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Zweifelhafte Botschaften in Jugendbüchern - was geht noch?

Begonnen von Nightingale, 16. Januar 2013, 21:13:12

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Kati

#30
Alana: Ich bin auch froh, dass ich das vorher erfahren habe. Ich habe Buch Eins und Zwei geliebt und mich echt gefragt, wie die Autorin es lösen will, dass die Heldin mit einem Geist zusammen ist. Ich glaube, ich wäre sehr wütend gewesen, wenn ich das erst beim Lesen erfahren hätte. Wütend und traurig. Abbey war immer eine von diesen Figuren, die neben der Liebesgeschichte einen Plan hatte und sehr resolut war. Doch sie schmeißt alles weg: Ihre Pläne für ihren eigenen Laden, die sie seit Band Eins hatte, ihre Familie, ihre Freunde. Und da ziehe ich wirklich die Grenze. Ich ertrage auch viel, aber das hier? Nicht. In Twilight war es wenigstens so gelöst, dass Bella gestorben wäre, wenn sie nicht ein Vampir geworden wäre. Aber Abbey trifft diese Entscheidung einfach, weil sie ihre erste Liebe nicht loslassen will.

Und von vielen jungen Mädchen, die das absolut romantisch finden, hört man im Nebensatz: "Ich selbst war noch nie verliebt, aber ich kann Abbey verstehen." Und das macht mir wirklich Sorgen. Man hat doch als Jugendbuchautor wirklich eine Verantwortung. Und Selbstmord so zu romantisieren geht überhaupt gar nicht.

EDIT: Ich frage mich gerade, ob das der Grund ist, weshalb Band 3 nicht auf Deutsch erscheint. Band 2 kam bereits vor fast genau zwei Jahren raus, Band 3 erschien auch um die Zeit in den USA, aber in Deutschland ist er weder angekündigt noch scheint es geplant zu sein.

Janika

Zitat von: Kati am 17. Januar 2013, 21:59:05
Mein allerliebstes Gegenbeispiel ist der Zeichentrickfilm "Anastasia". In dem gerät Anastasia am Ende ja auch in Gefahr, der Love Interest kommt, um sie zu retten, doch dann wendet sich das Blatt und sie rettet ihn und sich, weil sie über sich selbst hinauswächst. So sollten Bücher sein, finde ich. Die Protagonistin sollte nicht umsonst die Heldin sein, und jemand anders macht ihre Arbeit - besonders, wenn sie als etwas ganz besonderes dargestellt wird.

Böse Kati, ich wollte doch heute schreiben! Jetzt rate mal, was ich gerade in den DVD-Player geschmissen hab ... :versteck:
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Kati

Aber der Film ist ja auch toll.  ;D Ich könnte ihn auch mal wieder ansehen...

Ratzefatz

ZitatWas wirklich unrealistisch ist, ist diese Aschenputtelsache. Ultracooler Junge verliebt sich in unsterblich in unscheinbares Mädchen - so läuft das nämlich in der Realität so gut wie nie!
Aber das vermittelt immerhin eine bessere Botschaft, wenigstens, wenn's gut gemacht ist (also nicht "ersetz die hässliche Brille durch Kontaktlinsen, schick sie zum Friseur, besorg ihr ein anderes Kleid, und voilá - die Schulball-Königin"): dass man Leute nicht nach Äußerlichkeiten bzw. nach dem ersten Eindruck beurteilen soll und dass man sich auch nicht von oberflächlichen Freunden vorschreiben lassen soll, wen man liebt. Wogegen eine Aussage wie "schön = gut" oder "wenn er gut aussieht, kann man ihm alles verzeihen" für mich viel bedenklicher ist.

LG
Ratzefatz
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Debbie

Zitat von: Ratzefatz am 18. Januar 2013, 20:48:58
Aber das vermittelt immerhin eine bessere Botschaft, wenigstens, wenn's gut gemacht ist (also nicht "ersetz die hässliche Brille durch Kontaktlinsen, schick sie zum Friseur, besorg ihr ein anderes Kleid, und voilá - die Schulball-Königin"): dass man Leute nicht nach Äußerlichkeiten bzw. nach dem ersten Eindruck beurteilen soll und dass man sich auch nicht von oberflächlichen Freunden vorschreiben lassen soll, wen man liebt.

Das vermittelt vielleicht eine positive Botschaft, aber schürt es nicht gleichzeitig auch falsche Hoffnungen?! Ich meine, wenn die Situation jetzt ständig so dargestellt werden würde, könnten die ganzen pubertierenden Mädchen dann nicht glauben, dass sowas ständig passiert? In dem Fall müsste die Story eher so lauten: Unscheinbares Mädchen verliebt sich in ultracoolen, bildschönen und beliebten Jungen, der sie nicht will. Ihr bester Freund (ein anderer Junge) ist schon ewig in sie verliebt, aber leider nicht ihr Typ. Doch irgendwann fängt sie an mehr in ihm zu sehen, als sein Äußeres und ihn für seinen Charakter zu bewundern, etc..
Das vermittelt dann wenigstens einen realistischen Eindruck  :pfanne:

Ich weiß, dass es solche Geschichten auch en masse gibt - besonders in den 80ern waren diese Art Teenie-Geschichten beliebt. Aber im Moment geht der Trend eben zu "auch schöne Jungs können Charakter haben und erreichbar sein, selbst dann wenn du eine graue Maus bist". Das hat natürlich Vor- und Nachteile; aber die andere Version auch  :-\  Da bleibt dann die Entscheidung zwischen dem Vermitteln von "Realitäten" vs. "positive Botschaften" ...


ZitatWogegen eine Aussage wie "schön = gut" oder "wenn er gut aussieht, kann man ihm alles verzeihen" für mich viel bedenklicher ist.

Das ist aber auch wiederum kein generelles Problem, für das es auch Gegenbeispiele gibt. Oftmals sind (auch) die Bösen schön, was die Schönheit des LI wiederum etwas relativiert. Ist übrigens auch in Twilight der Fall, nur so nebenbei erwähnt - Edward ist da nicht der einzige Schönling. Wäre einer seiner Brüder Single, wäre der wahrscheinlich ähnlich beliebt. Und ja, mir geht dieses ständige Wiederholen von seiner Perfektion auch auf den Senkel, aber das ist im Endeffekt nicht der Grund warum sie ihn liebt; und natürlich empfindet man den eigenen Partner als besonders schön, wenn man ihn liebt. Das Buch (wie soviele andere YA Romane mit dem gleichen Thema) ist in Ich-Perspektive geschrieben und gibt dementsprechend eben auch eine subjektive Meinung wieder. Klar stehen die anderen Mädels auch auf Eddie, aber die himmeln ihn nicht so an wie Bella - er ist eben ihre große Liebe. In dem Fall sind nicht nur die Empfindungen von Teenagern etwas verklärt  :vibes:
Und ich finde schon, dass Twilight durchaus auch positive Botschaften vermittelt; und bitte nicht vergessen: Am Ende sind es Bellas Fähigkeiten, die ausschlaggebend für den Ausgang sind. Ob das jetzt zwecks PC eingebaut wurde oder nicht und ob es nicht vielleicht etwas "erzwungen" wirkt, lassen wir mal dahingestellt ...

