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Zweifelhafte Botschaften in Jugendbüchern - was geht noch?

Begonnen von Nightingale, 16. Januar 2013, 21:13:12

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Kati

So, ich hoffe wirklich, dieses Thema gab es nicht schon einmal. Falls doch, tut es mir sehr Leid. Es ist ein Thema, das mir seit geraumer Zeit durch den Kopf geht und das ich auch sehr wichtig finde, obwohl es sicherlich von anderen Lesern und Autoren als harmlos angesehen wird. Deshalb möchte ich gern eine Diskussion darüber eröffnen und andere Meinungen lesen, um mir einfach mal ein Bild zu machen, ob ich total überreagiere oder ob andere das auch bemerkt haben.

Es geht um die teilweise in meinen Augen sehr zweifelhaften Inhalte in Jugendbüchern, besonders in der Jugendfantasy. Seit einigen Jahren kann man ja den Trend beobachten, dass es als romantisch angesehen wird, wenn Jugendliche für ihre erste Liebe alles tun oder von ihren Partnern schlecht behandelt werden. Das haben wir ja auch schon, besonders im Zusammenhang mit Twilight, diskutiert, aber ich finde das Thema doch nach wie vor sehr interessant, da ich das Gefühl habe, es spitzt sich zu. Den Vogel abgeschossen hat für mich Jessica Verday, die ich eigentlich immer relativ sympathisch fand. Ich kennzeichne mal als Spoiler, falls jemand das dritte "The Hollow"-Buch noch lesen möchte: Abbeys Love Interest ist ein Geist und, um bei ihm sein zu können und, damit ihre beste Freundin wieder leben kann, bringt sie sich um. Ich mochte die ersten beiden Bücher, doch das ging mir viel zu weit. Sehe das nur ich so?

Was ich aber auch immer wieder bemerke, sind die klischehaften und teilweise hasserfüllten Darstellungen von Figuren, die nicht wie der Protagonist sind, in Büchern für Jugendliche ab 12 Jahren, die jedoch oft auch schon vorher gelesen werden. Der schwule beste Freund, der ein wandelndes Klische ist und oft auch als sehr fluffig und lächerlich dargestellt wird, ist eine Sache. Eine andere ist das Slut-Shaming, das in vielen Büchern betrieben wird: Mädchen, die gern enge Kleidung oder kurze Röcke tragen, werden von den meist sehr biederen Protagonistinnen als Schlampen bezeichnet (manchmal offensichtlicher, manchmal in schöneren Worten) und nehmen meist die Rolle des "mean girl" ein und sind somit Antagonistinnen. In beiden und in vielen weiteren Fällen bleibt die Charakterentwicklung völlig auf der Strecke und man stellt bestimmte Menschen nach dem Motto "Die sind alle so!" dar.

Das sind so Sachen, die mich als Leserin und Autorin traurig machen und ich fange an zu glauben, dass ich das einfach zu eng sehe und das alles gar nicht so schlimm ist, wie es mir vorkommt. Früher habe ich sowas hingenommen, aber in letzter Zeit... nicht mehr so. Beim Schreiben achte ich sehr stark darauf, dass ich solche Dinge nicht einbaue und ich würde von euch gern wissen, wie ihr das handhabt und wie ihr das überhaupt seht. Reagiere ich jetzt total über oder ist euch Ähnliches auch schon aufgefallen? Und meint ihr, dass Jugendlichen sowas auffällt oder sie es (wie ich mit 12) einfach hinnehmen und teilweise sogar glauben? Achtet ihr auf sowas beim Schreiben? Beim Lesen? Oder ist euch das total egal?

Rigalad

#1
Ich bin nicht am PC, deswegen nur kurz: Mir ist ähnliches aufgefallen, vor allem fällt mir da wieder "Der Märchenerzähler" von Antonia Michaelis ein. Eigentlich sprachlich und stilistisch ein tolles Buch, wenn das fragwürdige Ende und die dem LI bis zur völligen Selbstaufgabe nachlaufende Protagonistin nicht wären.
Mir gefällt diese Art von Richtung, die einige Bücher mittlerweile einschlagen, gar nicht. Als würde das eigene Glück davon abhängen, ob man einen Partner hat, den man mit blinder Liebe überschütten kann. Als wäre man selbst im Leben sonst unvollkommen.
Da gehen einige weibliche Figuren in der Emanzipation wieder einen Schritt zurück.

Kati

Riga: Meine Angst ist, dass die meist sehr jungen Leserinnen diesen Schritt zusammen mit den Figuren tun. Besonders beim "Märchenerzähler" lese ich oft, dass es eine sehr romantische Liebesgeschichte sein soll und alle, die die Darstellung grausam und furchtbar finden, totale Spießer wären, die diese große Liebe einfach nicht verstehen. Selbiges gilt für Twilight und Konsorten. Obwohl die Konsorten defintiv schlimmer sind als Twilight selbst. "Halo" von der erst 20-jährigen Alexandra Ardornetto ist so ein Beispiel. Die Heldin, wohlweißlich ein Engel, lässt sich von ihrem menschlichen Lover alles vorschreiben und sein Zitat "Her business is my business" sagt finde ich alles. Und das ist dann "romantisch".

