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Der gebildete Autor

Begonnen von Kalderon, 25. Juni 2006, 00:59:01

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Karin

#45
Zitat von: Lomax am 02. Juli 2006, 09:45:16
Genau genommen gibt es im Fantasy-Bereich sogar mehr erfolgreiche "schreibende Hausfrauen" als "schreibende Lektoren". Und das weiß man ungeachtet aller Vorurteile eben auch in den Verlagen ;D

@ Lomax: Danke für die langen Ausführungen. Das lässt mich vieles klarer sehen. Den Satz der damaligen Lektorin kann ich jetzt besser bewerten. Auch wenn ich ihn immer noch nicht in Ordnung finde, kann ich besser damit umgehen. Danke.  :)

@ Maja: ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass du wirklich meinst, was du da geschrieben hast. Das Leben ist um so vieles vielfältiger, als dass man es in einer Ansicht unterbringen könnte und die Lebenswege sind es ebenso. Gerade als Autoren mit viel Fantasie und Einfühlungsvermögen können wir alle uns doch sehr gut in andere hineinversetzen und wissen, dass es eben mehr gibt, als nur den eigenen Willen.

Wo kämen sonst all die unfreiwilligen Helden in der Fantasy her, die in etwas hineinschlittern, das sie niemals wollten?

Moni

Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 10:27:30
Ich habe keine Lust, mich für mein Abitur und mein Studium zu entschuldigen bei Leuten, die, aus welchem Grund auch immer, keines haben.

Diesen Standpunkt kann ich 100% nachvollziehen, ich erweitere ihn noch um folgendes: Ich bin es leid, mich für meine Bildung bzw. mein Wissen entschuldigen zu müssen.

Das ist keineswegs an den Haaren herbeigezogen, sondern fußt auf Tatsachen. Wer es schon einmal erlebt hat, daß beim Trivial Pursuit spielen die Bemerkung fiel: "Mit dir spiel ich nie wieder, du gewinnst ja dauernd." Oder "Mußt du so ein wandelndes Lexikon sein, daß macht ja gar keinen Spaß mit dir zu spielen." oder ein völlig entnervtes "Wieso weißt du das denn jetzt schon wieder", der kann vielleicht nachvollziehen, wie man sich in so einer Situation fühlt.

Ich würde niemandem, der aus guten Gründen nach der 10.Klasse eine Berufsausbildung beginnt, den Vorwurf machen, er sei faul gewesen und habe sich vorm Abi drücken wollen. Was ich aber absolut nicht nachvollziehen kann, ist wenn jemand mir dann Vorwürfe macht, daß ich Abi gemacht habe und daß ich studiert habe... wo ist da die Logik?

Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Maja

Ich versuche das jetzt mal klarzustellen, weil ich fürchte, einige haben mich mißverstanden:
Ich habe durchaus einige Vorurteile gegen junge Leute, die ohne Not nach zehn Jahren die Schule verlassen mit Argumenten wie »Dann kann ich mir mit achtzehn schon ein Auto leisten« oder »Ich will doch sowieso heiraten« oder »Bauer brauchen kein Abitur«. Solche Leute sind mit mir zur Schule gegangen.

In den Achtzigern war es im bäuerlichen Münsterland durchaus üblich, Bauerntöchter intelligenzunabhängig zur Hauptschule zu schicken - und als meine Schwester nach der vierten Klasse zur Realschule wechselte statt aufs Gymnasium, meinte die Mutter eines ihrer früheren Mitschüler allen Ernstes zu mir "Sie ist ja auch nur ein Mädchen" - daß es ganz andere Gründe gab, nämlich meine Schwester ein sehr stilles Kind war und meine Eltern Angst hatten, sie könne auf dem Gymnasium untergebuttert werden, stand auf einem anderen Blatt. Und auch, daß meine Schwester nach dem Realschulabschluß die gymnasiale Oberstufe besuchte und ihr Abitur machte.

Aber auf der anderen Seite wurde ich bei der JRK-Gruppenleiterausbildung (ich war 15) wie ein Freak behandelt, weil ich als einzige von 20 Teilnehmerinnen auf dem Gymnasium war und der Rest Hauptschüler. Wenn das als Mobbinggrund ausreicht - herzlichen Glückwunsch.
Und ich mag es nicht, wenn solche Leute jetzt kommen und jammern, daß sie ja nichts gelernt haben. Oder aber mir vorwerfen, daß ich studiert habe und den Staat nur Geld koste, während sie ja seit ihrem 17. Lebensjahr in Arbeits- und Rentenversicherung eingezahlt haben.

