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Fake News beim Spiegel - Claas Relotius

Begonnen von Wildfee, 19. Dezember 2018, 13:48:50

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Wildfee

Grade beim surfen stolpere ich über mehrere Artikel bei spiegel.de und je mehr ich da lese, desto mehr schwanke ich zwischen Unglauben, Verärgerung und auch ein wenig Bewunderung.
(googelt mal nach Claas Relotius und Spiegel)

Warum Bewunderung? Weil dieser Journalist trotz zugegebener frei erfundener Storys oder Storyteile gut schreibt (bzw. geschrieben hat. 
Mitleid habe ich aber so gar keines. Wer frei erfundene Storys als Fakten darstellt und dafür auch noch Preise ohne Ende erhält, hat diesen tiefen Fall verdient.

Ich befürchte nur, dass dieser Fall Wasser auf die Mühlen all derjenigen ist, die immer so laut "Fake-News" und "Lügenpresse" schreien. Leider hatten sie bei diesem Typen recht :-(

Sunflower

#1
Puh. Das ist leider nicht das erste Mal, dass so etwas passiert - vor knapp zwanzig Jahren ist so etwas dem SZ-Magazin mit Tom Kummer passiert. Das SZ-Magazin hat sich davon erholt, auch wenn meines Wissens nach die beiden Chefs gehen mussten. Heute ist es so angesehen wie immer. Von daher denke ich nicht, dass der Spiegel langfristig einen Schaden davonträgt, auch wenn die nächsten Monate sicher hart werden. Den Spiegel trifft es natürlich doppelt hart, weil sie wahnsinnig viel Fact Checking betreiben und auf ihre Dokumentation sehr stolz sind (zurecht, eigentlich). Was Fake News angeht, well, das ist gefundenes Fressen für die Trolle. Aber mal schauen. Der Spiegel geht ja sehr transparent damit um, das ist denke ich das Beste, was sie tun können. Aber oh Mann.

Edit: Ullrich Fichtner hat das hier schön aufgeschlüsselt, wie das passieren konnte, und ich bin echt froh, dass sie alles, alles offenlegen: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-relotius-spiegel-legt-betrug-im-eigenen-haus-offen-a-1244579.html. Und auf Spiegel Online ist es gerade wahnsinnig prominent platziert.
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Zit

Erinnert mich an diesen Film, "Shattered Glass". :hmmm: (Hat mich wohl getriggert, weil im Text steht, dass schon der Anfang zwischen Moreno und Relotius filmreif wäre.)

Hätte er seine Geschichten lieber deutlich als Fiktion verkauft. Da hätte es bestimmt auch Preise für ihn gegeben.
Und ich denke, dass dem Spiegel nichts anderes übrig bleibt, offen damit umzugehen. Wenn sie das unter den Teppich kehren würden, würde das ihre eigene Glaubwürdigkeit in Frage stellen – und halt auch gegen den Leitsatz vertoßen ("Sagen, was ist."). Würde mich noch interessieren, was mit Relotius passiert. Als Journalist wird ihn keiner mehr mit der Kneifzange anfassen, und auch in anderen Berufen wird es schwer für ihn werden. Zumal ich mich frage, ob das auch rechtliche Konsequenzen hat.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

FeeamPC

Ich entsinne mich an die gefakten Hitlertagebücher vor Jahrzehnten ...

Sunflower

Klar muss er offen damit umgehen, aber die ewig lange Rekonstruktion von Fichtner wäre keine Pflicht gewesen. Wird in der Journalisten-Blase gerade auch heiß debattiert, ob das eine gute Idee war, aber ich finde schon. Relotius' Karriere im Journalismus ist beendet, aber als Schreiber vermutlich nicht. Vielleicht verlegt er sich jetzt auf Literatur um wie Tom Kummer damals.