@Kati: Das von dir aufgeführte Beispiel empfinde ich auch als wirklich bedenklich - in einem Jugendbuch. Vielleicht hätte man am Ende einen Brief einbauen sollen, in dem er gesteht, dass sie nie seine große Liebe war, sondern jemand anderes ... Oder das er in Wahrheit garnicht tot war, und jetzt auch nicht vorhat sich umzubringen, obwohl sie es getan hat  :snicker: Wäre mal was anderes!

Kati

#35
Ich möchte für Twilight auch eben nochmal eine Lanze brechen. Ich finde, Stephenie Meyer macht deutlich, dass Edwards Verhalten daher rührt, dass er um 1900 geboren wurde und gelebt hat und Bella lässt sich das schließlich auch nicht ohne Weiteres gefallen - sie tut trotzdem Dinge, obwohl er gesagt hat sie soll nicht. Schließlich ist sie mit Jake befreundet, obwohl Edward stark dagegen ist. Und von Bella habe ich gelernt, wie man aus einem Schlüsselring einen Schlagring bastelt. Sie war auch bereit, den potentiellen Vergewaltigern richtig zuzusetzen. Dass dann Edward vorbeigekommen ist, war Zufall, aber sie saß nicht zitternd in der Ecke und hat auf Rettung gehofft. Viel schlimmer finde ich die Heldinnen vieler Trittbrettfahrer, die ohne ihren Mann gar nicht mehr vor die Tür gehen können, ohne sich zu verletzen. Das soll nicht heißen, dass die Beziehung in Twilight gesund auf mich wirkt oder Edwards Verhalten entschuldigt werden soll, aber es gibt viel Schlimmeres als Twilight.

Zitat von:  Ratzefatzdass man Leute nicht nach Äußerlichkeiten bzw. nach dem ersten Eindruck beurteilen soll und dass man sich auch nicht von oberflächlichen Freunden vorschreiben lassen soll, wen man liebt.

Das Problem ist ja, dass die Heldinnen meistens gar nicht so durchschnittlich sind, wie sie glauben. Ich weiß nicht mehr, wie es bei Bella war, aber zum Beispiel Katie aus "Die for Me" ist so eine. Sie findet sich viel zu blass und ihre Haare zu glatt, obwohl ihr jeder sagt, dass das die Merkmale sind, die sie schön machen. Die Mädchen sind also meist gar nicht durchschnittlich, erkennen ihre Schönheit jedoch erst später, obwohl sie von allen Seiten Angebote und Komplimente bekommen. Wieso Autorinnen nicht den Mut haben wirklich durchschnittliche Heldinnen zu schreiben, weiß ich nicht. Ich fürchte es hängt damit zusammen, das viele sich wirklich ihre Traumgeschichte zusammenschreiben nach den Merkmalen "Wie bin ich und wie würde ich gern sein". Sowas hat in Geschichten meiner Meinung nach aber nichts zu suchen.

Ich verstehe ja fast, weshalb man als Leser schöne Figuren haben möchte. Der Mensch ist halt so, er steht auf hübsche Sachen. Allerdings finde ich auch, man sollte den Leser selbst entscheiden lassen, wen er schön findet. Natürlich kann eine Ich-Erzählerin mal sagen, dass sie den Helden hübsch findet (aber nicht auf jeder Seite), aber anstatt "Er war gottgleich schön mit dunkelrotem Haar und grünen Augen", würde ich lieber lesen, was ihn so schön macht und dann selbst entscheiden, ob ich das schön finde. Die Heldin kann ihn ja trotzdem anschwärmen, aber ich habe von vielen YA-Helden nie ein Bild im Kopf, weil "schön" halt keine Beschreibung ist, mit der ich arbeiten kann. Und Hobbies finde ich auch eine gute Sache. Eddie spielt ja wenigstens noch Klavier und Baseball, aber viele Helden scheinen es als Hobby zu sehen die Heldin zu stalken und dunkel in einer Ecke zu schmollen. Was machen die den ganzen Tag, wenn sie nicht bei der Heldin sind?

Da wird ja auch viel "tell" vor das "show" gestellt. Wenn Held jetzt sagt, er geht gern in Kunstaustellungen ist es schön und gut, aber wenn das nie wieder Thema ist, kann man es gleich lassen. Ich erwarte dann, dass er die Heldin mal fragt, ob sie mit ihm in die Picasso-Ausstellung gehen möchte, oder das er Kunstdrucke in seiner Wohnung hängen hat oder, dass er mal keine Zeit hat, weil er mit XY im Museum ist, aber danach könnte er was mit Heldin unternehmen. So macht man Figuren glaubhaft und das vermisse ich sehr in vielen Büchern heutzutage. Und die gegenseitige Abhängigkeit geht mir auch stark auf den Senkel. Held könnte in meinem Beispiel ja gar nicht mit XY ins Museum gehen, weil er es nicht ohne Heldin aushalten würde. Und Heldin würde schmollend zuhause sitzen und daraus schließen, dass er sie nicht liebt, schließlich macht er was mit XY und nicht mit ihr.

ZitatKlar stehen die anderen Mädels auch auf Eddie, aber die himmeln ihn nicht so an wie Bella - er ist eben ihre große Liebe. In dem Fall sind nicht nur die Empfindungen von Teenagern etwas verklärt 

Das finde ich einen interessanten Aspekt. Obwohl mir die ewige Liebe als Teenager doch ein bisschen auf den Senkel geht. Nicht, weil Bella noch nie einen Freund vor ihm hatte, sondern, weil wir gar nicht erfahren, ob sie sich schonmal für einen anderen Jungen interessiert hat. Sie hat ja kaum Vergleichsmöglichkeiten. Das ist wieder diese Sache mit Figuren, die auf mich nicht real wirken. Da würde sogar ein "In der siebten Klasse war ich in Jon verliebt, aber der wollte mich nicht. Edward hingegen war viel besser/freundlicher/attraktiver als Jon." reichen, einfach, um sie echter zu machen. Ich weiß nicht, für mich würde das ihre Gefühle für Edward noch steigern, weil es alles übertrifft, was sie vorher für jemanden empfunden hat. Meyer baut das ja später noch mit Jake ein, den Bella ja auch sehr mag, aber viele Autorinnen stellen eine Heldin hin, die noch nie im Leben jemals daran gedacht hat sich zu verlieben und dann ihre große Liebe findet. Woran will sie das festmachen, wenn sie noch nie für jemanden geschwärmt hat? Kann ja sein, dass morgen ein noch viel tollerer Typ um die Ecke kommt und die große, dramatische Liebe sich als Schwärmerei herausstellt. Um es mal zugespitzt zu sagen.

