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Fake News beim Spiegel - Claas Relotius

Begonnen von Wildfee, 19. Dezember 2018, 13:48:50

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Angela

Das Ganze ist sehr, sehr gefährlich. Fake News und so. Donald the Trump.
Ich habe schon genug Reportagen gelesen, in denen die Reporter/innen durch die Hölle gegangen sind, um sie schreiben zu können. Etliche sind dafür gestorben/ermordet worden. Es ist eine Schande, dass all das nun automatisch mit heruntergezogen wird. Nee, da gibt es keine Entschuldigung für, absolut keine.

Wildfee

Seine Preise, die er erhalten hat, wird er wohl zurückgeben, zumindest hat er das per SMS angekündigt.

cryphos

Das erinnert mich an »Jan Hendrik Schön«, nur dass damals nicht so transparent aufgearbeitet wurde, wie im Spiegel Fall.
Damals las ich auch, dass Schön, wie so viele Wissenschaftler, unter Druck stand zu publizieren und auch deswegen Messreihen schönte um liefern zu können.

Klar, er hat die Zahlen geschönt, er hat geschummelt, aber nicht aus Profitgier sondern auch weil er sich vom System dazu gezwungen sah.
Nun ist das System also nicht perfekt, wie alles vom Menschen geschaffene und es verführt Menschen dazu zu schummeln, lügen, betrügen...
Aber nicht das System ist Schuld, sondern die Menschen, die ihm zu sehr nachgeben.

Manchmal steht man leider vor der Wahl zu betrügen oder eine Leistung nicht erbringen zu können. Im ersten Fall kann man sich evtl ohne Konsequenzen durchmogeln im letzteren Fall steht man meist vor unmittelbaren Konsequenzen, Konsequenzen, die einem direkt Schaden zufügen und leiden lassen.
Davor drücken sich manche und das ist in meinen Augen nicht in Ordnung. Jeder hat an diesem Punkt die Wahl zwischen Wahrheit mit teils brutalen Folgen oder den scheinbar leichteren Weg in Ausflüchten. Wer den leichten Weg wählt, darf das aber nicht auf das System schieben, denn die Person selbst hat diese Entscheidung gefällt und ist diesen Weg gegangen.

Churke

Zitat von: Angela am 20. Dezember 2018, 13:29:40
Das Ganze ist sehr, sehr gefährlich.

Warum? Zeitungsenten und Tartarenmeldungen sind so alt wie das Pressewesen. Wir wollen nur nicht wahrhaben, dass der Journalistenberuf so aussieht und es auch immer sein wird, weil man ihn genau dafür bezahlt:

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.cfm?image_id=2234&language=german


Zitat von: cryphos am 20. Dezember 2018, 14:19:40
Aber nicht das System ist Schuld, sondern die Menschen, die ihm zu sehr nachgeben.

Sehe ich anders. Wenn du ein System so einrichtest, dass es die Betrüger und die Windhunde nach oben spült, dann spült es die auch nach oben. Nennt sich Moral Hazard.

Angela

Zitat von: Churke am 20. Dezember 2018, 14:36:54
Zitat von: Angela am 20. Dezember 2018, 13:29:40
Das Ganze ist sehr, sehr gefährlich.

Warum? Zeitungsenten und Tartarenmeldungen sind so alt wie das Pressewesen. Wir wollen nur nicht wahrhaben, dass der Journalistenberuf so aussieht und es auch immer sein wird, weil man ihn genau dafür bezahlt:

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.cfm?image_id=2234&language=german


Das ist mir schon klar, Churke. Ich bin so ziemlich die Letzte, die noch irgendetwas glaubt, was gedruckt wird.
Gleichzeitig wird einer unliebsamen arabischen Journalistin immer wieder ein Bohrer in den Kopf gejagt und irgendeinem armen (jüdischen) Reporter auf der Suche nach der Wahrheit der Kopf abgeschnitten. Es gibt sie also schon noch da draußen.

Sunflower

So, uff. Mit einem Tag Abstand. Also noch @Rosentinte wegen der Namensnennung: Es ist tatsächlich schwierig. Journalisten sind nicht per se Personen des öffentlichen Lebens (zum Glück), aber an Claas Relotius herrscht schon ein starkes öffentliches Interesse, von daher ... und ich vermute, es wäre auch gar nicht geheimzuhalten. Aber schwierig ist es natürlich schon.

