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Der gebildete Autor

Begonnen von Kalderon, 25. Juni 2006, 00:59:01

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Silvia

Hm ... bisher dachte ich immer, bei der Auswahl eines Manuskriptes geht der Verlag danach, ob es gut geschrieben und gut verkaufbar ist ... daß nach dem Ausbildungsweg des Autors ausgewählt werden sollte, wäre mir neu  ;) Schließlich kann ein Studierter auch einen knochentrockenen Roman zusammenschustern.

Karin

Vor Jahren hatte mir einmal eine bei einem großen Verlag veröffentlichte Autorin den Tipp gegeben, dem Verlag nicht nur 1 sondern 2 Manuskripte anzubieten, weil ein Verlag nicht gerne in Werbung für Eintagsfliegen investiert. Auf diese Art hatte sie es geschafft (allerdings arbeitete sie zu der Zeit als Journalistin, was sich vielleicht auch positiv ausgewirkt hat).
Später dann, nach der Abgabe ihres 3. oder 4. Romans (ich weiß es nicht genau), hat sie sich mit der Lektorin (die ziemlich patzig war) gestritten und bekam von der die Antwort:
"Ich dachte, Sie würden professionell schreiben, aber Sie benehmen sich wie eine schreibende Hausfrau."

Nachdem ich keinen wirklich wichtigen Job hätte, den ich in einer Vita angeben könnte, muss ich mich als schreibende Hausfrau sehen und weiß daher sehr genau, dass ich damit zu keinem Verlag gehen könnte. So bliebe mir wohl nur die Möglichkeit, in der Vita anzugeben, ich wäre freiberufliche Illustratorin, wegen der 3 Bücher, die ich illustriert habe oder freischaffende Künstlerin (wegen der paar Bilder, die ich verkaufte). Es klänge besser, aber wirklich zutreffend ist es nicht und deshalb will ich sowas nicht tun.
Allerdings, wer weiß schon, wie lange ein Tad Williams Lastwagenfahrer oder sonstwas von den unzähligen Berufen war, die er ausprobiert hat und die in seiner Vita stehen?  ;D

Nehmen wir eine andere Autorin, die ich kenne. Sie war technische Zeichnerin, ging in Babypause und schrieb da ihren 1. Roman, der gleich veröffentlicht wurde (wie sie das geschafft hat? Keine Ahnung. Ich denke, sie hat einfach Selbstbewusstsein, war von sich und ihrem Werk überzeugt und konnte demgemäß auftreten und obendrein redet sie mehr als ich, die ich nichts rausbringe und immer erst Tage später weiß, was ich hätte sagen sollen.) Fakt ist, dass einer Frau eine Babypause genehmigt wird. Dann zählt sie noch nicht als schreibende Hausfrau, sondern als Berufstätige, die die Zeit zu Hause nutzte, um ihrer wahren Berufung nachzugehen. Mittlerweile ist sie ja freiberufliche Autorin und muss sich keinen Job mehr überlegen.
Jedenfalls gab auch sie dem Verlag nicht nur 1 Manuskript, sondern eine fertige Trilogie. Dass der Verlag dann bei ihr anfragte, ob diese Trilogie nicht als 1 Buch veröffentlicht werden könne (was dann auch gemacht wurde), ob sie damit einverstanden wäre, ist dann eine andere Sache.

Ich denke, bei einem Autor ist es nicht anders als bei jedem anderen, der einen Job sucht: nicht lügen und auch nicht tiefstapeln. Und zu verstehen geben, dass man mehr als 1 Buch verfasst, dass bei Erfolg eine langjährige Zusammenarbeit möglich ist.
Erst dann wollen Verlage Geld in einen Autor stecken.
Werbung ist alles. Ein Studium ist eine gute Werbung, vielleicht aber findet man auch eine andere Möglichkeit, von sich zu überzeugen.

In unserer Zeit und Land, in der ein vorzuweisendes Papier bei jedem Job positiv wirkt und Aufmerksamkeit erregt, wäre es mir lieber, wenn ich ein Studium oder wenigstens Abi vorweisen könnte. Ich glaube, dann wäre es leichter.
Am wichtigsten aber, glaube ich, ist tatsächlich, von sich und dem Werk überzeugt zu sein, etwas Gutes anzubieten und ...

... Glück zu haben, im richtigen Moment den richtigen Lektor zu erwischen.

Lomax

Zitat von: Hyndara am 01. Juli 2006, 00:56:12
Ich muß gestehen, ich verstehe die Verlagspolitik hier nicht so ganz, da auf der einen Seite offensichtlich Autoren gefördert werden, die ein Studium hinter sich haben, auf der anderen Seite aber Bücher von Heranwachsenden in den Himmel gelobt werden. Otto-Normal-Schreiber hat es da schwer, wenn er veröffentlichen möchte, vor allem bei den großen Verlagen.
Nun, die Frage ist doch, wo man da Ursache und Wirkung ansiedelt. Man kann davon augehen, dass gerade unter den leidenschaftlichen Schreibern und unter denjenigen, die ihr Leben der Sprache widmen, einfach auch besonders viele Leute dabei sind, die versuchen, entsprechende Berufe zu ergreifen. Und die meisten "schreiberischen" Berufe sind nun mal auch mit einem Studium verbunden. Wer aber schon berufsmäßig schreibt, beispielsweise als Journalist, der hat dabei auch schon was übers Schreiben gelernt, also einen Vorsprung - ganz besonders wenn es darum geht, nicht nur zu Schreiben, sondern seine Schreibe auch an Kundenwünsche anzupassen und zu verkaufen.
  Daher halte ich es für normal, dass unter den Autoren estens überproportional viele Studierte, und zweitens überproportional viele Journalisten und Leute sind, die Germanistik studiert haben. Wie gesagt - dass ist in den USA nicht anders: Auch da besteht die größte Autorengruppe aus Anglisten, dazu kommen noch viele andere Studienabschlüsse und das letzten Programmplätze teilen sich dann alle anderen Berufe und Abschlüsse.
  Das muss also nicht heißen, dass die Verlage gezielt auf so etwas schauen - es ist einfach eine Frage der Statistik, die sich aus den Neigungen ergibt, die Autoren normalerweise mitbringen; und der Erfahrung, auf die sie dann schon bei der Verlagsbewerbung zurückgreifen können.

Letztendlich entscheidet das Manuskript, am besten auch noch der persönliche Kontakt. Alles andere zählt eher zur Kosmetik - die eine Verlagsbewerbung durchaus aufwerten kann, aber auch nicht mehr zählt als andere, nichtakademische Pluspunkte.

Lomax

Zitat von: Karin am 01. Juli 2006, 11:07:49Nachdem ich keinen wirklich wichtigen Job hätte, den ich in einer Vita angeben könnte, muss ich mich als schreibende Hausfrau sehen und weiß daher sehr genau, dass ich damit zu keinem Verlag gehen könnte.
Um den Satz mit der "schreibenden Hausfrau" richtig zu verstehen, muss man auch wissen, was gemeint ist. Die rein nüchterne Tatsache, dass man als Hausfrau zu Hause ist, hat damit nämlich wenig zu tun - mit dem Klischee von der "Schreibenden Hausfrau" verbindet sich in den Verlagen eher ein bestimmter Schreibertyp: Nämlich derjenige, der schreibt, weil er sich damit besser fühlt - und der in erster Linie beim Schreiben auch an sich denkt und nicht an der Leser, und der deshalb auch alle Anforderungen, die in Bezug auf das Schreiben an ihn gestellt werden, als Zumutung empfindet.
  Das Klischee besagt nun, dass dieser Schreibertyp unter den "Hausfrauen" besonders verbreitet ist, die nicht etwa anfangen zu schreiben, weil sie gerne schreiben und Geschichten erzählen wollen - sondern weil sie gelangweilt zu Hause sitzen, frustriert sind und ihnen nichts besseres einfällt. Sie schreiben dann, um Bestätigung zu erhalten oder ihre eigenen Probleme aufzuarbeiten - und solche Schreiber gelten bei Lektoren als schwierig, weil unprofessionell.
  Es ist also keinesfalls so, dass man als Hausfrau gar nicht erst bei Verlagen ankommen kann, weil man dann einen schlechten Ruf hat. Wenn man den Lektor davon überzeugen kann, dass man trotzdem eine professionelle Einstellung zum Schreiben hat und sich nicht "zickig anstellt", dann ist dem Verlag auch das Hausfrauen-Dasein egal. Und ich kann, ehrlich gesagt, diesen Vorbehalt auch nachvollziehen: Ich habe selbst schon erlebt, dass es anstrengend ist, mit Laien zusammenzuarbeiten, und das einfach alles viel lockerer und selbstverständlicher läuft, und auch weniger Kommunikation nötig ist, wenn man mit erfahrenen, geschäftsmäßigen Schreibern zusammenarbeitet.
  Es ist bedauerlich, dass das Klischee nun diesen "anstrengenden" Schreibertyp gerade mit der "Hausfrau" verknüpft - wenn man dann zufällig tatsächlich Hausfrau ist, hat man es womöglich schwerer, gegen das Vorurteil anzukämpfen. Andererseits gibt es solche Klischees auch für andere Berufsgruppen, und "der mimosenhafte Schreiber" taucht natürlich auch unabhängig von allen Berufsgruppen auf. Letztendlich muss also jeder den Lektor davon überzeugen, dass man ein möglichst angenehmer Geschäftspartner sein wird - wie man das tut, muss natürlich jeder individuell selbst sehen. Aber auch für die "Hausfrau" sollte es möglich sein - und am einfachsten geht es natürlich dann, wenn man schon mal irgendwo professionell geschrieben (oder auch anderweitig kunsthandwerklich gearbeitet!) hat und das vorweisen kann.
  Und man sollte nicht vergessen, dass viele der erfolgreichsten Autorinnen als "schreibende Hausfrauen" angefangen haben und damit schon beweisen, dass das "Hausfrau" an sich keine Hürde darstellt.

Feuertraum

Andererseits muß ich schon gestehen, wenn man sich z.B. Lomax`Homepage anschaut, was er für Referenzen in sachen Studium hat, kann einem das schon den Mut nehmen...

Allerdings: wenn man genug Selbstbewußtsein hat, dann kann auch ein Nichtstudierter gute Romane gut schreiben... ;)

@Hyndara: Ja, man lernt im Abitur schon, selbständiger zu arbeiten; manchmal bürdet man den Schülern Aufgaben auf, da bekommt man das Schlottern (eine Bekannte von mir mußte ein Referat über die Renaturisierung eines kleinen Flußverlaufs hier in der Nähe schreiben; inklusive den gesamten Werten damals --> heute, was alles gemacht wurde, was es bewirkt hat und und und. Mindestseitenzahl Computer 12pkt Courier 15 Seiten. Und dafür hatte sie einen Monat Zeit...) Ich denke schon, das man aufgrund solcher Aufgaben schon zwangsweise selbständiger arbeiten lerbnt und nicht jeden Bissen vorgekautr bekommt.

LG

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Linda

Zitat von: Feuertraum am 01. Juli 2006, 16:03:00
Andererseits muß ich schon gestehen, wenn man sich z.B. Lomax`Homepage anschaut, was er für Referenzen in sachen Studium hat, kann einem das schon den Mut nehmen...

Nun ja, auch das muss man relativ sehen. Ein Studium in (alter) Geschichte bringt  sicherlich viele gute Ideen für historische Romane ein, außerdem lernt man noch Unmengen anderen Kram, z.B. wie man an wirklich schwierige Quellen kommt etc.

Das Studium der dt. Sprachwissenschaft allerdings ist (vor allem bei den genannten Schwerpunkten) in erster Linie die Voraussetzung für die Tätigkeit als Lektor, nicht für die als Autor.   
  Was nicht heißen soll, dass es nicht enorm nützlich ist, vieles zu wissen. Ein Autor Mensch sollte immer nach Wissen sterben, und als Kreativer stellt man früher oder später fest, dass man wirklich auch alles noch irgendwie brauchen kann, was man sich irgendwann einmal angeeignet hat :-)

Gruß,

Linda

Hyndara

@ Feuertraum:
Was Referate angeht, kann ich da auch ein Lied von singen. Mein Biolehrer in der Hauptschule bestand darauf, daß wir unsere Referate frei halten mußten - keine Unterlagen, keine Notizzettel. Wenn wir zitieren mußten, mußten wir die Zitate auswendig lernen, mitsamt Quelle, etc. *hüstel* Es war meine einzige 1, die ich je in Biologie bekommen habe.

@ Lomax:
Es ist noch gar nicht so lange her, da "outete" sich ein Verlag (Bertelsmann, um genau zu sein, bzw. damals schon Randomhouse), daß sie in Zukunft keine Bücher mehr ohne Autoren verlegen wollten. Der Grundgedanke war, wenn ich mich recht erinnere, den oder die deutsche Rowlings zu finden, deren Hintergrund HP ja deutlich gehypt hat. "Wir verlegen keine Bücher, sondern Autoren" sollte soviel heißen wie: Wir wollen die Lebensgeschichte unserer Autoren wissen und sie an unser Publikum weitergeben. Und wenn ich mir jetzt die Bücher ansehe, die herausgebracht werden, sind es zwar keine 100 Prozent, aber nahe dran, von Autoren, die studiert haben.
Was Auftragsarbeiten angeht, empfehle ich dir wirklich mal meine Rezi zu Peinkofers "Rückkehr der Orks", oder nimm die von Arielen. Wir beide sind uns so ziemlich einer Meinung. Wenn der Autor das Genre nicht ernst nimmt, in dem er arbeitet, kann da, selbst was Auftragsarbeit angeht, nicht wirklich was draus werden. Sorry, ich gebs zu, im Moment bin ich wieder auf die Kleinverlage eingeschossen, da hält es sich weitestgehend in Grenzen.

@ Karin:
Tad Williams mag sich als Truckfahrer durchgeschlagen haben, aber meines Wissens ist er auch Absolvent einer amerikanischen Schreibschule und keineswegs Autodidakt. Und damit wären wir wieder am Eingang der Diskussion.

Bis denne
Ramona

Lomax

Zitat von: Feuertraum am 01. Juli 2006, 16:03:00Andererseits muß ich schon gestehen, wenn man sich z.B. Lomax`Homepage anschaut, was er für Referenzen in sachen Studium hat, kann einem das schon den Mut nehmen
Nun, wie ich sagte - als Lektor sollte man schon studiert haben ;) ... aus verschiedenen Gründen, die mit der Tätigkeit als Autor zunächst nur am Rande zu tun haben.

Würde ich mich allerdings mit einem Manuskript bewerben, würde ich eher auf meine Erfahrungen als Journalist, Lektor und Übersetzer verweisen als auf meine Studienreferenzen (außer natürlich bei Büchern, die direkt mit dem Studium zu tun haben). Denn diese Berufserfahrungen haben mehr mit dem Schreiben zu tun als das Studium, und solche schreibrelevanten Erfahrungen interessieren letztlich auch mehr als formale Abschlüsse.
  Aber selbst wenn ich als Lektor ein Manuskript einreiche, würde es keinefalls automatisch genommen - denn wenn Lektoren automatisch gute Autoren wären, dann würden ja auch die meisten Bestseller von ehemaligen Lektoren geschrieben, und dass dem nicht so ist, weiß man natürlich auch in den Verlagen.
  Also, Feuertraum, sollten Sie sich eher Mut machen lassen: Denn wenn meine praktischen Erfahrungen für Verlagsbewerbungen schon mehr wert sind als die Abschlüsse; und wenn andererseits klar ist, dass selbst diese Erfahrungen nur einen marginalen Einfluss hätten - dann sollte auch die Bedeutung eines Studienabschlusses für Autoren sichtlich relativiert sein.

Genau genommen gibt es im Fantasy-Bereich sogar mehr erfolgreiche "schreibende Hausfrauen" als "schreibende Lektoren". Und das weiß man ungeachtet aller Vorurteile eben auch in den Verlagen ;D

Lomax

Zitat von: Hyndara am 02. Juli 2006, 03:43:21
Es ist noch gar nicht so lange her, da "outete" sich ein Verlag (Bertelsmann, um genau zu sein, bzw. damals schon Randomhouse), daß sie in Zukunft keine Bücher mehr ohne Autoren verlegen wollten.
Ja, das Interview habe ich auch gelesen; aber auch das sagt nur bedingt etwas über den Wert eines Studiums für Autoren aus. Zum einen war es nur ein Lektor, der sich geäußert hat - und damit sicherlich eine derzeit im ganzen Medienbereich dominante Strömung in Worte fasste, aber eben doch nur eine Tendenz und nicht eine allgemeingültige Regel, nicht einmal für Randomhouse. In so großen Verlagen sitzen viele Leute mit sehr unterschiedlichen Meinungen, und für eine Entscheidung müssen sich immer mehrere davon zusammenraufen. Was dabei herauskommt, ist nicht immer so voraussehbar und "Richtliniengetreu".

Vor allem aber ging es bei dieser Aussage eben nicht um Studienabschlüsse: Es ging um "vermarktbare Autorenpersönlichkeiten". Es mag sein, dass man einen studierten Historiker bei historischen Romanen auch besser vermarkten kann - aber in anderen Bereichen ist es schon weniger eindeutig, welchen Einfluss welcher Werdegang auf die Vermarktbarkeit hat. Menschen verkaufen sich besser als Bücher - aber es gibt eine Menge Zielgruppen, bei denen Akademiker nicht unbedingt als Werbefigur taugen.
  Wenn ein Verlag nach "Autorenpersönlichkeiten" sucht, dann sollte man davon ausgehen, dass er anstelle eines Akademikers lieber einen Fantasyautor nehmen würde, der als Kind im Urwald ausgesetzt wurde, von Affen großgezogen und dann von von Eingeborenen adoptiert wurde, der sich selbst mit einem bei einem Flugzeugabsturz gefundenen Buch Lesen und Schreiben beibrachte - und jetzt von diesen Erlebnissen inspirierte Fantasy schreibt.
  Also, bei der Suche nach "Autoren" statt "Büchern" geht es natürlich darum, verlässliche Geschäftspartner  zu finden, bei denen man mit einer langfristigen Zusammenarbeit rechnen kann. Es geht aber vor allem auch darum, Persönlichkeiten zu finden, die Aufmerksamkeit erregen, die für den Kunden interessant sind oder sich vielleicht einfach nur als "Marke" eignen. Ich fürchte, Studienabschlüsse sind für Leser nur bedingt interessant. Und damit hat auch jeder die Möglichkeit, sich bei solchen Verlagen als "interessante Persönlichkeit" vorzustellen und so seine Chancen zu verbessern.

Zitat von: Hyndara am 02. Juli 2006, 03:43:21
Sorry, ich gebs zu, im Moment bin ich wieder auf die Kleinverlage eingeschossen, da hält es sich weitestgehend in Grenzen.
Na ja, dafür kann man bei Kleinstverlagen unglaubliche Dinge mit, ähm, ich sage mal: Interessanten Verlegerpersönlichkeiten erleben. Aber ich denke, das hast du wohl selbst schon erlebt - wie jeder, der sich eine Weile in der Kleinstverlagsszene bewegt. Letztlich muss sicher jeder selbst sehen, womit er besser klarkommt. Aber mich nervt die teilweise haarsträubende Unberechenbarkeit der Kleinstverlage schon sehr, und im Zweifel würde ich immer die kühle Geschäftsmäßigkeit bei den großen Verlagen vorziehen.
  Da ist es zwar schwer, unterzukommen; aber wenn man etwas an einen größeren Verlag verkauft, dann hat man den Stress wenigstens halbwegs hinter sich und weiß, was auf einen zukommt, wie man mit den Leuten umgehen muss und kann und was erwartet wird. Bei einem Kleinstverlag fangen die Probleme dann oft erst an :-X

Maja

Es bricht aus mir heraus, und ich möchte mal ganz ehrlich sein:
Ich habe keine Lust, mich für mein Abitur und mein Studium zu entschuldigen bei Leuten, die, aus welchem Grund auch immer, keines haben. Ich bin stolz auf mein Studium, ich bin stolz, es in Mindestzeit abgeschlossen zu haben und auch noch unter den Jahrgangsbesten zu sein. In diesem Studium habe ich viel gelernt, von dem ich auch heute noch profitieren kann - sowohl beruflich [wenn ich denn Arbeit hätte] als auch als Autor.

Muß es mir peinlich sein, daß mir Bildung viel bedeutet, sowohl bei mir, als auch bei anderen? Daß ich mein Leben lang danach gestrebt habe, Wissen anzusammeln, in der Schule und darüber hinaus? Es bietet mir eine Möglichkeit, mich zu definieren - ich bin Akademiker. Das ist eine Schublade, aus der ich nie wieder rauskomme. Ich werde vom Schlecker abgelehnt, wo ich mich um eine Hilfstätigkeit beworben hatte - Akademiker, überqualifiziert. Aber ich bin lieber über- als unterqualifiziert. Mein größtes Ärgernis ist, daß ich nur ein Fachhochschuldiplom habe. Daß ich nie einen Doktorgrad erwerben kann.
Ich lache, wenn ich lese, daß Akademiker Gehälter von 4.000 € aufwärts erwarten können - nicht nur, daß ich von 600 € Harzt IV lebe - in keinem meiner bisherigen Berufe habe ich auch nur die Hälfte dieser Traumsumme verdient. Akademikersein macht mich nicht reich. Da darf es mich wenigstens stolz machen.

Wenn ich jemanden treffe, der - obwohl in meinem Alter - kein Abitur hat, begegne ich dem erstmal mit Vorurteilen. Hat wohl nicht gereicht bis zum Abi?. Wenn ich den Betreffenden besser kennenlerne, kann ich meine Meinung immer noch revidieren. Wie erwähnt, kenne ich Leute, die ohne Abitur sehr gebildet sind - aber das sind allesamt Menschen, die ihr Abitur gemacht hätten, wären nicht Dinge dazwischengekommen wie in den zwanziger Jahren ein Mädchen sein oder in der DDR zur Schule gehen, wo nur zwei aus der Klasse eine Oberstufenberechtigung zugeteilt bekamen...
Mir fehlt das Verständnis für Leute, die aus freiem Willen nach der zehnten Klasse die Schule verlassen und eine Ausbildung machen, statt noch drei Jahre Bildung dranzuhängen - ich halte sie für gierig, daß sie schon Geld verdienen müssen, bevor sie achtzehn sind. Ich bin für meine Bildung ausgelacht worden und verhöhnt, aber jetzt ist sie alles, was ich noch habe - und ich bin immer noch stolz darauf.

In diesem Sinne:
Maja


*Früher war ich arrogant. Heute weiß ich, daß ich was besseres bin.*
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Astrid

#40
Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 10:27:30
Mir fehlt das Verständnis für Leute, die aus freiem Willen nach der zehnten Klasse die Schule verlassen und eine Ausbildung machen, statt noch drei Jahre Bildung dranzuhängen - ich halte sie für gierig, daß sie schon Geld verdienen müssen, bevor sie achtzehn sind.
Das würde ich dann aber schon gerne relativieren. Geld verdienen müssen hat nicht unbedingt etwas mit Gier zu tun, sondern zum Beispiel auch mit Überleben, wenn die Eltern selber kein Geld haben und die Kinder früh auf sich allein gestellt sind. Bildung ist etwas für Leute, die sich leisten können, drei Jahre mit dem Geldverdienen zu warten.

Und wenn jemand "aus freien Stücken" nach der Zehnten abgeht, statt weiter zu lernen - ja, wo ist das Problem? Dann ist er eben nicht der Typ fürs Studium, sondern vielleicht eher handwerklich orientiert. Das ist doch nun wirklich nicht schlechter und hat nichts mit Gier zu tun. Jeder Mensch soll das tun, wozu er geeignet ist - und Abitur und Studium sind NICHT für jeden das Richtige, auch wenn sie es für dich gewesen sind.

Und auch das Studium ist nicht kostenfrei. Ich habe mein Studium damals nach dem dritten Semester abgebrochen, weil ich kein Geld hatte und welches verdienen mußte, aber auch, weil ich in diesem Studium keine Zukunft für mich gesehen habe. Gierig war ich deshalb noch lange nicht.

Ich bin der Einstellung, daß Autoren Abitur haben müssen, studiert haben müssen, Germanisten sein sollen, bisher nirgends begegnet. Und ehrlich gesagt, halte ich so eine Einstellung - wie jede "DAS MUSS SO SEIN!"-Einstellung - für riesengroßen Schwachsinn. Autoren sollten Persönlichkeiten sein und ihre eigenen Geschichten erzählen, das ist alles. Spezieller geht es nicht - wegen der Vielfalt der Leser UND der Schreiber. Also bitte die Bälle flach halten hier.

Lomax

Hallo Maja,
Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 10:27:30
Ich habe keine Lust, mich für mein Abitur und mein Studium zu entschuldigen bei Leuten, die, aus welchem Grund auch immer, keines haben.
Ich hoffe, das verlangt auch keiner - und ich hoffe, dass kein Streit in dieser Richtung zustandekommt. Ich würde gerne nüchtern und möglichst ohne persönliche Betroffenheit bei der ursprünglichen Frage zu bleiben: Muss ein Autor ein Studium oder auch nur Abitur haben, um veröffentlichen zu können oder von den Verlagen überhaupt ernst genommen zu werden?
  Wenn man anfängt, persönliche Befindlichkeiten dran festzumachen, kann nur Unfrieden rauskommen und eine Diskussion, wo es nur Verlierer geben kann. Denn leider ist die Wirklichkeit da vielfältig genug, um allzu viele persönliche Wahrheiten zu generieren, die man ohnehin nie zusammenbringen kann ...

Kalderon

#42
Zitat von: Maja am 02. Juli 2006, 10:27:30
Wenn ich jemanden treffe, der - obwohl in meinem Alter - kein Abitur hat, begegne ich dem erstmal mit Vorurteilen. Hat wohl nicht gereicht bis zum Abi?. Wenn ich den Betreffenden besser kennenlerne, kann ich meine Meinung immer noch revidieren. Wie erwähnt, kenne ich Leute, die ohne Abitur sehr gebildet sind - aber das sind allesamt Menschen, die ihr Abitur gemacht hätten, wären nicht Dinge dazwischengekommen wie in den zwanziger Jahren ein Mädchen sein oder in der DDR zur Schule gehen, wo nur zwei aus der Klasse eine Oberstufenberechtigung zugeteilt bekamen...
Mir fehlt das Verständnis für Leute, die aus freiem Willen nach der zehnten Klasse die Schule verlassen und eine Ausbildung machen, statt noch drei Jahre Bildung dranzuhängen - ich halte sie für gierig, daß sie schon Geld verdienen müssen, bevor sie achtzehn sind. Ich bin für meine Bildung ausgelacht worden und verhöhnt, aber jetzt ist sie alles, was ich noch habe - und ich bin immer noch stolz darauf.

Ich habe Hauptschule gemacht, dann die freiwillige 10. Klasse und dann Berufsfachschule Fachrichtung Wirtschaft 3 Jahre. Normal wären es 2 gewesen, allerdings habe ich das erste Jahr freiwillig wiederholt, weil ich dachte, ich könnte so den Stoff besser reinkriegen.
Deine Meinung ist ziemlich knackig. Wenn ich es richtig interpretiert habe, müsste ich mich schämen, kein Abi zu haben, weil ich zu dumm bin eines zu machen, denn sonst hätte ich es ja gemacht. Und statt es mir zu erarbeiten, strebe ich ein leben als Neider und lernfauler, geldgeiler Mensch an. Man kann meine Lernschwäche und mein schlechtes Gedächtnis natürlich auch als Dummheit auffassen oder den starken Wunsch, dumm zu bleiben, eine Ausrede, um mich vom Lernen befreit zu halten. Aber so einfach ist es nicht. Ich lerne gerne für Dinge, die mich interessieren, allerdings mit der einzigen Möglichkeit, die mir noch bleibt: privat.

Einen Menschen anhand seines Schulabschlusses zu beurteilen ist ekelerregend, bisweilen mache ich dies aber auch. Ich sage oft, dass viele Abiturienten dumm sind. Gebildet, aber oft dumm. Mag sein, dass es damals anders war, aber heutzutage studieren die meisten oder gehen weiter zur Schule, weil sie nicht wissen, was sie sonst machen sollen, und wegen der Partys (das höre ich wirklich oft als Begründung :wums:).

Und bei diesen Leuten ärgere ich mich, weil ich zugeben muss, dass ich neidisch bin. Ich gebe es zu, dass ich die Leute beneide, die nur hingehen, weil sie Langeweile haben, nicht arbeiten wollen oder um sich einen schönen Tag zu machen. Leute, die keinerlei Interesse an dem haben, was sie da erzählt bekommen. Oder Leute, die wegen gutem Wetter die Vorlesungen schwänzen. Ich beneide sie, weil ich auch bei 30 Grad im Schatten noch die Vorlesungen besuchen würde, aber leider einen Job machen muss, der mich nicht interessiert, mich anwidert, weil ich nur einen Abschluss habe, der nur für die Arbeiterklasse reicht.
Und ich muss mich mit Recht fragen, wo jemand wie ich, der sogar von dir von oben herab angeschaut und belächelt wird, überhaupt einen Platz in der Gesellschaft finden kann.

Selbstverständlich ist Neid nicht erstrebenswert. Und ich lasse mich in meiner Meinung, was Abiturienten betrifft (ich kenne sehr wohl auch welche, die sehr bestrebt sind, zu lernen und zu lernen) gerne verbessern. Ich fürchte, unsere Gesellschaft bringt es mit sich, Abneigung gegen Menschen zu haben, die nicht dem Muster entsprechen. Dass da mittlerweile fast jeder rausfällt, sieht keiner. Aber trotzdem  :pfanne: *immer feste druff!!!*
Keine Ahnung, was ich dazu noch sagen soll.

P.S.: Ich weiß, dass es gerade sehr gefühlsgeladen wird, aber der Mensch ist Mensch. Und ich habe keine Scheu, meine Meinung offen zu sagen, egal wie qualitativ wertvoll sie auch sein mag.

lapaloma

#43
Vielen Dank, liebe Tintenzirkler,
diese Diskussion ist sehr aufschlussreich. Auch wenn mir das Bild, das sie mir zeigt, nicht gefällt, so werde ich es doch in Zukunft berücksichtigen. Besonders der Beitrag von Linda, in dem sie erwähnt, dass die grossen Verlage heute Autoren und nicht bloss Manuskripte kaufen, ging mir unter die Haut. Wieso hatte ich das bisher übersehen?
So fasse ich denn kurz zusammen, was ich gelernt habe. Bitte korrigiert mich, wenn etwas daran falsch sein sollte:

1. Bildung und Lebenslauf eines Autors spielen sehr wohl eine Rolle. Verlage möchten eine möglichst 'interessante' Vorzeigefigur.

2. Verlage möchten eine Option auf Fortsetzungen: Autoren, von denen sie erwarten können, dass sie ggf. nachdoppeln, sind attraktiver.

3. Studierten glaubt man eher, dass sie (gut) schreiben können.

und wenn ich die Literaturszene kritisch betrachte, muss ich noch anfügen:

4. Autorinnen und Autoren sollten gut aussehen, damit man sie auch in hübschen Bildern präsentieren kann.

und

5. Autoren und Autorinnen sollten bereit und in der Lage sein, öffentlich aufzutreten, und damit das Marketing aktiv zu unterstützen. Menschen, die vor Publikum stottern und rot werden, sind dazu ungeeignet.

und jetzt werde ich noch eine Stufe sarkastischer:

6. Eine mittelmässige Schreibe reicht wahrscheinlich, wenn die oben stehenden Punkte erfüllt sind.

Bisher dachte ich mir, dass es wahrscheinlich lustig und interessant wäre, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu erwähnen, dass ich in der achten Klasse von der Schule geflogen bin. Doch jetzt werde ich wohl die andere Seite meines CV hervorheben müssen.

Mit einem Augenzwinkern,
ein ziemlich nachdenklich gewordener Sid

PS. Einfache Menschen sind mir lieber, als solche mit einer eingebildeten Ausbildung und einer ausgebildeten Einbildung.



Steffi

Na ja Maja, ich befürchte du bewegst dich da auf sehr dünnem Eis. Du scheinst nämlich in der Annahme zu leben, dass man nur im Studium und nur da was lernt, aber nichts in der Berufsausbildung oder im Beruf.

Ich zum Beispiel bin eine derjenigen, die Germanistik und Anglistik studiert (und demnach bin ich bald beim Verlag, hey! *augenverdreh*).  Mein Bruder hat zwei Studiums (Studien?) angefangen und abgebrochen - es lag ihm einfach nicht. Er ist nicht der Typ, der sich mit theoretischem Wissen vollstopft, es hat ihn unglücklich gemacht. Aber nicht nur theoretisches Wissen ist Wissen, oder?

Jetzt lernt er Krankenpfleger, ja er lernt. Denn Krankenpfleger ist auch nichts, was man mal "eben so" macht. Der Junge verbringt Nachmittage damit, Sachen über Krankheiten, Medikamente und Behandlungen auswendig zu lernen, die ich mir im Traum nicht merken könnte. Er kann Spritzen setzen, Infusionen ziehen, Patienten waschen (was auch nicht mal eben so geht) und er hat gerade mal im April angefangen.

Ist das schlechteres Wissen als das Wissen, das man an der Uni lernt? Ich habe oft das Gefühl, er lernt im Endeffekt mehr als ich - mehr über das Leben, über Menschen, über Tod.

Damit will ich nicht sagen, dass mein Studium schlechter ist, ich liebe es. Aber zu behaupten "Wer arbeitet statt zu studieren will nicht Lernen" ist einfach - falsch.
Sic parvis magna