• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Historische Fantasy

Begonnen von Lennard, 30. Dezember 2007, 20:57:27

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 4 Gäste betrachten dieses Thema.

Berjosa

Hm, in meinen Augen sieht die Sache mit dem frei erfundenen Ort bei Mainz etwas anders aus als mit der Schlucht.

Die Schlucht gibt's ja wirklich, und außer den Leuten, die das einfach so akzeptieren, gibt es bestimmt auch etliche, die wissen, wann und wie das Ding da hingekommen ist.
Ich halte es für einigermaßen wahrscheinlich, dass da jemand einen "Recherchefehler" anmeckert, egal, ob Fantasy draufsteht oder nicht. Je nachdem, wie sehr dich so eine Meckerei belastet oder nicht, ist die Variante von pink_paulchen vielleicht vorzuziehen.

Churke

Ich halte das eigentlich nicht für eine Frage historischer Fantasy.
Ich sehe das mehr in Richtung "erfundene Straße" oder "erfundene Stadt", die stellvertretend für etwas Reales sein soll.

heroine

Besteht denn die Möglichkeit die Schlucht abhängig von den Fantasyelementen zu machen (z.B. nur für Leute mit Sehergabe zugänglich, abhängig von Ritualen oder Konstellationen o.ä.)?

Dich scheint es ja selbst irgendwie zu stören, dass Du die Schlucht da einbaust obwohl, sie da noch nicht existent war. Wie auch schon gesagt wurde, man macht sich bei historischen Geschichten immer sehr viel Mühe mit der Recherche und dann wider besseren Wissens landschaftliche Veränderungen einzubauen schwächt ja auch die ganzen anderen Fakten ab bei denen man sich keine Freiheiten erlaubt hat.

Zur Beruhigung mich würde es wohl nicht stören. Die Frage ist aber wie sieht es bei Deiner Zielgruppe aus? Hast Du einen Fanclub in der Region, der auch sehr interessiert an der regionalen Geschichte ist und willst Du hauptsächlich in der Region vermarkten oder ist die Zielgruppe bundesweit so gestreut, dass den Graben höchstens jeder hundertste Leser überhaupt kennt?

Pygmalion

Muss es denn unbedingt DIE Schlucht sein?
Ich meine, der Odenwald ist ein Mittelgebirge, da wirds doch wohl Erhebungen und kleinere Schluchten zu hauf geben? Wiki spuckt zumindest auch die Margarethenschlucht aus, die scheint älter als 180 Jahre zu sein. Vergleichbare Flusstäler wird es doch auch anderswo geben?
Wenn der Waldspaziergang nicht exakt verortet ist, wird wohl kaum einer hingehen und sagen: "Nun hör mal, die Schlucht ist aber 100m" weiter im Osten.
Ansonsten werfe ich statt einer Schlucht mal noch Steilhänge oder Geröllhalden in den Raum, von denen kann man sicher auch gut abstürzen, wenn man zusammen mit der erodierten Halde in Bewegung gerät.
Oder alte Steinbrüche. Wird es dort, sofern Stein vorhanden, auch im Mittelalter gegeben haben.

Drachenfeder

Danke für Eure Antworten.

Es muss nicht unbedingt "DIE" Schlucht sein, aber es muss schon in den Wäldern irgendwo um Höchst herum geschehen, da meine Figuren ja zu Fuß unterwegs sind und alles innerhalb weniger Tage geschieht.

Die Idee von Heroine, die Schlucht nur Sehern zugänglich zu machen, geht leider nicht, da so viel Phantastik dann doch nicht in der Novelle vorhanden ist.
Ich hatte diese Idee - Tod durch Sturz in eine Schlucht - schon länger und habe dann erst erfahren, dass es dort diese Obrunnschlucht gibt, welche aber noch sehr jung ist. Abgesehen davon, kann man dort nicht wirklich zu Tode stürzen.

Etwas Regionales soll es nicht wirklich werden. Ich habe den Odenwald nur gewählt, da ich ihn sehr schön finde, mich dort einigermaßen auskenne und zu Recherchezwecken mal hinfahren kann (Zumindest bevor mein Zwerg auf die Welt kam).