Ich glaube mittlerweile auch, dass der Fehler zumindest teilweise im System liegt, auch wenn die Hauptschuld natürlich Claas Relotius selbst trifft. Er hat betrogen. Er wusste, dass es falsch ist, was er tut. Jeder anständig ausgebildete Journalist weiß das, und er hatte eine Ausbildung (es gibt ja genügend ohne Ausbildung, aber die Ausrede gilt bei ihm nicht). Aber das Reportage-Schreiben begünstigt meiner Meinung nach leider solche Anwandlungen. Reportage ist immer Interpretation von Wirklichkeit. Was nebenbei auch erklärt, warum ich es bisher nicht geschafft habe, eine vernünftige Reportage zu schreiben, da war immer Totalblockade. Ich bin aber auch sehr wissenschaftlich-faktisch geprägt, es gibt sehr gute und sehr wahre Reportagen.

Ich denke, im Journalismus muss jetzt einiges hinterfragt werden. Die Reportage, Journalistenpreise, etc. Das soll nicht heißen, dass das abgeschafft werden soll, beides ist wertvoll. Aber hinterfragen muss man schon. Die ganze Diskussion war im Endeffekt lange überfällig und in gewisser Weise kann man Herrn Relotius auch dankbar sein, dass sie jetzt aufkommt.

Leider nimmt bei alldem nicht nur der Spiegel Schaden (was mir aus persönlichen Gründen schon genug wehtut), sondern auch der Journalismus. Und das tut mir gerade so verdammt weh, weil ich so viele Idealisten kenne, die diesen Beruf ergriffen haben, ihn lieben und bis aufs Blut verteidigen würden und weil mir das ganz genauso geht. Auch deshalb: Die meisten von uns sind keine schmierigen Lügner. Die meisten von uns fühlen sich der Wahrheit verpflichtet und wissen, welche Verantwortung sie tragen.

Ganz nebenbei kommt jetzt auch ein bisschen auf Twitter die Diskussion auf, ob das nun die neue junge Journalistengeneration ist und da könnte ich echt kotzen  :wums:
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Tintenteufel

Zitat von: Malinche am 20. Dezember 2018, 11:05:37
Ich bin auf Twitter dazu noch über ein paar Kommentare und Links gestolpert, in denen es darum ging, den Fall auch als einen Hinweis auf allgemeine, strukturelle Probleme zu nehmen.

Das wäre natürlich der Idealfall: Erkennen, dass klassische Medien (und Zeitungen sind ja mal so 1609) in der aktuellen Informationswelt nicht wie in den letzten Jahrzehnten funktionieren können. Erkennen, dass Vorwürfe von Lügenpresse und Manipulation auch deshalb ziehen, weil Medien mit veralteten Modellen und Ideen an die Sache herangehen.  Und Geschäftsmodelle und Strukturen umarbeiten, um dem entgegen wirken zu können.

Zitat von: Steffi am 20. Dezember 2018, 13:05:20
Zitat von: Lothen am 20. Dezember 2018, 09:03:40

Mich überrascht dieser Vorfall auch weniger als er sollte. Vor Jahren gab es mal einen Vorfall, bei dem herauskam, dass ein renommierter Psychologe reihenweise Studienergebnisse gefälscht bzw. mit erfundenen Daten gearbeitet hatte (in insgesamt > 38 Arbeiten, von denen eine sogar bei "Science" veröffentlicht hätte werden sollen).

Dass das natürlich absolut nicht geht, versteht sich von selbst. Aber: Ich arbeite selbst in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut (allerdings forsche ich nicht selbst sondern bin im administrativen Bereich unterwegs), und die Wissenschaftler stehen unter einem enormen Druck, zu publizieren. So viel wie nur möglich. Das hat meistens wenig mit Selbstdarstellung zu tun, sondern hat oft pragmatische Gründe: Wer publiziert, im besten Falle in renommierten Zeitschriften veröffentlicht wird und Ergebnisse präsentiert, bekommt Fördergelder, die die weitere Forschung - und dazu gehören oft auch Doktorandenstellen, die von den Fördergeldern mitfinanziert werden - ermöglichen. Unser Institut wird unter anderem durch mehrere Universitäten und Kooperationen getragen, und bei den regelmäßigen Evaluationen spielen die Anzahl und Präsenz der Publikation eine wichtige Rolle.  Und obwohl es absolut nicht richtig ist, Zahlen zu schönen usw. kann ich es vom rein menschlichen Aspekt doch verstehen.