Niemand soll gezwungen sein zu studieren. Eine anständige Ausbildung ist auch viel wert, obwohl ich durchaus den Unterschied gemerkt habe zwischen akademischen Bibliothekswesen und dualsystemischem Buchhandel - ein Grund, warum ich heute auch als Buchhändlerin von meinem Studium profitiere ist, daß vieles wichtige in der Berufsschule überhaupt nicht oder kaum drankam: Beide Berufe müssen für ihre Kunden viel bibliographieren. Aber Bibliothekare hören dazu vier Semester lang Vorlesungen und haben zwei Fachprüfungen, eine mündlich, eine schriftlich. Auf der Berufsschule wurde das zwei Wochen lang über je zwei Stunden unter Ferner Liefen abgehandelt. Und ich treffe andauernd auf Buchhändler, die wirklich nicht recherchieren können. (Obwohl das für einen Buchhändler ein sinnvolleres Wissen ist als Buchführung, was immerhin zwei Jahre gelehrt wird und offizielles IHK-Prüfungsfach ist).

Danach geht das Lernen weiter, für jeden. Wie ich schon ganz am Anfang schrieb: Es kommt darauf an, sich bewußt für Lernen und Wissen zu entscheiden und nie damit aufzuhören. Aber wer sich gegen das Abitur entscheidet, entscheidet sich meistens auch gegen das Wissen - sondern macht seine Ausbildung, kauft sein Auto und liest drei Bücher im Jahr, wenn es hochkommt. Und diese Leute - genau diese Leute - sind es, die ich so gefressen habe.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kalderon

#48
Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 15:04:18
Aber auf der anderen Seite wurde ich bei der JRK-Gruppenleiterausbildung (ich war 15) wie ein Freak behandelt, weil ich als einzige von 20 Teilnehmerinnen auf dem Gymnasium war und der Rest Hauptschüler. Wenn das als Mobbinggrund ausreicht - herzlichen Glückwunsch.
Und ich mag es nicht, wenn solche Leute jetzt kommen und jammern, daß sie ja nichts gelernt haben. Oder aber mir vorwerfen, daß ich studiert habe und den Staat nur Geld koste, während sie ja seit ihrem 17. Lebensjahr in Arbeits- und Rentenversicherung eingezahlt haben.

Wie ein Freak behandelt wird man überall wo man aus der Masse heraussticht mit Eigenschaften, mit dem der Rest nichts anfangen kann. Oder glaubst du, Realschüler, die versuchen ihr Abi nachzuholen oder derartiges werden gut behandelt. Das ich nicht lache! Herablassend sag ich nur.
In einer Art "Arbeitsbeschäftigung" wurde ich auch ausgelacht, weil ich mich gewählt ausgedrückt habe. Na und? Wen interessiert das?
Und ich kann hier keinen derartigen Vorwurf finden, wo jemand sagt, dass Studierende dem Staat nur Geld kosten. Ich bin für Bildung aus Staatskasse. Der Staat muss für die Bildung aufkommen, damit sich nicht nur die Reichen Bildung leisten können. Meine Meinung.

Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 15:04:18
Danach geht das Lernen weiter, für jeden. Wie ich schon ganz am Anfang schrieb: Es kommt darauf an, sich bewußt für Lernen und Wissen zu entscheiden und nie damit aufzuhören. Aber wer sich gegen das Abitur entscheidet, entscheidet sich meistens auch gegen das Wissen - sondern macht seine Ausbildung, kauft sein Auto und liest drei Bücher im Jahr, wenn es hochkommt. Und diese Leute - genau diese Leute - sind es, die ich so gefressen habe.

Diese Sparte mag ich auch nicht, allerdings gibt es die überall. Zumal man in Betracht ziehen muss, dass es nicht immer heißt: "Ich will kein Abi machen, weil ich arbeiten will." Sondern oft auch: "Ich kann leider kein Abi machen, weil ich die Schule nicht schaffe, und dass, obwohl ich mich anstrenge und extra Nachhilfe genommen habe, während meine Geschwister von dem Geld zum Tanzkurs gehen."

Nein! Das lasse ich wiederum nicht zu. Nicht jedem stehen alle Türen offen. Der Wille ist entscheidend, aber leider reicht er manchmal nicht aus.