Wirklich getroffen hat mich, dass das unsägliche "House of Night" so ein Megahit geworden ist. Mal ab von der total schlechten Prosa... die Heldin dieses Buches ist total ignorant und bösartig. Immer, wenn sie andere Menschen beschreibt, kommen hasserfüllte Kommentare. Mädchen mit psychischen Problemen bezeichnet sie als alberne Freaks, genauso Gothics und andere Stile, die nicht nach dem neusten Trend ausgerichtet sind. Und was dieses Buch macht, was ich total gefährlich finde, ist, dass es so tut, als würde es über den Tellerrand sehen. Es gibt einen schwulen Kumpel und ein schwarzes Mädchen unter den Hauptfiguren und erst denkt man: "Yay, endlich mal", aber dann stellen sich diese beiden als totale Klisches raus. Die Figuren selbst untermauern das aber. So stimmt er zu, als eine Freundin sagt, dass man ihn nicht wirklich als Kerl bezeichnen kann, weil er ja schwul ist. Und sie benimmt sich wie das typische Ghettomädchen und reibt einem ihre Hautfarbe in fast jedem Satz unter die Nase. Und die Kinder lieben es. Und das macht mir Sorgen.

Franziska

Ich kann das auch nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe zwar selbst noch nicht viele solcher Bücher gelesen, weil ich die wahrscheinlich gleich bei der Beschreibung aussortiere, aber was du schreibst ist schon erschreckend. Bei Twilight lässt sich das ja noch mit dem religiösen Hintergrund der Autorin teilweise erklären.
Ich denke, solche Potitionen, wenn sie in Büchern oder auch Filmen vorkommen beeinflussen vor allem unsichere Jugendliche. Ich denke, die meisten, die das lesen haben die Einstellung schon vorher.
Die Klischees was Figuren angeht sind ja nicht unbedingt neu. Ich erinner mich zum Beispiel an "Fünf Freunde" oder noch schlimmer: "TKKG" was ich als Kind immer auf Kassette hatte und ich weiß genau, dass ich das als Kind schon total klischeehaft und eher albern fand.
Aber wie gesagt, ich kann mir schon vorstellen, dass vor allem junge Mädchen, sich von solchen Büchern beeinflussen lassen, die seltsame Beziehungsvorstellungen vermitteln.
Es gibt viele Dinge, die für mich in Kinder- und Jugendbüchern gar nicht gehen.
Dazu gehört die klischeehafte Darstellung von Minderheiten (egal ob schwul, Migrant oder dick oder dünn, blond ...)
Dass Mädchen alles machen, damit der Junge sie mag und alles was der Typ macht ist richtig.
Auch dass es so dargestellt wird, als wäre es gar nicht so schlimm, dass jemand stirbt oder ähnliches. Schon Kinder wissen sehr genau, dass nicht alles wieder gut wird.
Verharmlosung von Gewalt in jeglicher Form. Die Narnia-Filme zum Beispiel gehen für mich gar nicht in der Hinsicht.
Jugendbücher insbesondere für jüngere haben für mich eine moralische Verantwortung zu tragen. Das heißt für mich nicht, dass jedes Buch eine Moral vermitteln muss, es heißt nur, dass es nicht schaden sollte.

Kati

ZitatIch kann das auch nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe zwar selbst noch nicht viele solcher Bücher gelesen, weil ich die wahrscheinlich gleich bei der Beschreibung aussortiere, aber was du schreibst ist schon erschreckend.

Mein Problem ist, dass ich Romantasy für Jugendliche mag. Und leider kann man aus vielen Klappentexten nicht herauslesen, ob man jetzt eine starke Heldin mit eigenem Kopf hat oder eine Damsel in Distress, die ihrem Love Interest nachrennt und alles, was er sagt, für richtig hält. Ich habe schon viele Bücher in die Ecke gepfeffert, die letzteres gemacht haben und ich habe einige Lieblingsbücher, die gar nicht so sind. Vom Klappentext her kann ich das aber meistens leider nicht ableiten und nach den Covern kann man ja schon gar nicht mehr gehen. Das war der Grund, weshalb ich eine ganze Zeit lang keine Romantasy mehr gelesen habe. Es ist ein bisschen wie Lotto spielen, was man jetzt kriegt. Und nach Rezensionen kann man auch nicht gehen, weil viele Leute das erschreckender Weise nicht sehen.

ZitatIch denke, solche Potitionen, wenn sie in Büchern oder auch Filmen vorkommen beeinflussen vor allem unsichere Jugendliche. Ich denke, die meisten, die das lesen haben die Einstellung schon vorher.

Und dabei gibt es so viele unsichere Jugendliche. Das gehört ja für die meisten einfach dazu. Noch etwas, das durch Bücher suggeriert wird. Es gibt so viele Jugendfantasybücher mit Heldinnen, die von ihrem Umfeld ständig gesagt kriegen wie schön sie sind, sich selbst aber für total durchschnittlich halten. Wieso kann man nicht einmal eine selbstbewusste Heldin haben, die weiß, woran sie ist?

Ob die Einstellung schon vorher da ist... Ich erinnere mich, dass ich mit 10, 11 so die ersten Jugendbücher gelesen habe, in denen "böse Zicken" vorkamen. Davor habe ich mir über sowas überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich geriet an Bücher, vorwiegend aus einer beliebten deutschen Mädchenbuchreihe, in denen die "guten" Mädchen rein und ungeschminkt waren und natürlich noch nie einen Freund hatten und bei denen nicht mehr drin war als ein kleiner Kuss. Die "bösen" Mädchen waren durchgehend schon geschminkt, mit gefärbten Haaren und bauchfreien Tops und sie hatten alle schon achtzig Beziehungen hinter sich. Slut-Shaming auf Hochtouren und das in Büchern für 12-jährige. Und, ja, ich habe das damals so übernommen, einfach weil vorher gar keine Meinung dazu da war. Es hat auch ein paar Jahre gedauert, bis ich begriffen habe, dass man Menschen nicht so in Schubladen stecken kann.

ZitatAuch dass es so dargestellt wird, als wäre es gar nicht so schlimm, dass jemand stirbt oder ähnliches. Schon Kinder wissen sehr genau, dass nicht alles wieder gut wird.

