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Welches ist das erste Kapitel?

Begonnen von Aquila, 04. Februar 2010, 09:28:39

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Christopher

Ich bin auch kein Verfechter der "die ersten Wörter müssen zünden!!!11" Aussage. Ja, der erste Absatz sollte nicht übermäßig langweilig sein, aber mal im Ernst: Wie lange ist eure Geduldsspanne mit einem Buch? Bei einem Lied höre ich die ersten 10-15 Sekunden, ob es mir gefallen könnte oder nicht. Ein Bild sehe ich für 2-3 Sekunden an ob es mein Interesse weckt oder nicht. Bei einem Buch lese ich schon mindestens die ersten 2-3 Seiten um zu sehen, ob es mir gefällt. So viel Geduld bringe ich mit, weil meine Erwartungshaltung eine ganz andere ist. Der Klappentext ist da für mich z.B. viel wichtiger. Verspricht der Klappentext etwas, was mir gefallen könnte, bringe ich auch deutlich mehr Geduld auf. Da schaue ich dann nur noch, ob mir der Text stilistisch zusagt und bringe einige Seiten Geduld mit, bevor es mich wirklich an den Stuhl fesseln soll.

Aber vermutlich weiche ich mal wieder sehr von der Norm ab :P
Be brave, dont tryhard.

Guddy

#46
Ich dachte, dass es hier um das erste Kapitel, und nicht um die ersten Absätze geht?  ???
Und wenn mir das erste Kapitel weder sprachlich, noch inhaltlich zusagt, lese ich garantiert nicht weiter ;)

Christopher

Die ersten Absätze sind doch wohl Teil des ersten Kapitels, oder? ;D

Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass man es nicht ganz so verkniffen sehen muss. Zumindest meiner Meinung nach, ist es nicht ganz so schlimm, wenn das erste Kapitel nicht sofort die Erleuchtung schlechthin ist. Insbesondere wenn "Prolog" oder ähnliches drübersteht, schraube ich meine Erwartungshaltung ein gutes Stück zurück und gebe der Sache eine faire Chance, sich auch im zweiten oder drittel Kapitel noch zu beweisen.
Be brave, dont tryhard.

Guddy

Na ok, für mich ist das alles einfach nicht gleichbedeutend. Spannend finde ich hier eigentlich nur, wie man das erste kapitel überhaupt in Angriff nehmen sollte oder kann, da ich auch damit keine Erfahrung habe und das sehr schwierig finde.
Naja und wie viele Seiten man liest bevor man das Buch wegliest weglegt oder kauft, ist für mich ein anderes Thema :) Was Bücher angeht bin ich aber wirklich zu kritisch - oder meinetwegen auch verkniffen ;) - , das stimmt schon. Ich lese meistens nur wenige Absätze vom Anfang und der Mitte + den Klappentext und lege dann 99% wieder zurück.

Blackhat

#49
2-3 Seiten geben die meisten Leser (Lektoren, potentielle Käufer) einem Buch in der Regel nicht. Der Klappentext ist wichtig, das stimmt, aber dann sollte die Rakete spätestens in der zweiten Hälfte der ersten Seite zünden. Wie FreeamPC schon richtig schrieb, erreicht man das in erster Linie dadurch, indem man Neugier weckt. Man wirft eine Frage auf. Was spricht denn dagegen, den Leser gleich zu Beginn zu ködern und möglichst sogar mit dem ersten Satz. Schließlich bedient sich nicht nur die sogenannte (!) Unterhaltungsliteratur dieses Mittels. Paul Austers Roman "Nacht des Orakels" fängt zum Beispiel mit dem Satz an:"Ich war lange Zeit krank gewesen". Der Roman ist zwar nicht einer seiner besten, aber den Anfang finde ich gelungen, den mit diesem kurzen Satz wirft er gleich vier Fragen auf:

Wer ist "ich"?
Wie krank war die Person?
Was bedeutet "lange Zeit"?
Was ist jetzt mit ihm?

Und schon bin ich als Leser drin, ganz ohne Schlachtengemetzel oder Mord und Totschlag wie bei Dan Brown.
Wenn mir der Autor gleich zu Beginn vielleicht auch noch auktorial seine Welt und die Lebewesen erklären will bin ich raus. Daher habe ich bei "Herr der Ringe" auch ein Auge zugedrückt , da ich wusste, der Rest wird gut. Die ersten hundert Seiten sind in meinen Augen nämlich grauenhaft (was interessieren mich die Stammbäume der ganzen Hobbit-Brut ;D

Churke

Zitat von: Blackhat am 08. Dezember 2014, 12:27:48
Was spricht denn dagegen, den Leser gleich zu Beginn zu ködern und möglichst sogar mit dem ersten Satz.