Mag sein, dass du in deiner Hinsicht einiges erdulden und über dich ergehen lassen musstest, aber das müssen und mussten andere auch.

lapaloma

#49
Zitat von: Moni am 02. Juli 2006, 14:52:10
Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 10:27:30
Ich habe keine Lust, mich für mein Abitur und mein Studium zu entschuldigen bei Leuten, die, aus welchem Grund auch immer, keines haben.

Das ist keineswegs an den Haaren herbeigezogen, sondern fußt auf Tatsachen. Wer es schon einmal erlebt hat, daß beim Trivial Pursuit spielen die Bemerkung fiel: "Mit dir spiel ich nie wieder, du gewinnst ja dauernd." Oder "Mußt du so ein wandelndes Lexikon sein, daß macht ja gar keinen Spaß mit dir zu spielen." oder ein völlig entnervtes "Wieso weißt du das denn jetzt schon wieder", der kann vielleicht nachvollziehen, wie man sich in so einer Situation fühlt.

Dann stell Dich halt dumm!
Man muss sich ans Publikum anpassen. Menschen, die mit ihrem Wissen glänzen machen sich ebenso unbeliebt wie die, welche mit ihrem Geld oder ihren Muskeln protzen. Intelligente können sich dumm stellen, umgekehrt funktioniert es nicht ;-)
Grüsse Sid

PS. Gegen dich würde ich wahrscheinlich auch verlieren. Aber ich verliere gerne.

silsi

#50
Hallo Maja, Hallo Kalderon,

jetzt kochen die Emotionen aber richtig hoch.

Wenn ich unsere Diskussion bis jetzt richtig verstanden habe, so ging es hier doch nur darum: wie wichtig ist den Verlagen der akademische Lebenslauf eines Autors.  (an dieser Stelle: vielen Dank an alle ,,Verlagserfahrenen" für ihren Input) Es ging NICHT darum, ob wir es gut finden, wie sich die Verlage verhalten.

Ich glaube, keiner von uns will den Akademikern ihr Studium vorhalten oder den Belesenen ihre Bildung. Niemand hier will sich über einen Hauptschulabschluss, ein vergeigtes Schuljahr oder Legasthenie mokieren. Die Freude an fantastischen Geschichten und am Erzählen verbindet uns – und vielleicht auch die Hoffnung irgendwann einmal die Verlagswelt ,,da draußen" zu erobern. Da ist es doch gut zu verstehen, wie ,,die da draußen" ticken. Also: lasst uns wieder nett zu einander sein (oder lasst uns ins Off Topic gehen). :winke:

Eine schönes Beispiel möchte ich noch geben, wie ein ,,Benachteiligter" etwas scheinbar Unmögliches schafft. Ein Bekannter von mir hat Legasthenie (wie schwer weiß ich nicht). Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, sich durchs Abitur, das Studium und die Promotion zu kämpfen (die er übrigens auf Englisch geschrieben hat). Inzwischen ist er weltweit der führende (!) Experte für den deutschen Aktienmarkt und macht den ganzen Tag nichts anderes als hochwichtige Berichte zu schreiben, zu schreiben, zu schreiben... Obwohl er doch ein ,,armer" Legastheniker ist.

Liebe Grüße
Stefanie

Zealot

ich bin auch Legastheniker UND ADSler.
Aber darum geht es hier wie gesagt nicht.
Wie Eingangs schon erwähnt gibt es auch sehr viele Autoren, die schon mit 15 die Schule geschmissen haben z.Bsp. Mo Hayder
ZitatMo Hayder wurde in Essex geboren, verließ mit fünfzehn ihr Zuhause, um in London das Abenteuer zu suchen, und hat später viele Jahre im Ausland verbracht. Dabei lebte sie unter anderem in Japan, wo sie als Hostess in einem Tokioter Nachtclub arbeitete. Mit ihrem Romandebüt, dem Psychothriller "Der Vogelmann", wurde sie über Nacht zur international gefeierten Bestsellerautorin. Sie hat Creative Writing studiert und unterrichtet gelegentlich auch an ihrer alten Universität, der Bath Spa University. Mo Hayder lebt heute als freie Schriftstellerin mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter in London. Sie arbeitet gegenwärtig an ihrem vierten Roman.
da sthet zwar auch was von Studium, aber ich denke für den Verlag war der vorher gegangene Lebenslauf da schon interessanter.
Und es gibt genug andere Autoren, die sich bis zu ihrem Bestsellern, nur mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen haben.
Von daher....

