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Perspektivenwechsel

Begonnen von Alaun, 14. Juli 2009, 15:56:19

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Tokanda

Ich denke auch, dass ein solches "Nacherzählen" von Szenen aus einer anderen Perspektive gut funktionieren kann, wenn du dem Leser damit "neues Futter" bietest, also zusätzliche Infos. Beispielsweise wenn du aus Perspektive von Figur B eine Erklärung für die Handlung einer Figur oder einem Ereignis bietest, das aus Perspektive von Figur A nicht erklärbar ist. Und damit für den Leser neue Erkenntnisse lieferst oder die Handlung vorantreibst.
Für jede Szene so zu verfahren, könnte allerdings für den Leser etwas ermüdend sein. Bei Schlüsselszenen wiederum kann das zusätzliche Spannung reinbringen. Ich würde sagen, es kommt darauf an, dieses "Nacherzählen" wohl dosiert einzusetzen, dann bleibt es auch für den Leser spannend. Wenn du das allerdings bei jeder Szene so machst, könnte sich bei "ungeduldigeren" Lesern schnell ein Abnutzungseffekt einstellen.

FeeamPC

So einen Wechsel empfehle ich nur, wenn tatsächlich neue Informationen hinzukommen, oder wenn die zweite Perspektive einen anderen Handlungsstrang liefert, der in dieser Szene mit dem ersten verknüpft wird. Es muss also für den Leser nachvollziehbar einen Grund geben, weshalb diese Szene zweimal erzählt wird. Sonst verlierst du ihn.

Rumpelstilzchen

Wenn es nicht zu häufig vorkommt, kann ich es mir recht spannend vorstellen, allerdings nur wenn nicht allzu viel von der Szene wiederholt wird. Wenn Fragen beim Leser bleiben, der vom Einschreiten von Person B nichts weiß, könntest du die in der Szene von Person B aufklären. Dann würde ich aber nicht die ganze Handlung wiederholen, nur soviel wie nötuig ist, dass der Leser weiß, dass es sich um das Ereignis handelt und mich bei der Perspektive von Person B mehr auf ihr Innenleben konzentrieren. So dass der Leser einen ganz anderen Einblick in die Szene bekommt, die vielleicht gefährlicher war, als man anfangs dachte, etc., und einen guten Einblick in Person B bekommen. Wenn das aber zu häufig auftritt, wird es vorhersehbar und kann sehr leicht langweilig werden.

Franziska

Ich bin bei sowas meistens eher genervt, da ich es bisher nur so gelesen habe, dass sich widerholt, was man schon weiß. Man sollte den Leser auch nicht unterschätzen, man kann sich teilweise auch denken, was eine Figur denkt und warum sie was macht. Vor allem wenn dann auch noch die ganzen Dialoge wiederholt werden, die man schon kennt, wird es langweilig. Wie die anderen schon meinten, kommt es darauf an, etwas Neues zu bieten. Das kann ich mir nur so vorstellen, dass die Person sich vielleicht nicht direkt dort befindet, wo vorher das Geschehen war, oder man macht es so, dass man den Charakter nur kurz über das Geschehen (was man schon kennt) reflektieren lässt, dann vermeidet man die Wiederholung. Man kann ja auch aus der Perspektive einer Figur rüberbringen, was eine andere denkt, nur wenn man das wirklich nicht ahnen kann, würde ich zu der wiederholten Szene greifen.

Faol

Ich hätte da auch mal ein Problem: Also ich schreibe im Moment aus zwei Perspektiven und schreibe immer den Namen drüber, aus welcher Perspektive ich gerade schreibe. Jetzt ist es so, dass beide Perspektiventräger eine Geschichte erzählt bekommen und zwar die selbe Geschichte. Sie befinden sich dabei an unterschiedlichen Orten und bekommen die Geschichte von unterschiedlichen Leuten erzählt. Jetzt war meine Überlegung beide Perspektiven bis zu dem Zeitpunkt wo die Geschichte beginnt zu schreiben. Dann beide Namen drüber zu schreiben und die Geschichte zu erzählen und dann wieder in meine üblichen Perspektiven weiter zu schreiben und die Reaktionen usw zu beschreiben. Also während der Geschichte denkt oder sagt keiner der beiden etwas, sodass die Geschichte eigentlich unabhängig von der Perspektive ist. Meint ihr, man kann das so machen als mit den zwei Namen über der Geschichte? Oder ist das komisch?
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Malinche