Zitat@Kati: Das von dir aufgeführte Beispiel empfinde ich auch als wirklich bedenklich - in einem Jugendbuch. Vielleicht hätte man am Ende einen Brief einbauen sollen, in dem er gesteht, dass sie nie seine große Liebe war, sondern jemand anderes ... Oder das er in Wahrheit garnicht tot war, und jetzt auch nicht vorhat sich umzubringen, obwohl sie es getan hat  Wäre mal was anderes!

Oder einen Prolog Epilog, hundert Jahre später, wo er ihr schrecklich langweilig geworden ist und sie als Geist durch die Gegend schwebt, um sich jemand anderen zu suchen.  :rofl: Aber mal ehrlich, mich lässt das gar nicht los. Mich hat schon Bellas Wunsch Vampir zu werden immer gestört, weil sie auch ihre Zukunft und ihr Leben aufgibt. Wie Meyer das gelöst hat, dass es der einzige Weg war, das Bella nicht stirbt, fand ich allerdings dann nachvollziehbar. Aber als Vampir/Werwolf/anderes Untier hinterlässt man auch keine Leiche, die die Verwandten dann begraben müssen. Irgendwie ist "Ich werde ein Geist" eine Ecke heftiger für mich als "Ich werde ein Vampir", obwohl beides die völlige Aufgabe der eigenen Zukunftspläne beeinhaltet.  :hmmm: Vielleicht, weil "sich selbst umbringen um ein Geist zu werden" möglicher und greifbarer ist, als einen Vampir zu finden, der einen zum Vampir macht.

Fianna

#36
Du meinst wohl Epilog, nicht Prolog ;)

Mir hat an Bella gefallen, dass sie mutig war. Als sie sich gegen jemanden eingetauscht hat in Band 1 - das hat mich sehr beindruckt. Da spukte zwar auch einige unzuordbare verschwommene Zitate in meinem Kopf rum, Aussage: "Es erfordert mehr Mut, sich kaltblütig in die Hände eines Feindes zu begeben, als sich mitten im Kampfgetümmel zu werfen" (ich will es immer Terry Pratchett anlasten, aber vllt war es Bernard Cornwell... Ähnliche Gedanken ohne Kampfvergleich bei Duplik Jonas 7 und Erich Kästner), vielleicht haben diese Szenen mich mit beeinflusst.

Aber sie hat nicht rumgejammert oder ist zu Edward gerannt, sie hat eine Entscheidung getroffen und mutig durchgezogen. Ob es auch klug war, steht auf einem anderen Blatt. Und das war mal nicht für den Love Interest.


Ausserdem sagt sie in Band 2, dass Paare/Helden sich gegenseitig retten müssen. Ihre Megadepression hat mir die Serie aber versaut, ebenso wie das Benutzen von Jake und das Verteufeln von Motorrädern.

Nein, Mrs. Meyer, Motorbikes sind KEINE Todesmaschinen, wenn man anständig fährt. Dazu gehört auch das Benutzen der Bremsen.
Bella fährt nicht Motorrad weil sie nahtodsüchtig ist, sie fährt UNFÄHIG Motorrad weil.sie nahtodsüchtig ist - ergo sind nicht alle Motorradfahrer am Abgrund des sicheren Todes, die meisten nutzen die Technologie "Bremsen".

Debbie

#37
Zitat von: Kati am 19. Januar 2013, 13:30:15
Das finde ich einen interessanten Aspekt. Obwohl mir die ewige Liebe als Teenager doch ein bisschen auf den Senkel geht. Nicht, weil Bella noch nie einen Freund vor ihm hatte, sondern, weil wir gar nicht erfahren, ob sie sich schonmal für einen anderen Jungen interessiert hat.

Doch, sie sagt deutlich (als sie mit Edward darüber redet), dass sie sich noch nie für jemanden interessiert hat - was natürlich schon zweifelhaft ist, eine vorherige Schwärmerei wäre schon realistischer ... Ich hab auch für - kurz nachzähl - vier Jungs geschwärmt, ehe ich dann meine große Liebe für einen Klassenkameraden entdeckt hab. Aber das war auch schon mit 14, 15 - dennoch müssen sich noch heute alle Männer an dem einen messen  :-\

ZitatMich hat schon Bellas Wunsch Vampir zu werden immer gestört, weil sie auch ihre Zukunft und ihr Leben aufgibt.

Mich z. B. garnicht - wenn ich die Wahl hätte, würde ich ebenfalls die Vampirexistenz vorziehen   ;D


Kati

ZitatDu meinst wohl Epilog, nicht Prolog

Natürlich.  ;D Und was du über Bella sagst, da kann ich nur zustimmen. Den Vorwurf, sie würde nichts selbst machen, kann ich einfach nicht verstehen, zumindest nicht in Band I. Und, wenn ich mich recht erinnere, können sie auch in Band III nur gewinnen, weil Bella sich den Arm aufschneidet. Sie tut halt das, was sie als Mensch gegen Vampire ausrichten kann. Dass das nicht viel ist, sollte klar sein und ich fände es auch unrealistisch, wenn sie als Mensch im Alleingang Vampire töten könnte. Was ich aber nicht einsehe, ist, wenn Heldinnen in Romanen von einer Gefahr in die nächste stolpern, nichts allein können und immer gerettet werden müssen. Das sind keine Heldinnen, das sind Nebenfiguren, die zufällig die Ich-Perspektive abbekommen habe. Und, wenn ich denke, dass die Geschichte aus Sicht des Jungen interessanter wäre, läuft echt was falsch.