Oh ja! Jetzt wo du es sagst. In vielen Jugendbüchern wird ja auch getötet, was das Zeug hält und das ist dann in Ordnung, weil die Bösen getötet werden. Mir fehlt da ganz oft die Reflektion, dass man ein lebendiges Wesen ermordet hat. Selbst in wirklich tollen Büchern werden Gegnern Degen in die Brust gerammt und drei Seiten später ist es einfach vergessen. Das finde ich aber nicht nur in Jugendbüchern zweifelhaft, sondern generell.

Cypher

Der Zeitgeist wandelt sich.
Mir ist es auch schon aufgefallen und unter anderem ein Grund, warum ich um solche Literatur einen großen Bogen mache.

Prinzipiell würde ich entsprechenden Autoren unterstellen, ihre eigenen Kindheitserfahrungen zu rächen, indem sie eventuell ihre stereotypisierten Kindheitsantagonisten niedermachen. Aber wenn ich dann auf den grundsätzlichen Ton und die allgemeine Einstellung vieler Jugendlicher anschaue, denke ich dass entsprechende Bücher nur genau das treffen, was für viele Jugendliche Alltag ist: Extreme Einteilung von Menschen in vordefinierte Klassen, Unwille zur Revidierung der eigenen Ansichten und unrealistische Romantisierung der Liebe. Viele Jugendliche können sich von der medial verzerrten Realität nur noch in fiktive Welten einlesen, die ihnen bekannt sind. Der Autor weiß das und macht rein ökonomisch betrachtet das Richtige, indem er der Zielgruppe ein Umfeld bietet, das sie selbst kennt und mit dem sie sich identifizieren kann. Kein durchschnittlicher Jugendlicher des 21. Jahrhunderts könnte sich noch mit moderater Literatur anfreunden. Höher, schneller, weiter - in jeder Beziehung. Das spiegelt sich, denke ich, vor allem in der Literatur wieder.

Maja

Das Zweifelhafteste, was mir in einem Jugendbuch untergekommen ist, war in einem Harry-Potter-Band - ich glaube, im zweiten. Das sind Bücher, die immerhin von z.T. noch sehr jungen Kindern gelesen werden, zehn Jahre und drunter, und die sehr empfänglich sind für Ideen. Es geht um eine  Stelle, an der Dobby der Hauself etwas getan hat, das seinen Herren nicht gefallen würde, und in vorauseilendem Gehorsam sich selbst bestraft, ehe es herauskommt: »Darum hat Dobby sich heute die Hände gebügelt.«

Und ich dachte, geht's noch? Ich denke ja, dass Kinder viel abstrahieren können, aber die unterschwellige Botschaft, wenn du etwas falsch machst, bestraf dich selbst, füge dir Schmerzen und Verletzungen zu, du hast es so verdient - das kann auf allzu fruchtbaren Boden fallen...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Ryadne

Zitat von: Kati am 16. Januar 2013, 22:57:23Selbst in wirklich tollen Büchern werden Gegnern Degen in die Brust gerammt und drei Seiten später ist es einfach vergessen. Das finde ich aber nicht nur in Jugendbüchern zweifelhaft, sondern generell.
Das kann ich so unterschreiben.

Zitat von: Kati am 16. Januar 2013, 22:57:23
Ob die Einstellung schon vorher da ist... Ich erinnere mich, dass ich mit 10, 11 so die ersten Jugendbücher gelesen habe, in denen "böse Zicken" vorkamen. Davor habe ich mir über sowas überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich geriet an Bücher, vorwiegend aus einer beliebten deutschen Mädchenbuchreihe, in denen die "guten" Mädchen rein und ungeschminkt waren und natürlich noch nie einen Freund hatten und bei denen nicht mehr drin war als ein kleiner Kuss. Die "bösen" Mädchen waren durchgehend schon geschminkt, mit gefärbten Haaren und bauchfreien Tops und sie hatten alle schon achtzig Beziehungen hinter sich.

Nicht zu vergessen, dass die guten Mädchen braune oder rote und die bösen blonde (und lange!) Haare haben. Mann, bin ich böse.  ;D
Allerdings fällt mir dieses Thema noch viel stärker in Filmen und Serien auf als in Büchern. Und wenn ich an Bücher denke, in denen das vorkommt, fallen mir als erstes so Klassiker wie Hanni und Nanni oder Dolly ein.
Könnte mir vorstellen, dass das auch daher kommt, dass die Autoren vielleicht erwarten, dass sich ihre Leserinnen mehr mit den weniger gestylten und ruhigeren Protagonistinnen identifizieren können. Ja, ich weiß, dieser Satz schreit schon wieder "Klischeevorstellung!", aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass dieser Gedanke eine Rolle spielt.

Mir fallen jetzt eigentlich gar keine Bücher ein, die ich in den letzten Jahren gelesen hätte und die so furchtbar "zweifelhafte" Botschaften enthalten hätten. Okay, von Twilight habe ich natürlich gehört, aber es selbst nicht gelesen, deshalb kann ich da wenig zu sagen. Und die Diskussion, die es etwa bei Harry Potter gab, vonwegen, dass die Bücher todesverherrlichend seien, fand ich eher albern.
Die ständige Fokussierung auf irgendwelche Liebeleien ist durchaus etwas, was mich stört, aber das an sich scheint ja sehr gut anzukommen. Und ja, okay, inzwischen hab ich auch ein paar Romantasy-Bücher gelesen, die mir gefallen haben.
Was mir sehr sauer aufgestoßen ist, ist die Eigenart der 13-jährigen Protagonisten aus Sylvie und die verlorenen Stimmen, die jedesmal, wenn sie nicht weiter wissen, sich mit unkommentierter Selbstverständlichkeit erstmal einen hinter die Binde kippen.

