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Zweifelhafte Botschaften in Jugendbüchern - was geht noch?

Begonnen von Nightingale, 16. Januar 2013, 21:13:12

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Kati

Debbie, ich denke, wir haben einfach ganz verschiedene Standpunkte zu dem Buch und das ist ja auch sehr gut so.  :) Ich antworte mal nicht, weil wir uns dann eh bloß im Kreis drehen und ich nicht will, dass wir am Ende noch streiten oder so. Jede hat ihre Meinung zu dem Buch gesagt und ich denke, da kann man nicht mehr viel machen.  ;D Aber das hier fand ich interessant:

ZitatIch auch - gute drei Jahre lang! Ich war zeitweise die Dickste in der Klasse, eine Niete in Sport und noch Klassenbeste. Da war an Beleidigungen alles dabei; allerdings hat das nie wirklich an meinem Selbstbewusstsein gekratzt (obwohl ich erst zehn, bzw. 13 war). So bin ich wohl einfach nicht erzogen worden.
In der ersten Klasse bin ich zwischen zwei Jungs gesessen - Philipp (links) hat mich ständig gezwickt und Hasan (rechts) hat ständig alle - auch mich - angespuckt. Nein, ich fand es überhaupt nicht toll! Meine Mutter hat dann mit den Jungs und der Lehrerin gesprochen, was bedingt geholfen hat - ich hab dann den "Bad Boy" aus der Sechsten als Pausenaufpasser bekommen; und er war verdammt gut in seinem Job    So gut, dass ich schon bald ziemlich eigensinnig und bisweilen widerspenstig war. Tatsächlich hat er mir beigebracht, was mir besser die Erwachsenen hätten beibringen sollen, anstatt sich einzumischen: Wehr Dich!

Das klingt ein bisschen nach meiner Situation. Niete in Sport, immer als letzte gewählt, nicht ganz schlank und auch nicht interessiert an Mode, was die anderen Mädchen für ihre Scherze gern aufgegriffen haben. Ich habe sehr dunkle Augen, wofür ich mir viel anhören durfte, ich wurde einmal in Sport solang von zwei Mädchen mit meinen Nicht-Leistungen aufgezogen, dass ich weinend rausgelaufen bin und der Gruppentenor war dann: "War doch nur Spaß, stell dich nicht so an." Selbst mein Sportlehrer hat mitgemacht, als ich eine Übung am Barren nicht hinbekommen habe: "Wenn du den Barren anfasst, gebe ich dir noch ne vier" mit so einem miesen, mitleidigem Lächeln. Ich habe mich lange Zeit nicht als "gemobbt" verstanden, bis ich begriffen habe, was Mobbing überhaupt wirklich ist. Dass man nicht immer zusammengeschlagen werden muss, damit es als Mobbing gilt.

Und ich kann auch nur sagen, dass wehren die einzige Möglichkeit ist. Aufgehört hat das alles erst, als die Leute mitbekommen haben, dass ich das nicht länger mit mir machen lasse. Ab der achten Klasse wurde ich in Ruhe gelassen und habe mir eine eigene Clique aufgebaut, nachdem ich auf jeden dummen Spruch etwas Schlagfertiges erwidert habe. Das hat mich als schüchterne Person viel Mut gekostet, aber es hat als einziges geholfen.

Und daraus resultiert wohl auch, dass ich mir wünschte, mehr Heldinnen in der Jugendfantasy wären so. Starke Figuren, die nichts mit sich machen lassen, die einem Kerl klipp und klar sagen, was geht und was nicht. Aber die Heldin ist fast immer eine graue Maus, die sich später bloß durch ihren tollen Freund aufgewertet sieht und oft sind die gemobbten, armen Mädchen die besten Freundinnen, die jedoch auch nichts an ihrer Situation ändern. Junge Teenager idolisieren gern ihre Helden und ich würde mir einfach wünschen, dass es mehr Heldinnen gäbe, die als Botschaft "friss nicht alles in dich rein, wehr dich, sag was Sache ist" hätten und nicht "ich habe kein Selbstbewusstsein, aber der tolle Hengst ist in mich verliebt, also muss ja an mir was stimmen". Es läuft halt im echten Leben nicht so, dass ein Traumprinz vorbeikommt und mit der grauen Maus auf sein Schloss reitet. Und ich fände schön, wenn Jugendliche als Identifikationsfigur mal eine Heldin hätten, die sich selbst wehren kann und ein gesundes Selbstbewusstsein hat.