Natürlich möchte man das machen, aber oft geht es nur schwer und manchmal gar nicht. Eine Welt, ein Setting oder auch eine These aus der Handlung heraus zu erarbeiten ist alles andere als trivial. Es kann sein, dass man den Leser erst einmal mit Infos versorgen muss, damit er durchblickt.

Entropy

Zitat von: Christopher am 08. Dezember 2014, 10:41:48
Aber vermutlich weiche ich mal wieder sehr von der Norm ab :P

In meiner Norm liegst du jedenfalls. ;D

Ich sehe das auch nicht so eng. Für mich zählt vor allem der Klappentext, wenn der nicht mein Interesse erweckt, dann schlage ich das Buch meist gar nicht erst auf. Wenn ich das Thema dann allerdings ansprechend finde, lese ich auch die ersten Seiten und mache mir ein Bild vom Stil des Autoren. Auktorial ist da wirklich nicht der Knüller. Aber selbst wenn der Prolog nichtssagend ist, blättere ich meistens etwas weiter. Ich brauche nicht unbedingt eine Granate am Anfang, aber der Text sollte fesselnd sein.

Der erste Satz spielt dabei für mich keine Rolle. Was sagt schon ein einziger Satz über ein ganzes Buch aus?

Blackhat

ZitatEine Welt, ein Setting oder auch eine These aus der Handlung heraus zu erarbeiten ist alles andere als trivial. Es kann sein, dass man den Leser erst einmal mit Infos versorgen muss, damit er durchblickt.

natürlich kann man nicht alles in einen Satz packen, aber es ist doch möglich den Leser mit dem ersten Satz zu fesseln. Und niemand hat behauptet, dass das einfach sei  ;D
Auf der anderen Seite, was nützen dir die vielen an den Anfang gestellten Informationen, wenn der Leser das Buch schon vorher desinteressiert weggelegt hat? Ich kann nur sagen, dass die Wirkung des ersten Satzes oder zumindest Absatzes auf den Leser (und somit auch Lektoren/ Agenten) von vielen Autoren noch unterschätzt wird.

Lucien

Zitat von: Christopher am 05. Dezember 2014, 19:18:56
Unerlässlich ist die wörtliche Rede sicher nicht und es gibt auch andere Möglichkeiten, Dynamik in eine Handlung zu bringen  :hmmm:
Um darauf noch einmal einzugehen: Ich komme bei meinem aktuellen Projekt im Prolog sogar ganz gut ohne wörtliche Rede aus. Ich habe nämlich einfach mal meinen Prota in Wolfsgestalt auf die Jagd geschickt.

Und ja, ich mag es, eine Geschichte turbulent zu beginnen. Ich habe da hohe Ansprüche an mich selbst. Wenn sich in diesen turbulenten Anfang dann schon unauffällig ein paar Informationen einbauen lassen, umso besser. Geht es nicht, fange ich spätestens im darauffolgenden Kapitel damit an, Infos einzustreuen.

Was mich aus aktuellem Anlass vor viel größeres Kopfzerbrechen stellt, ist das erste Kapitel des zweiten Bandes. Der Leser ist mit der Welt und den Figuren vertraut. Aber wie sinnvoll an die vorangegangene Handlung anknüpfen und gleichzeitig eine Einstimmung auf die neue Handlung finden?
Ich habe es so gelöst, dass der Prota in einer schlaflosen Nacht über die allerwichtigsten Punkte aus Band 1 nachdenkt und feststellt, inwiefern sich die Situation nun geändert hat. Schließlich will er frische Luft schnappen und belauscht auf dem Weg nach draußen ein Gespräch, wird ertappt und erhält neue Informationen. Ich für meinen Teil bin damit dezent zufrieden, aber sicher gibt es auch elegantere Lösungen.  :hmmm:

Siara

#54
Ich gebe einem Buch auch eine sehr lange Anlaufzeit, je nach Stil zwischen 10 und 150 Seiten. Generell breche ich angefangene Bücher mit interessantem Klappentext so gut wie nie ab.

