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Qualität im (Fantasy-)Roman

Begonnen von Feuertraum, 15. Januar 2008, 10:21:48

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felis

Die ganze Diskussion ist doch typisch für den ewig gestrigen elitären Literaturbetrieb in Deutschland, der ja sogar nachgewiesene Klassiker wir TZolkien noch für Schund hält... Frau Löffler bestimmt also was Qualität ist? Mit welchem Recht denn? Wiel sie zum Eliteclubchen geört?
Die sog. Qualitätsliteratur ist doch häufig kaum lesbar. Verschwurbelte Geschichten, verschwurbelte Sprache....
Wollt ihr Beispiele, dann lest mal Grass' "Rättin" an. Oder das häufig wirklich zum Gähnen langweilige Zeug von Böll. Das soll jetzt aber nicht zum Umkehrschluss verleiten, dass ich alle etablierte Literatur für schlecht halte: da ists genause wie im Unterhaltungsbereich. Es gibt sowohl für meinen Geschmack gute als auch schlechte in allen Sparten....

Manja_Bindig

Besonders, wenn man bedenkt, dass viel von dem, was heute unter dem Prädikat "Qualitativ wertvoll" rauskommt, in 10, 20 Jahren mehr oder weniger vergessen sein wird - es sei denn, man heißt Günther Grass, hat einen einigermaßen erträglichen Roman zustande gebracht, der aber grad den Nerv der Zeit trifft und schafft es, sich in den Medien präsent zu halten - und reine "Unterhaltungsliteratur" ab und an ein wirklicher Klassiker wird - weil es sich gut liest, weil eine spannende Handlung vorhanden ist, weil etwas mit den Charakteren geschieht - tja.  :hmmm: Aber die Diskussion hatte ich schon mal mit meiner Deutschlehrerin, die mir partout nicht glauben wollte, dass Tolkien ein Recht auf seinen Klassik-Status hat("Der is doch keene rischtsche Lidderadur!"). Mein Argument mit Goethes "Werther" wurde leider geflissentlich ignoriert. -__-

Um wieder auf die Qualität zurückzukommen - meine Standarts wurden schon von Coppi genannt.
1) Ich muss das Gefühl haben, dass die Worte sitzen, dass es klingt und dass es lesbar ist
2) Eine Handlung sollte wenigstens ansatzweise erkennbar sein und sich nicht in Innenansichten und endlos langen, dadaistischen Monologen verlieren(ein Grund, warum ich die Moderne hasse)
3) Meine Charaktere - leben sie? Interagieren sie? Oder hab ich ein paar Püppchen durch die Seiten gehetzt, die bestenfalls als "blutleer" gelten können? Passiert etwas mit ihnen?
4) Mein Leser soll ab und an ein paar Punkte geliefert bekommen, über die er nachgrübeln kann - das geht allerdings nur, wenn der Text klar genug strukturiert ist, dass man nicht zu viel Zeit mit dem Grübeln darüber verschwendet, was DIESE Aktion jetzt wieder zu heißen hatte.

Anders gesagt: klar - verständlich - lebendig.
Ob ein Verlag das Endergebnis als qualitativ wertvoll erachtet, ist mir herzlich egal - wenn ich weiß, dass ich diese Punkte für mich erfüllt habe und wenn nicht dieses ekelhafte Nagen da ist, das sagt: "Du, das geht besser - viel besser - du bist SCHLECHT!" - dann ist die Geschichte für mich gut genug, um eingereicht zu werden, eher nicht. (das sind übrigens auch meine Merkmale bei der Lektürewahl - und einige in der "Literaturen" hochgejubelte Herrschaften fallen da gerne mal glatt durch). Hauptsache ist, dass ich morgens in den Spiegel gucken kann, ohne vor Scham ein Mauseloch zu suchen. Mehr zählt dann im Moment nicht.

Coppelia

Mir fällt gerade ein, dass ich gestern ein Plakat über die Ringvorlesung zur Literatur an unserer Uni hab aushängen sehen. Darin geht es diesmal um "Moderne Klassiker". Na, ihr könnt ja raten, was dabei ist?

Nein, falsch geraten. :) Es sind Bücher dabei wie "Da-Vinci-Code", "Moppel-Ich" und "Ich bin dann mal weg" oder das Kochbuch von Mälzer. Ja, seltsam, oder? Ich weiß jetzt nicht, wie die hohe Wissenschaft über diese Bücher urteilt, aber alle Vortragenden sind Professoren, und ihr könnt sehen, diese Bücher werden also bearbeitet.

Lord Bane

@ Manja

Das sind sehr gute Kriterien, an denen sich eigentlich jedes Buch messen lassen sollte.

