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Zweifelhafte Botschaften in Jugendbüchern - was geht noch?

Begonnen von Nightingale, 16. Januar 2013, 21:13:12

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Kati

ZitatDas ist doch unmöglich festzumachen. Wenn ich schreibe, dann kann ich doch nicht noch auf das letzte weltfremde Tschapperl Rücksicht nehmen?

Da hast du mich jetzt falsch verstanden.  ;) Es geht mir nicht um den letzten weltfremden Tschapperl, sondern um einen Großteil der 10-12jährigen. Ich habe doch auch gesagt, dass ich genauso "Erklären statt Wegnehmen"-Fraktion bin wie du und Michaela. Ich wollte das nur nochmal erläutern, einfach meine Meinung nochmal klar machen. Und mir geht es auch nicht um Drachen und Zwerge, nicht einmal um fragwürdige Beziehungsbilder, sondern um Aussagen wie: "Alle Emos schneiden sich in die Arme" und andere gesellschaftliche Klisches. Dass es die gibt, weiß ich aus meiner eigenen Schulzeit noch gut genug und ich denke, dass Bücher sie hervorrufen oder verstärken können. Ich bin nicht gegen differenzierten Umgang mit heiklen Themen. Ich bin gegen ignorante Aussagen wie die obrige, die einfach so völlig unreflektiert in Jugendbüchern stehen. Und, während ich dir Recht gebe, das jeder Autor das Recht hat, seine eigene Meinung in seinen Romanen zu vertreten, denke ich auch, dass Verlage da besser aufpassen sollten. Denn so hasserfülltes Gefasel hat in Jugendbüchern nichts zu suchen, wenn es kein Stück reflektiert oder kritisch betrachtet wird.

Nochmal kurz: Niemand soll irgendetwas nicht lesen dürfen, aber man sollte seinen Kindern schon beibringen, kritisch damit umzugehen. Aber leichtfertig hingekritzelte Ignoranz geht für mich einfach gar nicht. Man würde doch auch nichts drucken, in dem jemand ganz offen heraus sagt, dass er keine Schwarzen mag. Wieso also sind diese Aussagen erlaubt, wenn es durch die Blume gesagt oder von schwarzen Figuren abgesegnet wird (alles schon gesehen)?

Alana

#46
Ich halte es für eine Illusion, dass man Kindern vorschreiben kann, was sie lesen sollen. Und ich weiß auch nicht, ob ich das möchte. Ich habe mich von Anfang an völlig frei zwischen den Büchern bewegt und will das eigentlich auch für meine Kinder.

Aber dass ich es viel wichtiger finde, Kindern beizubringen, Bücher richtig zu bewerten und zu lernen, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, als Bücher zu zensieren, das habe ich schon bei der Diskussion um Shades of Grey gesagt. Das ist aber meiner Meinung nach nicht dadurch zu erreichen, dass man Kindern vorschreibt, was sie lesen dürfen. Sondern gründet mehr auf den Erfahrungen, die sie im Real Life machen. Natürlich ist es sinnvoll, mit Kindern über Bücher zu sprechen, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mehr im Diskussionsmodus. Das denke ich zumindest.
Alhambrana

Kay

Schade, dass wir nicht Ton haben, sonst wäre der Austausch leichter.

Ich habe halt ein freieres vllt. reiferes Bild von jungen Lesern als Du, maße mir aber nicht an, dieses als das Richtigere zu bezeichnen.
Gerade diese inzidenten Bilder sind schwer greifbar. Oft nicht mal dem Autor selbst bewusst. Max Frisch hat zu den Rezensionen von Homo Faber an einen Freund geschrieben, dass er bewundere, was die Kritiker aus seinen Werken herausläsen, denn das hätte er nie hereingeschrieben.
Das soll nicht heißen, dass man sich nicht hinterfragen muss, was man da so verzapft - aber das gilt doch für jedes Gespräch auch (Erst denken, dann reden/schreiben).

Nur in Zeiten, in denen via E-Book der Verlag unweigerlich an Bedeutung verlieren wird, muss der Leser lernen, kritisch zu sein. Gerade die jungen Leser werden das E-Book viel unbefangener in Empfang nehmen als wir das tun und so wie bei der Musik längst üblich, ihre eignen Kanäle eröffnen und bedienen. Bis wir "Alten" kapieren, dass irgendwelche Zappelvideos angesagt sind, haben sie unsere "Kurzen" doch längst fünfmal um den GLobus gejagt. Da es eine Illusion ist, dass wir nur "verantwortungsvolle" und "geschmackssichere" Indie-Autoren haben werden (auch wenn eine Mahnung wie Deine gewiss nicht schadet), können wir die Stafette nur an die Leser (und ihre Erzieher) weiterreichen.


Kati

Man kann eh nicht sagen, was das richtige Bild ist und was nicht. Und, nochmal, ich bin auch nicht dafür Bücher wegzunehmen. Ich bin dafür, mit Jugendlichen zu reden, damit sie zu kritischen Lesern werden können. Das passiert nicht von allein. Ich selbst habe sehr spät geschaltet, was in einigen Jugendbüchern abgeht. Ich habe einiges einfach überlesen und da bin ich sicherlich nicht die einzige. Bei mir ist einfach Schluss, wenn mir eine Fünfzehnjährige erzählen will, dass es romantisch ist, eine Vergewaltigung zu verzeihen, weil das in einem Buch so dargestellt wurde. Das finde ich traurig. Ich finde es aber genauso traurig, wenn mir das jemand in meinem Alter oder jemand um die 30 erzählen will. Oder mir sagt, er sähe in so einem Buch überhaupt kein Konfliktmaterial. Und deshalb finde ich, sollte man mit Kindern und Jugendlichen viel eher und mehr über solche heiklen Themen sprechen. Auch in der Schule, nicht nur zu Hause.

Wir Autoren unterschätzen manchmal, welche Auswirkung wir auf unsere Leser haben können. Wir werden gehört, auch in Unterhaltungsromanen. Und wieso wollen wir dann ignorante, verletzende Botschaften vermitteln, anstatt zu versuchen, ein positives Bild von Themen zu malen, die heute noch als "schräg" betrachtet werden oder problematische Themen wie Vergewaltigung behutsam zu behandeln und nicht als Unterhaltungselement zu verwenden? Ich denke, viele Autoren unterschätzen einfach, welche Auswirkungen ihre Bücher haben. Besonders, wenn man ein Buch lieb gewinnt, hört man manchmal auf das Gedankengut, das darin vermittelt wird. Und, freie Meinungsäußerung hin oder her, das sollte in Jugendbüchern kein Gedankengut sein, dass andere Menschen verletzt oder erniedrigt. 


