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Perspektivenwechsel

Begonnen von Alaun, 14. Juli 2009, 15:56:19

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Tanrien

In, ach Gott, wie hieß es... Stackpoles Trilogie über die Cartographer stellt ab dem Ende des ersten Bands oder Anfang des zweiten der Schwertmeister einen Ich-Erzähler. Das ist in dem Sinne gut gemacht, als dass es überhaupt nicht ungewöhnlich ist oder stört, sondern logisch und nachvollziehbar, sowohl, was die Handlung als auch den Fluss der Geschichte angeht. Soweit ich mich erinnern kann, wechselt er die Perspektive [von 3. zu 1. Person], sobald er stirbt/unsterblich wird. Da ich den dritten Band nicht gelesen habe, weiß ich nicht, ob die Perspektive da möglicherweise zurück wechselt.

Grundsätzlich kann man ja alles machen, solange es passt. Und warum keinen Wechsel einbauen? Die wenigsten Leser stört das, sofern es nicht verwirrt, und viele finden es sicherlich auch spannend. Genauso wie viele Autoren "Zeitungsartikel", etc. in die Geschichte einbinden, kann auch bei der Perspektive die Form kreativer und offener werden - die "Regeln" gibt es ja nur, weil man bei ihrer Einhaltung auf jeden Fall etwas verständliches rausbekommt. Das kann man aber auch nach einiger Überlegung trotz Regelbrüchen schaffen.

Wird sicher spannend, da mal was neues auszuprobieren, mika! :)

Churke

Formal betrachtet ist es ein logischer Widerspruch, einer Geschichte zwei Erzähler zuzuordnen, von denen der eine ("ich") an der Erzählung teil nimmt und der andere ("er") nicht. Unterschiedliche Erzählformen haben unterschiedliche Horizonte. Die Geschichte entsteht schließlich nicht auf dem Papier, sondern im Kopf des Lesers. Bei mehreren Ich-Erzählern, wie von Zitkalasa angeführt, gibt es diesen Widerspruch nicht, wohl aber bei einer Vermischung von "Ich" und "Er".

Ich will damit nicht behaupten, dass man es nicht, nie und niemals tun kann, aber wenn man es tut, dann sollte man sich das sehr gut überlegen.

Mika

Hallo zusammen,

bislang ist noch immer keine wirkliche Entscheidung gefallen, welche Perspektive ich nun wähle. Habe allerdings meine Dozentin aus dem Narrativitäts-Proseminar, das ich momentan besuche, befragt und sie meinte es wäre seit der Moderne durchaus gängig mehrere Erzählinstanzen in einen narrativen Text zu packen, man müsste nur wie hier bereits genannt ein bisschen vorsichtig sein.

Um jetzt mal ein Feedback zu bekommen wie es sich ließt wenn ich mitten im Kapitel zwischen den Szenen hin und herspringe und gleichzeitig zwischen der Form, habe ich mal eine Leseprobe für drei Testleser verfasst um herauszufinden wie lesbar das Ganze ist bzw. welche Version, es stehen sowohl dritte als auch Ich-Form zur Auswahl, schöner zu lesen ist. Bislang habe ich nur ein Statement bekommen das meinte es lese sich erstaunlich gut mit der Ich-Form zwischen drin, verwirre nur anfänglich ein wenig. Mal sehen was die anderen beiden sagen... *bibber*

Bin mir durchaus im Klaren darüber dass derartige literarische Experimente meine Chancen bei irgendeinem Verlag genommen zu werden immens verringern. Klar, auf der anderen Seite interessiert mich eben gerade dieses literarische Experiment irrsinnig. Ich werde jetzt nicht anfangen meine komplette Geschichte umzuschreiben und die Version die durchgehend in der dritten Person verfasst ist werde ich auch noch aufheben. Ausprobieren möchte ich es aber auf alle Fälle  ;D

Danke euch allen nochmal für eure Meinungen zu diesem Thema! Ihr habt mir wirklich sehr geholfen!