Naja, und dann sind da natürlich die Bücher von Darren Shan. Unglaublich fesselnd geschrieben, auch mit Verständnis für die Antagonisten - aber so übelst brutal! Da hab ich mich dann auch gefragt, ob das wirklich sein muss... Denn von der Handlung her sind ja sowohl Mitternachtszirkus, als auch das Dämonicon eigentlich schon arg auf Jugendliche zugeschnitten. Aber das hat nichts mit zweifelhaften Botschaften zu tun... Ähnlich ist es auch bei den Büchern von Gudrun Pausewang. Game of Thrones ist ein Witz gegen Die letzten Kinder von Schewenborn!

Okay, das ist kein Buchempfehlungsthread, aber bei dem, was ihr so geschrieben habt, musste ich immer wieder daran denken, wie reflexiv die Faeriewalker-Reihe von Jenna Black mit solchen Themen umgeht. Die Protagonistin bringt sich zwar mit erstaunlicher Regelmäßigkeiten unnötig in Gefahr (rettet sich dann aber wenigstens selbst) und ist nicht sehr tough, aber mit Themen wie diesem dem-perfekten-Kerl-hinterherlaufen, Sex und Mädchen-Klischees geht die Trilogie meiner Meinung nach trotz der klischeehaften Männerdarstellung (ich sag nur gorgeous) sehr vielschichtig um, jedenfalls ab Band 2. Und dabei ist die Protagonistin eigentlich gerade durch ihre nicht so toughe und eher zögerliche Art auch realitisch. Also ich kann mich nicht mit einer  Kampfmaus wie Dru aus Strange Angels identifizieren, die zwar cool ist, aber sogar mit einem Maschinengewehr in der Hand schläft, und sich trotzdem dauernd von Kerlen retten lassen muss.

Zitat von: Maja am 16. Januar 2013, 23:35:26
Und ich dachte, geht's noch? Ich denke ja, dass Kinder viel abstrahieren können, aber die unterschwellige Botschaft, wenn du etwas falsch machst, bestraf dich selbst, füge dir Schmerzen und Verletzungen zu, du hast es so verdient - das kann auf allzu fruchtbaren Boden fallen...

Hm, diese Sichtweise kann ich nicht nachvollziehen. Es wird doch sehr deutlich gemacht, dass das negativ zu bewerten ist! Noch deutlicher kann man's eigentlich kaum machen, außer man wird plakativ. Oder verstehe ich es falsch, was dich daran stört?

Leann

Über dieses Thema habe ich auch schon nachgedacht.
Den Trend, dass "romantisch" sein soll, wenn sich junge Frauen ihren Freunden unterordnen oder sich nicht gegen Gewalt wehren, finde ich erschreckend.
Können alle Jugendlichen eine Grenze ziehen zwischen dem, was sie lesen und "romantisch" finden und der Art, in der sie eigene Beziehungen führen möchten?
Ich fürchte, dass die unterwürfigen Protagonistinnen da leider oft Vorbildfunktion haben.
Das ist glaube ich auch der Knackpunkt: Unterscheiden zwischen der eigenen Lebensrealität und dem, was man gerne in (Fantasy-)Büchern liest.

Was mich ratlos macht ist das sogenannte "Triggern". Über diesen Begriff bin ich in letzter Zeit öfter gestolpert. Da werden in Rezensionen oder Klappentexten sogenannte "Triggerwarnungen" ausgesprochen, das heißt, vor Themen gewarnt, die Auslöser für traumatische Erinnerungen sein können, wie zum Beispiel "Selbstverletzung / Ritzen" oder ähnliches.

In dem Zusammenhang könnte dann wohl auch die von Maja genannte Szene mit Dobby bei dafür sensiblen Personen den Drang, sich selbst zu verletzen, auslösen?

Im ersten Moment konnte ich mit diesen Warnungen nichts anfangen und hielt sie für einen neuen Werbetrend.
Aber ich frage mich, ob es wirklich sein kann, dass traumatisierte Personen von bestimmten Themen derartig belastet werden können, dass solche Warnungen sinnvoll sein können, jetzt mal ganz abgesehen davon, in welcher Art diese Themen in Jugendbüchern behandelt werden.

Es kann doch auch nicht sein, dass konfliktträchtige Themen gerade in Jugendbüchern zukünftig außen vor gelassen werden, da sie vielleicht "triggern" könnten.
Das kritische Auseinandersetzen mit diesen Themen ist zu wichtig, als dass man sie einfach mit Triggerwarnungen versieht und ignoriert.
(Mal ganz davon abgesehen, dass eigentlich alles triggern kann.)

Ich hoffe, dieser Aspekt war jetzt nicht zu Off-Topic. Ich finde, dass er ganz gut zu "zweifelhaften Botschaften" passt. Wenn in einem Roman zum Beispiel "Ritzen", Alkoholmissbrauch oder ähnliches als erstrebenswert und "cool" dargestellt wird, was ist dann mit Warnhinweisen? Und wer entscheidet, ob die Botschaft zweifelhaft ist oder als Diskussionsgrundlage dienen kann und dazu führt, dass Jugendliche sich kontrovers mit ihr beschäftigt? 





Alessa

Leider weiß ich nicht mehr, in welchem Jugendroman ich das erste Mal diesen 'Trend' gelesen habe. Doch ich weiß, dass ich das Buch postwendend in der Mülltonne entsorgt habe. Ich halte diese Art von 'Romantik' für gefährlich, da Jugendlich schnell zu dem Entschluss kommen könnnen, dass es 'IN' ist, sich dem Freund unterzuordnen.