Debbie: Okay, sie sagt das. Das ist mir dann wohl entfallen. Aber zweifelhaft bleibt es.  ;D

Shin

So, jetzt hatte ich auch endlich mal Zeit, diesen Thread zu lesen.
Zu den Protagonisten, die sich unterwerfen und den Mann alles machen lassen:
Da musste ich spontan einfach an Märchen denken. Märchen, die wir früher wahrscheinlich alle gelesen haben, beziehungsweise die uns vorgelesen wurden. In den Märchen ist ein stattlicher Prinz, der das Mädchen aus ärmlichen Verhältlichen holt. Und natürlich ein Prince Charming, makellos, stark und schön. Ich kann mich nicht erinnern, mir in meiner Kindheit jemals gewünscht zu haben, eine Prinzessin zu sein, aber für viele existiert dieser Traum nun mal. Und was macht man als Prinzessin den ganzen Tag? Nunja, nichts. Gatte ist ja reich, also gilt es, diesen zu bespaßen.
Es kann sein, dass aus diesen alten Wünschen eben etwas nachschwappt. Das gleiche wohl auch mit der "großen und ewigen Liebe". Sie lebten schließlich glücklich bis in alle Tage und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Prost.

Die Triggerwarnungen kenne ich, von Büchern seltener, so etwas ist mir aber häufig bei Youtube-Videos oder bei Filmen/Dokumentationen aufgefallen. Bei so etwas finde ich die Warnungen auch sinnvoll, ich kenne die Auswirkungen auf mich selbst, aber das ist auch ein Unterschied. Wenn ich in einem Film Wunden sehe und das Blut frisch aus den Adern tropfen sehe, dann ist das etwas anderes, als es nur zu lesen.

Zitat von: ZitkalasaMich würde interessieren, welche Männerbilder Jungsbücher vermitteln. Ob sie bei den klassischen Beschützerbildern bleiben und der Romantasy in die Hände spielen oder -- ja, gar nichts vermitteln?

Ich habe bisher nur zwei Jugenbücher für Jungen gelesen, die waren quasi das Gegenstück zu den "Freche Mädchen"-Büchern. Die Protagonisten waren keine starken Beschützer, sie haben ab und an versucht, so zu wirken, aber im Grunde waren sie schüchtern und unsicher, haben von ihren Freunden Sprüche rein gedrückt bekommen und haben alles versucht, um den Mädchen zu gefallen. Gehasst wurden natürlich die reichen Mitschüler, die mit den Autoschlüsseln klimpern. Sozusagen Mädchenbücher aus Sicht des besten Freundes in der friendzone...  ;D

Zitat von: LemonieIn der "Jugendromantasy" ist es leider total selten, dass die Protagonistin (oder seltener der Protagonist) jemanden nach und nach immer attraktiver findet, wie es eigentlich viel realistischer ist.

Ja, das habe ich mir auch gedacht. Wenn man jemanden zum ersten Mal sieht, zählt natürlich das Aussehen. Man sieht ihn nun mal. Aber wenn man jemanden wirklich kennen lernt, verändert sich auch das Aussehen. Schmale Lippen können zu einem verbissenen Ausdruck führen, wenn man eine Person nicht mag. Man kann sich natürlich auch Schönheiten rein denken, beziehungweise darauf achten. Ich war im Gymnasium in der 7. und 8. ziemlich in einen Jungen aus meiner Klasse verknallt. Die anderen Mädchen haben sich eigentlich immer über ihn lustig gemacht und fanden ihn hässlich, auch, da er dann Akne bekam. Ich fand das nicht schlimm. Ich fand ihn schön. Er hatte einen markanten Kiefer, goldblonde Haare und unglaublich blaue Augen. So etwas entsteht einfach, man kann das nicht auf den ersten Blick erfassen.

Zitat von: KatiObwohl ich Twilight nach wie vor für eines der kleineren Übel halte, macht Bella das ganz viel. Wundert sich wieso der tolle, perfekte Edward denn sie will, obwohl sie von allen Seiten gesagt kriegt, dass sie hübsch und nett ist (wie der Leser das dann empfindet, ist ja noch einmal eine andere Sache) und auch eigentlich überall sofort gut ankommt.

Oh ja, das nervt mich ganz gewaltig. Diese Mädchen, die durch ihre Art sofort gemocht werden, viele Freunde haben und anscheinend auch ein Stück weit bewundert werden, noch dazu gut aussehen und die Komplimente zu hören und zu spüren bekommen. Meinetwegen kann man da schüchtern lächeln oder sich wundern und die Komplimente hinterfragen, aber ständig das abstreiten und zunichte machen. Das erinnert mich an die Mädchen in meiner Klasse, die auf der Klassenfahrt am Strand immer ihre Haut an Armen oder Bauch zusammen gequetscht und hoch gezogen haben und jammerten, wie dick sie doch seien. Ich hatte kein trockenes Lachen mehr dafür übrig.

Harry Potter habe ich mit 6 angefangen zu lesen. Den zweiten Band habe ich nicht zu Ende lesen können, der war mir dort zu gruselig.

War das jetzt alles, was ich schreiben wollte oder habe ich noch etwas vergessen?
Hm, auf jeden Fall habe ich jetzt Lust ein romantisches Jugendbuch zu schreiben. Hm. Da habt ihr was angestellt.
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
- Crywank          

Lila

Kati, da hast du genau mein Thema getroffen!

Zwar bin ich ansich kein Fan von (Jugend-)Romantasy, aber der "Trend", den du ansprichst, stört auch mich ganz gewaltig. Ich habe lange genug in einer Buchhandlung gearbeitet und hatte dort während meiner Zeit so viele neue (Jugend-)Bücher (oft auch in Form von Leseexemplaren) in der Hand, dass ich wenn schon aus dem Klappentext herauszulesen war, dass es nach dem Schema "junge Außenseiterin begegnet geheimnisvollem Schönling und beide verlieben sich ineinander" geht, das Buch entnervt in die Ecke gepfeffert habe. Mir geht das schon seit längerem gehörig auf die Nerven. Nicht nur, weil es fern jeglicher Realität ist, sondern weil es meiner Meinung nach, wie du schon sagst, ein sehr bedenkliches Bild von Liebe und Romantik aufzeigt, bei dem ich nicht nachvollziehen kann, wie getrost selbst Erwachsene das zum Teil einfach überlesen können.