Mondfräulein

Ich grabe dieses Thema mal aus, nachdem ich mir eben alles wirklich interessiert durchgelesen habe, wel ich gerade selbst in der Situation stecke, im NaNo ein Buch zu schreiben, das sehr leicht eines werden könnte, das hier (völlig zu Recht) kritisiert wird. Der Grundgedanke wurde hier sogar als Negativbeispiel schon aufgeführt: Meine Protagonistin Amber liebt einen Geist und könnte ihn retten, indem sie für ihn stirbt. Und jetzt habe ich den Salat. Es wäre tatsächlich wesentlich einfacher, wenn sie einfach versuchen würde, für ihn zu sterben, dann will er das doch nicht und am Ende wird er irgendwie gerettet und alle sind für immer glücklich. Wesentlich einfacher. Romantischer. Eventuell leichter verkäuflich. Zielgruppenorientierter. Aber einfach kann ich wohl nicht.

Amber ist 17 und kennt Abel seit gerade mal zwei oder drei Wochen, als sie erfährt, was es mit ihm auf sich hat. Ich kenne wirklich keinen vernünftigen Grund, warum ein psychisch halbwegs gesundes junges Mädchen hingehen und für ihn sterben würde. Ernsthaft. Sowas könnte ich nicht einmal schreiben, wenn ich wollte. Das Problem ist nur, dass es komplizierter ist, vernünftig darzustellen, dass Amber ihn zwar liebt, aber trotzdem nicht so sehr. Romantisch soll das alles ja auch noch sein und da liegen die Erwartungen der Zielgruppe eher auf der Seite von Bella, fürchte ich. Was ist romantischer als für jemanden zu sterben?

Junge Mädchen lassen sich leicht sehr stark von romantischer Literatur beeinflussen. Ich erinnere mich genau an viele Schüler-VZ Gruppen, die es damals gab, "Ich lasse nachts mein Fenster offen und warte auf Edward Cullen" oder so ähnlich. Viele vernünftige und intelligente Mädchen, die ich gut kannte, ließen sich in ihren romantischen Vorstellungen unglaublich stark von Twilight beeinflussen. Da würde ich gerne Leann zitieren:

Zitat von: Leann am 17. Januar 2013, 08:39:29
Können alle Jugendlichen eine Grenze ziehen zwischen dem, was sie lesen und "romantisch" finden und der Art, in der sie eigene Beziehungen führen möchten?
Ich fürchte, dass die unterwürfigen Protagonistinnen da leider oft Vorbildfunktion haben.
Das ist glaube ich auch der Knackpunkt: Unterscheiden zwischen der eigenen Lebensrealität und dem, was man gerne in (Fantasy-)Büchern liest.

Meiner Meinung nach können viele diese Grenze eben nicht ziehen. Das ist auch okay so, in diesem Alter träumt man viel, allerdings gibt das den Autoren solcher Bücher eine ungeheure Verantwortung. Ich versuche in meinem Romantasy-Jugendbuch, dieser insofern gerecht zu werden, als dass ich bewusst den üblichen Klischees widersprechen will, die ich hier für problematisch erachte. Amber ist niemand, der sich von Abel so einfach nötigen lassen würde und wenn er ihr mal weh tun sollte, dann aus versehen und es darf ihm gehörig leid tun (genau so anders herum). Amber liebt Abel, aber sie würde niemals alles für ihn aufgeben. Ich will, dass die Beziehung romantisch wird, ohne falsche Bilder zu vermitteln, auch wenn das wirklich kein Idealbild einer perfekten BRAVO-Beziehung wird. Man muss nur auch auf die Fehler eingehen. Und das ist leider schwerer, als es sich einfach zu machen und mit Bella und Edward die großen Gefühle anzusprechen. Ich weiß, warum Frau Meyer damals eine Bella gewählt hat und keine Amber, die man erst überzeugen muss, dass er der Richtige ist, die sich nicht allein wegen seiner Marmorbrust in ihn verliebt.

Alaun

Ganz ehrlich? Ich finde es alles andere als romantisch, für jemanden sterben zu wollen. Und das habe ich auch in der Zeit zwischen 12 und 20 nicht anders gesehen. Wann fing das eigentlich an, so aus dem Ruder zu laufen?
Ich finde deinen Ansatz, die Geschichte einer verantwortungsvollen und erwachsenen Liebe zu erzählen, in der Romantik ihren Platz hat, wesentlich schwieriger - und auch wesentlich spannender. Insofern Daumen hoch für Amber und Abel. Ich bin gespannt, was du daraus machst.

Churke

Zitat von: Mondfräulein am 25. September 2013, 18:30:25
Amber ist 17 und kennt Abel seit gerade mal zwei oder drei Wochen, als sie erfährt, was es mit ihm auf sich hat. Ich kenne wirklich keinen vernünftigen Grund, warum ein psychisch halbwegs gesundes junges Mädchen hingehen und für ihn sterben würde.