Gerade in der Pubertät entwickeln sich die späteren Vorlieben und Abneigungen, was die Beziehung zwischen Mann und Frau betrifft. Und wenn einem dann ständig unter die Nase gesetzt wird, dass Gewalt und Unterordnung romantisch ist, dann kann das die Gefühlswelt sehr stark beeinflussen und zur Nachahmung verführen.

Was ich nicht verstehe, dass so viele Autorinnen auf diesen gefährlichen Zug aufspringen. Ist ihnen nicht bewusst, was derartige Äußerungen bei Jugendlichen anrichten können, die in ihrer Entwicklung noch beeinflussbarer sind, als ein Erwachsener?

Szazira

Ich finde diesen Trend nicht nur für Mädchen gefährlich. Das Jungen dieses aufgezwungene Weltbild vom coolen, dominanten Jungen gut tut, wage ich stark zu bezweifeln. Sehr überspitzt könnte man formulieren, dass sie ihre Freundin schlagen und unterdrücken müssen, wenn sie sie lieben,. Es wird vermittelt, dass Frau das so will. :wart: Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die diese Suggestion, freundlich formuliert, seltsam findet. :hmmm:

Die heftigste Aussage, die ich in dem Zusammenhang mit der schwarz-weiß-Malerei in Kinder- und Jugendbüchern gehört habe, war, dass die Zielgruppe doch gar nicht in der Lage wäre, eine differenzierte Charakterisierung zu verstehen :o. Ich selbst habe keine Kinder, bin aber immer wieder erstaunt wie viel Kinder mit bekommen und verstehen, was man ihnen gar nicht zutraut. (Mögen mich Väter und Mütter korrigieren :) ) Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen der Sendung erinnern. Es war eigentlich eine recht interessante Kultursendung aus den Öffentlich-Rechtlichen spät nachts.

Im Fall von Dobby war ich der Meinung, das Harry genug Entsetzen zeigt, um Kindern klar zu machen, dass das keine erstrebenswerte Handlungsweise ist. Ich gebe zu, dass ich von dieser Szene ebenfalls sehr entsetzt war und mich gefragt habe, ob alle Hauselfen selbstzerstörerisch veranlagt sind.

Robin

Ich denke, es liegt auch ein wenig daran, dass es schon so viele gleiche Jugendbücher gibt, die sich zum Teil auch gut verkaufen. (Ich schreibe einmal nicht, welches unausstehliche Buch mir dabei ständig im Sinn hängt - ich denke, jeder hier kennt es zur Genüge.)

Außerdem ist es auch wieder eine Frage dessen, ob man überhaupt als Autor noch herausstechen will. Und zwar stark und unangenehm herausstechen, will ich behaupten. Wenn man jetzt nämlich ein Jugendbuch schreiben würde, das "so völlig anders" als die anderen wäre... Naja. Es ist schwierig, würde ich sagen.

Es gibt da ja immer die vielen Seiten daran, weswegen man schreibt. Und in erster Linie, das muss man einfach sagen, will man in den meisten Fällen auch Geld verdienen. Immerhin ist Schreiben eine Arbeit, wie unglaublich das für die nicht Eingeweihten klingen mag. ;) Es steckt oft auch viel Frust, wie auch Glück in dieser Geschichte, neben all den anderen Emotionen, durch die ein Autor sich durchaus auch durchquälen muss, bis er endlich zum heiß ersehnten Ende kommt.

Nun kann man sich ja entscheiden... will man den ausgetretenen Pfad gehen, und ein Buch nach Vorbild anderer Bücher schreiben, weil es einfach schon gut angekommen ist? Oder schlägt man sich ins Gestrüpp und versucht etwas neues, was vielleicht gar nicht gut aufgenommen wird? Für beide Seiten gibt es gute Argumente. Immerhin will man sich auch nicht durch völlig neue Konzepte so sehr im Plot verfahren, dass am Ende eine in sich unstimmige, rissige Geschichte entsteht.

Deswegen, so scheint es für mich jedenfalls, gibt es eben in Jugendbüchern immer wieder diese besorgniserregende Tendenz dazu, dass immer die gleichen Motive genommen werden. Man muss sich ja auch fragen: wird ein anders eingesetztes Motiv überhaupt gut aufgenommen? Wird es vom Publikum akzeptiert? Darf man das überhaupt? (Und das ist ja nur ein Teil dieser Problematik, die sich dann durchaus auftun kann.)

Zudem, was man auch feststellen muss, wird ein Autor, wenn er bekannt wird, vor allem für einen gewissen Erzählstil und für eine gewisse Grundstimmung in seinen Werken bekannt. Das weckt Erwartungen. Wenn man solche Erwartungen damit enttäuscht, dass man einen neuen Weg einschlägt, dann kann es vorkommen, dass man mit negativer Kritik zugehagelt wird - andererseits kann es auch Begeisterung hervor rufen, wenn man sich auf Experimente einlässt. Wie jetzt also verfahren?

Ich kann jetzt falsch liegen, und das komplett, aber für mich liegt die Problematik dieser zweifelhaften Themen zum größten Teil eben NICHT daran, dass es solche Bücher überhaupt gibt. Nein, es liegt für mich eher daran, dass die Eltern oftmals keine Zeit haben, sich genauer anzusehen, wovon die Bücher überhaupt handeln - abgesehen davon, dass man auch ein Jugendbuch erwartet, wenn es schon drauf steht. Also so ganz Schuld sind die Eltern auch nicht.