Aber, was ich gerne noch einmal hervorheben möchte: Rasanter Beginn mit Action ist nicht mit einem Beginn gleichzusetzen, der "zieht". Zumindest für mich nicht. Ruhige erste Seiten, die die richtige Stimmung vermitteln oder ganz einfach das berüchtigte gewisse Etwas haben, können genauso fesseln. Und andersherum: Nur weil ein Buch mit einem Kampf beginnt, macht es das noch lange nicht zu einem guten Köder.

Um mal wieder davon, was ein gutes erstes Kapitel ausmacht, zum eigentlichen Thema zu kommen:

@Jenny: Das erste Kapitel des zweiten Bandes stelle ich mir auch schwierig vor. Das Nachdenken über das bisherige Geschehen würde ich nicht so schön finden, glaube ich. Das ist nur so ein Gefühl, und es kommt sicher wie immer darauf an, wie es gemacht ist. Im Endeffekt sind die Informationen aus dem letzten Band auch nur Informationen. Und Informationen anderer Art (über die Welt, etc.) gibt man schließlich auch nur selten in einem inneren Monolog am Anfang des Romans. Aber das ist nur meine Meinung. In der Reihe, die ich gerade lese, wird das Wissen über das bisherige Geschehen jedenfalls sehr weit vorausgesetzt. Nur wichtige Details werden an den entsprechenden Stellen oder kurz vorher noch einmal aufgearbeitet. Für mich war das angenehm. Vielleicht hilft dir da auch der Thread über die Frage, wie viele Informationen aus dem vorigen Band in den nächsten gehören?
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

HauntingWitch

#55
@Jenny: Ich würde da beginnen, wo Band 1 aufgehört hat. Ich finde das als Leser sehr angenehm, denn man wird nicht lange unnötig aufgehalten. Eine kleine Zusammenfassung über Band 1 ist schön, müsste für mich jedoch eher knapp gehalten sein (um Langeweile zu vermeiden) und ich finde es auch nicht nötig, in dem Sinne. Man kann als Leser ja in Band 1 nachlesen, wenn man etwas vergessen hat. Viele lesen Einzelbände von Reihen auch unmittelbar hintereinander, damit sie nichts vergessen.

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, die Funktionieren. Tobias O. Meissner lässt z.B. jeden Band seiner Dämonenreihe anders beginnen und gibt dann im Verlauf der Handlung an passender Stelle die nötigen Hinweise auf die vorangegangenen Teile. Sind aber auch grosse Zeitsprünge zwischen den einzelnen Bänden vorhanden. Das fand ich auch sehr gut, frag mich aber bitte nicht, wie er das macht, von einer solchen Qualität bin ich noch ganz ganz weit entfernt. ;)

@Allgemein: Wie länger ich hier mitlese, umso mehr drängt sich mir die Frage auf, ob es überhaupt ein Richtig oder Falsch gibt. Vielleicht ist alles Gefühls- und Übungssache. Bisher war für mich auch immer klar: Entweder gleich Action oder ein wirklich einnehmender Charakter, der den Leser mitzieht. Aber irgendwie gerate ich hier ins Grübeln, weil ich glaube, alle ausgeführten Varianten schon gesehen zu haben und ich kann mich nicht erinnern, dass mich bei einem guten Buch jemals das eine oder andere gestört hätte. Sonst hätte ich es ja nicht gut gefunden.  :hmmm: Läuft wieder auf das hinaus, was Siara gesagt hat.

Christopher

Zitat von: Siara am 10. Dezember 2014, 10:01:52
Aber, was ich gerne noch einmal hervorheben möchte: Rasanter Beginn mit Action ist nicht mit einem Beginn gleichzusetzen, der "zieht". Zumindest für mich nicht.

Dem stimme ich auch noch mal zu. Gerade actionlastige Szenen sind relativ schwer zu schreiben, Informationen nur schwer bis gar nicht einflechtbar. Wenn ich mich also die ersten 1-5 Seiten in einer Actionszene wiederfinde, die sich größtenteils vor einer weißen Leinwand abspielt mit vage gezeichneten Figuren, stört mich das eher, als ein ruhigerer Einstieg. Solche Einstiege direkt mit oder in einer Actionszene werfe ich deutlich schneller in die Ecke als ruhige Anfänge, weil es mich stört und nach Effektheischerei aussieht.