Kay

D'accord.  :vibes:
Ich verstehe jetzt nur nicht genau, wo ich etwas anderes sage. Autoren sollten sensibler in Bezug auf ihre Wirkung sein. Leser kritischer.

Kati

Wie du sagtest, manchmal fehlt dem Forum einfach der Ton.  ;D Es ist nicht immer ganz leicht gleich klar zu machen, was man meint oder zu verstehen, was andere meinen.

Zurvan

Auffällig ist, dass hauptsächlich von Romanen die Rede ist, in der junge Frauen in Selbstaufopferung für ihren Mann einstehen. Ich mag diese Konstelationen auch nicht, aber im Vergleich zu Drogenmissbrauch wird es erstaunlich häufig erwähnt. Nur eine Feststellung von meiner Seite.

Trigger-Buttons kannte ich noch nicht, finde ich aber richtig so. Auf Videospielen gibt es solche "Buttons" schon seit Ewigkeiten.

Dass ein Autor allerdings die volle Verantwortung für die Erziehung eines Jugendlichen/Kindes übernehmen soll und auf keinen Fall kritische Themen schreiben darf, halte ich für fragwürdig.
Natürlich gibt es die Kinderbücher, in denen immer das unscheinbare Mädchen über die Zicke gewinnt. Drehen wir den Spieß mal gedanklich um und machen die Klischeezicke mal zum Protagonisten. Sofort wäre es ein "Problembuch", mit dem man Rauschmittelmissbrauch, Grenzenüberschreitung und Ähnliche heikle Themen verbinden würde und wir stünden vor dem hier diskutierten Problem. Wenn man ein völlig anderes Bild schreibt, als das Publikum erwartet, werden viele nicht weiterlesen wollen.

Das ist etwa so wie Zwerge entweder unterirdisch leben, Handwerklich mit Schmiede zu tun haben und/oder klein, gedrungen und bärtig sind. Niemand wollte lesen, dass Zwerge hochgewachsene Elfenarten sind, die einfach nur ein Faible für Maschinen haben und bereits jetzt kleine KIs für Kriegsmaschinen zusammenbauen und irgendwann wegen ihres Atheismuses Probleme mit anderen Völkern bekamen. (Ja, das Beispiel ist aus Morrowind geklaut.)

Abschließend kann ich sagen, dass gewisse Problematiken keinesfalls gestrichen werden sollten und mir fehlt auch in den grenzwertigen Romanzen ein klarer Kopf, der den Plot neutral bewerten kann. Die beste Freundin beispielsweise, die niemals einfach zuguckt wie die Prota bevormundet wird und nur noch für ihn da ist.

Ich erinnere mich an einen sehr schönen japanischen Film, der als Gesellschaftskritik gedacht war. Er behandelte Selbstmord, Prostitution, unerfüllte Liebe, Akzeptanz in der Schule und einige Themen mehr, die Jugendliche sehr bewegen. Dieser Film hat es hinbekommen keine Wertung dazu abzugeben. Er hat alles in einer Konstellation gezeigt, in der der Zuschauer dazu aufgefordert war sich Gedanken darüber zu machen. Natürlich geht das in Büchern nicht so einfach, da man sich mit den Charakteren viel länger als 90 Minuten auseinandersetzt und erlebt. Aber ich denke, dass Filme wie dieser zeigen, dass man eine Fülle an grenzwertigen themen verwenden kann, ohne irgendetwas zu verherrlichen oder völlig zu verteufeln. (Er hieß Colorful, falls es jemanden mal reizt. Nicht in deutsch verfügbar.)

Zanoni

Zitat von: Zurvan am 21. Januar 2013, 10:56:13Dass ein Autor allerdings die volle Verantwortung für die Erziehung eines Jugendlichen/Kindes übernehmen soll und auf keinen Fall kritische Themen schreiben darf, halte ich für fragwürdig.
Für die Erziehung insgesamt sicher nicht, aber er muss zwangsläufig die Verantwortung für das übernehmen, was er schreibt!
Und die Ideen, Ideale und Botschaften (direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst), die in seinen Werken enthalten sind.

Ein Beispiel: Eine Geschichte, deren (bewusste oder unbewusste) Botschaft in der Aussage besteht, dass man sowieso machen kann, was man will, es wird nichts dabei heraus kommen, weil der Einzelne machtlos ist, wird sicherlich eine völlig andere Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben als eine Geschichte, deren (bewusste oder unbewusste) Botschaft in der Aussage besteht, dass jeder Einzelne etwas bewirken kann, wenn er den Mut hat, etwas dafür zu tun.

Man sollte nicht vergessen, dass Autoren Multiplikatoren sind! Daher ist es durchaus sinnvoll, wenn sich jeder Autor fragt, welche Ideen er mit seinen Werken verbreitet und ob er das wirklich will.

Ich würde das mit einem Wissenschaftler vergleichen, der an etwas forscht, was sehr gefährlich sein könnte ... zum Beispiel Gentechnik, Atomkraft o.ä. - der kann sich natürlich auch auf die Position zurückziehen, dass er ja nur der Forscher ist, und nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann, was die anderen dann mit der Entdeckung anstellen.

Allerdings würde ich diese Frage nicht unbedingt unter "(Selbst-)Zensuraspekten" sehen, wie es der andere parallel laufende Thread vielleicht nahelegen könnte, sondern mehr als eine Empfehlung zur bewussten Auseinandersetzung mit dem, was man schreibt, und welche Wirkung das eventuell haben könnte.

Wenn wir mal sehr weit in die Vergangenheit zurückgehen, waren es vor allem die "Geschichtenerzähler", die den nachfolgenden Generationen die Ideen, Ideale, Werte und ganz allgemein die "Weltinterpretation" weitergegeben haben. In Form von Geschichten. Noch heute lässt sich anhand solch alter Geschichten einigermaßen gut nachvollziehen, wie die jeweiligen Gesellschaften/Kulturen "getickt" haben müssen, und was ihnen wichtig war. Wenn wir heute die Situation anschauen, dann gibt es das so natürlich nicht mehr.

Kati

Vorweg: Ich habe gestern einen wunderbaren Artikel entdeckt, der genau das ausdrückt, was ich denke, nur viel besser, als ich es je könnte. Einige kennen ihn bestimmt schon, er ist schon was älter, aber ich verlinke mal: Bad Romance : YA & Rape Culture. Darin setzt sich die Autorin mit genau den hier angesprochenen Themen auseinander und das am Beispiel von Becca Fitzpatricks Bestseller (!) "Engel der Nacht" (englisch: Hush Hush).

ZitatDass ein Autor allerdings die volle Verantwortung für die Erziehung eines Jugendlichen/Kindes übernehmen soll und auf keinen Fall kritische Themen schreiben darf, halte ich für fragwürdig.