Noch ein Teil der Verantwortung, die eben nicht oder nur unzureichend erfüllt wird, liegt eben auch in der Schule. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, dass wir nach der Grundschule (oder Volksschule, wie sie hier heißt) wirklich mit Literatur weiter gemacht haben, die wir aktuell auch gelesen hätten. Wir haben uns eher mit Autoren beschäftigt, mit denen wir in unserer Freizeit absolut nichts zu tun hatten. Nun gut, es ist Teil der Geschichte und einfach auch des Allgemeinwissens, über bestimmte Autoren Bescheid zu wissen, und auch ihr Wirken zu verstehen.

Aber dennoch, ich würde es schon auch begrüßen, wenn auch mehr auf Autoren des letzten Jahrzehnts, und nicht nur des letzten Jahrhunderts eingegangen wird, um es so zu sagen. Und auch, dass man vielleicht auch einmal darauf achtet, einen differenzierteren Umgang mit Literatur zu vermitteln. Nicht dahin gehend, bestimmte Motive zu deuten, sondern eher einmal zu analysieren, wie die Charaktere überhaupt gestrickt sind, und was sie motiviert. Wenn man das verstärken würde, wäre für mich eindeutig schon einmal ein Teil des Problemes in seinen Anfängen angepackt worden.
~Work in Progress~

Ryadne

Zitat von: Leann am 17. Januar 2013, 08:39:29
Es kann doch auch nicht sein, dass konfliktträchtige Themen gerade in Jugendbüchern zukünftig außen vor gelassen werden, da sie vielleicht "triggern" könnten.
Das kritische Auseinandersetzen mit diesen Themen ist zu wichtig, als dass man sie einfach mit Triggerwarnungen versieht und ignoriert.
(Mal ganz davon abgesehen, dass eigentlich alles triggern kann.)

Ich halte das mit den Triggerwarnungen schon für eine gute Sache; es gibt Themen, über die ich als Jugendliche nicht hätte lesen wollen. Gleichzeitig finde ich es aber auch wichtig, dass es diese Bücher gibt, denn auch diese Trigger-Themen sind etwas, das Jugendliche sehr beschäftigen kann. Und da finde ich es schon (aber nicht nur) deshalb wichtig, dass es entsprechende Romane dazu gibt, um den Jugendlichen Identifikationsfiguren zu bieten, die dieselben Probleme haben, damit aber fertig werden. Gibt natürlich auch Jugendromane, die so enden, dass besagte Identifikationsfigur nicht damit fertig wird, z.B. bei Frag mal Alice.

Klar ist es etwas schwer, zu entscheiden, was triggern kann und was nicht. Ich denke, auf solche Warnungen wird hauptsächlich bei "extremen" Themen wie Missbrauch, psychischen Erkrankungen und Drogenkonsum zurückgegriffen.

Zitat von: Robin White am 17. Januar 2013, 10:27:18
Noch ein Teil der Verantwortung, die eben nicht oder nur unzureichend erfüllt wird, liegt eben auch in der Schule. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, dass wir nach der Grundschule (oder Volksschule, wie sie hier heißt) wirklich mit Literatur weiter gemacht haben, die wir aktuell auch gelesen hätten. Wir haben uns eher mit Autoren beschäftigt, mit denen wir in unserer Freizeit absolut nichts zu tun hatten. Nun gut, es ist Teil der Geschichte und einfach auch des Allgemeinwissens, über bestimmte Autoren Bescheid zu wissen, und auch ihr Wirken zu verstehen.

Aber dennoch, ich würde es schon auch begrüßen, wenn auch mehr auf Autoren des letzten Jahrzehnts, und nicht nur des letzten Jahrhunderts eingegangen wird, um es so zu sagen. Und auch, dass man vielleicht auch einmal darauf achtet, einen differenzierteren Umgang mit Literatur zu vermitteln. Nicht dahin gehend, bestimmte Motive zu deuten, sondern eher einmal zu analysieren, wie die Charaktere überhaupt gestrickt sind, und was sie motiviert. Wenn man das verstärken würde, wäre für mich eindeutig schon einmal ein Teil des Problemes in seinen Anfängen angepackt worden.

Ich fand diese einseitige Betrachtung der deutschsprachigen Literatur in der Schule auch immer schade. Wenn es mal jüngere Romane zu lesen gab, ging es auch immer um den Zweiten Weltkrieg. Ohne Frage ist das ein wichtiges Thema, aber es gibt auch nach 1945 noch wichtige Literatur und Themen.
Zumindest der rheinland-pfälzische Lehrplan ist da allerdings auch sehr strikt; in einem Oberstufen-LK hat ein Lehrer eigentlich kaum freie Gestaltungsmöglichkeiten, er kann sich höchstens aussuchen, ob er Die Leiden des jungen Werther oder Faust durchnimmt. Die Grundkurse sind da noch besser dran.

Allerdings schrecken einige Lehrer auch verständlicherweise davor zurück, Romane mit allzu jugend-typischen Themen durchzunehmen, weil Schüler davon leicht sehr betroffen sein können. Meine Schwester hat mir zum Beispiel kürzlich davon erzählt, dass sie in Ethik einen Text durchgenommen hatten, in dem es um Scheidungen ging. Ein Mädchen ist dann heulend rausgelaufen, weil ihre Eltern sich gerade getrennt hatten. Schwierig für einen Lehrer, da zu entscheiden, was er machen kann und was nicht.
(So etwas kann aber wiederum auch bei weniger jugendtypischen Themen passieren; einmal wurde in der Schule Schindlers Liste gezeigt und ein Mädchen ist ohnmächtig geworden; würde so einen Film auch nicht gerne mit meiner Klasse geguckt haben...)

Kati

Die Meinungen hier sind auf alle Fälle schonmal sehr interessant und ich bin ein bisschen erleichtert, dass es anscheinend nicht nur mir so geht.