Was das rechtliche angeht - er müsste damit gegen das Presserecht verstoßen haben, insbesondere gegen die Sorgfaltspflicht. Ich weiß allerdings gerade nicht, wie das bestraft werden kann.
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Rosentinte

Mich hat das auch ganz schön überrascht. Der Spiegel gehört zu den deutschen Medien, denen ich relativ uneingeschränkt vertraue. Das heißt nicht, dass dieses Vertrauen jetzt verschwunden ist, aber es hinterlässt schon einen Nachgeschmack. Ich finde es aber gut, wie der Spiegel damit umgeht, insbesondere diese lange Rekonstruktion frei zugängig auf SPON. Das verdeutlicht für mich sehr eindeutig, wie viel Wert auf ehrlichen Journalismus der Spiegel legt. Ich sehe das auch als die einzige Möglichkeit für den Spiegel, relativ unbeschadet aus der Nummer rauszukommen. Hätte Relotius einfach seinen Hut genommen und man hätte die Sache totgeschwiegen, irgendwann wäre es doch rausgekommen und dann hätte es erst recht Futter für die Trolle gegeben. So offen damit umzugehen und eigene Fehler einzugestehen, verdeutlicht für mich die eigentlichen Werte des Spiegels.

Das einzige, was ich ein bisschen merkwürdig finde, ist, wie offen und häufig der Name genannt wird. Bei Straftätern wird ja häufig nur der Vorname und erste Buchstabe des Nachnamens genannt. Mein erstes Googlen hat ergeben, dass das so gehandhabt wird, es sei denn, es handelt sich um eine Person des öffentlichen Lebens (@Sunflower, vielleicht kannst du mich da korrigieren?). Nun stellt sich mir die Frage, ob ein Journalist eine Person des öffentlichen Lebens ist. Diese Art der öffentlichen Brandmarkung in Fichtners Artikel ("Der junge Redakteur, der den großen Reporter mimte") finde ich für ein seriöses Medium schwierig. Relotius' Journalismus-Karriere ist wahrscheinlich so oder so am Ende, ob man jetzt seinen Namen so häufig genannt hätte oder nicht. Aber ob man ihn jetzt als Person an den öffentlichen Pranger stellen muss, finde ich ethisch fragwürdig. Andererseits ist es auch ethisch fragwürdig, was Relotius da gemacht hat. Schwierig.
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Zit

Angenommen, der Spiegel würde über einen solchen Fall bei der Frankfurter Allgemeinen berichten, dann würde der Artikel auch so ähnlich aussehen, denke ich. Natürlich schwingt da auch Schock zwischen den Zeilen mit. Vom Stil her ist der verlinkte Artikel, meiner Meinung nach, auch so wie andere Berichte im Spiegel geschrieben sind: prosaisch/ weckt Emotionen beim Leser.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Tintenteufel

#7
Der Spiegel, - Verzeihung, DER SPIEGEL - das war diese Bildzeitung für Abiturienten, oder?  :hmmm:

So. Nachdem der alte Witz von noch älteren Kabarettisten jetzt hinter uns liegt, bitte zur Sache:

@Rosentinte Ich denke die häufige Nennung des Namens hat zwei Gründe. Einerseits, wie Zitkalasa schon sagte, trifft das den Stil vom Spiegel: Einfach, direkt, emotionsgeladen, mit vielen Anleihen an mündlichen Sprachgebrauch. Manche Stilisten nennen das Blatt ja auch "den obersten Verhunzer der deutschen Sprache" (Wolf Schneider).
Andererseits... naja, je häufiger erwähnt wird, dass Relotius der Böse ist und nur der Herr Relotius und Herr Relotius allein, desto weniger wird auf den Spiegel verwiesen, der sich ja offenbar sieben Jahre lang hat belügen lassen und einen Märchenerzähler zum Chefredakteur(!) gemacht hat. Dass die Sache komplizierter ist als das, sollte klar sein. Aber oft den Namen verwenden, um auf die Person zu verweisen, ist da ein beliebter Griff. Noch sowas, was die sich von der Bild abgeguckt haben.