Kalderon

@ Stefanie: Hast ja Recht.

Also zum eigentlichen Thema: Die einen meinen, die Verlage wollen Autoren mit Studium, weil die gut vorzustellen sind etc., die anderen sagen, es ist völlig Schnuppe welche Bildung der Autor hat, solange er nur schreiben kann und das gut und richtig. Also eine verfahrene Situation. Eine Abstimmung wäre sicherlich auch sinnlos. Da hilft wohl nur jemand, der es wirklich weiß: ein Verlag. Aber plaudern die so aus dem Nähkästchen? Wahrscheinlich nicht.

Also kann man nur mit knallharten Fakten herangehen.

1. Ich glaube Lomax erwähnte die Statistik. Viele Leute, die studieren (Germanistik oder was auch immer) beschäftigen sich wahrscheinlicher mit dem Schreiben als Menschen mit Realschulabschluss und Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Demnach wäre die Quote der Abiturienten und Studenten insgesamt bereits höher. Dass heißt: Es gibt schon einmal (vorsichtig gemutmaßt) statistisch mehr Abiturienten und Studenten unter den Autoren.

2. Die Schreiberfahrung und gesamten Leistungen dieser Autorengruppe sind im Durchschnitt, denke ich, auch höher anzusiedeln. Folglich werden Abiturienten und Studenten auch häufiger veröffentlicht (was nicht mit ihrem Abschluss, sondern mit der von ihnen erbrachten Leistung zu tun hat). Auch das vorsichtig gemutmaßt.

3. Weiß jemand mehr?

Moni

Zitat von: Sid am 02. Juli 2006, 15:51:59
Zitat von: Moni am 02. Juli 2006, 14:52:10
Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 10:27:30
Ich habe keine Lust, mich für mein Abitur und mein Studium zu entschuldigen bei Leuten, die, aus welchem Grund auch immer, keines haben.

Das ist keineswegs an den Haaren herbeigezogen, sondern fußt auf Tatsachen. Wer es schon einmal erlebt hat, daß beim Trivial Pursuit spielen die Bemerkung fiel: "Mit dir spiel ich nie wieder, du gewinnst ja dauernd." Oder "Mußt du so ein wandelndes Lexikon sein, daß macht ja gar keinen Spaß mit dir zu spielen." oder ein völlig entnervtes "Wieso weißt du das denn jetzt schon wieder", der kann vielleicht nachvollziehen, wie man sich in so einer Situation fühlt.

Dann stell Dich halt dumm!
Man muss sich ans Publikum anpassen. Menschen, die mit ihrem Wissen glänzen machen sich ebenso unbeliebt wie die, welche mit ihrem Geld oder ihren Muskeln protzen. Intelligente können sich dumm stellen, umgekehrt funktioniert es nicht ;-)
Grüsse Sid

PS. Gegen dich würde ich wahrscheinlich auch verlieren. Aber ich verliere gerne.

Das ist jetzt nochmal OffTopic, aber es geht leider nicht anders:

Sorry, ich muß jetzt etwas persönlich werden:  meinst du das wirklich ernst? Du weißt, schon in der Bibel steht: Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen...
Und ich weigere mich ganz entschieden, mich nur deswegen dumm zu stellen, damit jemand der weniger allgemein gebildet ist, sich besser fühlt!



Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Lomax

Hallo Moni, hallo Maja,
ZitatIch bin es leid, mich für meine Bildung bzw. mein Wissen entschuldigen zu müssen ...Was ich aber absolut nicht nachvollziehen kann, ist wenn jemand mir dann Vorwürfe macht, daß ich Abi gemacht habe und daß ich studiert habe...
Ich kann mich nicht erinnern, dass solche Worte hier gefallen sind, ...
ZitatAber wer sich gegen das Abitur entscheidet, entscheidet sich meistens auch gegen das Wissen - sondern macht seine Ausbildung, kauft sein Auto und liest drei Bücher im Jahr, wenn es hochkommt. Und diese Leute - genau diese Leute - sind es, die ich so gefressen habe.
... und ich hab jetzt auch nicht den Eindruck gewonnen, dass diese Leute hier an dem Thread teilnehmen. Es bringt also schon eine ungute Note in die Diskussion, wenn man dieses Thema jetzt mit der Verlagsfrage vermischt, weil man doch irgendwie unterstellt, dass solche Vorwürfe hier gefallen sind. Wovon ich allerdings bisher nichts bemerkt habe - was, zugegeben, vielleicht auch an mir liegen könnte ???