Du könntest die Geschichte auch ohne Namen obendrüber schreiben. Denn im Grunde ist das ja etwas Neues, es geht nicht direkt um die Perspektiven deiner Perspektivträger, und beide Namen gemeinsam würden mir als Leser zunächst suggerieren, dass sie eben doch am selben Ort sind, sodass ich das dann verwirrend fände. Aber ich stelle es mir im Gegenteil ganz hübsch vor, wenn die Geschichte - wenn sie denn wirklich wichtig ist auch für die weitere Plotentwicklung - mich kurz aus dem Lesefluss und den üblichen Perspektiven reißt und ich in den weiteren Kapiteln dann anhand der Reaktionen merke, dass beide Figuren diese Geschichte in unterschiedlichen Kontexten gehört habe.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass du die Geschichte in Abschnitte einteilst, die jeweils einer Perspektive zugeordnet sind (und dann wieder mit Namen). Das könnte deshalb reizvoll sein, weil du dann die Möglichkeit hättest, die Geschichte wirklich von den Leuten aus deinem Roman erzählen zu lassen und die jeweiligen Figuren mit ihrer Erzählstimme zu Wort kommen zu lassen, eventuell da auch schon ein bisschen einzubringen, in welchen Umständen die Geschichte jeweils erzählt wird und wie deine beiden Perspektivträger darauf reagieren. Das würde mir vielleicht sogar besser gefallen. Es wäre lebendiger und man würde aber trotzdem schnell merken, dass beide die gleiche Geschichte erzählt bekommen, auch wenn sie räumlich getrennt sind und mit anderen Personen interagieren.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Berjosa

Damit sollte für den aufmerksamen Leser klar sein, dass beide die Geschichte kennen. Spielt das für deine Planung eine Rolle?
Außerdem geht dabei unter, dass die Geschichte von zwei verschiedenen Personen erzählt wird. Damit verschenkst du vielleicht den einen oder anderen Spezialeffekt.
Trotzdem halte ich das für eine ganz geschickte Lösung. Ich glaube nicht, dass sie verwirrend wirkt. Erstens steht ja nach wie vor dabei, welcher Perspektivträger beteiligt ist, zweitens gehe ich mal davon aus, dass sich die zu erzählende Geschichte deutlich anders liest als die Handlung drumherum.

der Rabe

Was spräche denn dagegen, wenn es trotzdem so eine Art Minimaldialog gäbe, also im Sinne:

Geschichtenerzähler: "Ich muss dir was erzählen."
Prota: "OK, schieß los."
Geschichtenerzähler: blabla

Dann hättest du trotzdem noch die Sicht der Personen, aber auf das Rudimentärste runtergedampft.

Oder du unterbrichst die Geschichte an strategisch passenden Stellen (falls das geht) für kurze Bemerkungen, wie deine Protas die Erzähler gerade sehen. (Der Geschichtenerzähler fuhr sich nervös mit den Fingern durch die Haare und warf dem Prota einen unruhigen Blick zu.)



Eine dritte Möglichkeit - die vermutlich nicht passt, aber ich fand sie damals trotzdem ganz gut - habe ich in einem zweisprachigen Roman für Kinder gelesen: da wurde eine Szene beschrieben, die von den beiden Hauptprotas erlebt wurde, jeweils aus ihrer sicht. Das ganze wurde in zwei parallel laufenden Spalten dargestellt. Man hatte also beide Sichtweisen nebeneinander. (was vermutlich nicht funktioniert, wenn die Szene zu lang ist. :) )



Mit Gruß,
vom Raben
   :rabe:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Faol

Also ich will auf jedem Fall klar haben, dass beide die Geschichte hören ohne sie zwei Mal schreiben zu müssen. Gerade bei der einen Person will ich nicht, dass der Leser die Reaktion erfährt. Aber wen ich sie dann nur aus der anderen Sicht schreibe, wird nicht klar, das beide sie hören. Also es geht mir nicht darum die Geschichte aus den beiden Sichten darzustellen, sonder nur darum klar zu machen, dass sie die gleiche Geschichte hören.

Im Moment überlege ich die Variante von Malinche zu nehmen und die Geschichte in ein eigenes Kapitel zu setzen und außerdem noch Kursiv zu setzen. Ich hoffe nur, dass dann klar wird, das beide sie hören. Im Notfall entscheide ich das noch mal um, wenn ein Beta es unklar findet.

Die Geschichte in mehrere Teile brechen will ich nicht. Sie ist nicht all zu lang, aber sehr entscheidend für die zukünftige Handlung.
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(Robert Frost - The Road Not Taken)

Fianna

#69
Bekommen denn wirklich beide dieselbe Geschichte erzählt?
Immerhin werden diese von zwei verschiedenen Personen erzählt. Wenn also etwas "Mythologisches" rüber gebracht werden soll, erzählen die sicher nicht dieselbe Geschichte. Und wenn es um konkretere Ereignisse von Menschen oder gar ihnen selbst oder Freunden geht, werden die [sich] vermutlich noch mehr unterscheiden.

Jeder Erzähler bewertet doch das (was sie vorher selbst hörten/lasen) ganz anders. Bei einer abstrakteren Geschichte/Sage/Mythos - nehmen wir als Beispiel mal "Die Mumie (1999)" - kann man einerseits von einem machtbesessenen skrupellosen Menschen sprechen - andererseits könnte man auch eine tragische Liebesgeschichte erzählen.
Wenn es um Ereignisse geht, die den Erzählern oder Bekannten passiert sind, könnte man die Schuldfrage oder Opferfrage unterschiedlich bewerten... Oder die Motive, die zu den Ereignissen führten.