Es geht ja nicht darum, dass ein erwachsener Autor die Erziehung eines Kindes übernehmen soll und gewisse Dinge nicht mehr schreiben soll. Es geht darum, dass ein erwachsener Autor überlegt, ob seine Geschichte für nicht erwachsene Menschen geeignet ist und sie so erzählt, dass sie es ist. Wir machen ja auch einen Riesenhehl daraus, Jugendbücher gewaltfrei zu halten und ich denke, das sollte auch für psychische Gewalt gelten. Natürlich wird es auch AutorInnen geben, die sich völlig bewusst sagen, dass es okay ist, Frauen als schwach und hilfsbedürftig darzustellen. Aber ich denke mal, sehr viele AutorInnen sind sich gar nicht bewusst, welche Werte sie vermitteln.

Debbie

#54
Oh je, oh je, ich bereue gerade den Artikel gelesen zu haben ...  :wums:  Vor allem da es um ein Buch geht, dass ich zweimal gelesen hab - und diesbezüglich eine ganz andere Meinung vertrete, als die Verfasserin des Artikels!

Ich glaube langsam wirklich, dass diese Sichtweise tatsächlich eine Generationsfrage ist - oder auch nicht, denn die Mehrheit der Leserinnen hat das Buch offensichtlich gemocht, bzw. auch nicht so empfunden. Vielleicht ist diese "Wir-müssen-immer-und-überall-zeigen-wie-emanzipiert-wir-sind"-Bewegung einfach nur ein kleiner Teil der jetzigen YA Generation  :hmmm:

Kritikpunkt 1 wäre dementsprechend: Es ist ein Fantasy-Buch! Der Bio-Lehrer handelt nicht nach freiem Willen (was explizit erklärt wird!), Nora sagt nichts wegen dem Maskenmann, weil alle Anzeichen für einen Überfall auf wundersame Weise verschwunden sind, als sie daheim ankommt. Diese Dinge passieren in der Realität nicht, und können dementsprechend nicht als Gradmesser für die Message des Buches oder die Autorenmeinung herangezogen werden, da sie nicht aufs echte Leben übertragbar sind. Inwieweit der Fantasy-Aspekt in der YA Fiction zur "Unterjochung der Emanzipation" ausgenutzt wird, steht vielleicht auf einem anderen Blatt. Aber an der Diskussion werde ich mich dann höchstwahrscheinlich nicht beteiligen  ;)

Kritikpunkt 2: Ja, Nora äußert Bedenken gegenüber Patch (der ja in dem Artikel offensichtlich nicht mal einen eigenen Namen verdient hat), aber gleichzeitig wird auch ihr Interesse an ihm immer wieder zum Ausdruck gebracht (ein Fakt, der hier irgendwie verleugnet, bzw. ausgelassen wurde). Es zwingt sie keiner, sich in "seine Welt" zu begeben. Sie will aber! Es gibt eben Frauen, die mögen die Gefahr, Männer die undurchsichtig sind (die sind übrigens meist nicht die schlimmsten, die die zu nett sind, sind m. E. nach, viel gefährlicher), ja, sogar Männer die das klassische männliche Rollenbild erfüllen - und das ist auch gut so! Jedem das seine, ich bitte hier erneut um Toleranz und Akzeptanz bei denen, die das ständig für ihre Sichtweise einfordern. Live and let live!
Auch ist Patch (der LI) nicht derjenige, der sie überfällt, bei ihr einbricht, etc.. Auch das wird in dem Artikel gekonnt verschwiegen - aber das ist ja eine übliche Propaganda-Taktik und insofern nicht überraschend  ::)

Kritikpunkt 3: Was hat das ganze eigentlich mit "Rape-Culture" zu tun? Das ist doch nur wieder ein Reizwort, dass zu Aufmerksamkeitszwecken verwendet wird (man könnte so ein Verhalten bösartig auch als Mediengeilheit betiteln - was ich natürlich niemals tun würde  :zensur:) Im Rest des Textes kommt auch keine weitere Kritik mehr an irgendeiner fragwürdigen, interpretierbaren, angedeuteten oder sonstwie Vergewaltigung. Außer man setzt anzügliche Bemerkungen mit Vergewaltigung gleich - was, imho, eine Beleidigung für Opfer körperlicher sexueller Gewalt ist, aber lassen wir das Thema besser, sonst muss ich mich wieder aufregen ...

Kritikpunkt 4: Es stimmt überhaupt nicht, dass alle nur mit den Augen rollen, wenn Nora von ihrem Misstrauen gegenüber Patch spricht - ihre beste Freundin rät ihr, sich fernzuhalten & ihre Mutter kann ihn ohnehin nicht leiden, da sie ihm ebenfalls nicht traut. Im realen Leben würde ich jeder jungen Frau raten, Männern, bei denen sie sich nicht sicher fühlt, und die nicht bereits ihre Loyalität ihr gegenüber (gegen andere Männer) wiederholt unter Beweis gestellt haben, fern zu bleiben. Und ja, Nora beschreitet da eine Grenze was Vernunft und Vertrauensvorschuss angeht - sie hat Glück (wie viele andere junge Frauen), aber es gibt eben auch einige, für die so ein Verhalten schlimme Konsequenzen hat. Aber das soll doch bitte jeder selbst entscheiden, wie weit er sich auf sowas einlässt. Und nein, wenn es schief läuft sind sie nicht selbst schuld - ein nein ist ein nein, auch wenn man sich zuvor willentlich in Gefahr begibt! Wenn junge Mädchen von einem Buch so beeinflusst werden, dass sie ihren Instinkten nicht mehr vertrauen, würde ich die Schuld eher in der Erziehung als in der Lektüre suchen. Die Autorin hat keine Erziehungspflicht - die haben Eltern und Lehrer, und da muss man auch ansetzen. Oder habt ihr das Thema sexuelle Gewalt in der Schule gehabt? Warum steht sowas nicht auf dem Lehrplan?

Und es wird nicht so dargestellt, als ob "Nein" generell "Ja" bedeutet - es wird ein emotionaler Zwiespalt aufgezeigt, der natürlich und realistisch ist; kein Grund in Hysterie zu verfallen und sofort wieder nach verletzten Frauenrechten zu schreien!

Kati

Liebe Debbie, zu Anfang: Ich habe das Buch auch gelesen, wütend in die Ecke gepfeffert und kann jeden Punkt der Autorin unterschreiben.

