechselt, muss z.B. STRENG darauf achten, dass der Leser immer weiß, bei welchem Charakter man gerade ist. Nichts hasse ich mehr als wenn an einem Absatzanfang 5 mal "er tut er sagt er macht" steht und ich grüble die ganze Zeit ob ER nun Charakter 1 oder Charakter 2 ist....

Katharina

Also bei meinem derzeitigen Projekt gibt es genau eine Perspektive, die meiner Prota. Geschrieben ist das ganze nämlich in 1. Person. Das die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt wird stand eigentlich auch von Anfang an fest, weil Er einfach zuviel weiß und die Spannung dadurch hin wäre.

Für die erste Person hab ich mich entschieden, nachdem ich die erste Szene geschrieben habe (die irgendwann in Kapitel 4 dran kommen wird, ich schreibe nämlich immer kreuzundquer). Jedenfalls habe ich die Szene sowohl in 1. als auch in 3. Person geschrieben und bin dann zum Schluß gekommen, das die Ich-Perspektive sich für diesen Roman einfach am Besten eignet.

Grundsätzlich finde ich aber schon, dass mehrer Perspektiven in einem Roman möglich sind, solange der Perspektivenwechsel deutlich gekennzeichnet ist (zB durch Anfang eines neuen Kapitels). Was mir aber beim Lesen schon mehrfach aufgefallen ist (letztens erst wieder bei den Eragon Büchern), ist das man manchmal eine Perspektive lieber mag als die andere. Wenn dann wieder ein anderer POV an die Reihe kommt ist das extrem nervig, weil man eigentlich lieber die andere Sicht weiter lesen möchte. Ich persönlich tendiere daher dazu so wenig Perspektiven wie möglich zu verwenden, wobei das wahrscheinlich auch eher Geschmacksache ist.

Lucien

Zitat von: Katharina am 29. Juli 2009, 15:20:45
Was mir aber beim Lesen schon mehrfach aufgefallen ist (letztens erst wieder bei den Eragon Büchern), ist das man manchmal eine Perspektive lieber mag als die andere. Wenn dann wieder ein anderer POV an die Reihe kommt ist das extrem nervig, weil man eigentlich lieber die andere Sicht weiter lesen möchte. Ich persönlich tendiere daher dazu so wenig Perspektiven wie möglich zu verwenden, wobei das wahrscheinlich auch eher Geschmacksache ist.

Das ist schon einleuchtend, aber auf der anderen Seite lassen doch mehrere Perspektiven dem Leser die Wahl, mit wem er sich identivizieren möchte. Ich z.B. habe die Eigenart mich gar nicht so unbedingt immer mit dem Prota zu identivizieren, sondern lieber mit Nebencharakteren, die mir sympatischer sind (Da wären z.B. Der Herr der Ringe und Harry Potter). Da wüsste ich dann gerne, wie denn diese andere Figur nun dazu steht, wie sie sich fühlt etc., erfahre das aber leider nicht und muss mich damit begnügen, mir meinen Teil zu denken.

Feather

Ich lese gern Bücher in denen ein Erzähler die Szenerie beschreibt, dabei versetzt ich mich gern in einen Charakter, da diese Erzählweise einen gewissen Spielraum lässt für eigene Gedanke/Gefühle...
Wobei auch die Perspektive mal wechseln darf z. B. in die 1. Person, wenn der Bruch nicht auf einmal kommt. Und sollte die Person schon ein paar mal in Erscheinung getreten sein, so dass ich weiß wer da spricht.
Abgegrenzt sollte das ganze natürlich auch sein, entweder mit einem neuen Kapitel oder zumindest mit einem Absatz.

Jedoch schreibe ich sehr gern in der 1. Person, zumindest in Kurzgeschichten liebe ich es.  Für längere Geschichten finde ich es nicht so passend, da das ganze schnell sehr eintönig wird, immer nur von einer Person zu lesen und ich nicht so gut auf die einzelnen Handlungen und Gefühle der Nebenfiguren eingehen kann.

Bei meiner aktuellen KG schreibe ich auch in der 1. Person, doch da ist noch ein kleines Problem.
Hoffe es ist in Ordnung wenn ich es hier mal rein, schreib da der Thread einfach super passend ist. Hoffe ihr könnt mir neben Perspektivdiskussionen  etwas helfen.

Geschrieben habe ich die Geschichte in der Ich-Perspektive, da ich so besonders die Gefühle meines Protas rüberbringen kann (die erst die gesamte düstere Stimmung rüber bringen). Jedoch stellte ich am Ende fest, dass er die Geschichte gar nicht selber zu ende erzählen kann, da er nicht mehr in der Lage ist. Er ist zwar nicht Tod, kann aber nicht mehr denken.
Also hab ich dann in die 3. Person gewechselt.
Jetzt stellt sich mir die Frage (an der ich schon einige Tage hänge) kann er die Geschichte überhaupt erzählen, da es ja zum Ende nicht mehr geht? Sollte ich komplett in der 3. Person schreiben? Aber irgendwie kommen dann seine Empfindungen nicht so an , da die ersten Seiten nur von ihm handeln und seinen Beobachtungen.

Romy

Wir hatten doch schon mal einen Thread zum Thema: Wenn der Ich-Erzähler stirbt *such* DA:

http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,4055.0.html

Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass das geht, aber es gibt ja anscheinend Gegenbeispiele, die auch gedruckt wurden. Und ich denke mir, wenn der Ich-Erzähler sterben kann, dann kann er genausogut das denken einstellen ...  ;) Allerdings würde ich innerhalb des Romans mich einmal entscheiden, ob ich die 1. oder die 3. Person nehmen und das dann von vorne bis hinten beibehalten.