Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es ein Stück weit mit dem Alter zu tun hat. In meinen Teens- und Tweensjahren haben mich Bücher und Serien ganz anders mitgenommen. Da hätte es niemals einen Mittwoch Abend ohne Buffy geben dürfen (ich weiß sogar noch, dass es immer mittwochs war), ich habe teilweise vier Bücher gleichzeitig gelesen und alle vier haben sich gleichsam in mein Hirn gebrannt. Zum einen gaben mir diese Dinge etwas. In dem Alter war ich ncoh großteils frei von Sorgen und auf dem Weg meinen Platz zu finden. Da gabs einfach noch eine Menge zu lernen. Zum anderen war ich (und vermutlich auch viele andere) deutlich eher bereit mich in einen Hype reißen zu lassen. Ich hatte einen Ordner mit gesammelten Fakten rund um die drei Fragezeichen - wer sieht wie aus, wie alt sind sie, wer hat wo welche Narbe und wieso und wie oft wechselt Blacky seine Spezies usw.
Mittlerweile bin ich in den 30ern und würde sagen, die Zeit des Forschens ist vorbei. Ich habe meinen Platz gefunden und es herrscht zunehmend das Gefühl das meiste schon gesehen zu haben (stimmt natürlich nicht) Folglich schaffen es auch Unterhaltungsmedien schwerer bei mir zu punkten. Oft ist das Résumé nur noch ein : Kenn ich schon, war aber nett umgesetzt. Damit bleibt man aber natürlich nicht im Gedächtnis. Und um gehypte Sachen mache ich mittlerweile nahezu aus Prinzip einen Bogen und habe schon selbst lange keinen Hype mehr mitgemacht.
Dann spielt bei mir auch Zeit eine Rolle. Heute bin ich nach 9h plus Arbeit, Familie versorgen und Haushalt schon froh, wenn es abends für eine entspannte Stunde reicht und kürzere oder auch längere Warte- und Fahrtzeiten werden halt doch meist mit dem Smartphone überbrückt. Ich habe den Kopf oft nur selten frei, um mich auf ein Buch wirklich einzulassen. Das wird konsumiert (wenn es denn dafür noch reicht) und dann weggelegt. Früher hatte ich einfach mehr Zeit zur freien Verfügung und damit auch mehr Zeit mich auf Unterhaltungsmedien einzulassen. Da hatte ich noch Zeit mich über den Zeitpunkt des Konsums hinaus damit zu beschäftigen. Oft musste man das ja auch. Streaming Dienste gab es noch nicht. Also musste man eine Woche auf die nächste Folge seiner Lieblingsserie warten und wenn die Staffel zu Ende war, tja, dann erwartete einen die lange Durststrecke der Sommerpause und man wünschte sich inständig Zugriff aufs amerikanische Fernsehen, wo die nächste Staffel bereits ein paar Wochen früher anlief. Bei Büchern verhielt es sich ähnlich. Amazon kam bei mir zwischen 2000 und 2004 irgendwann an. Davor war ich ganz normaler Stammkunde in meinen Lieblingsbuchhandlungen und in der Bibliothek. Wenn ich ein Buch wollte, musste ich dorthin und es suchen oder bestellen und das dauerte. Wenn ich noch nicht wusste, was ich wollte, musste ich vor Ort eben stöbern und nach unentdeckten Schätzen stöbern hat seinen ganz eigenen Reiz. In jedem Fall verging Zeit, bis man ein neues Buch in den Händen hielt. Man konnte sich richtig darauf freuen und ich glaube auch das macht einen Großteil dessen aus, wie wir ein Buch wahrnehmen.
Heutzutage stapeln sich die SuBs in der Regel bis unter die Decke. Will ich einen Titel haben, genügen zwei Klicks und ich habe ihn auf meinem Reader. Bestehe ich auf ein "echtes" Buch muss ich halt 24h warten, aber dann ist es auch da und ich bin dafür keinen Schritt vor die Tür gegangen. Neben dem tatsächlichen SuB, der sich in meinem Besitz befindet gibt es noch eine gut ebensolange Wunschliste bei Amazon. Die werde ich niemals abgearbeitet kriegen und wenn ich ein Buch gelesen habe, wartet bereits das nächste und dahinter das nächste und ich habe gar keine Zeit mich davon fesseln zu lassen.
Mit Serien verhält es sich ähnlich. Wenn ich eine Serie schauen will, dann mach ich das notfalls auch alle 8 Staffeln am Stück. Da gibt es kein Warten mehr, kein hoffen, dass die nächste Staffel auch tatsächlich noch in drei Monaten gesendet wird, keine Spekulationen ob der Prota nun in die Falle tappt oder nicht. Ein Klick und ich werde es erfahren, indem ich einfach direkt im Anschluss die nächste Folge schaue. Hinzu kommt dann noch das Überangebot. Es gibt einfach viel zu viel zu schauen, zu lesen und auch zu hören. Da fällt es schwer die Diamanten herauszupicken. Früher war das auch nicht unbedingt einfacher, aber ich glaube wir waren geübter darin und das Angebot war einfach kleiner.
Abschließend kommt bei mir noch hinzu, dass ich heute mit Autorenerfahrung auf die dinge blicke. Ich durchschaue Plotschemata, halte unbewusst die Schablone über das Buch/die Serie und schnalze genervt mit der Zunge, wenn ich Abweichungen erkenne. Der innere Lektor lässt sich nur schwer abstellen und verleidet oft den reinen Genuss.
Daher glaube ich nicht unbedingt, dass die Unterhaltungsmedien flacher geworden sind, wobei es auch sehr viel mehr Fließbandware nach Schema F gibt, sondern dass es vor allem daran liegt, dass sich unser Konsumverhalten und unsere Lebensumstände verändert haben. Natürlich sind Serien und auch Bücher heute anders konzeptioniert als damals. Früher wurden Serienepisoden entsprechend der Werbeblöcke konzeptioniert, nun konzeptioniert man sie fürs Bingewatching. Früher nahm man sich mehr Zeit für Geschichten. Es wurde deutlich langsamer erzählt. heute gleichen Unterhaltungsmedien oft eher einer Achterbahnfahrt. Ich glaube aber nicht, dass das eine besser ist als das andere. Es ist nur anders.
Man sagt ja auch gern, dass das Kinderfernsehen von heute die reinste Katastrophe ist und pure Grütze und früher war alles besser als es noch die Gummibärenbande gab und eine pummlige Biene Maja. ich finde auch, dass vieles im Kinderprogramm viel zu hyperaktiv ist. Es entspricht absolut nicht meinen Sehgewohnheiten und auch nicht dem, was ich von Kinderfernsehen erwarte (und wir haben auch eine ganze Menge grütze geschaut). Dennoch gibt es auch hier genug, was den Kids von heute eine ganze Menge geben kann und sie begeistert und ja, wenn man sich als Erwachsener die Mühe macht und sich dazu setzt, kann man sogar verstehen wieso.