Zitat von:  LeannWas mich ratlos macht ist das sogenannte "Triggern". Über diesen Begriff bin ich in letzter Zeit öfter gestolpert. Da werden in Rezensionen oder Klappentexten sogenannte "Triggerwarnungen" ausgesprochen, das heißt, vor Themen gewarnt, die Auslöser für traumatische Erinnerungen sein können, wie zum Beispiel "Selbstverletzung / Ritzen" oder ähnliches.

Wo hast du das denn gesehen? Das finde ich interessant und auch irgendwo sinnvoll, denn solche Szenen, besonders wenn sie drastisch sind, können bei Menschen mit entsprechender Vergangenheit wirklich Probleme auslösen. Ich wünsche mir einen riesengroßen Triggerbäpper für "House of Night", ganz ehrlich. Da stehen frei übersetzt (ich kenne die deutsche Ausgabe nicht) Sätze drin wie: "Sie war nicht dünn wie diese Freakmädchen, die hungerten und kotzten, bis sie dachten, sie sähen aus wie Paris Hilton." Ich glaube, was daran falsch ist, kann jeder gut nachvollziehen. Und ich kann mir vorstellen, dass das bei Leserinnen, die wegen ernsthafter Probleme magersüchtig waren oder sind sehr schnell mindestens zu Wut oder Tränen führen kann. Und das gesamte Buch ist voller dieser ignoranten kleinen Schnipsel zu so ungefähr allem, was von der Norm abweicht. Das Buch ist leider ein weltweiter Bestseller. Und es ist nicht das einzige, dass diese gefährlichen Vorurteile verbreitet. Also, wieso hat das keine Trigger-Warnung?

Was für Bücher haben denn welche? Issue Books? Ich finde, es ist wichtig sich in Literatur, besonders Jugendliteratur, auch ernsthaft mit echten Problemen auseinanderzusetzen, aber eben ohne die in Problembüchern berüchtigte Moraltrommel zu rühren. Damit kommt bei Jugendlichen nicht weiter. Die wollen nicht belehrt werden, sondern eine realistische Darstellung, von der man etwas mitnehmen kann. Besonders in Jugendfantasy oder Jugendkrimis, eben nicht typischen Issue Books, kommt aber sehr gern mal ein viel zu leichter Umgang mit Problemen zum Vorschein. Nicht immer so heftig wie im obrigen Beispiel, aber der Grundtenor ist meist: "Es ist ganz leicht solche Probleme loszuwerden, wenn du es einfach willst." Als wäre es eine Entscheidung zwischen Tee und Kaffee. Und oft auch noch im Zusammenhang mit: "Hier, dieser tolle Junge wird dir helfen, du brauchst nämlich einen Mann um komplett zu sein." Das finde ich ziemlich traurig, weil es ein völlig falsches Bild vermittelt.

Zitat von:  AlessaWas ich nicht verstehe, dass so viele Autorinnen auf diesen gefährlichen Zug aufspringen. Ist ihnen nicht bewusst, was derartige Äußerungen bei Jugendlichen anrichten können, die in ihrer Entwicklung noch beeinflussbarer sind, als ein Erwachsener?

Das verstehe ich auch nicht, aber sehen wir es mal so. Es gibt durchaus auch Frauen, die in einer gesunden und glücklichen Beziehung leben und diese Romanzen romantisch finden. Es gibt viele LeserInnen, die den gefährlichen Aspekt einfach nicht sehen, ihn total verkennen. Ob das daher kommt, das nicht aufmerksam gelesen wird, sondern nur so nebenbei (ist ja nicht verwerflich), oder das man sich vorher mit solchen Problemstellungen noch nie beschäftigt hat, weiß ich nicht. Ich bin dazu erst über eine Freundin gekommen, die etwas in die Richtung studiert und mich wohl für diese Probleme auch sensibilisiert hat. Davor habe ich allerdings auch immer schon gern kritische Rezensionen gelesen, die sich nicht scheuen ein Buch für solche Inhalte anzuprangern. Wenn man diesen Bezug aber nicht hat, sondern einfach liest und sich nicht weiter damit beschäftigt, kann ich mir schon vorstellen, das man sowas nicht merkt. Was das Unterbewusstsein mit den Informationen macht ist allerdings eine ganz andere Sache.

Und ich denke, Autorinnen selbst geht es auch so. Man schreibt was man gern liest, ich glaube nicht, dass viele registrieren, dass Jugendliche sehr beeinflussbar sind und das am Ende für bare Münze nehmen. Die bereits angesprochene Alexandra Ardonetto (20) sagte in einem Interview über ihren Helden Xavier, dass er so ist, wie sie sich ihren Traummann vorstellt. Xavier ist der typische, rechthaberische, launenhafte YA-Held, der der Heldin alles vorschreibt. Ich verstehe das nicht, aber anscheinend wird das wirklich als romantisch betrachtet, vielleicht mit Sicherheit und Umsorgung in Verbindung gebracht.

Zitat von:  SzaziraIch finde diesen Trend nicht nur für Mädchen gefährlich. Das Jungen dieses aufgezwungene Weltbild vom coolen, dominanten Jungen gut tut, wage ich stark zu bezweifeln

Da sagst du auf jeden Fall etwas Wahres. Ich habe wirklich schon Sprüche wie "Sei mal mehr wie Edward!" gehört. Ich sehe auch ein Problem darin, dass Männer oft auf ihr Äußeres reduziert werden. AutorInnen gestehen ihren männlichen Helden meist nicht mehr zu als ein wundertollschönes Aussehen und ein dunkles Geheimnis, dass dieses miese Verhalten rechtfertigen soll, zu. Ich glaube nun beiweitem nicht, dass das dazu führt, dass Männer bald nur noch als Sexsymbole wahrgenommen werden (diese Rolle steht seit gut hundert Jahren den Frauen zu und leider wird sich das auch nicht so bald ändern) und anders herum betrachten die "Helden" die "Heldinnen" ja auch nach dem Motto: "Du bist so unglaublich schön, ich werde dich auf ewig lieben." Diese Oberflächlichkeit finde ich auch sehr grenzwertig, aber man findet kaum noch Bücher ohne.

