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Qualität im (Fantasy-)Roman

Begonnen von Feuertraum, 15. Januar 2008, 10:21:48

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Judith

Abgesehen von den vielen genannten Punkten ist für mich auch das sehr wichtig, was Lomax angesprochen hat: Einzigartigkeit bzw. Unverwechselbarkeit
Bücher, in denen sämtliche wichtige Schreibratgeber-Regeln brav angewendet werden, aber überhaupt nichts Eigenes mehr enthalten, können nett und unterhaltsam sein, bleiben aber nciht lange hängen. Leider scheinen die in letzter Zeit im Fantasy-Bereich wie Pilze aus dem Boden zu schießen (vielleicht erwisch ich auch einfach die falschen Bücher). Aber Qualität bedeutet für mich auch, dass sich ein Buch aus der Masse heraushebt und mir über lange Zeit im Gedächtnis bleibt.
Kerstin Ekmans "Ruf des Raben" wäre für mich so ein Buch oder auch "Gormenghast", "Stein und Flöte" und "Das Gemälde" (wobei letzteres Phantastik ist).

saraneth

Qualität in Form von Spannung, fesselnder Handlung und gutem Stil ist meiner Meinung nach nicht an ein einzelnes Genre (in diesem Fall die Fantasy) gebunden, sondern allgemein gültig.

Sie bedeutet für mich, dass ich das Buch gerne lese und es mir Abends schwer fällt es aus der Hand zu legen. Natürlich gibt es gewisse "Regeln" die eingehalten werden sollten und maßgeblich zu meiner Begeisterungsfähigkeit für ein Buch beitragen. Diese habe ich oben bereits in Form von gutem Stil, Spannung und fesselnder Handlung erwähnt. Das sind jedoch alles Punkte, die individuell verschieden sind und auch sein sollten.

Qualität ist also nicht festzulegen; jeder legt auf andere Dinge wert.

Lichtblick

Qualität ist für mich, wenn der Leser, während er die Worte liest, die Welt, die Handlung, die Personen vor sich sieht. Das ist die Kunst die der Autor beherrschen sollte. Was nützen einem die schönsten Welten, besten Handlungen oder Figuren, wenn der Leser sie sich nicht vorstellen kann. Der Autor kennt natürlich seine Welt, seine Handlungen und seine Personen, doch diese dem Leser so zu übermitteln, dass er sie sich so vorstellt wie der Autor, das ist das schwere. Natürlich solllte man dem Leser nicht alles abnehmen. Seitenlange Beschreibungen sind unnütz. Z.B. ist das Schlimmste für mich an Filmen, dass die Figuren, Länder, Städte... meistens ganz anders aussehen, als man sie sich vorgestellt hat.

Natürlich bewertet jeder "Qualität" verschieden, sonst wäre unsere Welt ziemlich langweilig...

LG

Lichtblick

Grey

Zitat von: Lichtblick am 20. Januar 2008, 16:57:37
Qualität ist für mich, wenn der Leser, während er die Worte liest, die Welt, die Handlung, die Personen vor sich sieht.
[...]
diese dem Leser so zu übermitteln, dass er sie sich so vorstellt wie der Autor, das ist das schwere.

Das sind aber zwei ganz verschiedene Dinge, die du da nennst. Zwei Dinge, die man nicht über einen Kamm scheren darf. Denn die Chance, dass die Leser sich die beschriebenen Orte, Personen etc. genau so vorstellt, wie sich der Autor das gedacht hat, geht gegen, oder ist wahrscheinlich sogar gleich Null. Wir malen oder fotografieren ja nicht, wir können nur beschreiben. Wenn du 10 Leuten in den Kopf gucken könntest und ihnen dann sagst, sie sollen sich alle einen roten Hut vorstellen, dann würdest du garantiert 10 verschiedene Hüte sehen.

Aber das ist meiner Meinung nach auch nicht weiter schlimm, denn das heißt ja eben *nicht* dass der Autor nicht mit seiner Sprache lebendige Bilder vor dem geistigen Auge des Lesers erzeugen kann. Im Gegenteil.