Jugendliche sind - statistisch gesehen - überproportional suizidgefährdet. Angenommen, Amber macht sowieso gerade eine Krise durch und da bietet sich ihr nun plötzlich die Möglichkeit, ihrem "Leben" einen Sinn zu geben.
Dann hätte natürlich ein verantwortungsvoller Abel auch allen Grund, ihr das auszureden. Ich finde die Konstellation so recht interessant und durchaus zielgruppenorientiert.

Lemonie

ZitatJugendliche sind - statistisch gesehen - überproportional suizidgefährdet. Angenommen, Amber macht sowieso gerade eine Krise durch und da bietet sich ihr nun plötzlich die Möglichkeit, ihrem "Leben" einen Sinn zu geben.

Ähm... kann sein, dass es statistisch gesehen tatsächlich so ist, aber das, was du beschreibst, wäre dann trotzdem ein krasser Extremfall, den man nicht mit "Jugendliche sind suizidgefährderter als Erwachsene" erklären kann. Ich bin ja auch noch jugendlich und ich weiß, dass viele Leute in meinem Alter (oder so mit 15, 16) ziemlich unsicher sind, aber ganz ehrlich? Dass jemand "seinem Leben einen Sinn gibt", indem er für seine Liebe stirbt, wäre trotzdem eine totale Randerscheinung und müsste auch so dargestellt werden. Wenn Amber jetzt ein vollkommen normales jugendliches Mädchen ist, würde sie wahrscheinlich nie auf die Idee kommen, sich für Abel umzubringen (also auf die Idee kommen natürlich schon, aber sie würde es wahrscheinlich nicht machen). Das, was du beschreibst, fände ich nur plausibel, wenn Amber schon vorher bestimmte Charakterzüge aufweist, dann wäre die Situation, die du beschreibst, auch passend (Abel bringt sie davon ab -> am Ende stirbt sie nicht).

Mondfräulein: Ich finde schon, dass du die Konstellation so machen kannst, solange es nicht so wirkt, als wäre es richtig und gut, dass Amber stirbt um ihn zu retten.

Soweit ich es verstanden habe, wäre Abel dann kein Geist mehr, sondern ein lebendiger Mensch? Und Amber tot, also auch kein Geist oder so? Was hätten die beiden denn davon? Sie wäre tot und er wäre zwar am Leben, hätte aber wahrscheinlich für den Rest seines Lebens Schuldgefühle...
Das kannst du ja auch thematisieren.

Ein Jugendbuch, indem die Protagonisten aus vernünftigen Gründen die Beziehung beenden (er Geist, sie Mensch = Problem), obwohl sie gerne zusammen wären, wäre doch auch mal was.


Was ich noch zu dem Thema "superschöne Protagonistin, die sich selbst durchschnittlich oder hässlich findet" loswerden wollte: Mich nervt das auch, aber ich denke, dass viele Jugendliche sowieso schon so denken. Ich hatte immer das Gefühl, dass die meisten Mädchen aus meiner Klasse unterbewusst den Konsens hatten, dass man als Mädchen bescheiden sein musst, d.h. denken, man wäre nicht hübsch, schlau oder generell gut in Sachen, sondern stattdessen das Gegenteil sagen um dann doch Komplimente zu kriegen. Ich habe es immer erlebt, dass es komisch angekommen ist, als Mädchen zu sagen: "Ich kann das" (vor allem, wenn es um Schule, besonders Mathe oder sowas ging). Oder: Ich bin gut in XY". Sowas wurde meistens als arrogant bewertet, während es bei Jungs weniger negativ (bis positiv) aufgefasst wird.
Ich schätze mal, das schlägt sich dann auch in den Büchern nieder, die diese Mädchen dann lesen, weil man wahrscheinlich selbst anfängt, in einer bestimmten Weise zu denken (also, man hält sich tatsächlich für weniger begabt, schön, etc). Wenn man dann in einem Buch liest, dass es darauf hinausläuft, dass ein toller Typ kommt und dir ständig erzählt, was an dir so toll ist (solange du selbst bescheiden bleibst), ist es klar, dass man das romantisch findet...
Ich hatte aber immer das Gefühl, dass Selbstbewusstsein in der Realität eigentlich besser funktioniert.


Mondfräulein

Zitat von: Aquamarin am 25. September 2013, 23:49:35
Ganz ehrlich? Ich finde es alles andere als romantisch, für jemanden sterben zu wollen. Und das habe ich auch in der Zeit zwischen 12 und 20 nicht anders gesehen. Wann fing das eigentlich an, so aus dem Ruder zu laufen?
Ich finde deinen Ansatz, die Geschichte einer verantwortungsvollen und erwachsenen Liebe zu erzählen, in der Romantik ihren Platz hat, wesentlich schwieriger - und auch wesentlich spannender. Insofern Daumen hoch für Amber und Abel. Ich bin gespannt, was du daraus machst.