Grüße
mika

Vivian

Huhu zusammen  :)

Perspektivenwechsel finde ich schon sehr interessant, vor allem wenn es neben dem Hauptcharakter auch noch andere, wichtige Persönlichkeiten gibt. Denn auch ihre Gefühle und Einsichten sind wichtig, finde ich. Ich habe auch mehrere Perspektivenwechsel (allerdings nicht zuviele, wird auf Dauer langweilig und zu kompliziert). Da es bei mir auch zwei Gruppen gibt, die jeweils unterschiedliche Abenteuer erleben, ist bei mir ein Perspektivenwechsel nicht aufzuhalten. Aber als Leser finde ich es wirklich sehr interessant, mehrere Perspektivenwechsel zu lesen.  :)

Zitat von: et cetera am 20. November 2010, 22:50:19
Spontan fällt mir da Bartimäus ein: Alles, was Bartimäus erlebt, wird in der Ich-Perspektive erzählt, während alles, was die beiden anderen Hauptpersonen erleben, in der dritten Person geschrieben ist. Bartimäus ist dabei schon recht eindeutig die wichtigste Person.
Der Perspektivwechsel war im allerersten Moment etwas irritierend, aber das verging schnell. Ich fand es jedenfalls sehr unproblematisch zu lesen (Zusätzlich steht über jedem Kapitel aber auch, aus wessen Sicht nun erzählt wird).

Genau. War irritierend, stimmt, aber man gewöhnt sich dran. Aber es ist möglich, die Ich- und die Er-Perspektive zu kombinieren.
Aber ich drücke dir die Daumen, mika, dass es bei dir gut klappt. :)

Kraehe

Hey,
ich würde auch meinen: versuchs doch einfach.
Klar, es ist unkonventionell. Aber ;).
Wenn besagter Chara 70% innehat, ist er/sie ja wirklich der Prota und es ist ja wirklich eine Möglichkeit, näher ran zu kommen. Ich hab das mit dem 1.- 3.-Personwechsel auch mal versucht und war zufrieden, wenn auch unsicher.
Ich hab das dann so behalten, weil ich einfach näher und authentischer ranwollte und auch kam. Und die fehlende, äußerliche Batrachtung des Ichs heben dann ja manchmal auch gut die anderen auf :)

Mika

Huhu :)
Da die Feedbacks meiner Testleser eigentlich durch die Bank positiv waren werde ich es jetzt probieren. Habe schon einige Szenen meiner Prota in die Ich-Form übertragen und es gefällt mir persönlich einfach viel besser sie so zu schreiben, weil ich ihr dann einfach so viel näher bin. Mal sehen wie es dann letztenendes aussehen wird. Momentan hält sie noch ca. 70% inne, zwar wird sich das noch etwas zu ihren Ungunsten ändern, ich denke am Ende werde ich bei ihr bei ca 55 % liegen, ist aber immer noch mehr als alle anderen da keine einzelne Person den Rest ausmacht sondern die übrigen 45% auf die anderen Figuren verteilt werden.
Ich freue mich schon drauf das Ganze so zu schreiben und bin euch sehr dankbar für eure Meinungen und die Motivation :)
*gleich mal wieder zum Netbook flitz und weiter umschreib*
Wird jetzt halt erstmal ne riesen Arbeit die ganzen Szenen die ich jetzt schon mit ihr in der dritten Person geschrieben habe umzuschreiben, aber was solls, hauptsache ich komm irgendwann zu nem Ende ^^ (so nach ca. 50 Szenen *grusel* bin ich immerhin dann so weit dass ich "normal" wie geplant weiterschreiben kann)
Liebe Grüße und Danke noch mal!
mika

Romy

Noch mal zwei weitere Beispiele, wo die 1. und 3. Perspektive im Roman gewechselt werden:

- Die Highland-Saga von Diana Gabaldon. Claire erzählt aus der 1. Person, die anderen Protas aus der 3. Person. Auch innerhalb eines Kapitels wird da manchmal die Perspektive gewechselt. Das fand ich erst Mal ungewohnt, ich mag es lieber, wenn Kapitelweise gewechselt wird. Aber okay, man gewöhnte sich dann recht schnell dran ;)

- Zwei Romane von Marion Zimmer Bradley: Hasturs Erbe und Sharras Exil. Die beiden Romane gehören zusammen. Es gibt zwei Protas, einer erzählt aus der 1. der andere aus der 3. Perspektive. Immer Kapitelweise abwechselnd und der Name, desjenigen, der gerade dran ist, steht jeweils drüber.

Ganz ähnlich mache ich es auch in meinem NaNo-Roman. Meine Hauptprota ist jedes zweite Kapitel dran und erzählt aus der Ich-Perspektive. Dazwischen habe ich immer andere Protas, die in der 3. Person erzählen. Das heißt, so was es geplant. Dann hat sich die zweitwichtigste Prota dazu entschlossen, ebenfalls aus der 1. Person erzählen zu wollen. Das ist jetzt das erste Mal, dass ich zwei Ich-Erzähler in einem Roman habe. Erst fand ich es seltsam, mittlerweile habe ich mich aber dran gewöhnt und finde es sogar ganz angenehm. - Es bleiben aber trotzdem noch zwei weitere Protas übrig, die aus der 3. Person erzählen. Wer gerade dran ist, schreibe ich stets rüber, dann kann es nicht zu Verwechslungen kommen.