ZitatDiese Dinge passieren in der Realität nicht, und können dementsprechend nicht als Gradmesser für die Message des Buches oder die Autorenmeinung herangezogen werden, da sie nicht aufs echte Leben übertragbar sind

Doch, diese Dinge passieren im echten Leben. Zwar verschwinden nicht auf magische Weise alle Beweismittel bei einem Überfall, aber Frauen werden überfallen und sagen nichts. Weil sie sich schämen. Weil ihnen die Gesellschaft einredet, dass sie sich dafür schämen müssen. Victim Blaming, schonmal gehört? In einer New Yorker Zeitung wurde 2011 von einer Vergewaltigung berichtet und der Artikel handelte großteils davon, dass das 11-jährige Mädchen selbst schuld sei, nicht davon, dass sie vergewaltigt worden ist. "Es ist ein Fantasybuch" ist keine Entschuldigung. Nora ist überfallen worden und auch ohne Beweise hätte sie etwas sagen können - hätte ihr jemand geglaubt? Nein. Weil sie ein kleines Mädchen ist, dass sich das sicherlich nur einbildet und es in unserer Gesellschaft leider so funktioniert. "Fantasybuch" bedeutet nicht, dass das im echten Leben nicht passieren kann. Bloß auf andere Weise. Die Ergebnisse sind die selben.

Und nur, weil der Lehrer in diesem Buch nicht aus freiem Willen gehandelt hat, heißt das nicht, dass es nicht Lehrer gibt, die so sind. Ich hatte so einen. Wir hatten einen Jungen in der Klasse, der meinte, alle Mädchen anfassen zu dürfen. Als es seiner Sitznachbarin zu viel wurde und er nach mehrmaligem "Nein" von ihr immer noch an ihr rumgrabschte, hat sie ihn geschlagen. Bestraft wurde nicht der Junge, sondern sie, weil sie sich halt nicht so anstelle solle, er würde sie halt mögen. Und sie musste weiter neben ihm sitzen, daran hat erst eine Elterninitiative etwas geändert. Also erzähl mir nicht, die Situation sei nicht auf das wahre Leben übertragbar bloß, weil es ein Buch mit phantastischen Elementen ist.

ZitatJa, Nora äußert Bedenken gegenüber Patch (der ja in dem Artikel offensichtlich nicht mal einen eigenen Namen verdient hat), aber gleichzeitig wird auch ihr Interesse an ihm immer wieder zum Ausdruck gebracht

Nora fühlt sich unwohl in seiner Nähe, sie hat Angst vor ihm, sie möchte in Bio nicht neben ihm sitzen. Sie sagt mehrmals deutlich "Nein", was er völlig ignoriert. Ihr "Interesse" wird darauf heruntergeborchen, dass er so schön ist und tolle Augen hat. Und ja, es gibt Frauen, die sich von dunklen Typen angezogen fühlen, das ist doch auch kein Problem. Doch Nora fühlt sich nicht nur angezogen, sie äußert auch mehrmals deutlich, dass sie sich belästigt fühlt. Und das kann man mit "aber sie mag ihn doch auch" nicht auswiegeln. Sie begiebt sich mehrmals völlig unnötig in Gefahr. Und auch, wenn sie sich für ihn interessiert, hätte sie als die tolle, schlaue Person, als die Fitzpatrick sie mir verkaufen will, genug Verstand haben müssen, sich ihm nicht so auszuliefern. Patch ist nicht nur düster, er ist gefährlich. Er presst sie auf ein Bett und droht ihr an, sie zu töten. Und Interesse hin oder her, wenn das eigene Leben in Gefahr ist, sollte man den Schlussstrich ziehen. Nur, weil ich in jemanden verliebt bin, setze ich mich solcher Behandlung nicht aus. Und auch, wenn das im echten Leben leider passiert, ist es nichts, dass man jungen Mädchen in Jugendromanen als Romantik verkaufen sollte. Sorry, meine Meinung.

ZitatWas hat das ganze eigentlich mit "Rape-Culture" zu tun? Das ist doch nur wieder ein Reizwort, dass zu Aufmerksamkeitszwecken verwendet wird (man könnte so ein Verhalten bösartig auch als Mediengeilheit betiteln - was ich natürlich niemals tun würde  ) Im Rest des Textes kommt auch keine weitere Kritik mehr an irgendeiner fragwürdigen, interpretierbaren, angedeuteten oder sonstwie Vergewaltigung. Außer man setzt anzügliche Bemerkungen mit Vergewaltigung gleich - was, imho, eine Beleidigung für Opfer körperlicher sexueller Gewalt ist, aber lassen wir das Thema besser, sonst muss ich mich wieder aufregen ...

Reg dich ruhig auf, ich tue es auch.  ;) Rape Culture bezeichnet eine Gesellschaft, in der sexuelle Gewalt verharmlost wird und da ist "Hush Hush" wirklich ganz vorn mit dabei. Ja, anzügliche Bemerkungen SIND sexuelle Gewalt, wenn das Opfer sich dadurch unwohl fühlt, was Nora tut. Sie sind nicht mit Vergewaltigung gleichzusetzen, aber Rape Culture bedeutet nicht nur Vergewaltigung. Es bedeutet auch, dass man gesagt bekommt "Er ärgert dich bloß, weil er dich mag", wenn man mit Worten sexuell belästigt oder gezwickt wird, obwohl man gesagt hat, man möchte nicht angefasst werden. Es bedeutet auch, dass man nicht ernst genommen wird, wenn man sagt, dass man sich in der Gegenwart einer Person unwohl fühlt. Es bedeutet generell, dass jegliche Art von Belästigung nicht als solche wahrgenommen wird, das verharmlost wird, was das Zeug hält. 

ZitatAber das soll doch bitte jeder selbst entscheiden, wie weit er sich auf sowas einlässt. Und nein, wenn es schief läuft sind sie nicht selbst schuld - ein nein ist ein nein, auch wenn man sich zuvor willentlich in Gefahr begibt! Wenn junge Mädchen von einem Buch so beeinflusst werden, dass sie ihren Instinkten nicht mehr vertrauen, würde ich die Schuld eher in der Erziehung als in der Lektüre suchen. Die Autorin hat keine Erziehungspflicht - die haben Eltern und Lehrer, und da muss man auch ansetzen. Oder habt ihr das Thema sexuelle Gewalt in der Schule gehabt? Warum steht sowas nicht auf dem Lehrplan?

Ich musste mir von einer vierzehnjährigen erzählen lassen, ich hätte wohl noch nie wirklich geliebt, weil ich "Hush Hush" nicht romantisch finde. In ihren Augen zeugt es von Noras großer Liebe zu Patch, dass sie ihn nimmt wie er ist, obwohl das schlecht für sie ist. Junge Mädchen sind in den meisten Fällen beeinflussbar, einfach, weil die eigenen Erfahrungen noch fehlen und solche Erfahrungen, wie Nora macht, hoffentlich nie selbst gemacht werden müssen. Die Autorin hat Recht, wenn sie schreibt, dass jungen Mädchen viel zu oft beigebracht wird, höflich zu sein, anstatt klare Grenzen aufzuzeigen. Und ich finde schon, dass AutorInnen von Jugendbüchern eine gewisse Verantwortung tragen. Fitzpatrick hätte dieses Buch auch als Geschichte für Erwachsene schreiben können, dann hätte ich immer noch Probleme mit dem Inhalt gehabt, aber wenigstens hätte sie ihren Unsinn dann nicht auf junge Menschen losgelassen, sondern auf Erwachsene, die hoffentlich ein wenig klarer sehen und sich darüber bewusst sind, wo die Grenzen sind. Und dann wirklich selbst entscheiden können, wie weit sie sich auf etwas einlassen.