Ich gebe an der Stelle auch sehr offen zu, keine besonders hohe Meinung vom Spiegel zu haben. Das hat verschiedene Gründe, die an dieser Stelle nur von der Sache ablenken. Besonders die Verschandelung von Jan Assmann nehme ich denen richtig übel. "Lügenpresse" oder anderen Unsinn würde ich ihnen aber nicht vorwerfen wollen.
In dieser Sache schließe ich mich Rosentinte dagegen an: Offen sein, Namen nennen und vor allem die Kontrolle über die Diskussion selbst in der Hand behalten, indem man die Diskussion von Anfang an lenkt, ist in so einer Situation nur angemessen. Zumindest dafür haben sie meinen Respekt - andere Zeitungen hätten das tot geschwiegen oder leise auf dem kleinen Dienstweg erledigt.

Was die Karriere von Relotius angeht, da kenne ich mich zu wenig aus. Ich hab den Mann nicht wirklich verfolgt, den Namen heute zum ersten Mal bewusst gehört, und ich kenne weder das journalistische Feld noch die Schriftstellerkarriere gut genug. Allerdings vermute ich, dass da recht wenig vorbei ist. Zumindest die Literaturverlage haben in der Vergangenheit ja oft ein Auge zugedrückt. Und sollte er explizit nicht bestraft werden, kann ich mir auch gut vorstellen, dass er sich da noch retten kann. Dann hat er eben "emotionale Wahrheiten" verbreitet oder "für eine gute Sache" oder "im Kern richtig" geschrieben, nur halt "ausgeschmückt". Der Mann ist 33 und scheinbar ja hochdekoriert. Behält er die Preise und hat nur einen Ansehensverlust zu befürchten, dann sieht die Sache in fünf bis sieben Jahren ganz anders aus.
Zumindest aus der Ferne scheint mir "Journalismus" (Gänsefüßchen weil je nach Definition) nicht nur ein weites Feld zu sein, sondern auch offen für ziemlich viel Schindluder. Ohne die Diskussion umlenken zu wollen, befürchte ich, dass man da ohne einen solchen öffentlichen und klaren Pranger wie bei dem Artikel auf SPON nicht viel ausrichten könnte. Insofern ein dritter Grund, den Namen oft genug zu wiederholen und mit Lügen in Verbindung zu bringen.

Churke

Sowas, vom Fact Finder zum Faktenerfinder.  ;D
Der Mann hat sich wohl einen Wettbewerbsvorteil verschafft, indem er seiner Zielgruppe immer die richtigen Stories lieferte. Daher auch die Preise. Die Juroren sollten sich mal an der Nase fassen aber das werden sie natürlich nicht.

Lino

#9
@Sunflower  Danke für den Hinweis mit Tom Kummer.

Ich hatte mich gerade gefragt, ob damit der Spiegel überhaupt noch die Nutzungsrechte an den Artikeln hat. Laut Vertrag ging es doch um journalistische Beiträge und nicht um belletristische Fantasy?  ???

Im Gegensatz zu Tom Kummer hat er auch fast nicht gegen das Urherberrecht verstoßen. Würden wir ihn aufnehmen?  ;)

Das Ganze ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Lügenpresserufer. Gesellschaftlich nicht schön. Ich hatte vorher auch keine so gute oder nur mittlere Meinung vom Spiegel. Ich finde es aber sehr gut, wie sie damit umgehen. Laut Spiegelartikel hat er sich aber gar nicht so viel Mühe gegeben. Und offensichtliche Fehler gemacht.

Lothen

Zitat von: Lino am 19. Dezember 2018, 23:24:12
Das Ganze ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Lügenpresserufer. Gesellschaftlich nicht schön.
Das stört mich insgesamt auch am meisten. Die Medien (v.a. Print) sind ohnehin in einer "Glaubenskrise", nicht zuletzt dank der intensiven Bemühungen von Trump, alles, was ihm nicht gefällt, als Fake News darzustellen.

Mich überrascht dieser Vorfall auch weniger als er sollte. Vor Jahren gab es mal einen Vorfall, bei dem herauskam, dass ein renommierter Psychologe reihenweise Studienergebnisse gefälscht bzw. mit erfundenen Daten gearbeitet hatte (in insgesamt > 38 Arbeiten, von denen eine sogar bei "Science" veröffentlicht hätte werden sollen).