Ansonsten sehe ich mit Erstaunen, was für Erfahrungen ihr gemacht habt. Die Frage ist, ob es fair ist, solche Einzelerfahrungen zu verallgemeinern und anderen hier vorzuhalten. Wenn ich das aus meinen Einzelerfahrungen heraus machen würde, sähe das Bild anders aus ...
  Ich kann mich nämlich nicht erinnern, je wegen Bildung angefeindet worden zu sein, oder mich rechtfertigen zu müssen. Weder wurde ich in der Schule trotz entsprechender Noten je mit dem Streber-Klischee in Verbindung gebracht (ich habe mich eher von anderen Dingen getroffen gefühlt, aber das ist eine andere Geschichte), noch musste ich beispielsweise je als Abiturient bei der Bundeswehr leiden - obwohl die Bundeswehr ja nun nicht als Hort bildungsfreundlicher Leute verschrien ist, und obwohl ich dort genauso entschlossen jede Bildungsmöglichkeit genutzt habe, die sich bot, und die halbe Zeit irgendwelche Schulungen und Sonderausbildungen an Land ziehen konnte (die im übrigen sicher auch als nützliche Bildung für einen Autor zählen ;) ). Ganz im Gegenteil: Das wurde von manchen sogar als besonders coole Form der Drückebergerei angesehen, wenn ich mal wieder für einen Kurs zeitweilig versetzt worden war ;D

Auf der anderen Seite habe ich sowohl bei der Bundeswehr wie auch anderswo im Leben oft genug erlebt, dass andere Leute unter vergleichbaren Bedingungen andere Erfahrungen machen. Ich kenne Leute, die erzählen, wie sie an der Kasse von Supermärkten dumm angemacht werden, weil sie Kleingeld zusammenzählen - mache ich auch regelmäßig, und habe noch nie so was gehört. Würde ich mir als Kunde von einem Kassierer ehrlich gesagt auch verbitten.
  Mein Nachfolger an einer alten Arbeitsstelle hatte mir mal bei einem späteren Treffen erzählt, wie er Ärger mit einem Grafiker bekommen hatte - und ich habe mich daran erinnert, dass ich genau über dasselbe Thema mit demselben Grafker auch mal eine Diskussion hatte und eher beiläufig darübergebügelt bin.

Meine Lehre aus all diesen Erfahrungen wäre: Vielleicht liegt es nicht an der "Bildung", oder an anderen äußeren Merkmalen, wenn man irgendwelche Erfahrungen macht. Vielleicht liegt es an irgendwelchen anderen Persönlichkeitsmerkmalen. Vielleicht wird man wegen seiner Bildung angegriffen, wenn man den Eindruck eines dankbaren Opfers macht - und die "Angreifer" würden ansonsten halt einen anderen Vorwand finden.
  Vielleicht sind Erlebnisse wie beim Trivial Pursuit nur darauf zurückzuführen, dass man einen dummen Spruch in den falschen Hals bekommt und nicht mit Humor nimmt?

Wie gesagt, ich habe in vergleichbaren Situationen Erfahrungen nicht gemacht, von denen andere zu berichten wussten. Dafür habe ich wohl viele Erfahrungen gemacht, die andere so vermeiden konnten. Ich würde aufgrund meiner Erfahrungen also eher annehmen: Es liegt nicht an den Umständen, nicht an der "Bildung", nicht an den "anderen", sondern halt einfach daher, ob man diese bestimmten Erfahrungen anzieht oder nicht.
  Aber ich weiß auch, dass es viele merkwürdige Leute gibt. Dass es Umstände gibt, denen man sich nicht entziehen kann; zeitliche und regionale Unterschiede. Ich muss also sagen, dass ich trotz meiner eigenen Erfahrungen nicht weiß, warum ihr das erlebt habt, was ihr erlebt habt. Aber ihr solltet zumindest nicht glauben, dass es der normale und überall anzunehmende Verlauf in jeder Bildungsdiskussion ist.
  Denn wenn ihr das auf diese Weise hier ansprecht, rechtfertigt ihr euch ja schon für eure Bildung und tut damit genau das, was ihr nicht wollt - und es wirkt schon ein wenig forsch und aggressiv, sich für etwas zu rechtfertigen, noch bevor es in Frage gestellt wurde.