Wenn man einmal vernünftig darüber nachdenkt, dann ist es meiner Meinung nach alles andere als wirklich romantisch. Aber wer will bei sowas schon vernünftig denken. Das Motiv findet sich überall. Inspiriert zur Handlung hat mich Der fliegende Holländer von Wagner. Selbst da schon stirbt man füreinander. Ganz zu schweigen von diversen asiatischen Filmen (es stirbt immer ein Teil des Liebespaares, immer). Vielleicht spielt da das Ideal der treuen Frau mit hinein, die so treu ist, dass sie lieber sterben würde, als es nicht mehr zu sein (wieder grob bei Wagner zu finden, gerne auch Romeo und Julia). Insofern könnte man auch sagen, dass es Teil der Emanzipation ist, diesem Motiv gerade nicht zu entsprechen und sich nicht so stark von einem Mann abhängig zu machen.

Zitat von: Churke am 26. September 2013, 11:51:39
Jugendliche sind - statistisch gesehen - überproportional suizidgefährdet. Angenommen, Amber macht sowieso gerade eine Krise durch und da bietet sich ihr nun plötzlich die Möglichkeit, ihrem "Leben" einen Sinn zu geben.
Dann hätte natürlich ein verantwortungsvoller Abel auch allen Grund, ihr das auszureden. Ich finde die Konstellation so recht interessant und durchaus zielgruppenorientiert.

Ich glaube, selbst in meinen überaus dramatischen Phasen hätte ich das nicht getan. Bei Jugendlichen ist das häufig (nicht immer, aber häufig) eine sehr dramatische Art, man ritzt sich, weil das alle tun und alles ja furchtbar ist (ausdrücklich nicht zu verwechseln, die das tatsächlich aus psychischen Problemen heraus tun, aber ich habe viele um mich herum gesehen, die es gemacht haben, weil das alle machen und um auszudrücken, wie schlimm das Leben doch ist), man redet von Selbstmord (nicht zu verwechseln mit denen, die wirkliche Probleme haben), aber am Ende würde man sich doch nie trauen.
Amber ist wirklich nicht der Typ dafür, das zu tun, so viele Gründe sie auch hätte (sie vermisst ihren toten Bruder). Einfach, um jemanden zu retten, würde sie nicht sterben. Wenn es ihr Bruder wäre, wäre das etwas anderes, aber für Abel... nein. Dazu kriege ich sie niemals. Dafür will sie zu sehr leben. Ich könnte sie so schreiben, das wäre einfacher, aber das ist vor allem nicht die Botschaft, die ich vermitteln will.

Zitat von: Lemonie am 26. September 2013, 13:01:47
Ich finde schon, dass du die Konstellation so machen kannst, solange es nicht so wirkt, als wäre es richtig und gut, dass Amber stirbt um ihn zu retten.

Auf keinen Fall! Das wäre dann ja wieder nur so ein Kandidat, um hier zerrissen zu werden. Kein Jugendlicher sollte den Eindruck bekommen, dass es richtig ist, sich für jemanden derart aufzuopfern.

Zitat von: Lemonie am 26. September 2013, 13:01:47
Soweit ich es verstanden habe, wäre Abel dann kein Geist mehr, sondern ein lebendiger Mensch? Und Amber tot, also auch kein Geist oder so? Was hätten die beiden denn davon? Sie wäre tot und er wäre zwar am Leben, hätte aber wahrscheinlich für den Rest seines Lebens Schuldgefühle...
Das kannst du ja auch thematisieren.

Abel hätte etwas davon. Wenn er etwas egoistischer wäre, würde er mit allen Mitteln versuchen, sie dazu zu bringen, es zu tun. Das ist als Konflikt durchaus gewollt :)

Zitat von: Lemonie am 26. September 2013, 13:01:47
Ich hatte immer das Gefühl, dass die meisten Mädchen aus meiner Klasse unterbewusst den Konsens hatten, dass man als Mädchen bescheiden sein musst, d.h. denken, man wäre nicht hübsch, schlau oder generell gut in Sachen, sondern stattdessen das Gegenteil sagen um dann doch Komplimente zu kriegen. Ich habe es immer erlebt, dass es komisch angekommen ist, als Mädchen zu sagen: "Ich kann das" (vor allem, wenn es um Schule, besonders Mathe oder sowas ging). Oder: Ich bin gut in XY". Sowas wurde meistens als arrogant bewertet, während es bei Jungs weniger negativ (bis positiv) aufgefasst wird.
Ich schätze mal, das schlägt sich dann auch in den Büchern nieder, die diese Mädchen dann lesen, weil man wahrscheinlich selbst anfängt, in einer bestimmten Weise zu denken (also, man hält sich tatsächlich für weniger begabt, schön, etc). Wenn man dann in einem Buch liest, dass es darauf hinausläuft, dass ein toller Typ kommt und dir ständig erzählt, was an dir so toll ist (solange du selbst bescheiden bleibst), ist es klar, dass man das romantisch findet...