Und da sind wir dann wieder bei Malinches Kommentar: Das System und die Strukturen spielen bei solchen Fälschungen eine nicht zu verachtende Rolle, sowohl im Journalismus als auch in der Wissenschaft.
Möchte ich vollständig unterschreiben.  Ist einer der Gründe, warum ich mit akademischer Forschung (nach langer Überlegung und beinahe 7 Jahren Universität, glänzenden Noten und guten Aussichten) nichts zu tun haben möchte. Man ist gefangen zwischen Hammer und Amboss, zwischen dem Anspruch, so löblich und genau wie möglich zu arbeiten, und dem Sachzwang, möglichst schnell möglichst viel zu veröffentlichen.
Da widerspreche ich Cryphos auf's aller, allerschärfste. Nicht nur aus persönlichen Gründen.
Selbstverständlich trägt jeder selbst die Verantwortung für sein Tun, aber das ändert nichts daran, dass systemische Zwänge massiv sind und alle ethischen Überlegungen von vornherein untergraben. Da stimme ich Churke zu: Das als Verfehlungen Einzelner Schwacher darzustellen, die eben mit Druck nicht umgehen können, ist aus vielerlei Gründen problematisch. Allen voran legitimiert es solche Systeme, die direkt, nachweisbar und unvermeidlich zu solchen Ausfällen führen.

Wenn wir bei der Analogie mit der wissenschaftlichen Forschung bleiben - die ich für vergleichbar halte und in der ich direkte Erfahrungen habe, was ich vom Journalismus nicht behaupten kann - dann ist der Druck, der dort auf einem lastet, unvergleichbar. Das sind nicht teils brutale Folgen, wenn Leistungen nicht erbracht werden, sondern existenzvernichtende. In den allermeisten Fällen.
Nicht veröffentlichen heißt aus der Karriereleiter zu fliegen - beinahe augenblicklich und ohne Ersatz. Da ist man nicht kurz arbeitslos, bis der nächste Job um die Ecke kommt, sondern man hat 12 Jahre Ausbildung und 8 Jahre Forschung in den Sand gesetzt und steht vor dem Nichts - Forscher ohne Praxiserfahrung nimmt nämlich keine Sau in der freien Wirtschaft.
Das entschuldigt weder schlampig Arbeit noch Schönfärberei noch Relotius - und ich bin der erste, der dem Spiegel bei mieser Arbeit ebenjene vorwirft - aber in so einem Klima ist es eben gerade nicht die einmalige Entscheidung eines Einzelnen, zu lügen. Sondern es ist eine systemisch geförderte und geforderte Entscheidung - weil es um Ergebnisse um jeden Preis geht.
Das macht anständige Menschen krank in der Seele und unanständige zu Lügnern.

Churke

Zitat von: Sunflower am 20. Dezember 2018, 22:05:45
Die meisten von uns fühlen sich der Wahrheit verpflichtet und wissen, welche Verantwortung sie tragen.

Die Wahrheit des Journalisten ist die redaktionelle Linie. Wenn du das Falsche schreibst, interessiert den Verleger nicht, ob es die Wahrheit ist. Du bist draußen.

Steffi

@Tintenteufel Ich unterschreibe deinen Post voll und ganz. Ich bin echt froh, hier den Luxus zu haben, eine Angstellte in der Verwaltung zu sein und keine Wissenschaftlerin, denn der Druck und der Konkurrenzkampf unter den Universitäten und Forschungseinrichtungen ist enorm. Und das nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Zahlen oder Ergebnisse zu verdrehen ist nicht richtig, aber dass man sich - gerade wenn es um die eigene Existenz geht - dazu gezwungen sieht, kann ich dennoch verstehen.
Sic parvis magna

Sunflower

@Churke, die Erfahrung habe ich in vier Jahren Journalismus tatsächlich noch in keinem Haus gemacht, nicht mal implizit. Ich will da gar nicht so viel diskutieren, weil ich vermute, dass du da schon eine fertige Meinung hast und mir eh nicht glaubst, aber ich war mittlerweile in fünf verschiedenen Redaktionen und musste noch nie die Haltung eines Textes anpassen. Und ich schreibe auch über Nicht-Mainstreamthemen wie Postwachstum.
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- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Zit

Zitat von: Steffi am 21. Dezember 2018, 10:55:03
@TintenteufelZahlen oder Ergebnisse zu verdrehen ist nicht richtig, aber dass man sich - gerade wenn es um die eigene Existenz geht - dazu gezwungen sieht, kann ich dennoch verstehen.