Also wenn 2 Personen quasi gleichzeitig von wiederum 2 verschiedenen Personen eine Geschichte erzählt bekommen, fände ich es unwahrscheinlich, dass beide dieselbe erzählt bekommen.
Sollen sie sich irgendwann mal an einer wichtigen Stelle damit beschäftigen, wäre es mir als Leser wichtig, dass sich eben rausstellt, dass es 2 verschiedene Versionen sind. Der eine könnte eine für den Plot wichtige Info daraus bekommen haben (eine Info, von denn den Erzählern nicht klar war, dass es für den Plot wichtig ist) und der andere nicht.
Oder sie unterscheiden sich in Bezug auf Motive, Schuld, was auch immer - wichtige Unterschiede, die die Protas beschäftigen.

Aber ohne diese Unterschiede (können ja auch minimal sein) fände ich als Leser das total unrealistisch und würde mich ärgern.


EDIT 27.08.2012:
Rechtschreibung.
Evt seltsam formulierte Sätze durch den Handy-Internet-Zugang wurden unverändert belassen.

Gugu

Hi, gibt zwar schon viele gute Ideen dazu aber mir ist auch noch etwas eingefallen ^^
wenn du sowieso zwei Perspektiven hast, würde es sich, find ich anbieten, diese kurz bevor die Geschichte erzählt wird in kurzen Abschnitten einander wechseln zu lassen, dann ist klar, das sie an zwei Orten sind und die gleiche Geschichte erzählt bekommen

So zum Beispiel

Porta 1:
Betritt die Bar. Drei Sätze drüber wie die Bar aussieht

Porta 2:
Wird eingeladen sich an das Feuer zu setzen. Drei Sätze über die Stimmung am Feuer.

Porta1:
Setzt sich an einen Tisch und hört wie der Mann am anderen Tisch beginnt eine Geschichte zu erzählen

Porta2:
Beobachtet wie eine ältere Frau sich zum Feuer setzt und diese beginnt eine Geschichte zu erzählen

Dann kannst du die Geschichte auch schön in ein eigenes Kapitel stellen ohne das es verwirrend ist
Also ganz kurze Abschnitte, die dann dahin führen, das beide an verschiedenen Orten eine Geschichte erzählt bekommen und diese die selbe ist

der Rabe

Ich stimme Fianna zu, der Gedanke war mir eben auch gekommen. Zwei Personen erzählen doch eine Geschichte nicht genau gleich, und mich würde das auch stören. Das erinnert mich an Filme, in denen sich die PErsonen immer Wort für Wort an GEspräche erinnern, die schon vor Jahren geführt worden sind.

Wenn du deine ERzähler also wirklich direkt erzählen lässt, und die Geschichte nicht so lang ist, würde ich überlegen, ob du sie vielleicht tatsächlich zweimal erzählen lässt, dann aber mit kleinen aber feinen Unterschieden. Immerhin kann es ja wirklich sein, dass Prota ein damit zu anderen Schlüssen kommt als Prota zwei, wie Fianna auch schon gesagt hat. :)
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Faol

Gut, ich verstehe was Fianna meint, aber mich würde es als Leser auch stören, zwei mal die gleiche Geschichte erzählt zu bekommen, nur mit einem unterschiedlichen Wortlaut, denn die Interpretation wird von beiden Erzählern gleich sein, weil sich die beiden Erzähler sehr sehr ähnlich sind.

Deswegen hatte ich ja gedacht die Geschichte deutlich von der Handlung abzusetzen. Dann ist hoffentlich einfach klar: Das ist die Geschichte und es kommt in diesem Moment weder auf den Erzähler noch auf den Zuhörer an.

@Gugu: Ja, so ähnlich habe ich mir das auch vorgestellt.
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Berjosa

Ich weiß ja nicht, ob das geplant ist, aber deine beiden Zuhörer könnten sich ja treffen oder sonst irgendwie in die Verlegenheit kommen festzustellen, dass sie von der entscheidenden Geschichte jeweils eine andere Version kennen. Vielleicht bei einem ziemlich wichtigen Detail, das sich in der "offiziellen" Version hinter einem eleganten Übergang oder einem Gummiwort versteckt ...

Thaliope

Zweimal die gleiche Geschichte zu lesen, um auf die kleinen Abweichungen zu achten, wäre mir auch zu viel, jedenfalls sobald die Geschichte länger als, sagen wir, drei Sätze ist. Da bin ich sofort raus ... Wohingegen ich Gugus Vorschlag gut finde.

Man könnte auch die Erzählung in einer Perspektive widergeben und die nächste Szene des zweiten Perspektivträgers wie folgt einleiten: In der Zwischenzeit hörte XY fast genau die gleiche Geschichte, nur mit dem Unterschied, dass ...

Das ist dann zwar eine explizit auktoriale Erzählerstimme, aber ich finde das allemal schöner, als zweimal die gleiche Geschichte lesen zu müssen, nur um ein paar feine Unterschiede zu erkennen - denn bis zu diesen Unterschieden würde ich höchstwahrscheinlich gar nicht lesen.

LG
Thali