Arrogante Gestalten wie Siegrid oder Siegfried Löffler oder wer immer der oder die auch heißen mag, sind übrigens der Grund, aus dem ich nicht Germnistik studiert habe. Ich hatte riesige Angst mit einer jüngeren Version dieser Schnösel im Seminar herumsitzen zu müssen. Aus genau demselben Grund habe ich auch nie den Autorenkreis besucht, den es an der Uni gab. War im Rückblick vielleicht falsch, aber jetzt ist es auch zu spät  ;)


Viele Grüße,
Lord Bane

FeeamPC

Ich habe die Rättin gelesen- fand das Buch durchaus verträglich. Tolkien ist für mich ein Klassiker, Harry Potter- egal, was man darüber denkt, könnte auch einer werden (und ich gestehe, ich habe alle Bände sehr gerne gelesen). Manchmal ist halt selbst bei den Kinder- und Jugendbüchern eines, das ich gerne und mit Genuß lese.  Eines aber zeichnet alle diese Bücher in meinen Augen aus: Sie haben Erzählqualität, also einen guten Inhalt, inklusive der allzeit menschlichen Beziehungskisten, einen Spannungsbogen und einen Stil, in den man sich als Leser schnell hineinziehen läßt.
Und genau das strebe ich auch für meine eigenen Schreibwerke an. Hohe Literatur muß es nicht werden, aber eine verdammt gute Erzählung sollte es schon sein.

SemSimkin

Ja kann mich der Kritik an dem Elfenbeinturm der dort vermutet wird, nur anschließen. Soweit ich weiß, wurden die Leiden des jungen Werther nach dem Erscheinen auch als "die Jugend verderbend" und "viel zu fahrig und polizeylich fragwürdig" angeprangert und heute bekommen 6. Klassen diese Reclam Heftchen ... die dann eh nur voller Dragonball-Zeichnungen sind  :rofl:

Dorte

Werther in der sechsten? Wollen wir doch mal realistisch bleiben, das ist Stoff ab Klasse 10 oder für die Oberstufe, wir haben ihn in der 11 gelesen...

Die Unis beschäftigen sich durchaus mit modernen Texten. Im Englischkurs über Kinderliteratur gab's neben Alice im Wunderland und diversen Märchen auch Harry Potter. Im Kinderbuchseminar der Skandinavistik ging's von "Hänschen im Blaubeerwald" über die unvermeidliche Pippi Langstrumpf und die Mumins bis zu Bjarne Reuter. Und auch sonst habe ich in Vorlesungsverzeichnissen schon öfter Seminare gesehen, bei denen nicht Ibsen oder Dickens erwähnt wurden, sondern moderne Autoren.
Völlig anders ist dagegen wohl die Kritikerszene, die in den Medien auftritt. Für die gilt ja sowieso nur eine bestimmte Art von Literatur, der Rest zählt nicht - Kinder- und Jugendbücher, Fantasy, Science-Fiction, Krimis... was nicht irgendwie sexuell schockierend, aufklärerisch, autobiographisch oder weltanschaulich bedeutsam ist, wird von denen doch ignoriert oder als Schund abgetan...

Manja_Bindig

Das ist wohl das, was man mit "Wegbruch des guten Mittelfeldes" bezeichnen kann - es gibt ein paar... dieser "Qualitäten". Und dann gibt es ganz arg viel, was man tatsächlich bestenfalls als leichten Zwischenimbiss bezeichnen kann - an dem man sich am Ende bei zu starkem "Genuss" auch den Magen verderben kann - und irgendwo dazwischen liegen wirklich gute Romane, die wunderbar unterhalten, etwas sagen, den Leser berühren... aber in den Augen der "Qualität"-Autoren fällt das auch unter Schund.
...
und dann wird über den Wegbruch des guten Mittelfeldes gejammert... -___-

felis

Zitat von: Manja am 18. Januar 2008, 14:43:33
Das ist wohl das, was man mit "Wegbruch des guten Mittelfeldes" bezeichnen kann -
Vom Gefühl her geb ich dir 100% recht. Aber mir drängt sich jetzt noch ne andere Frage auf.
Wie definieren wir eigentlich Qualität im Fantasy-Roman?
Wenn das für diesen Fred zu OT ist mach ich gerne einen Neuen auf...

Ary

@Felis: mach am besten dafür nen neuen Thread auf. Da kommt sicher viel zusammen, dass es sinig wäre, dafür einen eigenen Thread zu haben.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

felis

#25
Angeregt durch den Qualität-abliefern-thread, bin ich auf die obige  Frage gekommen:

Was ist Qualität im Fantasyroman, b.z.w. wie definiert ihr Qualität?

Ehrlich gesagt fällt es mir gar nicht so leicht, diese Frage selbst zu beantworten, da mir das Gegenteil leichter fällt. Ich versuchs aber totzdem mal:

Qualitätsmerkmale guter Fantasy sind für mich:

1. Originalität des Themas, will heissen, ich will nicht die 10. Queste lesen, in der ein magischer Gegenstand vernichtet werden muss, sondern ein "frisches" Thema, oder zumindest eine originelle Variante des alten Gut vs. Böse Stoffs

2. Protas die PERSONEN sind (Menschen kann man in unserem Genre ja so schlecht sagen, wenn Elfen, Zwerge und gotweißwelche Protagonisten aufkreuzen)  ;) Ich hoffe, ihr versteht trotzdem was ich meine - als keine Stereotypen, sondern Persönlichkeiten eben.