Gerade bei Wissenschaften sehe ich die Gefahr, dass sie Menschenleben gefährden, wenn Studien geschönt sind. Angenommen in der Krebsforschung schönt einer die Wirksamkeit eines Medikaments – das spielt dann mit den Hoffnungen vieler Ärzte und Kranker. Oder genmanipuliertes Saatgut wird als harmlos eingestuft, etc. pp. (Gibt natürlich Lobbyismus, der sich Studien nach eigenem Vorteil zusammenstricken lässt. Das ist ein anderes, ähnliches Problem.)
Je nach Blatt und Thema lässt sich öffentliche Meinung durch Journalisten auch beeinflussen, gerade wie es bei Herr Relotius war, wenn seine Stories auch international Aufmerksamkeit fanden. Das ist nicht einfach nur "nicht richtig", das kann auch gefährlich sein für das Wohl aller.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Tintenteufel

Zitat von: Zitkalasa am 21. Dezember 2018, 12:23:00
[...]
Je nach Blatt und Thema lässt sich öffentliche Meinung durch Journalisten auch beeinflussen, gerade wie es bei Herr Relotius war, wenn seine Stories auch international Aufmerksamkeit fanden. Das ist nicht einfach nur "nicht richtig", das kann auch gefährlich sein für das Wohl aller.

Das will ich auch - nur für's Protokoll - weder relativieren noch in Abrede stellen. Natürlich ist das gefährlich. Und natürlich haben Einzelne da auch Verantwortung für.
Mir geht es nur darum, dass es vermutlich keine unmoralischen Einzeltäter sind, sondern dass da systemische und weitreichende Probleme und Zwänge vorliegen, die solche Einzeltäter begünstigen.

Ich hoffe es ist okay, wenn ich da kurz dazwischen grätsche, @Sunflower? Ich finde das Thema nämlich interessant. Was mich interessieren würde: Wie sieht es von Innen mit diesen Zwängen aus? Wie gesagt kenne ich die nur aus dem akademischen Bereich. Ich habe nur von zwei oder drei Leuten gehört, dass die Arbeitsverhältnisse, die Sicherheit, der Umgang miteinander im Journalismus auch eher prekär sind. Auch was eigentlich Festangestellte angeht.
Ich könnte jetzt viel drüber spekulieren, wie das "am Boden" aussieht, aber das bringt ja nichts. :) Gerne auch per PN, weil es mich persönlich sehr interessiert und ich um Gottes Willen keine Journalisten hier an den Pranger stellen oder zur Rechtfertigung anhalten möchte.


Sunflower

@Tintenteufel, deine Frage ist tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. Vor allem, damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Ich will nicht so tun, als hätte ich diesen Beruf schon bis auf den letzten Winkel durchblickt. Ich arbeite daran ;) Ich bin noch Studentin, mittlerweile im dritten Mastersemester, und ich bin auf einer Journalistenschule, und nach fünf Praktika und einer fast beendeten Ausbildung zur Redakteurin glaube ich, dass ich schon das eine oder andere mitbekommen habe. Auch von Kollegen, Mitschülern, usw. Aber natürlich ist das nur mein subjektiver Eindruck und meine Erfahrungen.

Was ich als erstes sagen muss: Der Journalismus ist kein an sich prekärer Beruf. Sonst würde ich ihn nicht ergreifen. Ich bin schon leidenschaftlich und ein bisschen bekloppt, aber nicht so bekloppt. Es ist schwer sich durchzusetzen, aber es ist schon machbar. Aber ich glaube, gerade als Freiberufler ist es alles andere als leicht. Der Anfang ist auf jeden Fall beschwerlich, bis man genug Auftraggeber hat und das mit der Zweitverwertung drauf hat (Artikel mehrmals verkaufen). Was auch viele machen: ein Thema für Rundfunk und textlich verarbeiten. Dann hat man aus einer Recherche mehrere Erträge. Aber erstens braucht man dafür entsprechendes Equipment, dann die Auftraggeber und die Routine. Man arbeitet immer auf eigenes Risiko, und die Kritik, die auf Twitter zu Relotius geäußert wurde, ist glaube ich schon berechtigt: Dass ein Freier sich das nicht leisten könnte, auf Recherchereise zu gehen und dann mit leeren Händen zurückzukommen.