Ein Beispiel: Kürzlich habe ich meiner Oma eine meiner Geschichten vorgelesen, in der sich zwei junge Menschen unterhalten. Anschließend hat sie genau das gelobt, was du ansprichst, nämlich dass sie die beiden förmlich vor sich sitzen sehen konnte, die Umgebung, die Lichtverhältnisse usw.
Und dann stellte sich heraus, dass sie sich den einen der beiden die ganze Zeit als älteren Herrn um die 60 vorgestellt hat. Dabei ist er Mitte 20. Ich habe es also bei mindestens einem Leser nicht geschafft, mein persönliches Bild dieser Figur im Text zu vermitteln. Aber wertet das die Geschichte qualitativ ab? Ich hoffe doch nicht ... Meiner Oma jedenfalls hat sie trotzdem gefallen ;D

THDuana

@ Lichtblick
Bei Filmen ist es nur soweit enttäuschend, wie du dir persönlich die Sachen vorgestellt hast, denn derjenige, welcher im Film für die Darstellung verantwortlich war, hat sich das eben genau so vorgestellt und dann ist er als Leser, welcher er auch einmal war, davon überzeugt.

Ich denke nicht, dass unsere Welt langweilig wäre, wenn alle Qualität gleich bewerten würden. Wieso auch? Qualität ist etwas Gutes (ist doch so, oder?) und wer würde nicht wollen, dass alles gut ist? Wenn alle die gleiche Ansicht von gut hätten, wäre es leichter erfüllbar, aber es gäbe eben auch nur ein "Gut". In der Hinsicht gebe ich dir Recht.

Für mich ist es nicht unbedingt Qualität eines Textes, wenn ich mir alles bildlich vorstellen kann und vor mir sehe. Vor mir sehen tue ich es fast nie, daher kann ich das nicht so einteilen. Für mich ist Qualität, wenn der Text mich unterhält, meinem Geschmack und meinem Alter gerecht ist und auch sein Stil "zu mir passt".
Ganz hart gesagt, finde ich die Qualität der meisten Kinderbücher nicht so gut, aber auch nur, weil ich mich in dem Bereich fast gar nicht auskenne und auch nicht mehr zur Zielgruppe gehöre.
Für mich haben Fantasyromane Qualität, wenn sie mir schlichtweg gefallen. Wenn mir die Sprache das Lesen einfach macht, die Geschichte mich interessiert, die Figuren überzeugend dargestellt sind, dann ist für mich alles mit drin, was ich gern mag und dann hat es für mich speziell auch Qualität.

Shay

Das ist ein guter Punkt:
Wir sollten mal in der Schule als Klassenarbeit eine Person aus Wilhelm Tell beschreiben. Nach der Arbeit haben eine Freundin und ich verglichen, was wir so geschrieben haben. Wir waren uns Punkt für Punkt einig, bis ich sagte: "Und dann hat er eben noch eine Armbrust"
sie: "Wie, hast du Tell beschrieben?"
ich: "Ja klar!"
sie: "Ich hab Gessler beschrieben."
Ihr Gessler sah eben genauso aus wie mein Tell.

Andererseits ist es wohl auch nicht ganz beliebig. Ich war eine Zeitlang beim Stuttgarter Tolkien-Stammtisch dabei und kenne daher viele eingefleischte Tolkien-Fans, die meisten davon kannten das Buch lang vor dem Film. Und praktisch alle waren begeistert, weil der Film exakt zu ihrer Vorstellung gepasst hat. Also müssen die alle doch eine recht ähnliche Vorstellung gehabt haben.

Wenn ich die Qualität eines Buches beurteilen will, dann gibt es da zwei Kategorien.
Zum einen die eher sachlichen Kriterien: Logik der Handlung, gute Sprache, neue Ideen, nachvollziehbare Figuren, in sich schlüssige Welt... Wurde ja alles schon erwähnt.
Zum anderen die Bücher, die es schaffen, bei mir das "Kino im Kopf" anzuschalten, wie auch schon gesagt wurde.

Aber die beiden Gruppen sind nicht deckungsgleich. Es gibt Bücher, die sachlich einwandfrei sind, und mich trotzdem nicht mitreißen. Und es gibt andererseits Bücher, die voller logischer Fehler sind, klischeebehaftet bis zum dorthinaus - und die mich trotzdem sofort abtauchen lassen. Bei denen weiß ich dann nie, ob das jetzt ein gutes Buch ist, oder ein schlechtes, das nur rein zufällig meine Seele zum Schwingen bringt.

felis

Zitat von: Lichtblick am 20. Januar 2008, 16:57:37
Natürlich bewertet jeder "Qualität" verschieden, sonst wäre unsere Welt ziemlich langweilig...
Dem würde ich jetzt mal widersprechen wollen. Ich bin der Überzeugung, dass es objektive Qualitätskriterien gibt.