Vielleicht ist es wirklich besser es so zu machen, wie Pink Paulchen geschrieben hat. Obwohl ... naja ... Ich hab diese Szene schon geschrieben und sie ist so, wie sie ist perfekt. Oder ich nenne es einfach Abgrund anstatt Schlucht und lasse die Charaktere nach Westen anstatt nach Osten in den Wald laufen?

Zitat von: Moni am 20. Mai 2014, 14:41:58
Ich glaube, ich würde es einfach machen.  8) Kommt natürlich drauf an, wie genau und übereinstimmend die erste Novelle in Bezug auf Landschaft und historische Ereignisse ist. Aber im Prinzip empfinde ich bei Historical Fantasy nicht so den Zwang, mich allen tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.

Die erste Novelle war in Bezug auf das Dorf sehr genau. War damals vor Ort und habe mir alles genau aufgeschrieben, wo etwas ist. Wobei es da auch ein paar Sachen gab, bei denen ich nicht weiß, ob es sie damals gab (z.B. der erfundene "Knast" im Keller der Kirche) Ansonsten hat das Dörfchen nicht die bewegende Vergangenheit ;)



Kati

Ich möchte mal anmerken, dass Historical Fantasy kein Freischein ist, historische Fakten zu verbiegen, wie man gerade lustig ist. Auch historische Fantasy ist ein historischer Roman und sollte bis auf dazugedichtete phantastische Elemente eben historisch korrekt bleiben. Wir hatten letztens den Fall, ob man eine historisch belegte Figur einfach zehn Jahre vorher umbringen darf, weil es ja historische Fantasy ist und somit eh nicht "echt", aber ich denke wirklich nein. Fantasy in dem Sinne schließt ja nicht aus, dass man den bekannten Geschichtsverlauf einhalten kann, man dichtet nur eben etwas hinzu, das nebenbei passiert ist und keinen Weg in die Geschichtsschreibung gefunden hat. Also: Etwas ändern: Nein. Etwas dazu erfinden: Ja. Ein Dorf, eine kleine Stadt und eine Schlucht halte ich für kein Problem. Gib der Schlucht einfach einen Namen, der zu den anderen Namen in der Gegend passt und dann sollte den meisten Lesern beim Suchen klar werden, dass du dir die Schlucht bewusst ausgedacht hast, und es kein Recherchefehler ist.  ;)

Das ist so ein bisschen wie die Unterscheidung zwischen Realismus und Logik, die manche bei Fantasy nicht hinbekommen. Realistisch muss Fantasy nicht sein, aber logisch in ihrem eigenen Kontext. Und historische Fantasy muss auch nicht realistisch sein, sollte aber trotzdem weitesgehend historisch korrekt bleiben. Es sei denn, man schreibt alternative Geschichte. Aber nur, weil da eine neue Schlucht ist oder eine historisch belegte Person zehn Jahre früher stirbt, ist etwas ja auch nicht gleich "Alternative Geschichte", dafür muss der verbogene Geschichtsverlauf schon etwas prominenter sein und für die Handlung wirklich wichtig und ausschlaggebend. Ich bin bei sowas immer ein großer Fan vom Nachwort, wo zum Beispiel erzählt wird, dass eine Schlucht ausgedacht ist. Wenn man Geschichte wirklich ändern muss, weil sonst die Handlung nicht aufgeht (selten der Fall, denke ich), kann man das im Nachwort auch unterbringen und hoffen, die Leser können das nachvollziehen. Ansonsten mag ich es überhaupt nicht, wenn zum Beispiel Queen Victorias Tod zwei Jahre vorverlegt wird, damit man ihn im Roman noch drin hat, da hilft auch kein Nachwort mehr. Es sei denn, es ist eindeutig alternative Geschichte oder spielt in einer Parallelwelt, die an die Geschichte angelehnt ist.

Churke

Zitat von: Kati am 21. Mai 2014, 13:03:20
Ich möchte mal anmerken, dass Historical Fantasy kein Freischein ist, historische Fakten zu verbiegen, wie man gerade lustig ist. Auch historische Fantasy ist ein historischer Roman und sollte bis auf dazugedichtete phantastische Elemente eben historisch korrekt bleiben.