lapaloma

Zitat
Sorry, ich muß jetzt etwas persönlich werden:  meinst du das wirklich ernst? Du weißt, schon in der Bibel steht: Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen...
Und ich weigere mich ganz entschieden, mich nur deswegen dumm zu stellen, damit jemand der weniger allgemein gebildet ist, sich besser fühlt!
Zitat

Ja,ich meine es ernst, verehrte Moni. Im Leben ist es manchmal durchaus klüger, sein Licht etwas unter den Scheffel zu stellen.
Understatement kann in gewissen Fällen eine Strategie sein, um sein Ziel zu erreichen.
Aber bleiben wir bei deinem Beispiel: Was hast du schlussendlich mit deinem überlegenen Wissen beim Spielen gewonnen? Deine Mitspieler sind verärgert und du bist auch verärgert über das Verhalten deiner Mitspieler. Ist es das was du wolltest?

Nun, vielleicht liegt es an der Hitze, aber gewisse Postings haben mich in dieser Diskussion etwas irritiert: Da kommt soviel unverarbeiteter Frust daher!

Ich selber habe studiert und in meinem Leben gar manchen Akademiker angestellt - und einige arrogante und sozial verkrüppelte Doktoren auch wieder gefeuert.
Mir ist es unverständlich, wie man auf Menschen herabschauen kann, die einen handwerklichen Beruf anstelle des Studiums ergriffen haben - gleich aus welchen Gründen.
Was schlussendlich zählt ist die Leistung und nicht das Wissen. Für Akademiker: Was habe ich aus meinem Wissen gemacht! Denn Wissen an sich ist wertlos, wenn man es nicht anwendet oder nicht anzuwenden weiss.

Entschuldige Moni, aber Vorurteile gegen Menschen bringen mich in Rage: Was für mich zuallererst zählt ist das Wesen des Menschen, der vor mir steht. Ob Doktor oder Student, ob Arbeitsloser oder Erfolgsautor ist mir wurscht!

Aber wie gesagt, vielleicht ist es heute etwas heiss ;-)
Grüsse, Sid







Moni

#56
Zitat von: Sid am 02. Juli 2006, 16:55:07
Zitat
Sorry, ich muß jetzt etwas persönlich werden:  meinst du das wirklich ernst? Du weißt, schon in der Bibel steht: Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen...
Und ich weigere mich ganz entschieden, mich nur deswegen dumm zu stellen, damit jemand der weniger allgemein gebildet ist, sich besser fühlt!
Zitat

Understatement kann in gewissen Fällen eine Strategie sein, um sein Ziel zu erreichen.
Aber bleiben wir bei deinem Beispiel: Was hast du schlussendlich mit deinem überlegenen Wissen beim Spielen gewonnen? Deine Mitspieler sind verärgert und du bist auch verärgert über das Verhalten deiner Mitspieler. Ist es das was du wolltest?

Meine Mitspieler wurden ja nicht dazu gezwungen, mit mir zu spielen. Außerdem wußten sie vorher, das ich ein wandelndes Lexikon bin. Mich ärgerte einfach, daß man mir vorgworfen hat, Dinge zu wissen. Trivial Pursuit ist ein Spiel, in dem Allgemeinbildung gefragt ist, nicht, was durch irgendeine Spezialisierung im Beruf zu lösen wäre. Wenn jemand in diesem Gebiet nicht so bewandert ist, liegt das nicht an der schulischen Bildung dieser Person, sondern an mangelndem Interesse an gesellschaftlichen Entwicklung und in so einem Fall werde ich sicherlich nicht vorgeben, Dinge nicht zu wissen.

Ich bin jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt und sich selten mal verstellt. Und mich absichtlich dumm stellen ist, nein,  absolut keine Lösung.

ZitatMir ist es unverständlich, wie man auf Menschen herabschauen kann, die einen handwerklichen Beruf anstelle des Studiums ergriffen haben - gleich aus welchen Gründen.