Es ist ja nicht so, dass ich kein Fan von Phantasie und Vorstellungskraft bin, dass ich was-wäre-wenn-Szenarien nicht leiden kann oder was gegen romantische Liebesgeschichten habe. Natürlich lese auch ich lieber Liebesgeschichten, die gut ausgehen und nicht in Chaos und Drama enden, in denen der Held schön und nett ist und einen guten Beschützer abgibt. Das liegt in der Natur des Menschen (oder vielleicht eher der Frau). So wie auch die Schönschreiberei. Es wird kaum einene Autorin oder einen Autor geben, der von sich behaupten kann, dass er oder sie nicht in gewisser Weise versucht sein Idealbild von etwas oder jemandem zu beschreiben. Da ist ja auch gar nichts verwerflich dran. Nur schockiert es mich in gewissem Maße, wie wenig selbstreflektiv scheinbar viele AutorInnen in dieser Hinsicht sind. Eine Geschichte, oder vielmehr eine Liebesbeziehung so darzustellen, wie du es ansprichst, Kati, nämlich dass die Protagonistin mit geringem Selbstvewusstsein alles tut, damit der mystisch schöne Held an ihrer Seite bleibt, ist ansich auch kein Verbrechen. Was allerdings gar nicht geht ist, das ganze so stehen zu lassen, als sei es völlig normal und in Ordnung oder nicht mal zumindest die Möglichkeit zuzulassen, dass die jungen LeserInnen sich darüber ihre eigene Meinung bilden. DAS ist doch die eigentliche Krux an der ganzen Sache.

Ich käme niemals auf die Idee einer Autorin oder einem Autor vorschreiben zu wollen, wie sie oder er seine Romanze ausgestaltet. Das bleibt jedem selbst überlassen und wer sowas gern lesen möchte, den werde ich gewiss nicht daran hindern (es sei denn, er fragt mich nach meiner ehrlichen Meinung). Aber besonders Mädchen im Teenageralter sind häufig nicht nur Vielleser, sondern zudem auch noch besonder empfänglich für das, was sie lesen. Und ich finde hier achten viele Verlage (und genau hier sehe ich das Problem, nicht einmal so sehr bei den AutorInnen) viel zu wenig darauf, was sie den jungen Leserinnen teilweise zumuten. Wenn man sich allein die Verlagsvorschauen der letzten Jahre anschaut, wie überschwänglich und geradezu lobhudelig da zum Teil Titel beworben werden, die genau in diese Richtung abzielen und die so wenig kritisch und reflektiv sind... da bleibt mir oft einfach nur die Spucke weg.

Es geht mir ja gar nicht darum, dass die Verlage irgendetwas zensieren sollen. Aber als Verleger hat man doch auch die Aufgabe, gerade im Kinder- und Jugendbuchbereich, dafür zu sorgen, dass das, was man seinen jugendlichen LeserInnen anbietet auch zielgruppen- und altersgerecht ist. Und gerade im Bereich Jugendbuch lässt das in einigen Fällen doch sehr zu wünschen übrig.

Eine sehr löbliche und deshalb erwähnenswerte Ausnahme, die ich vor nicht allzu langer Zeit lesen durfte, war zum Beispiel Rot wie das Meer von Maggie Steifvater. Die hier dargestellte Liebesbeziehung zwischen den beiden Protagonisten (ein Mädchen und ein Junge) ist glaubhaft und realistisch beschrieben, überhaupt nicht kitschig und trotzdem sehr eingängig und bewegend. Das hat absoluten Seltenheitswert (ja, ich spreche hier eine ausdrückliche Leseempfehlung aus)!
Livid Oppressed King: Ignite!
Tyranny Has Overcome Rules."
(oder: was man nicht alles aus LOKI & THOR machen kann!) - TasTä (aka Lila)

Kay

sehr spannender Thread, keine Frage...

Vorneweg eine Entschuldigung: Ich kapier nicht, wie man aus verschiedenen Beiträgen Zitate zieht, sodass ich versuche die Stichworte aufzugreifen, damit man mir folgen kann (wenn man mag).

Frauenbild -   :nöö:  Ist m.E. kein typisches Romantasy-Phänomen, sondern ein altes, das sich mit Shades of Grey auf eine neue Stufe vorwagt. Und ich hätte das mit spätestens 12 allein deshalb gelesen, weil es in aller Munde und auf allen Ladentischen ist! Auch ohne Internet. 
Mir ist das zum ersten Mal bei Diana L Paxon "Zauber von Erin" aufgefallen und aus deren Kielwasser bei einigen anderen sehr etablierten Autorinnen der 80er Jahre auch schon. In erstgenannten Buch wird allen Ernstes die vergewaltigte Prota ihrem Vergewaltiger hörig, weil er so "männlich" ist. Da kann ich nicht genug fressen, so könnte ich kotzen. Meine Freundin damals meinte, irgendwie könne sie das schon verstehen, man wird in der Opferrolle der Verantwortung für die eigenen Triebe ledig. Schade, dass mein metaphorischer Magen schon leer war.
Da könnte aber ein Problem liegen: Sex ist schmutzig in unserer Gesellschaft. Die Kirche wirkt nach. Wenn ich mich hingebe, bin ich aus der Verantwortung. Das ist in den USA, die leider unserern Buchmarkt prägen, noch viel schlimmer.

Vielleicht ist es aber auch Reaktion auf eine Welt, in der wir uns alle immer überforderter fühlen und man sich nach einfachen Lösungen sehnt? AllyMcBeal sagt in irgendeiner Folge, sie würde ihr Leben so gern wie ihre Kleider in die Reinigung geben und frisch aufgebügelt und sauber zurückbekommen. Wollen wir deshalb unsere Prinzen, die uns aus unseren Problemen befreien?

Wären wir mit einer Geschichte, in der zwei Durchschnittstypen ihr Durchschnittsleben irgendwie zusammen bewurschteln zufrieden?

Zudem haben wir alle ständig in den Ohren, nach Perfektion zu streben, den schönen Freund, die perfekte Figur, die besten Kinder, angesagte Kleidung, richtige Bildung, zehn Fremdsprachen, zwanzig Vereine, interessante Hobbies... und wenn nicht, dann fühlen wir uns als Versager. Dass unser Kopf sagt, dass wie dumm das ist, interessiert unseren Bauch gar nicht. Versager. Punkt. Aber beim Lesen da soll alles perfekt sein, da wollen wir träumen, so wie wir wissen, dass es nicht ist.

Der Rest ist Geschmackssache: Wieviele Bücher aus allen Epochen und Kulturkreisen habe ich echt weggelegt, weil mir der Held zu perfekt wurde. In wievielen Fantasy-Bestsellern wird der Küchenjunge dann doch von königlichem Geblüt sein? Wieviele Helden werden gerade bei Mehrteilern schrittweise so überhöht, dass sich selbst Jesus, Einstein und der Terminator anstrengen müssten, ihm das Wasser zu reichen? Auch Cinderella war ja eine gestürzte Adelige, die von der bösen Stiefmutter gestürzt und vom Prinzen errettet wurde.
Wo ziehen wir da die Grenze? In der Fiction, die ja weiter als Fantasy ist, dürfen wir doch in 3D und Farbe träumen. Wir müssen nur jenseits des Buchs geerdet bleiben.