Und nein, ich hatte auch keinen Unterricht zum Thema sexuelle Gewalt und ich gebe dir Recht, dass das unbedingt auf den Lehrplan gehört. Die Verantwortung allerdings nur auf Lehrer und Eltern abzuwälzen finde ich falsch. Wenn jemand ein Jugendbuch schreibt, in dem ein junges Mädchen von ihrem Freund vergewaltigt und geschlagen wird und ihm das immer wieder verzeiht, gehen bei den meisten Menschen doch auch die Alarmglocken los. Warum aber nicht bei psychischer Gewalt, als die ich die Todesdrohung und Patchs Spielchen definitiv betrachte?

ZitatUnd es wird nicht so dargestellt, als ob "Nein" generell "Ja" bedeutet - es wird ein emotionaler Zwiespalt aufgezeigt, der natürlich und realistisch ist; kein Grund in Hysterie zu verfallen und sofort wieder nach verletzten Frauenrechten zu schreien!

Wenn ich sowas höre, möchte ich irgendwas zerschlagen. Mir geht es nicht um verletzte Frauenrechte. Die Situation wäre genauso großer Müll, wenn Nora dasselbe Spiel mit Patch treiben würde. Und ich sehe keinen emotionalen Zwiespalt in einer Figur, die über "Ich mag ihn nicht, er macht mich nervös, aber er hat so schöne Augen" nicht hinauskommt. Und nur, weil Patch Nora solang belästigt, dass sie irgendwann nicht mehr "Nein" sagt, heißt nicht, dass die Situation gelöst ist. Und ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber der letzte Teil deines Zitats ist genau das, was ich mit Verharmlosung meinte. "Oh, diese Frauenrechtlerinnen, alle so hysterisch, kann man nicht ernst nehmen." Sollte man aber. Weil wir noch lange nicht gleichberechtigt sind und solche Bilder wie das in Hush, Hush uns wieder weit zurückschleudern. Nicht, weil es in einem Buch passiert. Sondern in dem Großteil von Büchern, die momentan auf dem Markt sind.

Ich finde deine Meinung defintiv interessant und ich respektiere sie auch, ich wollte bloß mal meine eigene Meinung dagegenstellen. Mich interessieren verschiedene Meinungen zu diesem Thema sehr, aber ich finde es immer schade, wenn solche Texte wie der von Aja Romano als hysterisch und übertrieben dargestellt werden. Ich sehe nämlich definitiv Wahrheit darin und eine Problematik auf dem Jugendbuchmarkt. Nicht, weil ich überreagiere, sondern, weil ich mich mit jungen Lesern auseinandersetze und die diese zweifelhaften Inhalte tatsächlich annehmen. Und dieses Kleinreden der Thematik - und das soll sich jetzt keinesfalls auf dich persönlich beziehen, Debbie, sondern ist ganz allgemein gemeint - finde ich ganz gefährlich, weil es indieselbe Kerbe schlägt wie das leidige: "Ach, du magst ihn nicht? Er belästigt dich? Lern ihn doch erstmal besser kennen, das bildest du dir alles bloß ein." Erst, wenn es wirklich schief geht, wird eingesehen, dass man sich etwas nicht bloß eingebildet hat- und manchmal sogar dann noch nicht.

Fianna

Zitat von: Kati am 29. Januar 2013, 17:08:11
... aber Rape Culture bedeutet nicht nur Vergewaltigung. Es bedeutet auch, dass man gesagt bekommt "Er ärgert dich bloß, weil er dich mag", wenn man mit Worten sexuell belästigt oder gezwickt wird, obwohl man gesagt hat, man möchte nicht angefasst werden. Es bedeutet auch, dass man nicht ernst genommen wird, wenn man sagt, dass man sich in der Gegenwart einer Person unwohl fühlt. Es bedeutet generell, dass jegliche Art von Belästigung nicht als solche wahrgenommen wird, das verharmlost wird, was das Zeug hält. 
Es gibt ein sehr gutes Buch namens "Let's kill barbie", dass sich mit den Unterschieden in Jungen- und Mädchenerziehung beschäftigt, und wo auch "Du musst Dich ärgern lassen, denn das ist nicht so schlimm, weil es ist nicht böse gemeint, er mag dich halt" in einem Kapitel vorkommt.
Das Buch ist von 1997, und ich habe es kürzlich an eine junge Mutter verschenkt, weil ich es immer noch für aktuell fand.

Das bestätigt mich wieder einmal in meiner Meinung.

Debbie

ZitatNora ist überfallen worden und auch ohne Beweise hätte sie etwas sagen können - hätte ihr jemand geglaubt? Nein. Weil sie ein kleines Mädchen ist, dass sich das sicherlich nur einbildet und es in unserer Gesellschaft leider so funktioniert.

In diesem Fall hätte ihr niemand geglaubt, weil der Überfall, so wie er passiert ist, und wie sie ihn wiedergegeben hätte, eindeutige Spuren hätte hinterlassen müssen! Das ist eben die Realität, die hat mit einem Fantasy-Buch nur sehr begrenzt etwas gemeinsam! Wenn ich stichhaltige Gründe hätte anzunehmen, dass ich Halluzinationen habe, würde ich das sicher auch nicht jedem auf die Nase binden  :versteck:

ZitatDoch, diese Dinge passieren im echten Leben. Zwar verschwinden nicht auf magische Weise alle Beweismittel bei einem Überfall, aber Frauen werden überfallen und sagen nichts. Weil sie sich schämen. Weil ihnen die Gesellschaft einredet, dass sie sich dafür schämen müssen. Victim Blaming, schonmal gehört?

Und nur, weil der Lehrer in diesem Buch nicht aus freiem Willen gehandelt hat, heißt das nicht, dass es nicht Lehrer gibt, die so sind.

Das hab ich auch nicht behauptet, oder?  ;) Natürlich gibts das alles im echten Leben, und das ist ein verdammt ernstes Thema, aber man sollte hier nicht Fiktion und Realität vermischen - das Buch erhebt nicht den Anspruch (als Fantasy-Buch), das reale Leben wiederzuspiegeln und dementsprechend auch nicht, als Verhaltensratgeber zu dienen.