Solange Leute Profit daraus schlagen können, Dinge zu erfinden (und damit im Zweifel Zeit und Geld sparen) werden sie das vermutlich tun. Im Nachhinein bleibt dann wirklich kaum mehr übrig als Schadensbegrenzung zu betreiben und zu überlegen, wie es dazu kommen konnte.

Zitat von: TintenteufelDann hat er eben "emotionale Wahrheiten" verbreitet oder "für eine gute Sache" oder "im Kern richtig" geschrieben, nur halt "ausgeschmückt". Der Mann ist 33 und scheinbar ja hochdekoriert. Behält er die Preise und hat nur einen Ansehensverlust zu befürchten, dann sieht die Sache in fünf bis sieben Jahren ganz anders aus.
Das befürchte ich auch. Belletristische Plagiator*innen werden auch nach ein paar Jahren wieder in großen Verlagen publiziert, sogar unter Klarnamen und nicht unter Pseudonym.

Sturmbluth

Zitat von: Lothen am 20. Dezember 2018, 09:03:40
Das befürchte ich auch. Belletristische Plagiator*innen werden auch nach ein paar Jahren wieder in großen Verlagen publiziert, sogar unter Klarnamen und nicht unter Pseudonym.
Ja. Das Problem ist eben, dass "Hochstapelei" nicht wirklich bestraft wird. Deshalb sind dieses ganzen Blender auch so erfolgreich. Es geschieht ihnen nichts, wenn sie erwischt werden. Aber sie gewinnen umso mehr, wenn sie lügen. Man muss nur einmal die Augen aufmachen und dann findet man viele Blender, häufig auch im eigenen Umfeld. "Coaches", "Experten", "Manager" - ich habe schon einige Leute getroffen, bei denen klar war, dass sie lügen. Häufig kann man sie aber nicht ohne großen Aufwand bloßstellen. Z.B. kannte ich jemand in einer Firma , der die einzige Schnittstelle zu einem Kunden war. Er hat dies derart ausgenutzt, dass er alles, was er erreichen wollte mit "Der Kunde möchte es aber so" begründet hat. Und dieser Blender hat dann auch alles dafür getan, dass er der einzige blieb, der mit dem Kunden sprach. Wie ein Priester, der gerade mit "Gott gesprochen hat".

Ich bin ja im Hundesport aktiv, da gibt es auch reihenweise Blender. "Coaches" die dir erzählen wollen, was der Hund gerade denkt. Viele Seminarteilnehmer hängen denen an den Lippen und wenn du eine kritische Frage stellst, wirst du sofort auf recht aggressive Weise von der gesamten Gruppe als "Unwissender" gebranntmarkt. Diese Leute verdienen ihr Geld damit, andere davon zu überzeugen, etwas zu wissen, das sie gar nicht wissen können.

Ein Bekannter, der mit mir studiert hat, brach sein Studium der Japanologie ab und ist nun "Business Coach, der Managern die Weisheit Asiens nahebringt". Dafür hat er sich ein Profil zusammengelogen, das niemand als gelogen aufdecken kann, der ihn nicht kennt. Ich kenne ihn. Ich weiß, dass er diese Sprachen nicht spricht, die er vorgibt zu sprechen. Die Kampfkünste nicht beherrscht, die er vorgibt, zu beherrschen. Aber sein Publikum GLAUBT, dass er das alles kann - weil er ihnen keine Chance gibt, ihn zu enttarnen. Fragen werden ins Lächerliche gezogen und der ganze Saal tobt. Damit verdient der sein Geld. Als Blender.

Ähnlich wird es bei diesem Spiegel-Journalisten gewesen sein. Er hat irgendwann entdeckt, dass er andere Leute davon überzeugen kann, ihm zu glauben, dass er die Wahrheit schreibt. Er wird auch Mechanismen entwickelt haben, Prüfer davon abzuhalten, zu genau nachzuprüfen.

Churke

Der Spiegel war schon immer ein Blatt des Meinungsjournalismus. Zu "und wenn es nicht die Wahrheit ist, dann ist es gut erfunden" ist der Schritt nicht so groß. 