Also lange Rede kurzer Sinn: Ich sehe bei diesem Wechsel gar kein Problem. ;)

Luna

Die Bücher "Der Clan der Otori" würde mir da noch einfallen. Er ist hauptsächlich in der Ich-Perspektive des Protagonisten Takeo geschrieben, dazwischen kommte aber auch seine Flamme Kaede in der 3. Person zu Wort. Ich hätte mit Perspektivwechsel auch keine Probleme.
Ich persönlich habe es eh nicht so mit dem Ich-Erzähler und war froh, wenn zwischendrin auch mal aus einer anderen Perspektive geschrieben wurde. Auch bei Büchern, die nur in der 3. Person geschrieben sind, finde ich es ganz spannend, wenn sie zwischendrin die Sicht anderer Personen als dem Hauptchara schildern. 

Söfchen

Ich krame den Thread hier mal wieder vor, da wir in einem anderen Thema darauf zu sprechen kamen.

Mir ist aufgefallen, dass ich häufiger die Perspektive wechsel. Auch innerhalb der Szene. Bisher fand ich das persönlich nicht schlimm (aber ich bin ja auch nicht der Leser *lach*). Nun frage ich mich aber, ob das doch ein Problem darstellt?
Ich schreibe auktorial, also somit weiß der Erzähler mehr als die Figuren. Von daher dachte ich, Perspektivwechsel wären okay.
Inwieweit geht so was wohl in Ordnung, ab wann wird es zu viel des Guten?
Es gibt ja auch Leser, die so etwas überhaupt nicht mögen. Wahrscheinlich ist es Geschmackssache.
Mal abgesehen davon, habe ich selbst auch schon einige Romane gelesen, wo oft die Perspektive gewechselt wird.

Sven

Auktorial IST eine Perspektive. Wenn du dabei bleibst, ist alles okay und du wechselst die Perspektive nicht. Allerdings solltest du beachten, dass man in der auktorialen Perspektive weniger dicht an den Charakteren ist, als beispielsweise bei einem Perspektivcharakter. Außerdem ist die auktoriale Erzählform heutzutage etwas aus der Mode gekommen, weil man durch sie einen "Draufblick" bekommt, der einen zwar sehen lässt, was passiert, der einen aber auch ein Stück weit von der Handlung wegrückt. Sprich, durch einen Perspektivcharakter (3. Person) ist man näher am Geschehen, das Erlebte wirkt autentischer.
Beste Grüße,
Sven

Mika

*mal den Thread wieder rauskram*
Ich habe momentan etwas das mir etwas Kopfzerbrechen bereitet und ich glaube hier passt es eigentlich ganz gut hinein. Ich hoffe ich habe nichts übersehen, was dieses Thema schon behandelt.

Es geht um folgendes: in meinem aktuellen Projekt kommt es gerade am Anfang häufiger vor, dass ich eine Szene aus der Perspektive von Figur A beschreibe, die aktiv agiert. Dann springe ich, eine oder zwei Szenen weiter zu Figur B, die sich momentan in einer Art Beobachterposition befindet und beschreibe die Szene/Situation die Figur A erlitten hat noch einmal aus der Perspektive von Figur B. Figur B denkt natürlich teilweise ganz anders darüber, greift gelegentlich in den Ablauf der Szene ein um Figur A zu beschützen, ohne dass diese es merkt. Oder eine andere Situation: Figur C erlebt eine Szene in der Figur D zum Beispiel gefangen wird. Später rekapituliert Figur D darüber wie sie gefangen wurde.

Nun meine Frage: Kann man das machen, oder laufe ich damit in Gefahr, dass es langweilig wird? Gerade am Anfang habe ich sehr häufig diese Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln. Je nach Figur bin ich ganz dort, verfolge deren Gedanken und durch den Blickwinkel ist die Szene immer etwas anders. Dennoch bleibt die Handlung für den Leser ja schon bekannt. Kann man das machen? Was mache ich, wenn so etwas gerade am Anfang einer Geschichte häufiger vorkommt?