Mir kam es immer eher so vor, dass sich jeder bewusst war, was er konnte, aber würde man das so sagen, könnten das andere als arrogant auffassen oder einen vom Gegenteil überzeugen. Wenn man sagt, dass man schlecht ist, kommen die wenigsten und bestätigen einen darin, eher sagt man, dass das ja gar nicht stimmt. Wenn ich an meine eigene Jugend denke, war es nie schick, mit sich zufrieden zu sein, sei es mit seiner Figur oder mit sonstwas. Selbst sehr dünne Mädchen fanden sich irgendwann immer zu dick und wollten abnehmen, haben Diäten gemacht und so weiter. Das haben eben alle gemacht. Als Jugendlicher ist man oft sehr unsicher und zu sich selbst zu stehen ist viel schwerer als wenn man erwachsen ist. Das scheint sich in den entsprechenden Büchern wieder zu finden. Natürlich wünscht sich jeder dann jemanden, der einen toll findet und in allem, was man ist bestätigt.

HauntingWitch

Zitat von: Mondfräulein am 25. September 2013, 18:30:25
Amber ist niemand, der sich von Abel so einfach nötigen lassen würde und wenn er ihr mal weh tun sollte, dann aus versehen und es darf ihm gehörig leid tun (genau so anders herum). Amber liebt Abel, aber sie würde niemals alles für ihn aufgeben. Ich will, dass die Beziehung romantisch wird, ohne falsche Bilder zu vermitteln, auch wenn das wirklich kein Idealbild einer perfekten BRAVO-Beziehung wird. Man muss nur auch auf die Fehler eingehen. Und das ist leider schwerer, als es sich einfach zu machen und mit Bella und Edward die großen Gefühle anzusprechen. Ich weiß, warum Frau Meyer damals eine Bella gewählt hat und keine Amber, die man erst überzeugen muss, dass er der Richtige ist, die sich nicht allein wegen seiner Marmorbrust in ihn verliebt.

Nur kurz dazu: Das finde ich einen sehr guten Ansatz. Lieben können sie sich ja trotzdem. Nur wird es dann halt insofern eine unglückliche Liebe sein, dass halt die Umstände sie voneinander trennen (er Geist, sie Mensch). Um grosse Gefühle darzustellen und "romantisch" zu sein, braucht es keine Bella-Edward-Konstellation (im Gegenteil, das finde ich eher abstossend). Auch eine unglückliche Liebe kann viel Romantik enthalten. Es ist dann halt mehr tragisch-dramatisch und weniger kitschig. Alles ein bisschen Ansichts- und Definitionssache. Darfst mir sonst auch gerne eine PN schreiben (oder hast du einen Romanthread?), ich möchte hier nicht zu sehr OT werden. Zum eigentlichen Threadthema kann ich nämlich nicht viel sagen.

Alana

#67
Es ist auf jeden Fall eine ziemliche Gratwanderung. Ich hab eine ähnliche Konstellation in meiner Trilogie und für das Ende des ersten Bandes würden einige hier mein Buch wahrscheinlich rituell verbrennen. Ich habe allerdings auch versucht, das Thema differenziert anzugehen und mich nicht nur auf die Liebe als Grund für das Verhalten der Figuren zu stürzen, was dann teilweise auch wieder nicht so gut ankam. Im zweiten Teil geht es ähnlich weiter, es wird Dinge geben, die hier wohl nicht so gut ankommen, aber ich werde mich auch wieder kritisch mit dem Thema auseinander setzen und meine Figur wird eine Entscheidung treffen, die denen, die finden, dass Liebe alles rechtfertigt, auch wieder nicht schmecken wird. Aber genau darum geht es mir ja, zumindest in meiner Trilogie. Das ist das Thema, das ich da behandle.

