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Altertümliche vs. moderne Schreibweise

Begonnen von Maja, 20. März 2012, 15:13:10

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Maja

Da ich bald anfangen muss, meine "Mohnkinder" zu überarbeiten, stehe ich gerade vor einer grundsätzlichen Entscheidung. Ich habhe, da mein Buch 1921 spielt, für die technischen Dinge die Schreibweise verwendet, die damals aktuell war. Percy ist also kein Fotograf, sondern ein Photograph, er ruft Leute über das Telephon an, etc.

Während des Schreibens erschien mir das sehr sinnvoll, wenn auch die Rechtschreibprüfung ständig mopperte, dass das falsch wäre, aber jetzt kommt es mir doch irgendwie seltsam vor. In einem Buch, das 1785 spielt, würde ich ja auch nicht schreiben "Sie öffnete die Thüre und ließ das Thier herein", sondern mich an der neuen deutschen Rechtschreibung orientieren.

Wie seht ihr das? Sind meine Photos und Telephone effekthascherisch altertümelnd, oder ist das der richtige Weg, um ein Gefühl für die Epoche zu erzeugen?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kerimaya

Ich würde tatsächlich die moderne Schreibweise bevorzugen. Zum einen ist der Hinweis für den Leser höchstwahrscheinlich zu subtil oder kommt schlicht und ergreifend nicht an. Zum anderen werden die meisten Lektoren da trotz aller Begründung gnadenlos auf die neue Rechtschriebung bestehen, fürchte ich.

Mogylein

Prinzipiell finde ich diese Idee zwar sehr lobenswert, aber ich denke, es wird den Lesefluss zu sehr unterbrechen. Bereits in diesem Beitrag hing ich kurz bei "Telephon" - ich weiß, was es heißt und auch, dass man es so schreiben kann, aber es sieht für meine Augen einfach nicht richtig aus.
Die ganz normale, "moderne" Rechtschreibung fände ich da doch passender. Solange keine Wortwiderlichkeiten wie "Schi fahren" oder so dabei sind...
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Steffi

Ich würde vielleicht tatsächlich alles der neuen Rechtschreibung anpassen, es sei denn, "Photograph" ist tatsächlich ein Titel, den Percy trägt, und vielleicht mal auf einer Visitenkarte erwähnt wird oder auf einem Schild oder so.  (Ich habe die "Mohnkinder" angefangen zu lesen, bin aber noch nicht bis zu ihm vorgedrungen *hust*)  Denn obwohl ich intuitiv gesagt hätte, der "Photograph" und das "Telephon" sind okay hast du ja schon Recht, du schreibst ja auch nicht "Thüre und Thier", und einheitlich sollte die Rechtschreibung schon sein (also entweder neu oder alt. Oder ganz alt).
Sic parvis magna

Kati

Obwohl ich die ph-Schreibweise schöner finde, würde ich mich den anderen anschließen: Das Gefühl für die Epoche kommt auch ohne diese Schreibweisen rüber und der normale Leser würde das gar nicht bemerken. Ich denke auch, dass man bei den Verlagen jedoch lieber die neue Schreibweise sehen möchte.

Rosentinte

Also als Kind, das komplett mit der neuen Rechtschreibung aufgewachsen ist, finde ich das "ph" jedes Mal irritierend. Einfach weil ich mit einer anderen Schreibung aufgewachsen bin. Auch wenn ich verstehe, warum du das "ph" benutzen willst - ich glaube, heutzutage solltest du beim "f" bleiben.
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Kaeptn

#6
Ich schließe mich den Vorrednern an - aber vielleicht kannst du denselben Effekt ja durch entsprechend altmodische Begriff erreichen. Hieß ein Telefon seinerzeit nicht vielleicht noch Fernsprecher?

Zanoni

Die Begriffe würde ich der Zeit entsprechend auswählen, aber die Schreibweise dieser Begriffe zeitgemäß anpassen.

Also ein Auto darf ruhig Automobil (oder falls noch älter: Motorkutsche) genannt werden, aber eine Thüre sollte besser Tür geschrieben werden.

Churke

Orthographie hat nichts mit Stil oder Inhalten zu tun. Ich würde das auch lassen.

Ryadne

Kann mich da den anderen nur anschließen. Es gibt Wörter, bei denen ich auch das "ph" weiter benutze, z.B. "Phantastik". Aber da ich auch mit der neuen Rechtschreibung aufgewachsen bin, wirken zumindest die von dir genannten Beispiele fremd und sogar falsch auf mich. Ich würde beim Lesen drüber stolpern und es in einer Rezension vermutlich ankreiden ;)
Hatte auch mal ein Buch aus den 80ern gelesen, in dem eine total krude Satzstellung gebraucht wurde, was ich fürchterlich fand, später hab ich dann aber herausgefunden, dass das stilistisch irgendeinen Sinn hatte und damals wohl auch gang und gebe war. Trotzdem hat es mich sehr gestört, weil mein zeitgenössisches Denken einfach nicht mehr darauf eingestellt ist.