Zitat von:  Robin WhiteAußerdem ist es auch wieder eine Frage dessen, ob man überhaupt als Autor noch herausstechen will. Und zwar stark und unangenehm herausstechen, will ich behaupten. Wenn man jetzt nämlich ein Jugendbuch schreiben würde, das "so völlig anders" als die anderen wäre... Naja. Es ist schwierig, würde ich sagen.

Na ja, es gibt ja auch Jugendromane, die relativ erfolgreich sind und diesem Muster nicht folgen. In Meg Cabots "Mediator"-Reihe brauchen die Protagonisten vier der sechs Bücher, um zusammen zu kommen, von Insta-Love und ewiger Liebe keine Spur. Es gibt auch Romane wie Maureen Johnsons "Name of the Star", in denen eine ziemlich authentische erste Liebe ganz ohne Kitsch und Dramatik geschildert wird. Was aber auffällt ist, dass diese Bücher obwohl in den USA nicht unbekannt, hier nichts reißen können. Die Mediator-Bücher wurden mit hässlichen Covern und ohne Werbung bloß als Taschenbücher rausgegeben, von Maureen Johnsons Büchern hat es bloß eins geschafft, übersetzt zu werden. Daraus schließe ich, dass Bücher ohne große, epische, dramatische ewige Liebe zumindest hier einfach nicht gefragt sind.

Zitat von:  Robin WhiteNein, es liegt für mich eher daran, dass die Eltern oftmals keine Zeit haben, sich genauer anzusehen, wovon die Bücher überhaupt handeln - abgesehen davon, dass man auch ein Jugendbuch erwartet, wenn es schon drauf steht. Also so ganz Schuld sind die Eltern auch nicht.

Ich gebe dir da Recht und ich denke, dass man zumindest mit jüngeren Kindern unbedingt darüber reden sollte. Ich finde es schon bedenklich, dass Elfjährige YA-Fantasy lesen. Nicht nur wegen der unbedingt problematischen Darstellungen gewisser Dinge, sondern schon allein vom Gruselfaktor her. Es gibt Bücher, die ich jetzt gern lese, die mich mit 11 aber total geschockt hätten. Da wären wir dann wieder bei der Darstellung von Tod und Töten, die ja auch viel zu leicht angefasst wird.

Ich finde übrigens, dass besonders jetzt, wo romantische YA-Fantasy einen festen Platz hat, man in der Schule auch mal darüber sprechen sollte. Nicht lang, vielleicht bloß einen Block mal, aber vielleicht kann man so gewisse Gedanken ins Rollen bringen, die von allein nicht gekommen wären. Ich sage ja auch nicht, dass niemals jemand mehr solche Bücher lesen darf. Es gibt auch welche davon, die ich mag. Ich finde nur, dass es gefährlich ist, davon auszugehen, dass sie auf Jugendliche überhaupt keinen Einfluss haben werden. Man sollte sich einfach auch mit der Problematik auseinandersetzen und schon gar nicht sagen: "Ist ja nur ein Jugendbuch, wie schlimm kann das schon sein?"

Ary

ZitatIch finde übrigens, dass besonders jetzt, wo romantische YA-Fantasy einen festen Platz hat, man in der Schule auch mal darüber sprechen sollte. Nicht lang, vielleicht bloß einen Block mal, aber vielleicht kann man so gewisse Gedanken ins Rollen bringen, die von allein nicht gekommen wären. Ich sage ja auch nicht, dass niemals jemand mehr solche Bücher lesen darf. Es gibt auch welche davon, die ich mag. Ich finde nur, dass es gefährlich ist, davon auszugehen, dass sie auf Jugendliche überhaupt keinen Einfluss haben werden. Man sollte sich einfach auch mit der Problematik auseinandersetzen und schon gar nicht sagen: "Ist ja nur ein Jugendbuch, wie schlimm kann das schon sein?"

Gute Idee, mir hätte sowas in der Schule gefallen, und ich finde es auch wichtig. Nur weil Jugendbuch draufsteht, muss ja noch lange nicht wirklich "jugendgeeignet" drin sein. Um noch mal auf Harry Potter zurückzukommen, da fand ich die Altersempfehlungen durchweg zu niedrig. Ich hätte mich beim Ende des ersten Bandes als Kind von sechs Jahren vermutlich zu Tode gegruselt. Und ich finde die Dobby-Szene mit dem Händebügeln auch eher zweifelhaft. Ich unterstelle der Autorin einfach mal, dass sie wirklich von selbstverletzendem Verhalten abschrecken wollte, aber wer dafür empfänglich ist, könnte es durchaus als "Werbung" interpretieren. genauso zweifelhaft finde ich dazu die "Lehrmethoden" und Strafarbeiten der Figur "Umbridge", die die Schüler mit einer Feder ohne Tinte Strafarbeiten schreiben lässt, wobei die "Tinte" und das "Papier" die Hand der Kinder ist, in die sich die zur Strafe geschriebenen Sätze dann einritzen. Finde ich höchst bedenklich, das ist Quälen, das ist Folter, das hat als Strafarbeit an einer Schule, so abgefahren fantasymäßig sie auch sein mag, für mich nichts verloren. Die Umbridge war an sich durch die Beschreibungen schon unsympathisch genug, da hätte nicht auch noch diese Folterszene sein müssen, finde ich. das hat bei mir einen sehr schalen Nachgeschmack hinterlassen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.