Ich denke auch, dass es wichtig ist, sich mit dem Thema einfach kritisch auseinanderzusetzen. Dabei kann man auch mal was unpopuläres machen oder was unvernünftiges. Dann stirbt sie eben für ihn, aber es muss so dargestellt werden, dass die Leserin trotz aller Romantik das Negative daran erkennen kann. Deswegen muss man ja auch nicht gleich den Zeigefinger hochhalten. Ich bin jedenfalls mal sehr gespannt auf die Reaktionen.
Alhambrana

Mondfräulein

Zitat von: Alana am 26. September 2013, 16:27:31
Es ist auf jeden Fall eine ziemliche Gratwanderung. Ich hab eine ähnliche Konstellation in meiner Trilogie und für das Ende des ersten Bandes würden einige hier mein Buch wahrscheinlich rituell verbrennen. Ich habe allerdings auch versucht, das Thema differenziert anzugehen und mich nicht nur auf die Liebe zu stürzen, was dann teilweise auch wieder nicht so gut ankam.
[...]
Ich denke auch, dass es wichtig ist, sich mit dem Thema einfach kritisch auseinanderzusetzen. Dabei kann man auch mal was unpopuläres machen oder was unvernünftiges. Dann stirbt sie eben für ihn, aber es muss so dargestellt werden, dass die Leserin trotz aller Romantik das Negative daran erkennen kann. Deswegen muss man ja auch nicht gleich den Zeigefinger hochhalten. Ich bin jedenfalls mal sehr gespannt auf die Reaktionen.

Solange man sich nur kritisch damit auseinander setzt, kann man meiner Meinung nach viel machen, da gibt es wenig Tabus. Es kommt nur darauf an, wie das am Ende beim Leser ankommt, ob der sich danach träumend für seinen Liebsten vor den Zug stürzt oder aber kritisch darüber nachdenkt, ob das denn wirklich sein muss. Bei letzterem geht nur leider viel Romantik verloren, gerade deshalb finde ich es schwer, realistische Jugendromane zu schreiben. Romantik und Realität vertragen sich irgendwie grunsätzlich nicht sonderlich gut, die muss man langsam aneinander gewöhnen und hoffen, dass sie sich nicht beißen. Aber es lohnt sich meiner Meinung nach, alleine sind sie nicht so schön wie zusammen.

Rhiannon

Wenn ich das so lese, frage ich mich, ob wirklich jedes Jugendbuch eine romantische Komponente haben muss. Ich kenne nicht ein einziges Jugendbuch, in dem die Heldin nicht am Ende irgend einen Kerl abbekommen hat, während die Kerle schon manchmal auch allein in dne Sonnenuntergang geritten sind. Und nein, das deprimiert weder, noch ist die Heldin oder der Held deswegen unglücklicher als Andere. Im Gegenteil, das wäre doch eine Botschaft, dass das Leben durchaus auch alleine lebenswert ist.

Und ansonsten schließe ich mich meinen Vorrednern an, dass man eigentlich alles, auch negative Verhaltensweisen usw. thematisieren kann, so lange man es wirklich so tut, dass es nicht romantisch verklärt wird. Meinetwegen darf auch mal die Heldin für den Helden oder anders herum sterben, wenn das die Konsequenz einer entsprechenden Handlung ist. Aber bitte, das ist traurig und tragisch, nicht romantisch, selbst wenn sich der zurückbleibende Part vielleicht damit trösten kann, dass die Motivation dessen tatsächlich Liebe war. Und ich habe Verständnis, wenn das eine Mutter für ihr Kind tut, oder ein Teil eines schon länger bestehenden Paares, aber bei zwei Teenagern, die noch keine Woche zusammen sind, halte ich das weder für romantisch, noch für überhaupt wahrscheinlich. Auch in der Fanta

Lemonie

ZitatAbel hätte etwas davon. Wenn er etwas egoistischer wäre, würde er mit allen Mitteln versuchen, sie dazu zu bringen, es zu tun. Das ist als Konflikt durchaus gewollt :)

Ja schon, aber so wie ich dich bisher verstanden habe, ist Abel ja nicht der Typ, der sowas machen und danach fröhlich - vergnügt vor sich hin leben könnte, oder? Ansonsten... würde ich es mir als Amber echt überlegen, mit ihm zusammen zu sein.    ;)


Alana: Ja, ich denke auch, dass vieles geht, solange man es kritisch betrachtet. Zum Problem wird es meiner Meinung nach nur, wenn man es als völlig normal oder sogar als Ideal darstellt.


Kati

Zitat von: MondfräuleinVielleicht spielt da das Ideal der treuen Frau mit hinein, die so treu ist, dass sie lieber sterben würde, als es nicht mehr zu sein (wieder grob bei Wagner zu finden, gerne auch Romeo und Julia). Insofern könnte man auch sagen, dass es Teil der Emanzipation ist, diesem Motiv gerade nicht zu entsprechen und sich nicht so stark von einem Mann abhängig zu machen.