Mein Vater ist gelernter Schlosser und hatte keine Möglichkeit ein Abitur zu machen, meine Mutter floh mit ihren Eltern 1961 aus Polen und mußte erstmal Deutsch lernen, dann machte sie eine Einzelhandelsausbildung. Beide haben sich privat ein großes Wissen angelesen und können auch in Gesprächen mit Studierten ohne Probleme mithalten.
Ich habe, trotz Studium, eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht und war die erste in meiner Familie mit Abitur. Ich schaue definitiv nicht auf Menschen herab, die kein Abitur haben. Das habe ich auch mit keinem Wort gesagt!
Womit ich nicht zurecht komme, ist Ignoranz und fehlende Bereitschaft, Wissenslücken in Eigenregie zuschließen.
Mein bester Freund hat ebenfalls kein Abitur, aber deswegen käme ich nie auf die Idee, ihn zu verachten! Ich finde es z.B. klasse, daß Feuertraum sein Abitur nachholt, um seine Perspektiven dadurch zu verbessern.
Wenn jemand einfach nicht in der Lage ist, Abitur und Studium zu packen und statt dessen eine Berufsausbildung macht, sehe ich nicht auf ihn herab, solange er trotzdem versucht, in seiner Allgemeinbildung weiter zu kommen.


Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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Johann Wol

Linda

#57
Zitat von: Sid am 02. Juli 2006, 12:36:06
Vielen Dank, liebe Tintenzirkler,
diese Diskussion ist sehr aufschlussreich. Auch wenn mir das Bild, das sie mir zeigt, nicht gefällt, so werde ich es doch in Zukunft berücksichtigen. Besonders der Beitrag von Linda, in dem sie erwähnt, dass die grossen Verlage heute Autoren und nicht bloss Manuskripte kaufen, ging mir unter die Haut. Wieso hatte ich das bisher übersehen?
So fasse ich denn kurz zusammen, was ich gelernt habe. Bitte korrigiert mich, wenn etwas daran falsch sein sollte:

1. Bildung und Lebenslauf eines Autors spielen sehr wohl eine Rolle. Verlage möchten eine möglichst 'interessante' Vorzeigefigur.

Nicht jeder Verlag sucht in jedem Autor eine Vorzeigefigur. Es kommt auch immer aufs Programm an. Aber Autoren mit entsprechendem Background (und Erfolg) werden durchaus vorgezeigt ;-)

Zitat
2. Verlage möchten eine Option auf Fortsetzungen: Autoren, von denen sie erwarten können, dass sie ggf. nachdoppeln, sind attraktiver.

Ja. Ohne Einschränkung.
Ein aufgebauter Autor soll sich schließlich für den Verlag auch "bezahlt" machen.
Verlage sind Wirtschaftsunternehmen.
Sonst müssten wir einen Deutschen Staatsverlag haben, der die Fahne der Kultur um der Kultur willen hoch hält.


Zitat
3. Studierten glaubt man eher, dass sie (gut) schreiben können.

mag sein. Muss aber nicht.

Zitat
und wenn ich die Literaturszene kritisch betrachte, muss ich noch anfügen:

4. Autorinnen und Autoren sollten gut aussehen, damit man sie auch in hübschen Bildern präsentieren kann.

und

5. Autoren und Autorinnen sollten bereit und in der Lage sein, öffentlich aufzutreten, und damit das Marketing aktiv zu unterstützen. Menschen, die vor Publikum stottern und rot werden, sind dazu ungeeignet.

Ja, wenn irgend möglich. Wir leben in einer Mediengesellschaft. Der Hausautor im TV, davon träumen Verleger des Nachts :-)

Zitat
und jetzt werde ich noch eine Stufe sarkastischer:

6. Eine mittelmässige Schreibe reicht wahrscheinlich, wenn die oben stehenden Punkte erfüllt sind.

Tatsächlich gewinne ich in den letzten Jahren vermehrt den Eindruck, dass die literarische Qualität nur ein Faktor unter vielen ist. Allerdings muss auch der stimmen.

Zitat
Bisher dachte ich mir, dass es wahrscheinlich lustig und interessant wäre, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu erwähnen, dass ich in der achten Klasse von der Schule geflogen bin. Doch jetzt werde ich wohl die andere Seite meines CV hervorheben müssen.

Überleg es dir.
Wenn ein erfolgreicher Autor zugibt, von der Schule geflogen zu sein, ist das amüsant. Denn er hat ja trotzdem Erfolg gehabt.
Hundertausende von der Schule Geflogene werden sich mit ihm solidarisieren. Die anderen werden sagen: so ein Teufelskerl, und neugierig seine Bücher antesten. Die neidischen Nicht- Abbrecher werden seine Bücher kaufen in der Hoffnung, Schwächen zu entdecken und sich deswegen dennoch überlegen fühlen zu können :-)
Werbung halt.

Um zum erfolgreichen Autor zu werden, ist es aber vielleicht ein wichtiger Schritt, zu zeigen, dass man die gesellschaftlichen Standards in puncto Bildung erfüllt hat. Und eigentlich ist Bildung immer noch ein Pfund, mit dem man wuchern kann.
   