ZitatAlso erzähl mir nicht, die Situation sei nicht auf das wahre Leben übertragbar bloß, weil es ein Buch mit phantastischen Elementen ist.

Doch, das tue ich - ernsthaft. Weil hier eben der Fantasy-Aspekt der Grund für dieses Verhalten ist. Dementsprechend wird das hier nicht bagatellisiert, sondern vielmehr angedeutet (durch eine übernatürliche Erklärung), dass das Verhalten des Lehrers nicht normal ist, und mit normalen Gründen unentschuldbar!

ZitatEr presst sie auf ein Bett und droht ihr an, sie zu töten.

Ja, er will sie töten (Teil des Plots) - am Anfang! Aber auch das ist nicht exemplarisch - wieviele Jungs laufen rum, die kleine Mädchen töten wollen, um deren Nephilim-Ahnen loszuwerden? Und das hier ist wieder völlig aus dem Zusammenhang gerissen - er presst sie aufs Bett um sie zum Zuhören zu bewegen, und er sagt ihr, dass sie bereits tot wäre, wenn er sie töten wollte. Dein Satz hört sich irgendwie ... ganz anders an  :hmhm?:

ZitatDoch Nora fühlt sich nicht nur angezogen, sie äußert auch mehrmals deutlich, dass sie sich belästigt fühlt. Und das kann man mit "aber sie mag ihn doch auch" nicht auswiegeln. Sie begiebt sich mehrmals völlig unnötig in Gefahr. Und auch, wenn sie sich für ihn interessiert, hätte sie als die tolle, schlaue Person, als die Fitzpatrick sie mir verkaufen will, genug Verstand haben müssen, sich ihm nicht so auszuliefern

Wenn man sich von jemandem belästigt fühlt, fährt man ihm normalerweise aber nicht in irgendeine Spelunke in einer zwielichtigen Gegend nach, oder? Insofern kann ich als psychologisch halbwegs versierter Leser nur davon ausgehen, dass sie seine Nähe auch sucht. Und sind wir doch mal ehrlich: Sie mag ihn von Anfang, nur seine arrogante Art nicht - und das will sie sich einfach nicht eingestehen, weil alles an ihm dem widerspricht, was sie über "anständige Jungs" gelernt hat.

ZitatJa, anzügliche Bemerkungen SIND sexuelle Gewalt, wenn das Opfer sich dadurch unwohl fühlt, was Nora tut. Sie sind nicht mit Vergewaltigung gleichzusetzen, aber Rape Culture bedeutet nicht nur Vergewaltigung. Es bedeutet auch, dass man gesagt bekommt "Er ärgert dich bloß, weil er dich mag", wenn man mit Worten sexuell belästigt oder gezwickt wird, obwohl man gesagt hat, man möchte nicht angefasst werden. Es bedeutet auch, dass man nicht ernst genommen wird, wenn man sagt, dass man sich in der Gegenwart einer Person unwohl fühlt. Es bedeutet generell, dass jegliche Art von Belästigung nicht als solche wahrgenommen wird, das verharmlost wird, was das Zeug hält. 

Was für eine verrückte Welt - ich glaube ich bin uralt  :gähn: Bin ich die einzige die es bedenklich findet, sowas miteinander zu vergleichen? Wo bleibt denn da die Relation? Ich bin bestimmt kein Gegner von "währet den Anfängen", und ich finde es weiß Gott nicht in Ordnung, wenn man Mädchen sowas erzählt, aber das geht mir als Vergleich einfach (viel) zu weit.

ZitatDie Autorin hat Recht, wenn sie schreibt, dass jungen Mädchen viel zu oft beigebracht wird, höflich zu sein, anstatt klare Grenzen aufzuzeigen.

Ja, das hat sie! Aber das wird in diesem Buch überhaupt nicht thematisiert, bzw. suggeriert!

ZitatWenn jemand ein Jugendbuch schreibt, in dem ein junges Mädchen von ihrem Freund vergewaltigt und geschlagen wird und ihm das immer wieder verzeiht, gehen bei den meisten Menschen doch auch die Alarmglocken los. Warum aber nicht bei psychischer Gewalt, als die ich die Todesdrohung und Patchs Spielchen definitiv betrachte?

Sowas dürfte überhaupt nicht verlegt werden!  :hand: Aber dass Patch ihr psychische Gewalt antut, ist deine (und vielleicht die einiger anderer junger Mädchen) subjektive Wahrnehmung. Und m. E. auch wieder nicht fair gegenüber denen, die an echtem Mobbing und an echter psychischer Gewalt durch Eltern, etc. zu leiden haben.

Zitat"Oh, diese Frauenrechtlerinnen, alle so hysterisch, kann man nicht ernst nehmen." Sollte man aber. Weil wir noch lange nicht gleichberechtigt sind und solche Bilder wie das in Hush, Hush uns wieder weit zurückschleudern.

Würde ich gerne, wenn sie bei den Fakten bleiben und nicht immer und überall eine Gefahr für ihre Emanzipation sehen (suchen) würden. Ich gehe mit den meisten Punkten von Frauenrechtlerinnen konform (nicht mit denen, die die Situation noch schlimmer darstellen als sie ist, denn sie ist schlimm genug, ohne dass man ständig nach neuen Aufregern suchen muss!), aber ich mag ihre Methoden nicht. "Absolute Gleichberechtigung für Männer und Frauen" ist nämlich meist nicht mit "Absolut gleiche Rechte und Pflichten für Männer und Frauen" verbunden - sollte es aber!

ZitatIch finde deine Meinung defintiv interessant und ich respektiere sie auch, ich wollte bloß mal meine eigene Meinung dagegenstellen. Mich interessieren verschiedene Meinungen zu diesem Thema sehr, aber ich finde es immer schade, wenn solche Texte wie der von Aja Romano als hysterisch und übertrieben dargestellt werden.

Dito!  :knuddel: Sorry for that!


Kati

ZitatWas für eine verrückte Welt - ich glaube ich bin uralt  Bin ich die einzige die es bedenklich findet, sowas miteinander zu vergleichen? Wo bleibt denn da die Relation? Ich bin bestimmt kein Gegner von "währet den Anfängen", und ich finde es weiß Gott nicht in Ordnung, wenn man Mädchen sowas erzählt, aber das geht mir als Vergleich einfach (viel) zu weit.