Ich muss da gerade an zwei Artikel denken, die ich vor einiger Zeit gelesen habe. Einer ging darum, dass im viktorianischen Zeitalter der Körper einer toten Frau als eins der schönsten Dinge überhaupt empfunden wurde. Ein lebloses, schönes Objekt eben. Anscheinend hieß es auch, dass eine Frau erst im Tod wahre Schönheit erreicht. Das ist schon gruselig genug, aber dann war da noch der andere Artikel über die Romantisierung des weiblichen Selbstmordes. Selbstmord wird bei beiden Geschlechtern gern mal romantisiert, aber bei Frauen, besonders jungen Frauen, auffällig viel und auch auffällig oft in den letzten Jahren. Von Julia zu Ophelia zu tragischen Frauenfiguren aus der Geschichte und meist wird es mit ewiger Stille und Schönheit verbunden. Das hat mich an den viktorianischen Gedanken erinnert und ist auch etwas, das in die ganze Sache irgendwie reinzuspielen scheint:

Dieses Bild von ewiger Jugend und Schönheit im Tod, was genau daran romantisch sein soll, erschließt sich mir nicht, aber es scheint ein zunehmendes Phänomen zu sein, dass sich zwar auch schon viel in älterer Literatur findet aber im Moment wieder wächst. Es gibt zum Beispiel dieses Foto einer jungen Frau, die sich vom Empire State Bilduing gestürzt hat und auf einer Limusine aufgeschlagen ist. Auf dem Bild liegt die Leiche in einer Delle auf dem Wagen (es ist ein berühmtes Bild, ihr kennt es vielleicht) und die meisten Menschen verbinden mit dem Bild eben tragische Romantik, aber auch Schönheit. Wieso das so ist, wäre mal eine interessante Frage, aber ich denke, genau dieses Empfinden spielt auch da rein, dass weiblicher Selbstmord - besonders aus Liebe - als romantisch und teils sogar helden- und ehrenhaft empfunden wird.

Zitat von: RhiannonWenn ich das so lese, frage ich mich, ob wirklich jedes Jugendbuch eine romantische Komponente haben muss. Ich kenne nicht ein einziges Jugendbuch, in dem die Heldin nicht am Ende irgend einen Kerl abbekommen hat, während die Kerle schon manchmal auch allein in dne Sonnenuntergang geritten sind. Und nein, das deprimiert weder, noch ist die Heldin oder der Held deswegen unglücklicher als Andere. Im Gegenteil, das wäre doch eine Botschaft, dass das Leben durchaus auch alleine lebenswert ist.

Ich denke nicht mal, dass es sich ausschließen muss einen Kerl abzukriegen, aber auch allein glücklich sein zu können. Der Punkt ist ja, dass in vielen Romanen der Eindruck entsteht, die Helden könnten ohne ihren Partner überhaupt nicht mehr irgendwas allein machen. Da sehe ich das Problem. Man kann Beziehungen ja auch ohne ein Abhängigkeitsverhältnis schreiben, aber genau das scheint gerade in zu sein und nicht nur, dass die Heldin vom Helden abhängig ist, sondern auch andersrum. Hat ein YA-Buch einen männlichen Helden kommt es auch oft genug vor, dass der ohne seine schöne mysteriöse Heldin keinen Schritt mehr gehen kann. Natürlich ist es auch eine gute Message zu sagen, dass man nicht unbedingt einen Freund oder eine Freundin braucht. Aber viele Jugendliche lesen eben sehr gern über Romantik und Beziehungen und das ist ja längst nichts Verwerfliches. Es wäre bloß schön, wenn es möglich wäre eine Beziehung einmal so darzustellen, dass deutlich wird, dass die beiden den anderen nicht zum Überleben brauchen, dass sie nicht voneinander abhängig sind.

Ich sehe es auch so, dass man auch problematischen Inhalt auf jeden Fall ansprechen kann und sollte, aber eben vernünftig daran herangehen muss. Ich mache da auch noch die Unterscheidung zwischen einem Buch für junge Menschen (ab 12, 14) und Erwachsenenbüchern, weil ein Teenager eben doch noch anders denkt und reagiert, als ein erwachsener Mensch. Vieles, was man in Büchern für erwachsene Leser machen kann, sollte man in einem Jugendbuch vielleicht zweimal überdenken oder eben kritischer und gut überlegt darstellen. Deshalb gibt es ja wohl auch die Unterscheidung zwischen Jugend- und Erwachsenenbuch. Da kommt es ja nicht nur drauf an, dass die Helden von Jugendbüchern jünger sind, es ist eben auch alles auf die jugendliche Leserschaft zugeschnitten. Und das hat ja seine Gründe. Nicht, weil Teenager dümmer sind oder Sachen wie Beziehungen und so nicht anders verstehen, sondern, weil sie sie einfach anders wahrnehmen. Es geht nicht darum, Jugendlichen etwas wegzunehmen, indem man nicht mehr über kritische Themen schreibt, es geht darum, sie zum Nachdenken zu bringen und die Verantwortung, die man als Jugendbuchautor hat, auch zu tragen.