Warum? Wer sagt das?
Was an einem Roman echt und was erfunden ist, hängt davon ab, was der Dichter damit bezweckt. Diskussionen um Genre-Regeln helfen m.E. nicht weiter.

canis lupus niger

Ohne jetzt eine Grundsatzdiskussion hervorrufen oder durch Teilnahme anheizen zu wollen, würde ich gerne meine persönliche Sicht und Handhabung dieser "Regel" vorstellen wollen. Vielleicht kann das ja sogar zu einem Konsens führen, der allen akzeptabel erscheint.

Ich denke nämlich, dass, wenn man reale historische Fakten nennt, man sie auch unangetastet lassen sollte. Wenn man aber an irgendeinem Punkt beginnt, von der realen Historie abzuweichen, indem man z.B. durch ein fiktives pseudohistorisches Ereignis [Das Dritte Reich hat den zweiten Weltkrieg gewonnen und die gesamte westliche Welt unterworfen.] [Die katholische Kirche hat alle Reformationen niedergeschlagen und die Inquisition bestimmt sämtliche Aspekte des Lebens.] [Julius Cäsar wurde nicht ermordet und das Römische Reich beherrscht die ganze Welt] [Hexerei gibt es wirklich und alles was wir jetzt für Aberglauben halten, hat sich als real herausgestellt] eine Parallel-Realität entwickelt, dann ist man innerhalb dieser neuen, selbst geschaffenen Prämissen frei, wie in jedem anderen Fantasy-Roman auch. Das kann dann auch darin bestehen, dass man reale Personen der geschichte in der neu geschaffenen Parallel-Realität früher sterben lässt. Entscheident ist, dass sich irgendwo die Hosenbeine der Zeit (Ich bitte ergebenst um Verzeihung wegen des geistigen Diebstahls, oh großer Terry Pratchett! :engel:) teilen, und dass der Autor das irgendwann erkennbar macht. Orginal und "Fälschung" müssen unterscheidbar sein, wenigstens rückwirkend.

Romy

@ Canis: Das was Du beschreibst ist "Alternative Geschichte". Das ist noch einmal ein anderes Subgenre als Historische Fantasy. Kati schrieb oben ja auch schon, dass sie da einen Unterschied sieht, wobei ich ihr zustimmen würde.

Was die Sache mit der erfundenen Schlucht angeht: Ich sehe da kein Problem und hätte ebensowenig Skrupel eine Schlucht zu erfinden, wie eine Stadt. Die Geografie zu verändern halte ich für verzeihlich, es kann dafür ja auch gute Gründe geben. Beispielsweise erfindet man eine Stadt, weil man absichtlich keine Reale verwenden will. Nicht unbedingt aus Faulheit des Autors, sondern weil es vielleicht tatsächlich keine Reale gibt, die alle Anforderungen erfüllt, die die Geschichte stellt.
Eine reale historische Person früher (oder später) sterben zu lassen, als es in Wahrheit der Fall war, ist m.M.n. schon eine etwas andere Liga. In historischer Fantasy würde ich das nicht machen, bei Alternativer Geschichte wäre es okay. Beides zu mischen erscheint mir ziemlich chaotisch, ich persönlich würde das nicht machen.

Guddy

Ich persönlich sehe das absolut nicht eng. Sobald "Fantasy" draufsteht, erwarte ich keine akurate Historie. Um ehrlich zu sein erwarte ich das nichteinmal bei "normal" historischen Werken. Es ist und bleibt Fiktion.
Viele bspw. bemängeln die Serie "Vikings" - mir ist es egal, solange ich unterhalten werde. Trotz Archäologiestudium. Ich erkenne Fehler, Umdichtungen und dergleichen durchaus. Nur sehe ich das nicht so streng.

Mogylein

Also ehrlich gesagt wäre mir eine dazuerfundene Schlucht nicht so lieb... Ich kann es akzeptieren, wenn es ein Dorf/eine Stadt ist, weil ich dann denke, dass man diese Ereignisse keiner echten Stadt zuschreiben möchte. Aber die Geographie ist historisch belegt und ohne fantastischen Grund sehe ich nicht, warum an einer Stelle plötzlich eine Schlucht sein sollte wo keine ist?
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Zit