Ich vergleiche nicht, ich fasse zusammen, was Rape Culture alles bedeuten kann.  :) Dass es sich eben nicht bloß auf Vergewaltigung bezieht, sondern auf jede Form von Belästigung. Den Begriff "Rape Culture" finde ich auch problematisch, weil es sich eben nicht nur um den schlimmstmöglichen Fall Vergewaltigung dreht, doch auch anzügliche Bemerkungen können verletzen und Wunden hinterlassen, besonders, wenn man noch dafür ausgelacht wird, dass man sich darüber aufregt. Bei uns im Klassenzimmer ist das oft passiert. Dass sich ein Mädchen nicht als "Bitch" eines Jungen bezeichnet sehen wollte, weil sie sich dabei unwohl gefühlt hat und dann noch dafür ausgelacht wurde, dass sie das so ernst nimmt. Aber einen Vergleich sehe ich nicht darin, eher eine Zusammenfassung mehrerer Fälle von Belästigung und Missbrauch, die in unserer Kultur verharmlost werden.

ZitatJa, das hat sie! Aber das wird in diesem Buch überhaupt nicht thematisiert, bzw. suggeriert!

Na ja, Aja hat schon ein Zitat gebracht um das zu untermauern, in dem Nora einem Jungen nicht abgsagen will, weil sie das unhöflich findet. Das hier war es. Sie findet sich unhöflich dafür, dass sie nichts mit ihm zu tun haben will, obwohl sie ihn bloß deutlich wissen lässt, dass sie jetzt nichts mit ihm zu tun haben will. Ich finde, bloß weil es nicht thematisiert wird, kann man aus diesen Zitaten schon genau diese Einstellung herauslesen. Nora findet es unhöflich, dass sie nicht mit dem Jungen reden will, obwohl sie jedes Recht dazu hat. Bloß, weil es nicht groß angesprochen und thematisiert wird, heißt das nicht, dass es nicht da ist.

Zitat von:  Aja RomanoIn another scene, she deflects a guy's interest in her by lying about needing to leave, but, "in a remote way my rudeness bothered me, especially since (the guy) hadn't done anything to deserve it."

Überhaupt ist "Hush Hush" voll von solchen unterschwelligen Botschaften. Es wird kaum etwas wirklich gesagt, aber man kann es deutlich zwischen den Zeilen herauslesen. Ein weiterer Punkt ist für mich Vee, von der ja auch behauptet wird, sie würde bloß fressen und wäre deshalb dick. DAS ist für ein Schlag ins Gesicht von Mädchen, die wirklich wegen ihrer Figur geärgert werden. Sie haben hier eine Figur, die als hässlich beschrieben wird, weil sie übergewichtig ist (als könnte sie nicht trotzdem hübsch sein) und oben drauf spricht sie ständig vom Essen. Das ist für mich so ähnlich wie diese Stelle in House of Night, in der Zoey behauptet, alle Magersüchtigen wollten bloß schlank sein. Das tut weh, wenn man betroffen ist, und es ist völliger Unsinn.

Na, was ich meine: Bloß, weil es nicht explizit dasteht, heißt das nicht, dass es nicht da ist.

ZitatSowas dürfte überhaupt nicht verlegt werden!  Aber dass Patch ihr psychische Gewalt antut, ist deine (und vielleicht die einiger anderer junger Mädchen) subjektive Wahrnehmung. Und m. E. auch wieder nicht fair gegenüber denen, die an echtem Mobbing und an echter psychischer Gewalt durch Eltern, etc. zu leiden haben.

Zum ersten Teil: Wird es aber leider auch. "Swoon" von Nina Malkin. Aber das ist ein anderes Thema. Patch tut ihr Gewalt an, als er sie auf das Bett drückt und zum Zuhören zwingen will. Das ist nicht subjektiv, das steht da so. Er hält sie fest, er droht ihr, obwohl sie weg will und es ihr gutes Recht ist, zu gehen. Und ich weiß nicht, weshalb du immer wieder auf echte Opfer von Mobbing und Gewalt zu sprechen kommst. Ich finde Bücher wie "Hush Hush" in denen diese Themen zwischen den Zeilen verharmlost werden sind ein Schlag ins Gesicht für echte Opfer, nicht der Versuch von Lesern darauf aufmerksam zu machen. Ich habe an Mobbing gelitten, als ich jünger war, ich habe verdrängt und mich oft gefragt, ob ich selbst Schuld war und all dieser Spaß. Und nicht Leute, die Probleme in Jugendbüchern aufzeigen sind für mich unfair sondern AutorInnen, die der Meinung sind Stalking und Gewalt können romantisch sein. Es gibt einen Roman, in dem der "Held" die Heldin ohrfeigt, damit sie zuhört. Ist das besser, schlimmer, genauso in Ordnung wie ein Mädchen gegen ihren Willen festzuhalten?

Ich will ja auch gar niemandem ausreden, dieses Buch zu mögen, ich bin halt nur - immer noch - dafür es kritisch zu lesen, was du ja anscheinend tust, Debbie, und es nicht für bare Münze zu nehmen. Aber das machen Jugendliche leider viel zu oft. Wenn sie Nora mögen, wird Nora eben als Idol betrachtet und was sie tut, muss richtig sein. Dieses Phänomen kann man schon seit Jahrzehnten beobachten, Jugendliche sind eben oft unsicher und orientieren sich an ihren Helden und Heldinnen. Deshalb finde ich, dass sowas in Jugendbüchern nicht verharmlost werden sollte.

Und nochmal ganz Allgemein: Ich finde es immer interessant, wenn Handlungen von fiktiven Personen so... verteidigt werden. Zum Beispiel mit Nora, die trotz ihrer Angst vor Patch in diese düstere Kneipe fährt, obwohl sie vorher gesagt hat, sie würde da nicht hinfahren. Oder, die Patch anruft, obwohl sie ihm ein paar Stunden zuvor noch klipp und klar sagt, sie würde ihn nie anrufen. Ich finde die Schlussfolgerung "Das macht sie, weil sie sich doch zu ihm hingezogen fühlt" immer ein bisschen niedlich, weil es auch ziemlich offensichtlich im Buch steht, dass sie sich zwar angezogen fühlt, aber gleichzeitig ganz klar nichs mit ihm zu tun haben will. Dass Nora ihm trotzdem so hinterherläuft ist ein kläglicher Versuch der Autorin uns einzureden, dass sie Patch doch mag und realistisch ist das kein Stück. Plot Device ist hier der richtige Begriff, denke ich, es muss ja irgendwie weitergehen, und egal wie toll der Typ ist, keine Frau würde in eine ihr unbekannte, düstere Kascheme fahren, um ihn zu sprechen.

Und noch etwas: Ich möchte die Diskussion gar nicht so sehr auf "Hush Hush" beziehen. Die genannten Punkte lassen sich leider auch in vielen anderen Jugendbüchern finden.

