Ich gehöre ja zu den Leuten, die was Fernsehen angeht noch sehr altmodisch unterwegs sind. (Mein Fernseher ist zu alt für Internet, funktioniert aber sonst noch super und der Laptop-Bildschirm ist mir zu klein fürs Fernsehen.) Dabei habe ich aber nicht den Eindruck, dass die Qualität in der Breite nachgelassen hat, sondern es gibt nach wie vor Schrott, leichte Unterhaltung, gute Sachen, Hochanspruchvolles... Wobei ich allerdings zugeben muss, dass Filme auf mich sowieso immer einen eher vorübergehenden Effekt haben und mich nicht so dauerhaft bewegen, wie das manche Bücher in der Kindheit und Jugendzeit getan haben.
Ein Punkt, der vielleicht auch manchmal den Genuss mindert ist die heutige Tendenz, alles genaustens zu sezieren, ob da irgendetwas rassistisch/sexistisch... ausgelegt werden könnte, oder ob sich die Schauspieler:innen entsprechend verhalten oder geäußert haben und man dann deswegen den Film nicht mehr mögen darf, ohne sich selbst mit solchen Einstellungen gemein zu machen. Ein ähnliches Phänomen wie die schon angesprochene Autoren-Metaebene bei Büchern, wo man dann die Plotbausteine und Klischees analysiert, statt sich wirklich auf die Geschichte einzulassen und sie dann nicht mehr mögen kann, weil man etwas schlecht Gemachtes entdeckt hat.
Eine Tendenz, die mir im Filmbereich auch nicht gefällt ist die, dass man jetzt überall wieder versucht, alte Erfolgsgeschichten wieder aufzuwärmen, wie das ja gerade mit Star Wars exzessiv geschieht. (Wobei sich mir der Reiz dieses Settings zugegebenermaßen nie erschlossen hat.)
Allgemein kann man meiner Meinung nach festhalten, dass es durch das enorm wachsende Angebot inzwischen nicht mehr so viele Werke gibt, die von einer sehr großen Anzahl von Menschen verfolgt und diskutiert werden. Früher gab es im Fernseher mal ein Programm und jeder hat gesehen, was da kam, dann kamen die Privaten und dann irgendwann die Streaming-Angebote, wo sich jetzt jeder sein eigenes maßgeschneidertes Programm zusammenstellen kann.
Dieses Gemeinschaftserlebnis und das gemeinsame Spekulieren war meiner Meinung nach auch einer der Hauptaspekte, die das Phänomen Harry Potter ausgemacht haben. Dazu musste die Geschichte nicht brillant geplant und geplottet sein, sondern es mussten nur für sehr viele interessante Elemente dabeisein, die man weiterspinnen konnte und das war offensichtlich der Fall. Ich muss auch zugeben, dass ich nach wie vor immer noch ganz gerne gute Harry Potter-Fanfiction lese, also eigentlich ein ganz ähnliches Phänomen wie das Wiederaufwärmen von Star Wars und Co nur ohne kommerzielles Interesse.
Speziell beim Thema Fantasy wäre ich vor fünfzehn+-Jahren bestimmt eine von denen gewesen, die der Meinung sind, dass mehr Grautöne und weniger Schwarz-Weiß schön wären. Inzwischen hat sich der Trend aber so stark verändert, dass ich mir das Gegenteil wünschen würde, also mehr moralische Klarheit.
Wenn ich mich damit befassen möchte, wie sich verschiedene Fraktionen, die ein paar verständliche Motivationen und jede Menge Hass und Machtstreben haben, gegenseitig Gewalt antun, kann ich Nachrichten schauen, oder ein Geschichtsbuch aufschlagen, dafür brauche ich kein Fantasy-Buch und erstrecht keins, wo der Hauptunterschied zur Realität im Fehlen moderner Waffen besteht.
Womit ich bei meinem zweiten Kritikpunkt an moderner Fantasy wäre: Man sollte mal wieder mehr Fantasie wagen.
Herr der Ringe, Die Unendliche Geschichte, Narnia, Harry Potter... sind alle vollkommen unterschiedlich und trotzdem alle voller fantastischer Elemente, die den Reiz etwas Neues, Unbekanntes zu entdecken mit sich bringen und einen in eine völlig fremde Welt eintauchen lassen. Heute hat man stattdessen Werke wie Game of Thrones, die sich eher wie extrem gewalt- und sexlastige (pseudo)historische Romane lesen.
Aber irgendwie habe ich ja die Hoffnung, dass sich da aus den Erfahrungen der Corona-Krise früher oder später mal wieder ein neuer Trend entwickeln wird...
Natürlich sind solche Spekulationen immer schwierig, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass diese "Grim and Gritty"-Werke das Ergebnis eines sicheren, übersättigten Lebens waren, wo man als Ausgleich gerne mal in Gewalt schwelgen will.
Wobei ich auch vermute, dass die Veränderungen des Selbstbildes zumindest in progessiven britischen und amerikanischen Kreisen auch eine Rolle dabei spielen. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat man sich selbst für die Guten gehalten, die die bösen Nazis besiegt und der Welt Zivilisation, Freiheit und Demokratie gebracht haben. Heute dagegen hält man sich eher für die umweltzerstörenden, ausbeuterischen Sklavenhalter und Kolonialisten und die Vorstellung, anderen Zivilisation zu bringen ist sehr aus der Mode gekommen...