@Jenny
Die quasi Inhaltsangabe des ersten Bands würde ich weglassen. Wieso liest jemand einen zweiten Band? Weil ihm der erste gefallen hat, ist die klare Antwort. Wenn mir etwas gefällt, behalte ich es auch im Gedächtnis.  Wenn ich es nicht im Gedächtnis behalten hätte, hätte ich mir den zweiten Band gar nicht erst zugelegt ;) Man braucht mir also nicht alles wiederkäuen, damit ich die weitere Handlung verstehe.
Innerhalb der Handlung kurze Erinnerungsstückchen einflechten fällt da natürlich raus, das ist in Ordnung. Es sollte nur eben nicht so wirken, als wenn du versuchst die Handlung insgesamt noch mal abzubilden/in Erinnerung zu rufen.
Be brave, dont tryhard.

Churke

Zitat von: Blackhat am 09. Dezember 2014, 10:28:37
Ich kann nur sagen, dass die Wirkung des ersten Satzes oder zumindest Absatzes auf den Leser (und somit auch Lektoren/ Agenten) von vielen Autoren noch unterschätzt wird.
Der erste Satz geht wahrscheinlich immer. Aber beim ersten Kapitel stößt man da durchaus auf Sachzwänge. Mein Roman über den Untergang Roms steht immer unter der Frage: "Wie konnte das passieren?? ??". Kapitel I heißt demnach auch "Roma Victrix" und führt in die militärische und politische Ausgangslage ein, die im Sommer des Jahre 405 so günstig scheint wie.... seit Jahrhunderten nicht mehr. Es wären zwar alternative Einstiege in Betracht gekommen, aber bei 800 Seiten muss man wirklich keine Zeilen mehr schinden.   ;D

Zitat von: Jenny am 09. Dezember 2014, 20:47:31
Was mich aus aktuellem Anlass vor viel größeres Kopfzerbrechen stellt, ist das erste Kapitel des zweiten Bandes. Der Leser ist mit der Welt und den Figuren vertraut. Aber wie sinnvoll an die vorangegangene Handlung anknüpfen und gleichzeitig eine Einstimmung auf die neue Handlung finden?
Du machst einen Break und fängst "neu" an.
Beispiel:
Am Ende von Bd. 1 ist der Tyrann gestürzt und der Protagonist wird zum rechtmäßigen König gekrönt. Das Volk hat gesiegt!
Schnitt.
Beginn Bd. 2: Der Protagonist schuftet auf einer Baumwollplantage.
Wie konnte das passieren???  :o

Tigermöhre

@Jenny
Ich finde, es kommt darauf an, wie das erste Buch endet. Wenn es abgeschlossen ist, würde ich es wie Churke machen und da einen Break setzen. Wenn die Handlung aber gleich weiter geht, würde ich einfach weiterschreiben, ohne eine Zusammenfassung oder so. Ich finde es auch eher seltsam, wenn jemand darüber sinniert, was in den letzten 5 Tagen passiert ist, als was in den letzten 5 Jahren passiert ist.
Falls die Bücher in einem langen Abstand veröffentlicht werden, würde ich dann eher eine kurze "Was bisher geschah"-Zusammenfassung davor setzen.

Lucien

Huch, da habe ich mich wohl ungeschickt ausgedrückt.  :d'oh: Es ist keine Inhaltsangabe in dem Sinne. Das wäre mir entschieden viel zu plump und ihr habt Recht: Der Leser wird sich schon noch an das Wesentliche erinnern können, da stimme ich Siara und Christopher zu.
Tatsächlich besteht dieser "Rückblick" aus stolzen ... vier Sätzen. Im ersten Band wird das Handeln des Protas zu großen Teilen von der Angst vor bestimmten Personen bestimmt. Ich ende mit einem Plot Twist, der die besagten Figuren in ein völlig anderes Licht rückt. Es geht also nicht so sehr um die vergangene Handlung, sondern um veränderte Umstände.
Der Übergang von Band 1 zu Band 2 ist fließend, da ich noch in derselben Nacht wieder einsetze. Der Prota ist also noch mitten im Verarbeitungsprozess und versucht zu ordnen, was er in den letzten Stunden erfahren hat.

Gut, es scheint hier auf jeden Fall Einigung darüber zu herrschen, dass plumpe Inhaltsangaben des vorherigen Bandes nicht so elegant sind.  ;D Da es meine erste Trilogie ist, an der ich schreibe, werde ich sicher noch viel zum Eyperimentieren haben. Die Anregungen von euch sind auf jeden Fall sehr interessant.  :jau:

Zitat von: Siara am 10. Dezember 2014, 10:01:52
Vielleicht hilft dir da auch der Thread über die Frage, wie viele Informationen aus dem vorigen Band in den nächsten gehören?
Danke, ich werde mich da mal einlesen.  :)