Generell gefragt: wie denkt ihr darüber? Was haltet ihr davon ein und die selbe Szene aus verschiedenen Blickwinkeln dazustellen?
Ich habe zwar schon einmal ein Buch gelesen, das sämtliche Szenen aus zwei Blickwinkeln bzw. zwei Figurenperspektiven beschrieben hat und fand das auch durchaus interessant, aber wie stehen potenzielle Leser generell zu so etwas? Wie sollte man sowas handhaben?
Ich bin gerade etwas verunsichert und hoffe ihr könnt mir vielleicht helfen?

Alana

Ich finde, so etwas kann sogar sehr spannend sein. Es kommt ja nicht auf die Handlung an sich an. Wir alle wissen doch, wie Cinderella ausgeht. Und trotzdem kommt jede Verflimung wieder gut an. Wie es dargestellt wird, ist interessant. Besonders, wenn zwei Charaktere die Szene völlig anders erleben, kann das lustig oder sogar gruselig sein. Ich denke, man muss darauf achten, dass es genug neue Information für den Leser gibt, (das kann auch Charakterinformation sein, also Gedanken, Rückschlüsse und dergleichen) damit es spannend bleibt. Wichtig ist vielleicht auch, dass offen bleibt, wie die andere Person am Ende der Szene reagiert. Also du schilderst die Szene aus Sicht von A. Der begegnet B vielleicht, weiß aber nicht, was B am Ende der Szene vorhat. Bevor er es herausfindet, wechselst du zu B und erzählt seine Sicht und das Ende der Szene.
Problematisch sehe ich eher die Rückblenden. Da würde ich mich auf die wirklich wichtigen Details beschränken und keine komplette Nacherzählung aus Sicht des anderen Protas machen.
Alhambrana

Gugu

Hi Mika,

eine schwierige Frage. Ich denke grad am Anfang des Buches könntest du damit Schwierigkeiten haben, vor allem wenn du ungeduldige Leser hast so wie mich,..ich neige nämlich dazu einfach weiter zu blättern wenn sich etwas wiederholt.

Ich denke es ist eine gute Methode ein Buch stilistisch auf zu peppen aber ich würde es nicht zu oft anwenden.

Es kommt auch ein wenig auf deine Zielgruppe an, ein jüngeres Klientel wird eher ungeduldig sein, während (ich lehn mich mal aus dem Fenster) älteren/reiferen Lesern es vielleicht gefallen könnte. Aber wie gesagt das ist meine Meinung,...ich kann da leider nicht auf Erfahrung zurückgreifen.
Wobei mir grad eine Szene einfällt,...ich weiß leider nicht mehr aus welchen Buch,...da kämpft die Protagonistin und wird schwer verwundet und dann wechselt die Perspektive auf ihren Freund/Liebhaber und die Szene wird noch einmal aus seiner Sicht geschildert,...das fand ich eigentlich ganz gut,...aber es war am Ende des Buches und ich glaube nur die eine Szene.

Also Fazit: Ich kann mir Vorstellen das es spannend ist, würde es aber nicht  zu häufig einsetzen ^^

Sprotte

Ich habe das in "Arrion" germacht und bekam dafür Betaleserschelte. Gerade wenn das überstrapaziert wird (längere Szenen, auch wenn sie aus unterschiedlicher Sicht sind), kann es langweilen und ermüden. "Jaja, weiß ich doch, hab ich doch eben alles schonmal gelesen."

Romy

Ich finde sowas recht spannend (auch als Leserin) und habe so was auch schon geschrieben.
Was aber doch wichtig ist, wie ich finde, ist dass die zwei Protas, die nacheinander dieselbe Szene beschreiben, das Geschehen völlig anders erleben, anderes Vorwissen und/oder andere Grundvoraussetzungen haben und/oder andere Schlüsse ziehen. Es kann auch sehr lustig sein, wenn zwei Figuren ein und dasselbe Geschehen vollkommen anders bewerten. ;D
Und vielleicht erleben Figur zwei und drei die Szene nicht komplett noch mal durch, sondern nur das Ende und/oder sie reflektieren das Geschehen noch mal aus ihrer Sicht.

Also ich würde sagen, man kann das auf jeden Fall machen, aber es muss dann jedes Mal etwas Neues drin sein, um den Leser bei Laune zu halten. Der sollte schon merken, dass es sich lohnt, auch die "Wiederholung" noch mal zu lesen.

Und ja, mit jeder einzelnen Szene im Roman würde ich das nun auch nicht machen. Aber wenn es sich z.B. um wichtige Schlüsselszenen handelt, halte ich das doch schon für spannend, die aus verschiedenen Sichtweisen miterleben zu können.