Nitewolf

Man muss wohl ein bisschen zwischen Qualität und Geschmack unterscheiden. Wie Maja sagte, sind die meisten Qulaitätskriterien für Fantasy die gleichen, wie für andere Genres auch. Ich könnte natürlich lang und breit erzählen, was ich im Fantasy mag und was nicht, aber das ist wohl größtenteils eine Frage des Geschmacks.

Was für mich tatsächlich ein Fantasy- bzw. SciFi-spezifisches Qualitätskriterium ist, ist das die Ausarbeitung und Glaubwürdigkeit des Settings. Natürlich muss ich auch  in anderen Genres recherchieren, um das Setting glaubwürdig zu gestallten und das ist u.U. genau so viel Arbeit, wie es neu zu erfinden, aber es ist doch was ganz anderes.
Ich hab zu viele (an sonsten zum Teil sehr gute) Romane gelesen, die nur in nem dünnen Landstrich spielen und irgendwie ein völlig klaustrophobisches Gefühl bei mir hervorrufen, weil man nie das Gefühl hat, hinter dem nächsten Berg läge noch ne ganze Welt, sondern da ist einfach Schluß. Wenn diese Bücher dann auch noch große, superepische Weltrerrungsgeschichten erzählen (was ich eh nicht so mag) die zwischen hier und dem nächsten Dorf spielen, wird's völlig albern.

Auch den Umgang mit großen, übernatürlichen Mächten, konsistent und glaubwürdig darzustellen, finde ich ein wichtiges Qualitätsmerkmal im Fantasy. Sei's nun der ganz alltägliche magischen Wahnsinn in einem völlig magieüberladenen d&d-Setting oder der Umgang mit real existierenden und tatsächlich in personam auftretenden Göttern.

Lomax

Zitat von: Shay am 21. Januar 2008, 08:17:35... und kenne daher viele eingefleischte Tolkien-Fans, die meisten davon kannten das Buch lang vor dem Film. Und praktisch alle waren begeistert, weil der Film exakt zu ihrer Vorstellung gepasst hat. Also müssen die alle doch eine recht ähnliche Vorstellung gehabt haben.
He he. Da muss man sehr vorsichtig sein. Jackson hat sich für den Film reichlich bei Vorlagen bedient - viele visuelle Umsetzungen, die man im Film sieht, gleichen 1:1 schon sehr bekannten künstlerischen Darstellungen zum HdR, wie man sie beispielsweise auch in "Tolkien-Kalendern" sehen konnte. Und so sehr Jackson selbst über den alten Trickfilm gelästert hat: Auch da habe ich manche Einstellung exakt kopiert wiedergefunden.
  Wenn also Fans ihre "inneren Bilder" im Film wiedererkennen, muss man sich schon fragen, wie sehr diese "inneren Bilder" im Laufe der Jahre unbewusst durch vielfach gesehene künstlerische Umsetzungen mitgestaltet wurden - und inwieweit diese reichhaltige Fülle an bekanntem grafischen Material dafür gesorgt hat, dass viele Vorstellungen eine gewisse Gemeingültigkeit bekommen haben und die Betroffenen nur noch glauben, es wären ihre eigenen, inneren Vorstellungen, die sich nur aus dem Buch speisten.

FeeamPC

Nicht einmal in den Naturwissenschaften können sich die beteiligten Personen immer über Qualitätsparameter einigen.
Genauso wenig können sich Leser darauf einigen, welche Werke nun gerade Qualität sind und welche nicht.
Literatur in allen Facetten ist dermaßen subjektiv, daß jede Bewertung nur auf Basis einer persönlichen Meinung erfolgt. Und selbst die ist drastischen Änderungen unterworfen.
Abhängig von meiner allgemeinen Stimmung und Gemütslage habe ich schon Sachen gerne gelesen, die dermaßen trivial und nichtssagend waren, daß ich sie Tage später in die Tonne kloppte. Genauso, wie ich hohe Literatur (mit Nobelpreis) angewiedert weggestellt habe, um sie (bei besserer Stimmung und mehr Zeit) später doch noch richtig zu genießen.
Qualität ist demnach für mich als Leser, wenn der Autor so schreibt, daß er den gerade herrschenden Geschmack seines Publikums trifft und seine Bücher gelesen werden. Große  Qualität ist, wenn die Bücher auch eine Generation später immer noch gerne gelesen werden. Überragende Qualität sind die Standardwerke der Weltliteratur, die Fahrten des Odysseus, die Gralssage, Tausenundeine Nacht u.ä., nicht wegen ihres (heute altmodischen) Schreibstils, sondern des Themas wegen, das auch heute noch wieder und wieder als Vorlage für neue Epen dient.