Maja

Das nenne ich doch mal einen einstimmigen Ratschlag. Dann werde ich mich mal an Suchen & Ersetzen machen. Danke!
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kisara


Ich wollte jetzt eigentlich das Gegenteil anmerken...  :schuldig:

Generell denke ich schon, dass allein der Grund das der Roman vor Jahrzehnten spielt nicht griffig genug ist, um sich an Ortographie zu vergehen. Da stimme ich mit dem "Thür"&"Thier"-Gedanken überein.

ABER als Verfechter der alten Rechtschreibung bin ich grundsätzlich gegen "Stängel", Nussschale" und "Schifffahrt", Logik hin oder her. Auch finde ich eingedeutschte Anglizismen wie "Telefon" und "Foto" schrecklich. Das ist mit Sicherheit keine Begründung, aber ein Gefühl. Genauer kann ich das leider auch nicht sagen.

Allerdings denke ich gleichzeitig, dass du spätestens dann ein Problem bekommst, wenn du das Manuskript einreichst, denn eventuell wird der Verlag es nicht gut heißen. Egal mit welcher Begründung.

Arielen

Die anderen haben es ja schon zum großen Teil gesagt und ich schließe mich ihnen weitestgehend an.

Die altertümliche Schreibweise ist immer dann angemessen, wenn es um Titel, Orts- oder Berufsbezeichnungen geht, bei Schlagzeilen oder Nachrichten in der Zeitung, Buchtiteln, Schildern auf Türen und sonstwo, Firmenbezeichnungen etc., sprich den Dingen, die in die Zeit gehören. Das ist eigentlich als atmosphärisches Stilmittel ausreichend und dürfte von den Verlagen auch akzeptiert werden.

Eine Ausnahme würde ich dann noch bei besonderen Maschinen machen, die du vielleicht für diese Ära des Steam- oder Dieselpunks selbst erfunden hast. Aber nicht bei alltäglichen Sachen wie Fotografien oder so.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Aphelion

Ich finde man muss auch schauen, ob die alte Schreibweise nicht neben einer anderen, neuen, auch noch gebräuchlich ist. "Photographie" ist beispielsweise orthografisch *richtig*. "Fotografie" zwar auch, doch es handelt sich dabei um einen der Fälle, wo man es sich im Prinzip aussuchen darf, wie man das Wort schreibt.

"Photographie" ist als Schreibweise zudem nicht gerade ungebräuchlich. Zumindest fällt sie mir immer wieder auf, obwohl "Fotografie" öfter vertreten zu sein scheint und z.B. vom Duden auch präferiert wird. Aber es ist nicht die einzige erlaubte und damit richtige Schreibweise.

Bei "Thier" oder "Thür" sieht die Sache anders aus, weil diese Schreibweisen nicht (mehr) orthografisch *richtig* sind. Deshalb sollte man sie (finde ich) nicht verwenden - außer, man gibt wörtlich eine schriftliche Nachricht aus dem Jahre Sowieso wieder, wie es bereits hier erwähnt wurde.

Die Verwendung von "Photographie" usw. habe ich auch schon in einigen (von größeren und großen Verlagen) gedruckten Romanen gesehen. Und mir hat es sehr gut gefallen, weil es sowohl verständlich, als auch atmosphärisch, als auch einfach "schön anzusehen" war. (Was natürlich auch daran liegt, dass ich ph einfach hübscher finde, als f. *Wenn* es erlaubt ist.)

caity

Hallo Maja,

ich würde dir auch raten, nicht zwanghaft alles ins Neue zu übertragen, sondern da je nach dem Begriff abzuwägen.
Über dein "Telephon" bin ich - wie die anderen auch - gestolpert, deinen "Photograph" hingegen fand ich durchaus interessant und da es sein Beruf ist, scheint es mir auch etwas zu sein, was ihn als Protagonisten kennzeichnen könnte.

Allgemein zu dem Thema:
ich habe natürlich keine Ahnung, was Lektoren dazu sagen würden, aber imho kann die ein oder andere "unübliche" Schreibweise durchaus ihre Berechtigung haben, und, falls ich wirklich überzeugt davon bin, dass ich das so und nicht anders haben wollte, würde ich im Zweifelsfall auch mit dem Lektor das Diskutieren anfangen. Ich würde da auch nicht immer nur darauf schauen, was erlaubt ist. Das ist für mich ein ähnliches Thema wie "Wortneuschöpfungen". Imho muss es als Autor halt gelingen, den Spagat zu schlagen zwischen "Ich biete dem Leser etwas "Neues" (denn für viele wird es vermutlich neu sein), was ihn anspricht" und "ich verwirre meinen Leser."

Ich denke, mit gezielt eingesetzten alten Schreibweisen wirst du keine Verwirrung stiften, sondern durchaus Atmosphäre schaffen können. Ich würde es aber wie gesagt nicht übertreiben, dann kann das nämlich schnell in die Verwirrung und die Unverständlichkeit umschwingen.

Bye,
caity, die gerade merkt, dass ihre UNI-Lektüre sie schon wieder viel zu sehr beeinflusst
"Zwischen dem Anbieten einer Vielheit von formalen Welten und dem eines undifferenzierten Chaos, das keinerlei Möglichkeiten zu ästhetischer Erfassung mehr bietet, ist es nur ein kleiner Schritt." - Umberto Eco, Das offene Kunstwerk
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)