Zitat von: HSB am 20. Dezember 2018, 10:24:04
Er hat irgendwann entdeckt, dass er andere Leute davon überzeugen kann, ihm zu glauben, dass er die Wahrheit schreibt. Er wird auch Mechanismen entwickelt haben, Prüfer davon abzuhalten, zu genau nachzuprüfen.

Libenter homines id qoud volunt credunt, hat Cäsar gesagt, die Menschen glauben gerne das, was sie sich wünschen. Der Rest ist einfach nur überzeugendes Auftretenn.  ;)

Malinche

Ich bin auf Twitter dazu noch über ein paar Kommentare und Links gestolpert, in denen es darum ging, den Fall auch als einen Hinweis auf allgemeine, strukturelle Probleme zu nehmen.

Einerseits halt im Hinblick auf die Form von Journalismus, die das sprachlich schöne Geschichtenerzählen über die trockenen Fakten stellt (und die Relotius' Fabulierkunst auch begünstigt hat), andererseits Aspekte wie Leistungsdruck und Beschäftigungsmodelle. In dem Fichtner-Artikel wird an einer Stelle ja erwähnt, wenn ein Journalist mal keine Story finden kann, dann lässt er es halt und für alle ist das okay, auch wenn Recherchegelder verbrannt worden sind. Dazu hatte ich irgendwo den Kommentar gelesen, dass das in der Realität wohl kaum so bedingungslos vorkommt - vor allem nicht, wenn man kein fester, sondern freier Mitarbeiter ist. Dann überlegt man sich nämlich, ob man wirklich mit leeren Händen zurückkommt.

Was natürlich keine Entschuldigung für Relotius ist, andere kommen mit Versagensängsten und ähnlichem auch klar, ohne gleich zum Münchhausen zu werden. Und natürlich dürfte die Angst vorm Scheitern, von der er spricht, auch zu großen Teilen die selbstgemachte gewesen sein, wenn er sich mit dem Erfolg seiner Fakes die Messlatte Stück für Stück höher gepackt hat. Aber ich fände es schon spannend, wenn da auch noch weiterführende Fragen gestellt würden, die den Fokus nicht nur auf diese eine Person reduzieren, sondern auf das System und seine Strukturen und was davon in diesem konkreten Fall mit reingespielt hat. Allerdings vermute ich, das wird nicht passieren.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Steffi

#14
Zitat von: Lothen am 20. Dezember 2018, 09:03:40

Mich überrascht dieser Vorfall auch weniger als er sollte. Vor Jahren gab es mal einen Vorfall, bei dem herauskam, dass ein renommierter Psychologe reihenweise Studienergebnisse gefälscht bzw. mit erfundenen Daten gearbeitet hatte (in insgesamt > 38 Arbeiten, von denen eine sogar bei "Science" veröffentlicht hätte werden sollen).

Dass das natürlich absolut nicht geht, versteht sich von selbst. Aber: Ich arbeite selbst in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut (allerdings forsche ich nicht selbst sondern bin im administrativen Bereich unterwegs), und die Wissenschaftler stehen unter einem enormen Druck, zu publizieren. So viel wie nur möglich. Das hat meistens wenig mit Selbstdarstellung zu tun, sondern hat oft pragmatische Gründe: Wer publiziert, im besten Falle in renommierten Zeitschriften veröffentlicht wird und Ergebnisse präsentiert, bekommt Fördergelder, die die weitere Forschung - und dazu gehören oft auch Doktorandenstellen, die von den Fördergeldern mitfinanziert werden - ermöglichen. Unser Institut wird unter anderem durch mehrere Universitäten und Kooperationen getragen, und bei den regelmäßigen Evaluationen spielen die Anzahl und Präsenz der Publikation eine wichtige Rolle.  Und obwohl es absolut nicht richtig ist, Zahlen zu schönen usw. kann ich es vom rein menschlichen Aspekt doch verstehen.

Und da sind wir dann wieder bei Malinches Kommentar: Das System und die Strukturen spielen bei solchen Fälschungen eine nicht zu verachtende Rolle, sowohl im Journalismus als auch in der Wissenschaft.
Sic parvis magna