3. Schöne Sprache - das geht jetzt schon sehr in Geschmacksfragen hinein, füchte ich. Auch hier finde ich die Negativ-Beispiele wieder leichter als die positiven: stören tun mich: "aus der Rolle fallende Modernismen (auch wenn mir das selbst auch gelegentlich passiert) genauso wie übertrieben auf antiquiert gemachte Sprache.

Ich bin gespannt, was euch dazu alles noch einfällt.

Neugierige Grüße
felis

P. S. Mods. Falls das Thema hier nicht reinpassen sollte, (einen Regelfred haben wir für dieses Board ja leider noch nicht),  bitte verschieben.

JulyRose

Hallo Felis,

Du hast schon ein paar sehr wichtige Punkte genannt, die für mich einen Fantasy-Roman ausmachen müssen - ich möchte es noch um folgenden Punkt erweitern, der schon in Deinen dritten Punkt ("schöne Sprache") hineinspielt.

Du schreibst ja zurecht, schöne Sprache sei ein sehr subjektives Merkmal. Aber für mich ist ein objektives Merkmal in dieser Hinsicht die "gute Sprache" - also wenn ich merke, dass der Autor/Übersetzer sein Handwerk versteht und eine dem Thema angemessene Sprache findet, um die Geschichte zu erzählen.

Meine 5 Cent zum Thema.

Liebe Grüße
Juliane

Lisande

Punkt 2 finde ich ganz besonders wichtig - Protas sollten Gründe für ihre Handlungen haben, nicht einfach heldenhaft durch die Welt reiten und GUT sein. Das heißt, dass sie Schichten haben sollten (wie die Oger), und auch durchaus mal den einen oder anderen nicht so sympathischen Charakterzug. Und auch die "Bösen" sollten glaubhaft rüber kommen, denn auch die haben in der Regel Motive für ihr Handeln.

Punkt 3 würde ich persönlich anders ausdrücken (da kommt wieder der Geschmack ins Spiel): ich würde sagen, die Sprache sollte "angemessen" sein. Um das Beispiel der übertrieben antiquierten Sprache aufzugreifen: das kann auch ein sehr bewusstes Stilmittel sein, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Deswegen würde ich das so pauschal nicht ablehen.



PS und fürchertlich OT: an allen Tippfehlern in diesem Beitrag ist das Katzenvieh Schuld, er blockiert gerade beide Arme!

Grey

Da sprichst du noch was an, Lisande. Stimmung. Die Stimmung/Atmosphäre muss interessant sein. Und dazu gehört auch ein gutes Setting. Eine im Detail durchdachte Szenerie, die auf die Handlung zugeschnitten ist. Sonst kommt bei allem Handwerk keine Stimmung auf.

Und Nachvollziehbarkeit. Auch wenn sich viele Autoren gerade in der Fantasy gerne darauf berufen, die alleinige Macht über "ihre" Welt zu haben, muss es meiner Meinung nach trotzdem in sich logisch sein. Nichtreale Dinge so darzustellen, dass sie (vor dem Geschichtenhintergrund) glaubwürdig sind - das ist für mich ein ganz wichtiges Qualitätsmerkmal.

Ary

Hallo,
von den wichtigen Dingen, die schon genannt wurden, sind mir die Charaktere mit Tiefgang am wichtigsten. Vor allem die Antagonisten sollten gut ausgearbeitet sein und Gründe für ihr Handeln haben (warum ist man einfach nur böse? Dafür gibt's übrigens einen Thread namens "Wie gestaltet man gute Böse). Klar, dass auch die "Guten" nicht flach sein sollten.
Ich mag am liebsten die "Grauen", die weder gut noch böse sind, die auch mal in der Zwickmühle stecken und vor allem keine strahlenden Helden sind. Es ging mir in vielen Filmen schon immer auf die Nerven, dass der Held auch nach der dritten Schlacht, in der er halb totgeschlagen wird, noch sauber und strahlend aussieht und vor allem nicht müde ist und noch steht. Charaktere sollten auch Schwächen haben.

Originalität - ja, gern, aber nicht um jeden Preis, man muss nicht in jedem Buch das Rad neu erfinden. Zu viel "Neues" wirkt leicht verkrampft. Ein schönes Beispiel, wie ich finde, für das "alte" Thema "Wechselbälger und Feenreiche" ist Neil Gaimanns "Stardust". Das Buch hat so viele unvorhergesehene Wenungen, dass ich biem Lesen wirklich meinen Spaß hatte.
Ich lese immer noch sehr gern über Elben/Elfen udn all die bekannten Fantasyvölker, ich habe nichts gegen Klischees, wohl aber etwas gegen den hunderttausendten Versuch, den Herrn der Ringe neu zu schreiben. Also bitte keine Plots mehr über zu vernichtende magische Gegenstände, in Felsen steckende Schwerter oder Bauernburschen, die sich plötzlich als Erben uralter Herrscherhäuser entpuppen.

Sprache - ist mir sehr wichtig. Angemessen muss sie sein, schrieb Lisande. Genau das. Modernismen sind ein absolutes "no-go", genau wie Dialekte. Sächselnde Elfen? Schwäbelnde Zwerge? Ih, nein.



Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.