Verantwortung in Büchern
Die liegt in der Literatur für mich (jenseits strafrechtlicher/ethischer Grenzen) beim Leser und nicht beim Autor.
Ich kenne meine Leser nicht, kann mich nicht über sie, ihre Lebenslage und ihren Hintergrund informieren.
Ich finde es auch als Leser / Youtubenutzer seltsam, vor allem möglichen gewarnt zu werden. Ich brauche aber auch keine Hinweise, dass die Snacks beim Fastfoodlieferanten des Vertrauens aus der Friteuse kommen und daher heiß sein könnten.  8)

Triggern   ::)  Ich bin gegen Triggern, wie ich auch gegen rückwirkende political correctness bin. Ein Roman ist keine Doku und muss im Kontext der Wirklichkeit des Autors gelesen werden. Das zu vergegenwärtigen ist Aufgabe des Lesers und seiner Aufsichtspersonen. Diese Etiketten sind meiner Meinung nach von offenbar sehr naiven Menschen, die keine Ahnung davon zu haben scheinen, wie menschliche Assoziation arbeitet.

Ich habe eine rege Fantasie und lese daher keinen Horror. Bekommt mir nicht,  das ist keine Wertung, sondern schlaffördernd. Und wenn es mir zuviel wird, lege ich das Buch weg, klicke ein Video nicht an. Wenn wo "Cute Pets" draufsteht, bin ich noch nie in einem Slasher-Film gelandet. Da brauche ich keinen Triggerbutton.

Gewalt  :-[
Die Diskussion kann 1:1 in Bezug auf diese Ego-Shooter übernommen werden. Ich arbeite seit Jahren als Strafverteidigerin. Wer durch Ego-Shooter gewalttätig wird, wäre es auch auf anderem Wege geworden. Moorhuhn-Spieler mutieren ja auch nicht zu Tierquälern. Da liegt immer etwas darunter, was dadurch vorkommt, sonst aber anderswo seinen Weg gefunden hätte. Glauben wir wirklich, dass wir zwischen Fiction (über welches Medium auch immer) und Realität nicht unterscheiden können? Warum können gerade Kinder dann so herzlich über Last Action Hero, Bolt den Superhund, oder Disneys Verzaubert lachen - in denen alle Fiction-Figuren in unserer Welt nicht zurechtkommen?

Problem-Warnung  :-[
Wer ein echtes Essproblem hat, ist schon frustriert, wenn man über gut sitzende Kleidung schreibt, über lange Beine, grüne Augen (weil die dünne Freunden welche hat)... etc. Das klappt nach meiner Erfahrung nicht.
Wer akuten Liebeskummer hat, weint schon, wenn er von Tennis liest, weil der Verflossene das spielt...
Wer sich dumm fühlt, ist schon gefrustet, wenn die Protas was wissen oder aktiv forschen...   Wo will man da ansetzen?

Viel gefährlicher sind die unterschwelligen Mechanismen: Ein bisschen foltern ist erlaubt, wenn der Zweck gut genug ist. Ein bisschen Lügen ist in Ordnung, wenn es dringend ist. Kräftig draufhauen ist völlig ok, wenn der Gegner ein Böser ist... Viel mehr als das Frauenbild besorgt mich da etwa das Bild vom Rechtsstaat, das bei all diesen kleinen dramaturgisch jederzeit auch von mir verwandten Tricks unweigerlich entsteht: Der Zweck heiligt die Mittel. Hmhmhm... Die Güterabwägung nehmen die Täter vor.
Sehr erhellend in diesem Zusammenhang aus der Eichborn-Reihe Klassiker strafrechtlich untersucht (Grimms Märchen, Ring der Nibelungen, Max&Moritz) - das sind fraglos besonders lohnende Werke, aber seither bin ich auch in Buch und Film kritischer...  :hmmm:

Oft ist sich der Autor nicht bewusst, dass er Botschaften sendet. In meinem Buch streiten die Prinzessin und der Thronfolger (Gemahl) über ein Kleid, das sie auf einen Ball tragen will. Ihm gehen die Argumente aus und er erpresst sie, dass sie ihren Falken nicht mehr fliegen darf, wenn sie das Kleid anzieht. Ich brauchte den Krach für was ganz anderes,  das Kleid, weil später ein Schneider vorkommt und nahm den Falken, weil im Fernsehen was über arabische Falknerei gekommen ist. Und trotzdem werde ich von Lesern auf die Bildgewalt dieser Szene angesprochen, bei der dieser blöde Vogel zum Sinnbild der Freiheit und das Kleid zur Metapher für starre Etikette werden. Klingt, als wenn ich sehr schlau wäre. Ich will da nicht widersprechen, aber das Beispiel ist leider kein Beweis.  :psssst:
Leser lesen also Botschaften heraus, die der Autor nie reinschreiben wollte.
Hierauf sollten Autoren im beschränkten Rahmen ihrer Möglichkeiten gerade bei Kindern als Zielgruppe besonders achten. Nicht jede Geschichte muss - SO - erzählt werden, auch wenn sie sich verkaufen würde. Ich erzähle auch nicht jeden Witz in jeder Runde...

Kommen wir mit der Untersuchung der "Botschaften" überhaupt weiter?
Die kritische Auseinandersetzung mit einem Buch und dem Unterschied zwischen Fiktion, für WAHR-NEHMung, WIRK-lichkeit und Wahrheit macht Lesen aus. Das ist mit der intellektuellen Verknüpfung von Buchstabenfolgen noch nicht getan.
Wir lesen was, lassen es auf uns wirken. Dann aber muss man entscheiden, was wir als allgemeingültig (wahr) annehmen und aus dem Buch in unser Leben hinausnehmen. Das kann das Wissen sein, dass manche Mädels schon sehr doof sind, aber auch der Wunsch, genauso zu sein. Da beginnt die Wirklichkeit, also das, was auf uns wirkt. Das sind unsere Motive, Wünsche, Kulturellen Vorurteile etc, die uns eben ab und an (meistens) auch den Blick auf die Wahrheit verstellen. Denn der Wahrheit als objektive Größe, ist nicht auf uns angewiesen.
Diese Mechanismen, die jetzt nur kurz angerissen sind und gewiss verbessert werden können, sollte aber mit dem Alphabet jeder Leser zumindest irgendwo im Hinterkopf bekommen und behalten.  Mir war schon Old Shatterhand zu alleskönnend, Sigfried schlicht unerträglich (Go Hagen go). Ich hatte trotz großer Freude an James Bond-Büchern nie das Bedürfnis, eine Lizenz zum Töten zu wollen, und fand es nicht richtig, wie Darth Vader seine Mutter gerächt hat. Max und Moritz haben mich als Kind soooo naufgeregt - aber ihr Ende fand ich auch furchtbar. Die Hexe bei Hänsel und Gretel hingegen--- Interessant warum ich da so "tolerant" war?! Und trotzdem wollte ich noch nie irgendwen anderen als meine Pizza in den Ofen stecken.