Debbie

ZitatNa ja, Aja hat schon ein Zitat gebracht um das zu untermauern, in dem Nora einem Jungen nicht abgsagen will, weil sie das unhöflich findet. Das hier war es. Sie findet sich unhöflich dafür, dass sie nichts mit ihm zu tun haben will, obwohl sie ihn bloß deutlich wissen lässt, dass sie jetzt nichts mit ihm zu tun haben will. Ich finde, bloß weil es nicht thematisiert wird, kann man aus diesen Zitaten schon genau diese Einstellung herauslesen. Nora findet es unhöflich, dass sie nicht mit dem Jungen reden will, obwohl sie jedes Recht dazu hat. Bloß, weil es nicht groß angesprochen und thematisiert wird, heißt das nicht, dass es nicht da ist.

Ich finde es auch unhöflich (und zickig), wenn jemand nett zu einem ist, rücksichtslos, ignorant oder sonstwie komisch zu sein - nicht, dass ich das als Teenager nicht oft selbst betrieben hätte, aber da denkt man ja sowieso man darf alles  ::) Aus Sicht einer erwachsenen Frau bin ich allerdings schon der Meinung, dass man die Leute so behandeln sollte, wie man selbst behandelt werden will. Und das hat sie in der Situation einfach nicht getan! Insofern geht dieses Beispiel für mich völlig am Thema vorbei. Das wäre etwas anderes, wenn sie ihm nett erklärt hatte, dass sie leider kein Interesse hat - war aber nicht so. Also: Schlechtes Gewissen berechtigt (meiner Meinung nach!)

ZitatÜberhaupt ist "Hush Hush" voll von solchen unterschwelligen Botschaften. Es wird kaum etwas wirklich gesagt, aber man kann es deutlich zwischen den Zeilen herauslesen.

Du siehst es als "Herauslesen", ich als "Hineininterpretieren"  ;)

ZitatEin weiterer Punkt ist für mich Vee, von der ja auch behauptet wird, sie würde bloß fressen und wäre deshalb dick. DAS ist für ein Schlag ins Gesicht von Mädchen, die wirklich wegen ihrer Figur geärgert werden. Sie haben hier eine Figur, die als hässlich beschrieben wird, weil sie übergewichtig ist (als könnte sie nicht trotzdem hübsch sein) und oben drauf spricht sie ständig vom Essen.

Das stimmt auch überhaupt nicht! Erstens hatte ich nie den Eindruck, dass Vee fett ist - weil das, außer von Marcy, nie gesagt wird. Nora beschreibt sie vielmehr als sexy, mit ausgeprägten weiblichen Rundungen. Und ja, sie redet ständig vom Essen - weil sie ja ständig irgendwelche Diäten macht. Diesen Figurwahn anzuführen ist nich löblich - aber realistisch. Und dadurch, dass Nora Vee ganz anders wahrnimmt, als Vee sich selbst, hat man als Leser auch so seine Zweifel, dass die Diät wirklich nötig ist ...

ZitatPatch tut ihr Gewalt an, als er sie auf das Bett drückt und zum Zuhören zwingen will. Das ist nicht subjektiv, das steht da so. Er hält sie fest, er droht ihr, obwohl sie weg will und es ihr gutes Recht ist, zu gehen.

Auch das empfinde ich nicht als "Gewalt"; das ist (für mich) nicht viel anders, als jemandem die Tür zu versperren, wenn du ihn zum Zuhören zwingen willst - hab ich auch schon gemacht. Muss ich mich dafür jetzt im Nachhinein bei meinem Ex entschuldigen?  :hmmm: Für mich ist viel mehr wichtig, dass Patch ihr nicht weh tut, und sie schließlich loslässt. Und obwohl das natürlich absolute Geschmackssache ist, kann sowas verdammt heiß sein - aber wie gesagt, Geschmackssache  ;)

ZitatIch habe an Mobbing gelitten, als ich jünger war, ich habe verdrängt und mich oft gefragt, ob ich selbst Schuld war und all dieser Spaß.

Ich auch - gute drei Jahre lang! Ich war zeitweise die Dickste in der Klasse, eine Niete in Sport und noch Klassenbeste. Da war an Beleidigungen alles dabei; allerdings hat das nie wirklich an meinem Selbstbewusstsein gekratzt (obwohl ich erst zehn, bzw. 13 war). So bin ich wohl einfach nicht erzogen worden.
In der ersten Klasse bin ich zwischen zwei Jungs gesessen - Philipp (links) hat mich ständig gezwickt und Hasan (rechts) hat ständig alle - auch mich - angespuckt. Nein, ich fand es überhaupt nicht toll! Meine Mutter hat dann mit den Jungs und der Lehrerin gesprochen, was bedingt geholfen hat - ich hab dann den "Bad Boy" aus der Sechsten als Pausenaufpasser bekommen; und er war verdammt gut in seinem Job  :vibes:  So gut, dass ich schon bald ziemlich eigensinnig und bisweilen widerspenstig war. Tatsächlich hat er mir beigebracht, was mir besser die Erwachsenen hätten beibringen sollen, anstatt sich einzumischen: Wehr Dich!
Als ich 15 war, hatte ich es mal mit einem Kumpel zu tun, der "Nein" auch nicht so richtig verstanden hat. Und auch wenn wir erst sehr viel Spaß hatten, bedeutet das eben nicht, dass es keine Grenzen gibt. Er hat meine Arme über meinem Kopf aufs Bett gepinnt, hat aber das "Nein" schließlich verstanden als ich es ihm (untermalt mit mehreren unanständigen Begriffen) ins Ohr geschrien habe. Ein anderer Ex von mir war schwerer von Begriff und fiel dann unglücklich aus dem Bett. Es ist also nicht so, dass ich noch nie mit solchen Dingen konfrontiert worden wäre - aber wenn man etwas nicht will (Bezug auf eine andere Aussage aus dem Artikel), muss man das immer und immer wieder deutlich machen, auch mit jeglicher Form von Gewalt. Das "irgendwann Nachgeben/Aufgeben" ist für mich, als Frau, völlig unverständlich!

ZitatEs gibt einen Roman, in dem der "Held" die Heldin ohrfeigt, damit sie zuhört. Ist das besser, schlimmer, genauso in Ordnung wie ein Mädchen gegen ihren Willen festzuhalten?

Es gibt sehr viele Heldinnen in Büchern, die ich gerne mal ohrfeigen würde. Bella in Eclipse zum Beispiel  :snicker: Und ja, es gibt Mädchen/Frauen (und Männer), die würde ich auch im echten Leben gerne mal ohrfeigen - und für mich besteht da kein Unterschied, ob sie von einem Mann oder einer Frau geohrfeigt wird (ich bin auch da für Gleichberechtigung). Jeder Mensch hat eine Grenze dessen, was er ertragen kann, und wenn sich die Prota gerade aus Dummheit in den Selbstmord stürzen wollte, fände ich die Ohrfeige völlig verständlich und legitim. Hast du es schon mal mit einem Hysteriker zu tun gehabt? Ich bewundere jeden, der da die Geduld hat sich zu beherrschen ...