Oder ein anderes Beispiel zum Thema, was schreibe ich in meine Vita:
Wenn Rowling zugibt, aus der Arbeitslosigkeit heraus ihren Zauberlehrling ins Leben gerufen zu haben, ist das angssichts ihres Statusses als reichste Frau Englands heute anrührend.
Die arbeitslose Anja K aus T muss erst beweisen, dass sie trotzdem was auf dem Kasten hat und gut verkäufliche Werke schreibt.

Um Missverständnissen vorzubeugen. Ich finde das alles nicht unbedingt gut oder richtig.  Ich zähle nur auf, was ich zu beobachten glaube.

Moni

Zitat von: Arielen am 25. Juni 2006, 10:07:47
Wir können lange darüber diskutieren, aber ich habe irgendwo den Eindruck gemacht, daß die Verlage trotz allem auf Qualifikationen schielen. Bei fast jedem deutschen Autor, der von deutschen Verlagen veröffentlicht wird steht in der Biografie sehr oft etwas von Studium, meistens Germanistik in Verbindung von noch etwas anderem oder Journalistik.  Selbst wenn das Studium nicht abgeschlossen wurde.


Um einmal zurück zum Topic zu gehen: ich denke, Arielen hat damit einfach recht. Auch wenn es schade ist und sicherlich nicht sehr fair gegenüber Autoren ohne die oeben genannten "Qualifikationen".
Tatsachen dieser Art sind nicht sehr schön, aber sicherlich so schnell nicht zu ändern.
Aber es ist bestimmt kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und zu verzweifeln. Denn neben den ganzen studierten gibt es immer wieder Autoren, die keinen akademischen Werdegang aufweisen können und es trotzdem schaffen.
Wird denn auch im Bereich Fantasy ein Autor mit akademischem Hintergrund vorgezogen? Oder ist das nicht eher ein Merkmal der "gehobenen Literatur"?
Obwohl selbst Markus Heitz (Die Zwerge) hat Abitur und Studium auf Lehramt hinter sich gebracht. Wäre er also ohne diesen Hintergrund nicht angenommen worden? 
Monika Felten hat mittlere Reife und ist gelernte technische Zeichnerin, das klingt dann doch wieder aufmunternd...
Man könnte jetzt alle deutschen, englischen und amerikanischen Autorenbios abklappern und danach suchen, wer studiert hat und wer nicht... Aber es ändert an einer Tatsache gar nichts: die Qualität eines Textes wird nicht durch einen Hochschulhintergrund bestimmt, sondern davon, was man mit dieser Bildung anfängt  (Da bin ich einer Meinung mit dir, Sid!) und ob man überhaupt in der Lage ist, einen fesselnden Text zu schreiben. An diesem Punkt spielt m.E. nach die Lebenserfahrung eine weit größere Rolle. (Eine 16jährige Schülerin mag einen netten Fantasyroman zu Papier bringen können, doch wieviel von dem, was sie dort an Emotionen und Gedanken verarbeitet entstammen der eigenen Erfahrung und wievieles ist einfach nur "nachgeplappert"? )

Ich denke nicht daran, mir von der Aussicht bange machen zu lassen, daß ich mein Studium nicht abgeschlossen habe bzw. keine Germanistin oder Anglistin bin. Ich werde trotzdem versuchen, mein Opus Magnum bei einem Verlag unter zu bringen (wenn es denn dann fertig ist...  ;D ) und ich halte es für richtig, wenn jeder sich einen gesunden Optimismus bewahrt.

In diesem Sinne, einen schönen (heißen) Sonntag abend,

Lg
Moni
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Moni

Zitat von: Lomax am 02. Juli 2006, 16:40:29
Hallo Moni, hallo Maja,
ZitatIch bin es leid, mich für meine Bildung bzw. mein Wissen entschuldigen zu müssen ...Was ich aber absolut nicht nachvollziehen kann, ist wenn jemand mir dann Vorwürfe macht, daß ich Abi gemacht habe und daß ich studiert habe...
Ich kann mich nicht erinnern, dass solche Worte hier gefallen sind, ...

Hi Lomax,

das bezog sich ja auch nicht auf das Forum, ich hatte ja ein Beispiel außerhalb des Zirkels genannt...  Hier hat mir das glücklicherweise noch nie jemand vorgeworfen.   :vibes:

Lg
Moni
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol