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Welches ist das erste Kapitel?

Begonnen von Aquila, 04. Februar 2010, 09:28:39

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et cetera

Zitat von: Aquila am 04. Februar 2010, 09:28:39
Wisst ihr von Anfang an, wann und wie euer Roman beginnt und wo ihr einsteigen müsst?
Habt ihr auch schon mehrere erste Kapitel geschrieben und wusstet dann nicht, welches das Richtige ist?
Wie habt ihr herausgefunden, welches euer erstes Kapitel ist?

Ich stehe mit meinen ersten Kapiteln auf dem Kriegsfuß. Ich glaube, es gibt nur einen Roman von mir, bei dem mir das erste Kapitel gefällt.
Am schlimmsten war es bisher bei meinem Vampirroman. Es existieren mittlerweile ein halbes Dutzend Versionen davon, einige davon wurden fertiggestellt, einige nicht. Der Anfang war aber jedes Mal etwas anderes. Mal mit Prolog, mal ohne, mal ein früher Einstieg, mal ein später, manche Chraktere habe ich rausgeworfen, andere wieder reingenommen. Mittlerweile habe ich das ganze Projekt zur Seite gelegt, weil ich mich momentan nicht imstande sehe, es zufriedenstellend zu Ende zu bringen (oder auch nur einen guten Anfang zu finden  ;))

Generell habe ich das Problem (wie viele andere auch), dass ich es nicht schaffe, alle relevanten Informationen behutsam einzuflechten. Mein erstes Kapitel ist deshalb immer etwas holprig. Ich hoffe, irgendwann gelingt mir da der Spagat zwischen Spannung und Information, bis dahin sehe ich zu, dass ich mich von meinem ersten Kapitel nicht zu sehr aufhalten lasse und schreibe einfach weiter.

Für dein Problem hilft dir das vermutlich nicht weiter, aber mir gefällt die Idee, dass andere auf deinen Prota reagieren und so nach und nach herauskommt, was mit ihm passiert ist.


Hanna

In einem Schreibratgeber habe ich einmal gelesen, dass man "vor" dem eigentlichen Anfang anfangen soll, also bevor irgendetwas passiert. Der Prota wird in seiner normalen Welt gezeigt. der Leser kann sich mit ihm identifizieren und wenn dann die Action losgeht, bekommt der Leser das Gefühl, dass ihm das auch passieren könnte.

Ich denke, das trifft besonders auf Urban Fantasy zu. Hier ist der Übergang von einer Welt in die andere ja besonders wichtig, wenn plötzlich alles aus den Fugen gerät und sie die Realität verändert.

Sicher gibt es da auch andere Möglichkeiten, aber dies ist wohl die gängigste.

Ich würde aber auch dazu tendieren, das Buch erst einmal fertig zu schreiben und das erste Kapitel beim Überarbeiten unter die Lupe zu nehmen.
#notdeadyet

Wollmütze

Zitat von: Aquila am 04. Februar 2010, 09:28:39
Wisst ihr von Anfang an, wann und wie euer Roman beginnt und wo ihr einsteigen müsst?
Habt ihr auch schon mehrere erste Kapitel geschrieben und wusstet dann nicht, welches das Richtige ist?
Wie habt ihr herausgefunden, welches euer erstes Kapitel ist?

-Ich habe die Posts der anderen nicht gelesen, nur so vorweg-

1.Ich fange erst dann an zu schreiben, wenn ich weiß, wo ich anfangen will. Da ich chronologisch schreibe würde es mich stören, das erste Kapitel erst mal auszulassen, da es ja der erste Schritt auf dem langen Weg ist. Also plane ich ziemlich lange bevor ich anfange zu schreiben, was ich schreiben will  :)
2. Das hatte ich bisher bei einem Projekt. Sobald ich es aber fertig hatte, war mir auch klar, welches Kapitel das richtige für den Anfang ist.
3. Ich hab geschrieben. Spätestens nach den ersten fünfzig Seiten erkenne ich, ob das erste Kapitel nicht passt. Schreib erstmal zu ende. Wenn dich das aber so nervt, dass du nicht weiter schreiben kannst, dann solltest du vielleicht noch etwas über dem Plot grübeln. Irgendwann kommt dir die zündende Idee.

PS: Ich mag es auch, wenn das ganze vor der eigentlichen Handlung langsam anläuft. Vielleicht wird ein familiärer Konflikt angerissen o.ä, aber der Hauptkonflikt ist noch nicht wirklich in Aussicht: So lernt man erstmal die Person kennen, mit der man es auf den restlichen 400 Seiten zu tun kriegt.
Wenn dem nicht so ist empfinde ich meistens keinen Schmerz, kein Mitleid, keine Trauer, was auch immer diesem fremden Wesen geschehen mag  :darth:

Liebe Grüße,
Wolli

Maran

Früher habe ich fast ausschließlich einzelne "Szenen" geschrieben, die ich dann nach Lust und Laune in der Reihenfolge hin- und herschieben konnte. Jetzt, da ich eher chronologisch schreibe, überlege ich gerade, ob ich nicht wieder darauf zurückgreifen sollte. Irgendwie war ich damals produktiver - und die Geschichten entwickelten sich auf eine interessante Art.

Rika

Ich kann nicht wirklich aus viel eigener relevanter Erfahrung sprechen, ich schreibe ja erst an meiner ersten Geschichte... aber ich denke, wichtig ist erstmal, daß du die Geschichte zuende schreibst. Wenn du das geschafft hast, wirst du viel besser wissen, wie die gesamte Geschichte ist, was sie für Form angenommen hat. Dann kannst du sicherlich auch beim Überarbeiten besser entscheiden, was ein guter, passender Einstieg ist.

Von Lesen her, kann ich sagen, daß mir gute Beispiele von allen genannten Möglichkeiten begegnet sind, und keine der genannten Möglichkeiten automatisch "besser" oder auch nur automatisch "gut" ist. Ob's gut ist hängt halt doch immer im Einzelfall davon ab, wie der Autor es nun gemacht hat, und wie gut geschrieben, und wie alles zusammen passt.

Im Zweifelsfall kannst du, wenn du den Roman erstmal fertig hast, ja auch immernoch die Meinung(en= von Betaleser(n) einholen.

Guddy

#20
Das Thema beschäftigt mich auch momentan, daher grabe ich es mal wieder aus.

Ohne groß nachzudenken hätte ich gesagt, dass ich es favorisiere, wenn der Charakter erst vorgestellt wird - nicht zu lange und ausführlich natürlich, aber so, dass ich bei spannenden Szenen mit ihm fiebern kann, da ich eine kleine Beziehung zu ihm aufgebaut habe.

Dann habe ich mir gestern mal meinr Lieblingsbücher angesehen... Fast alle fangen direkt in der haarsträubendsten Handlung an.
Allerdings: Wiederum fast alle von denen setzen die Vorstellung des Protagonisten direkt in Kapitel zwei. Sei es, dass Der Protagonist seinen neuen Reisegefährten erklärt, woher er kommt etc., oder dass er in Gedanken selber reflektiert. Im Grunde genommen wurde es nur aufgehoben. Und ich erinnere mich, dass ich mir beim Lesen oft dachte: Ach, endlich erfahre ich mal mehr! Ich habe es nicht selten als Infodump empfunden, selbst wenn es geschickt gemacht wurde. Auf das erste, dramatische Kapitel folgten dann nicht selten lange "langweilige" Kapitel - Pseudospannend ins Buch eingestiegen, würde ich das nennen.
Eine der wenigen Ausnahmen bildet "Die Herrin der Wölfe" von Tara K. Harper. Sie hat es geschafft, die Infos wirklich in die Handlung einzuflechten, dass es natürlich und nicht aufgezwungen wirkt. Als mEn so ziemlich einzige.

Ich persönlich finde es wirklich am schönsten, wenn der Protagonist infodumplos ein paar Seiten lang in seiner natürlichen Umgebung gezeigt wird.

Edit: Wobei es natürlich auch auf die Art des Romans ankommt: Steht der Charakter, oder die Handlung im Vordergrund?

Wenn ich bei dem, was ich jetzt schreibe, direkt mit der Handlung anfangen würde... ginge das absolut nicht gut. Ich müsste das, was ihn eventuell sympathisch und menschlich macht, dann hinterher in Rückblenden, in Dialogen und inneren Monologen darstellen. Ganz einfach: Nö.

Dämmerungshexe

Ich glaube das hängt auch immer vom Stil des Autors und auch dem Prota ab.
Wie du sagst, Guddy, finde ich es auch sehr schön wenn der Prota zunächst in seiner "natürlichen Umgebung" gezeigt wird, damit der Leser versteht wer er ist und was die kommenden Ereignisse für ihn bedeuten. Aber die "natürliche Umgebung" für einen Krieger ist nurnmal eine Schlacht, wenn der Prota ein Spion ist, wäre es eine lebensbedrohliche Mission. Wohingegen ein einfacher Bauer oder ein Handwerker ihrer täglichen, geruhsamen Arbeit nachgehen würden.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Thaliope

Ich habe es in einigen Büchern auch als "billige Effekthascherei" erlebt, wenn man direkt mit der Action einsteigt, um dann ein Kapitel langweiliger Rückblenden und Erklärungen einzufügen. Das soll, meiner Meinung nach, darüber hinwegtäuschen, dass der Autor nicht in der Lage ist - oder sich nicht die Mühe machen will - die Figur auf interessante Art vorzustellen.
Und weil man dann schon in der Action drin ist und wissen will, wie es weitergeht, erträgt man auch die weniger spannenden Abschnitte. Mag funktionieren, und ist sicher für viele ein pragmatisches Mittel, weil einfach nicht jeder ein großer Erzähler ist, aber schön ist irgendwie anders.

Guddy

#23
Zitat von: Dämmerungshexe am 25. November 2014, 10:44:41
Aber die "natürliche Umgebung" für einen Krieger ist nurnmal eine Schlacht, wenn der Prota ein Spion ist, wäre es eine lebensbedrohliche Mission. Wohingegen ein einfacher Bauer oder ein Handwerker ihrer täglichen, geruhsamen Arbeit nachgehen würden.
Die natürliche Umgebung ist aber nur selten das, was die Handlung des Romans ausmacht ;) Meist geht es um eine Veränderung, einen Konflikt. Und der Konflikt ist selten die natürliche Umgebung. In genau die Handlung wird man jedoch gerne hineingeworfen. Darum ging es mir :)

Achso: Ein Kampf oder gar Krieg ist, genau genommen, auch nicht alltäglich ;) Natürlicher wäre eher ein Training *g*Aber das ist nur meine persönliche Mienung und die ist oft eher weniger die des restlichen Tintenzirkels.

HauntingWitch

Ich finde, dass ein Roman auf jeden Fall mit der Vorstellung des Hauptcharakters beginnen sollte, es sei denn der Roman beginnt mit einem Prolog, um eine übergeordnete Handlung (in Bezug auf die Romanwelt) anzuzeigen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten. Den Protagonisten in seiner natürlichen Umgebung zu zeigen, finde ich gut, aber das darf nicht zu lange dauern vor dem Lostreten der Handlung, sonst wird es zu langweilig. Optimal ist natürlich, wenn der Charakter direkt in die Handlung geworfen und gleichzeitig vorgestellt wird. In den meisten Büchern, die ich mag, ist das so. Das gut zu machen, ist aber sehr schwierig, habe ich herausgefunden.

Das, was ihr beschreibt, erst einmal Action und dann langwierige Erklärungen, finde ich schlecht. Wenn schon müssten die Erklärungen gut portioniert sein und an passenden Stellen fallen, während die Handlung aber trotzdem voran geht. Sonst bekomme ich das Gefühl, auf der Stelle zu tappen. Ja, das wären meine fünf Cents.  :)

Dämmerungshexe

Guddy, genau das meine ich ja, den Kontrast zwischen dem, was für den Prota normal ist, und wie sich sein Umfeld und siene Situation plötzlich verändert. Aber der Leser muss ja wissen, was für den Prota "normal" ist, wie du selbst gesagt hast, bevor er verstehen kann, was die Veränderung für den Prota tatsächlich bedeutet. (zB ist der Prota mit seiner Situation eh zufrieden und das Neue ist eine Störung, oder will er von dort weg, wo er am Anfang ist).

Zudem denke ich auch, dass es wichtig ist, den Prota ziemlich bald mal in eine Extremsituation zu versetzen - nicht um "Action" reinzupacken, sondern weil man genau in solchen Situationen mehr über eine Person erfährt als der lieb ist.

Wenn ich das Beispiel mit dem Krieger weiterdenke würde ich es so gestalten, dass dieser Mensch ein brutaler Kerl ist, der nur mit dem Schwert denken kann, aber plötzlich zum Diplomaten und Beschützer werden muss. In diesem Fall muss der Kampf auch gar nichts mit der Handlung an sich zu tun haben, sondern ist wirklich nur dazu da, den Charakter und seine übliche Handlungsweise vorzustellen. In so einer Konstellation würde der Action-Einstieg passen - natürlich darf sich das nicht über das ganze erste Kapitel hinziehen, sondern nur eine kurze Szene, der dann weitere Infos folgen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Guddy

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei :)
Gegen das Normale habe ich absolut nichts einzuwenden, auch nicht, wenn man den Protagonisten in eine actiongeladene, spannende Szene wirft. das eine schließt das andere ja nicht automatisch aus. Hey, meine Lieblingsprotas sind immerhin Krieger ;)
Ich glaube, dass wir das gleiche meinen.

Maja

Ich hab es ja mit Shakespeare. Natürlich kann man ein Theaterstück nicht direkt mit einem Roman vergleichen, aber das Prinzip ist dasselbe: Erst einmal andere Figuren auftreten lassen, die das Setting abstecken und die Stimmung vorgeben, und erst dann in die vorgeheizte Szene den Protagonisten auftreten zu lassen, kann sehr spannend sein. Das einzige Shakespeare-Stück, das mir gerade einfällt, das mit einem Auftritt der Hauptfigur beginnt, ist Richard III. Alle anderen haben erst mal andere Figuren - die drei Hexen, die Burgwachen von Helsinör, etc. Nur RIII beginnt damit, dass der Schurke die Bühne betritt und sich erst einmal dem Publikum vorstellt. Es ist einfach ein unterschiedlicher Effekt.

Bei mir bietet sich das nicht an, weil ich oft nur mit einer einzigen Perspektive arbeite, die dementsprechend der Hauptfigur gehört, und ohne Perspektive wäre es im ersten Kapitel etwas langweilig. Wenn ich mehrere Hauptfiguren und dementsprechend mehrere Perspektiven habe, wäre ich aber sorgsam ab, wem ich den ersten Auftritt gönne. Bei meinen Percy-Romanen ist es Tradition, dass Percy selbst im ersten Kapitel nicht vorkommt. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Der zweite Band beginnt mit Percy auf einem nächtlichen Friedhof.

Ich denke, wie in allen Dingen ist das ein Fall von "man darf alles, wenn man es nur kann". Bemühte vorgeschaltete Actionexzesse mag ich ebensowenig wie eine seitenlange Einleitung, die daherkommt wie ein Sachbuch, um dem Leser das Hintergrundwissen zu vermitteln, ohne dass er nach Ansicht des Autors das Buch nicht verstehen kann. Das Kapitel muss Sinn machen und mit der Handlung verwoben sein, egal ob Prolog oder Kapitel, es muss einen merkbaren Unterschied machen, ob es da ist oder nicht. Alles, was man einfach weglassen kann, kann man auch einfach weglassen und direkt mit dem nächsten Kapitel einsteigen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Thaliope

Ich glaube, die klassiche Lösung ist, dass man die Hauptfigur zu Anfang in einem kleineren Konflikt zeigt, der typisch für ihre Alltagssituation und die Figur ist. Am besten findet sich schon eine Vorausdeutung auf das große Ganze darin, die man aber erst im Nachhinein erkennt.
Aber dass man eine Figur in ihrem Alltagsumfeld zeigt, bevor die eigentliche Handlung losgeht, darf nicht heißen, dass in dieser Szene nichts passiert. Es sollte schon ein Konflikt da sein, wie gesagt, am besten einer, der die Figur charaktierisiert. Aber eben noch nicht der auslösende Konflikt für die eigentliche Handlung.
In der Theorie finde ich das total einleuchtend ... das praktisch mit Inhalt zu füllen, ist hingegen immer schwer ...

Dogtales

Das erste Kapitel sehe ich zum Zeitpunkt des Schreibens anders, als wenn ich lese.

Wenn ich schreibe,  brauche ich ein bisschen Zeit, um mich auf den Protagonisten und die Situation einzustellen. Für den Anfang gibt es also meistens tatsächlich eine Beschreibung der Alltagssituation und Vorstellung des Protagonisten, dann folgt der Konflikt, der die restliche Handlung des Romans auslöst. Wie lang dieser Einstieg ist, kann natürlich mit der Länge der Gesamthandlung variieren – ich finde schon, dass es einen Unterschied macht, ob ich nur 300 Seiten vor mir habe oder eine Reihe von 5 Büchern mit jeweils weit über 500 Seiten. Dann gönne ich mir im ersten Entwurf auch, mir eben diese Zeit zu lassen und eine Beziehung zu meinem Protagonisten aufzubauen.

Als Leser möchte ich aber keine ellenlangen Beschreibungen, bevor überhaupt irgendetwas passiert. Genausowenig mag ich es allerdings, wenn ich in die Handlung hineingeworfen werde, ohne irgendetwas über den Protagonisten erfahren zu haben. Wenn von mir erwartet wird, dass ich mit jemandem mitfiebere, dann will ich wissen mit wem.

Und das versuche ich dann beim Überarbeiten umzusetzen. Mein Gefühl des Kennenlernens beim Schreiben mit in den für mich als Leser komprimierten Einstieg hinüber zu nehmen. Und das ist alles viel, viel schwieriger, als es sich anhört.  ::)