Wäre es also nicht wichtiger, solches Lesen zu vermitteln, dass den richtigen Umgang mit all diesen offenen oder versteckt eingebauten Botschaften lehrt?

Michaela

Als Mama und Schreiberling von All- Age und Jugendbüchern, betrifft mich dieses Thema doppelt. Vor allem, da meine älteste Tochter Jasmin eine absolute Leseratte ist.

Was hier glaube ich von vielen übersehen wird ist, das ganz besonders bei Kindern die Eltern in der Pflicht stehen, das zu kontrollieren was ihre Kinder lesen dürfen und was nicht. Eltern denen das Wohl ihrer Kinder am Herzen liegt, achten ja auch auf das Fernsehprogramm. Eine Zehnjährige Spiderman ansehen zu lassen oder Herr der Ringe wäre genauso verantwortungslos, wie sie die Tribute von Panem lesen zu lassen. Das ja bekanntlich ein All - Age Buch ist (So gern ich selbst die Reihe auch mag).

Die Nachfrage bestimmt den Markt, das gilt auch und ganz besonders in der Buchbranche. Autoren die veröffentlichen wollen, müssen sich dem aktuellen Trend anpassen, der weder von ihnen selbst noch von den Verlagen vorgegeben wird. Es sind die Leser die bestimmen, was gekauft wird und damit noch mehr produziert wird. Ein Verlag der die Nachfrage und Vorlieben seiner Leser missachtet und die hier beschriebenen Bücher (mit den schlimmen Rollenbildern) nicht druckt oder als Erwachsenenliteratur betitelt, der arbeitet nicht wirtschaftlich. Was nicht bedeutet, das sich Verlage ganz aus der Verantwortung ziehen können. Jedes Buch das auf den Markt kommt hat eine Altersempfehlung, genauso wie jeder Film. Was für mich als Mama nicht heißt, das ich deshalb mein Kind dieses Buch oder diesen Film für unbedenklich erachte und es ohne weiteres lesen oder ansehen lasse.
Autoren schreiben Geschichten und sind in der Pflicht das auf ihre bestmögliche Weise zu tun. Verlage drucken Bücher nach Markttauglichkeit und treffen eine Vorabwahl der Alterstauglichkeit. Eltern entscheiden letztendlich welche dieser Bücher sie ihre Kinder lesen lassen.

Was geht also noch in Jugendbüchern? Da ist für mich die Antwort, alles was Kinder gern lesen wollen und ihre Eltern zulassen. Übernimmt jeder seinen Teil der Verantwortung nehmen Kinder keinen Schaden, haben keine Alpträume oder ein falsches Weltbild.

Kati

ZitatWer ein echtes Essproblem hat, ist schon frustriert, wenn man über gut sitzende Kleidung schreibt, über lange Beine, grüne Augen (weil die dünne Freunden welche hat)... etc. Das klappt nach meiner Erfahrung nicht.

Ich meinte mit meinem Beispiel weiter oben auch viel eher das Weltbild, das vermittelt wird. Ich kannte mich mit elf noch nicht großartig damit aus, woher Essstörungen kommen oder warum manche Menschen depressiv sind. Wenn ich jetzt mit elf in Jugendromanen Ich-Erzählerinnen habe, die mir erzählen, Mädchen mit Essstörungen hätten diese bloß, weil sie dünn sein wollen (was Quatsch ist) und Mädchen, die sich schwarz anziehen und laute Musik hören würden sich nie waschen und aus Spaß die Arme aufschneiden (was sehr großer Quatsch ist), dann glaube ich das, wenn ich leicht beeinflussbar bin - was man mit elf oder zwölf einfach ist, weil es noch so viele Sachen gibt, die man nicht weiß und mit dem Teenager-Dasein viele neue Möglichkeiten kommen. Ich habe viel eher Angst, dass junge Mädchen diese Klisches für bare Münze nehmen. Das gilt auch für Klisches über Minderheiten, oder über Beziehungen oder über andere Mädchen.

ZitatWir müssen nur jenseits des Buchs geerdet bleiben.

Eben das. Und das fällt besonders jüngeren Jugendlichen einfach schwerer als Erwachsenen, die einen gefestigten Charakter haben. In Büchern für Erwachsene kann man da viel mehr machen, da kann man so gut wie alles machen, weil jemand mit 25 viel eher dazu in der Lage ist das als reine Fiktion zu erkennen, als jemand mit 14. Das soll nicht heißen, dass 14jährige nicht zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden können, aber ich glaube, sie lassen sich viel einfacher davon beeinflussen, was sie lesen und sehen.

ZitatDie liegt in der Literatur für mich (jenseits strafrechtlicher/ethischer Grenzen) beim Leser und nicht beim Autor.

Das finde ich gar nicht. Die Verantwortung liegt genauso beim Autor (und beim Verlag). Wenn ich ein Buch ab 12/14 schreibe und darin ein Mädchen vergewaltigt wird und zu ihrem Vergewaltiger zurückkehrt, dann mache ich etwas falsch und da liegt die Verantwortung bei mir. Wenn aus dem Klappentext kein Stück ersichtlich ist, was in diesem Buch passiert, hat auch der Verlag einen Fehler gemacht. So passiert beim hier auch schon erwähnten "Märchenerzähler". Eine junge Leserin stolpert also in diese Szene rein und, bevor sie entscheiden kann, ob sie sowas lesen will oder nicht, ist es auch schon passiert. Und man sieht an den Reaktionen der Jugendlichen, was das anrichtet. Junge Mädchen schreiben Kommentare wie: "Das ist doch total romantisch und ihr Spießer könnt einfach nicht verstehen, wie selbstlos und romantisch es von der Heldin ist, ihm zu verzeihen." Und da liegt die Verantwortung schon bei Autor und Verlag.
Zitat
Wenn wo "Cute Pets" draufsteht, bin ich noch nie in einem Slasher-Film gelandet.