Luna

#72
Zitat von: Rhiannon am 26. September 2013, 17:34:42
Wenn ich das so lese, frage ich mich, ob wirklich jedes Jugendbuch eine romantische Komponente haben muss. Ich kenne nicht ein einziges Jugendbuch, in dem die Heldin nicht am Ende irgend einen Kerl abbekommen hat, während die Kerle schon manchmal auch allein in dne Sonnenuntergang geritten sind. Und nein, das deprimiert weder, noch ist die Heldin oder der Held deswegen unglücklicher als Andere. Im Gegenteil, das wäre doch eine Botschaft, dass das Leben durchaus auch alleine lebenswert ist.
:jau: Das kann ich so unterschreiben. Ich persönlich habe als Teenie um das ganze Romantikgedöns einen großen Bogen gemacht (und mache es auch heute noch), aber da stand ich wohl alleine damit.
Ich habe den Eindruck, bei vielen Mädels/Teeniebüchern gibt es keine anderen Botschaften mehr, als dass sich Mädels immer verlieben müssen, als dass sie nur glücklich werden können, wenn sie sich in die Arme eines Typen werfen können. Von daher fände auch ich ein Buch, das die Botschaft vermittelt, dass das Leben auch alleine, also ohne Typ lebenswert und klasse ist, etwas tolles.

Zitat von: Mondfräulein am 26. September 2013, 16:04:15
Das Motiv findet sich überall. Inspiriert zur Handlung hat mich Der fliegende Holländer von Wagner. Selbst da schon stirbt man füreinander. Ganz zu schweigen von diversen asiatischen Filmen (es stirbt immer ein Teil des Liebespaares, immer). Vielleicht spielt da das Ideal der treuen Frau mit hinein, die so treu ist, dass sie lieber sterben würde, als es nicht mehr zu sein (wieder grob bei Wagner zu finden, gerne auch Romeo und Julia). Insofern könnte man auch sagen, dass es Teil der Emanzipation ist, diesem Motiv gerade nicht zu entsprechen und sich nicht so stark von einem Mann abhängig zu machen.
Oder in "Die Leiden des Jungen Werthers". Wurde das Buch nicht auch eine zeitlang verboten, weil sich viele jugendliche Romantiker damals, genau wie der Prota, umgebracht haben? Na die Zeiten sind zum Glück vorbei oder kommen sie gerade wieder?

Alana

#73
ZitatHat ein YA-Buch einen männlichen Helden kommt es auch oft genug vor, dass der ohne seine schöne mysteriöse Heldin keinen Schritt mehr gehen kann.

Da kommen halt dann auch die Genre-Konventionen zum tragen. Wenn es eine Geschichte ist, die vor allem auf die Romantik baut, dann dürfen die beiden nur ganz wenige Szenen ohne einander haben. Das wird so vom Verlag vorgegeben. Da werde ich mit Teil 2 evtl. auch Probleme bekommen und bin schon am Überlegen, wie ich das machen kann.
Alhambrana

Kati

Zitat von: LunaOder in "Die Leiden des Jungen Werthers". Wurde das Buch nicht auch eine zeitlang verboten, weil sich viele jugendliche Romantiker damals, genau wie der Prota, umgebracht haben? Na die Zeiten sind zum Glück vorbei oder kommen sie gerade wieder?

Ich glaube dieser Werther-Effekt ist der Beginn der Diskussion, die wir hier gerade führen.  :) Jedenfalls gilt er als Beginn der Erforschung von Medienwirken auf Menschen, weil nach der Veröffentlichung des Werthers tatsächlich mehrere mit der Veröffentlichung zusammenhängende Selbstmorde verzeichnet wurden. Das wird sehr kontrovers diskutiert, es gibt Forscher, die der Meinung sind, dass es keine Zusammenhänge gab, aber ich kann es mir vorstellen. Ich glaube eigentlich auch nicht, dass moderne Jugendliche sich wegen einer Heldin, die Suizid begeht, sofort auch umbringen, aber es sind ja doch Botschaften, die vermittelt werden und in den Köpfen bleiben, worin auch immer das gipfelt.

Alana: Kommt es also vor, dass ein Verlag einen Autor bittet die Romantik zu erhöhen? Das finde ich jetzt etwas desillusionierend. Ich schreibe selbst in die Richtung, aber ich versuche immer, den Romantikanteil klein zu halten. Hat ein Buch mit Liebesgeschichte generell bessere Chancen als ohne?