Was ich als Autorin (oder Freizeit-Lektorin) als Qualität betrachte, ist ein völlig anderes Paar Stiefel.

Shay

@Lomax
Es gab darunter aber auch durchaus Leute (unter anderem ich) die vor dem Film wirklich nur die nackten Buchstaben kannten und allenfalls mal ein Titelbild eines Buches. Und das war ja zumindest bei der klassischen weißen Ausgabe nicht unbedingt geeignet, innere Bilder entstehen zu lassen.
Ich hab vor dem Film nicht ein Tolkien-Bild gekannt und vom Trickfilm nur die letzten 5 Minuten, trotzdem hat der Jackson-Film sofort zu 100% gepasst.
Aber das führt jetzt zu weit vom Thema weg.

felis

#56
Und ich habe lange bevor es den Film überhaupt gab, selbst Illustrationen zu Tolkien gemalt. Damit kann ich sogar beweisen, dass meine Vorstellungen (insbesondere mein Bild von Gandalf) der Filmbesetzung äußerst ähnlich ist/waren.

saraneth

Zitat von: felis am 21. Januar 2008, 10:30:45
Dem würde ich jetzt mal widersprechen wollen. Ich bin der Überzeugung, dass es objektive Qualitätskriterien gibt.

@ felis: Ja, die gibt es. Aber man muss auch klar sehen, dass manche, die glauben ein "objektives" Kriterium gefunden zu haben, falsch liegen. Zum Beispiel im Bezug auf den Stil von Autoren.
Manche verurteilen den einen und loben den anderen in den Himmel - aber ihrer Meinung nach ist es ein "objektives" Kriterium.

Mich würde interessieren, was du beispielsweise als obejektiv ansiehst. Die Rechtschreibung vielleicht? Satzstellung? :)

Lomax

Zitat von: felis am 21. Januar 2008, 15:31:50Und ich habe lange bevor es den Film überhaupt gab, selbst Illustrationen zu Tolkien gemalt. Damit kann ich sogar beweisen, dass meine Vorstellungen (insbesondere mein Bild von Gandalf) der Filmbesetzung äußerst ähnlich ist/waren.
"Beweisen" ist da schwierig, weil man ja oft selbst nie weiß, was man alles irgendwann zufällig gesehen hat, und sei es auch nur in Buchhandlungen oder Katalogen. Das zweite, was man dann analysieren müsste, wäre, ob die Ähnlichkeit zwischen solchen Bildern und der Filmbesetzung größer ist als die Unterschiede - und auch über die markanten Details hinausgeht, die im Buch explizit genannt wurden. Aber solche Fragen gehören dann vielleicht schon in den Thread zur "Gesichtererkennung" ;)

Wobei man sicher sagen kann, dass Jacksons Umsetzung in Bilder den "Ton" des Buchs noch am besten getroffen hat. Das war bei der Geschichte nicht immer so der Fall - denn da ist meinem Empfinden nach gerade der qualitative Teil des Buchs auf der Strecke geblieben. Um wieder den Bogen zum Thema zu schlagen ;)
  Nicht, dass ich das schlimm fand, denn meine Maßstäbe für Filme sind deutlich andere als bei Büchern. Und natürlich ist es nur meine Meinung. Aber, wenn ich darüber nachdenke, auch das könnte eine Beschreibung dessen sein, was ich als Qualität im Fantasy-Roman ansehe: Das, was von den HdR-Büchern nicht im Film war ...

zitatus

Zum Thema Qualität in der Fantasy habe ich den passenden -recht unterhaltsamen Text im Federfeuer gefunden: http://federfeuer.anorivrin.net/index.php?topic=1648.0
Der "Ankreuzplot" für Fantasy. Das wäre dann ein Beispiel für schlechte Quali, wie sie den Markt leider überschwemmt.

Meine persönliche Erfahrung -auch im alltäglichen Leben - Qualität setzt sich schlussendlich immer durch!