Ich liebe diesen Vergleich. Denn bei Büchern steht sehr oft "romantisch, charmant, sexy" drauf und drin ist "grausames Frauenbild, Unterwerfung, Kontrollfreak als Freund". Ich finde das schon ähnlich, da so eine Beziehung für mich mit Romantik genauso viele Schnittmengen hat wie Cute Pets mit Slasher-Filmen.

Es gibt natürlich immer Ausnahmen, es gibt Kinder und Jugendliche, die genau wissen, wie man diese Botschaften als Fiktion betrachtet. Es gibt aber auch mindestens genauso viele, die das noch (!) nicht können. Und da geht es mir nicht um Gewalt und Offensichtliches, sondern um so unterschwellige Botschaften wie "Alle magersüchtigen Mädchen machen das, weil sie dünn sein wollen." Mit 12 idolisiert man leicht Heldinnen, besonders, wenn diese älter sind und im Buch tolle Taten vollbringen. Wenn ich jetzt noch nie groß mit Magersucht in Berührung gekommen bin, was hindert mich daran zu glauben, dass meine tolle, mutige Heldin das genau wissen muss? Ich glaube nicht, dass ich da Jugendliche unterschätze. Wie gesagt, es gibt auch viele, die dazu in der Lage sind, da zu differenzieren. Aber genug unsichere, unerfahrene die Aussagen, die in vielen Büchern stehen, als wahr betrachten und - vielleicht sogar unterbewusst - für sich übernehmen. Und da fängt für mich die Verantwortung des Autors an.

Michaela: Das finde ich interessant. Ich denke auch, dass "wegnehmen" keinen Sinn ergibt, und "erklären" oft weiterhilft. Wenn man als Elternteil sein Kind zum kritischen Denken anregt und mit ihm über bestimmte Inhalte offen spricht, gäbe es sicherlich mehr Jugendliche von der Sorte, die Bücher kritischer lesen und nicht alles glauben, was da steht.

Kay

Ich meinte mit meinem Beispiel weiter oben auch viel eher das Weltbild, das vermittelt wird.  (...) dann glaube ich das, wenn ich leicht beeinflussbar bin - was man mit elf oder zwölf einfach ist, weil es noch so viele Sachen gibt, die man nicht weiß und mit dem Teenager-Dasein viele neue Möglichkeiten kommen.

OK - da bin ich wahrscheinlich zu "fern" von Jugendbüchern. Ich hab irgendwie immer und von Anfang an alles gelesen.  Aber ich habe mit meinem Beispiel gemeint, dass diese Trigger nichts bringen, weil der "empfindliche" Leser seine Erschütterungen an vollkommen irrationalen und daher unvorhersehbaren Dingen fest macht. Was das Weltbild anbetrifft, ist das was anderes.


Die Verantwortung liegt genauso beim Autor (und beim Verlag). Wenn ich ein Buch ab 12/14 schreibe ...

Dann hast Du Recht, weil ich solche expliziten "Zielgruppenbücher" ausnehme. "Jugendbuch" ist ein Verkaufsargument, dem ich mich dann auch verantwortlich unterordnen muss. Dann weiß ich ja auch etwas über meine Leser. :) Wenn ich das so nicht im Post hatte, habe ich mehr gekürzt als ich wollte   :schuldig:
Ich schreibe allerdings generell nicht von Werten, die ich nicht teile. Ist das nicht automatisch so? Könntest Du z.B. ein Buch schreiben, in dem Vergewaltigungen glorifiziert werden? Wenn die "zweifelhaften Werte" allerdings meine Meinung sind, bin ich darin innerhalb der strafrechtlichen Grenzen frei.


Bei Büchern steht sehr oft "romantisch, charmant, sexy" drauf und drin ist "grausames Frauenbild, Unterwerfung, Kontrollfreak als Freund". Ich finde das schon ähnlich, da so eine Beziehung für mich mit Romantik genauso viele Schnittmengen hat wie Cute Pets mit Slasher-Filmen.
Da hast Du vermutlich auch recht, wobei ich da denke, dass es um diese "inzidenten Botschaften" geht, die man schwer greifen kann. Ich habe z.B. Chrichtons Nippon Connection mit dem Hinweis, dass es sehr gekonnt gegen Japan aufhetzt, also vorgewarnt gelesen - und war am Schluss trotzdem nippon-phob (mein Lieblingsbeispiel). Gut, ich wusste warum und konnte deshalb damit umgehen, aber trotzdem... Das wäre aber nicht an einem konkreten Zitat festzumachen. Das löst nicht, wie man mit unbewussten Assoziationen umgeht. Ich schreibe jetzt nicht für (junge) Jugendliche, aber ich würde mir nicht zutrauen, die Breite der heute 12jährigen in ihren Leseerwartungen und Lebensalltag exakt abzuholen.

Ich glaube nicht, dass ich da Jugendliche unterschätze. Wie gesagt, es gibt auch viele, die dazu in der Lage sind, da zu differenzieren. Aber genug unsichere, unerfahrene die Aussagen, die in vielen Büchern stehen, als wahr betrachten und - vielleicht sogar unterbewusst - für sich übernehmen. Und da fängt für mich die Verantwortung des Autors an.

Das ist doch unmöglich festzumachen. Wenn ich schreibe, dann kann ich doch nicht noch auf das letzte weltfremde Tschapperl Rücksicht nehmen? Dafür haben die doch Eltern. Genauso wenig darf man für die frühreife, abgeklärte 14jährige schreiben, die für ihre schwerkranke Mutter den Haushalt schmeißt.
Meine Erfahrung mit Kindern beschränkt sich auf den Kontakt zu ihnen als Sportlehrerin  - da habe ich aber den Eindruck, dass der Großteil wesentlich sortierter ist, als man meint.
Ich bin im Ergebnis nicht so weit weg von Dir, Kati, ich denke nur, dass der Ansatz eher der sein muss, Junglesern möglichst frühzeitig einen differenzierten Umgang mit dem Buch (wie auch mit Filmen, Nachrichten, Musiktexten etc.) zu zeigen. Ich gebe Dir völlig Recht, dass eine Vergewaltigung nur in sehr engen pädagogischen Grenzen Gegenstand eines Kinderbuchs sein sollte. Aber ich kann und will auch schon einem Leseanfänger nicht ersparen, dass er, wenn er in der Fibel für das "D" ein Drachenbild hat, sich damit auseinanderzusetzen, dass es den genausowenig gibt, wie den Zwerg unter "Z". 

Gerade so wie Michaela im Prinzip auch schon gesagt hat - wichtiger als das pädagogisch korrekte Buch zu schreiben, ist dass man lesen lernt und den Umgang mit Geschichten. Erklären statt wegnehmen. Hinterfragen lernen statt reibungsfrei schreiben.