Ich stimme da Mogy zu. Eine Schlucht hinzu zu dichten ist keine Kleinigkeit. Ich könnte damit leben, wenn der (spätere) Name der Schlucht in Gefahr gerät wie in Zurück in die Zukunft 3, aber die Schlucht sollte schon tatsächlich existieren. Die ist ja jetzt nichts, was von Menschenhand geschaffen ist, sondern ein Ergebnis "gottgegebener" Naturereignisse.
Davon abgesehen, lege ich an ein historisches Setting eben straffe Maßstäbe. Dass es auch fantastisch ist, sehe ich in fantastischen Elementen wie Vampire, Magie, Parallelwelten, etc. und nicht darin, dass der Autor sich die Welt so zurecht legt wie er sie gern hätte. Dann kann es auch eine andere Form von Roman sein, nur kein historischer.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Aphelion

Zitat von: Guddy am 22. Mai 2014, 01:19:59
Ich erkenne Fehler, Umdichtungen und dergleichen durchaus. Nur sehe ich das nicht so streng.
Das Problem ergibt sich erst, wenn du nicht erkennst, was real und Fiktion ist.

Man muss sich als Autor bewusst sein, dass viele Menschen unbewusst aus Büchern lernen - da kann man noch so fett "FiktioN" draufschreiben. Jeder macht das. Auch du. Auch ich. Das liegt in der Natur der Dinge.

Das ist imho das eigentliche Problem, wenn mit historischen Umständen leichtfertig umgegangen wird oder wissentlich Fakten anders ausgegeben werden. Fehler können überall passieren und man kann maximal den derzeitigen Stand der Wissenschaft zugrunde legen.

D.h.: Fehler wird ein historischer Roman immer enthalten, aber als Autor muss man nicht noch absichtlich weitere Fehler hinzufügen.

Guddy

#133
Natürlich verstehe ich, was du meinst, dennoch habe ich da schlichtweg eine andere Meinung :) In meinen Augen steht ein Autor nicht in der Pflicht, im Unterbewusstsein des Lesers als Lehrer tätig zu sein. Und nein, ich lerne nicht unterbewusst aus Büchern. Ja, das kann ich mit Fug und Recht behaupten; kenne mich, meine Leseweise und mein damaliges, wie heutiges Geschichtswissen gut genug. (dafür bin ich andernorts nicht halb so "schlau"*)
Das sage ich wohlgemerkt aus Lesersicht. Als Autor - ich schreibe allerdings keine historische Fantasy und habe es auch nicht vor - wäre ich mit meinen eigenen Büchern ungleich strenger, genauer und authentischer. Um nicht zu sagen: penibel genau. Genau aus dem Grund fällt es mir nicht ein, sowas zu schreiben. Das würde ja Jahre an Recherche benötigen! Nö, dann lieber schön eigene Welten kreieren  :wolke:



*in Ermangelung eines passenderen Wortes...

Szazira

#134
Zitat von: Drachenfeder am 20. Mai 2014, 18:22:02
Es muss nicht unbedingt "DIE" Schlucht sein, aber es muss schon in den Wäldern irgendwo um Höchst herum geschehen, da meine Figuren ja zu Fuß unterwegs sind und alles innerhalb weniger Tage geschieht.

Schluchten hat es an der Stelle eigentlich gar nicht, aber es wurde Bergbau und Steinbrüche betrieben. Dieser fand zwar oft im Tagbau statt, aber nicht immer.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bergbau_im_Odenwald

Wenn Reichelsheim (dürfte wohl ein Tagesmarsch sein, ca. 20km) nicht zu weit weg ist: Es gibt im OT Laudenau eine "Howl" (Loch) im umliegenden Wald, das vor ca. 120-130 Jahren während eines (sehr schweren) Unwetters entstanden ist. Sie hat einen Durchmesser von 20-30 m und dürfte so fünf Meter tief sein (war ewig nicht mehr da). Zu Beginn war sie tiefer, aber es wurde immer wieder Dreck von den Bauern reingeschüttet ;).

Es was Existierendes größer zu machen ist, denke ich, nicht so das Problem als etwas komplett neu hinzupflanzen.

[edit]
kleine Dörfer oder Gehöfte irgendwo hinzusetzen empfinde ich jetzt nicht als wahnsinnig schlimm. Da gab es immer mal wieder welche, die auf nimmerwiedersehen verschwunden sind. Solange die kein Marktrecht hatten finden diese nicht unbedingt Erwähnung in Dokumenten.
[/edit]