Bei Festagestellten ist die Lage besser, aber sehr unterschiedlich. Ich war schon bei Tageszeitungen, da ist es zurzeit sehr finster.* Man verdient wirklich schlecht, weshalb auch kaum gute Leute zu Tageszeitungen gehen, ist so ein Teufelskreis. Tageszeitungen bezahlen auch Freie unterirdisch. Es gibt aber noch große Medien, die wirklich anständig zahlen. Die goldenen Zeiten sind vorbei, so viel wie in den 80ern wird niemand mehr verdienen. Aber man kann schon okay-gut davon leben. Am besten noch beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, auch wenn die natürlich auch die Medienkrise spüren.
*Ich habe aber auch schon eine Tageszeitungsredakteurin getroffen, die superzufrieden mit ihrem Leben ist und auch anständig verdient und das zeigt, dass es wirklich wahnsinnige Unterschiede gibt.

Um nicht ewig viel rumzulabern: Es gibt wirklich solche und solche. Es gibt Freie, die am Existenzminimum kratzen und welche, die verdammt gut davon leben. Es gibt Festangestellte, die gut leben und welche, die es nicht tun. Was ich aber sicher sagen kann, ist, dass man beim Spiegel schon gut leben kann. Claas Relotius hat nicht um seine Existenz gekämpft, er hat das ganz sicher nicht getan, weil er Angst davor hatte, die nächste Miete nicht bezahlen zu können (wobei, ich weiß natürlich nicht, wo er wohnt ;)). Der Leistungsdruck ist bei großen, altehrwürdigen Blättern aber unter Umständen schon sehr hoch. Wenn man einen Haufen exzellente Journalisten um sich herum hat, vielleicht denkt man dann, man muss irgendwie mithalten.

Was die Sicherheit angeht: Es gibt zu viele befristete Verträge im Journalismus, ich weiß nicht, was für einen Relotius hatte. Kann sein, dass das mit reingespielt hat. Ich glaube, er hat schon gelitten. Ich glaube nicht, dass er das allein deshalb gemacht hat, weil er so gern Geschichten erfindet. Aber das sind Mutmaßungen und am Ende hat er alles verraten, woran ich glaube und womit ich mich identifiziere.

Zum Umgang untereinander etc. will ich in einem öffentlichen Board nichts sagen, aber ich kann da schon ein paar Dinge erzählen. Per PN, falls es dich interessiert.
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Zit

Zitat von: Tintenteufel am 21. Dezember 2018, 14:28:52
Zitat von: Zitkalasa am 21. Dezember 2018, 12:23:00
[...]
Je nach Blatt und Thema lässt sich öffentliche Meinung durch Journalisten auch beeinflussen, gerade wie es bei Herr Relotius war, wenn seine Stories auch international Aufmerksamkeit fanden. Das ist nicht einfach nur "nicht richtig", das kann auch gefährlich sein für das Wohl aller.

Das will ich auch - nur für's Protokoll - weder relativieren noch in Abrede stellen. Natürlich ist das gefährlich. Und natürlich haben Einzelne da auch Verantwortung für.
Mir geht es nur darum, dass es vermutlich keine unmoralischen Einzeltäter sind, sondern dass da systemische und weitreichende Probleme und Zwänge vorliegen, die solche Einzeltäter begünstigen.

Gegenprotokoll: Das habe ich auch gar nicht bestritten. ;D Eben gerade weil das System so ist, finde ich es umso schlimmer. Da ist ja genauso als würde ich bewusst faule Kartoffeln in den Boden stecken, die mickrige Ernte am Ende aber mit Wasser voller Vitamine, Mineralien/ etc. pp. aufpumpen und teuer verkaufen – und mich dann noch für den außergewöhnlichen Geschmack loben lassen und den Kartoffelwirtschaftspreis der Branche einheimsen. Wenn das alle machen, weil das System so gestrickt ist, bei wem gibts dann überhaupt noch ungedopte Kartoffeln – und was ist der Preis überhaupt noch Wert? Das ist alles Augenwischerei denen gegenüber, die nicht Teil der Branche sind.
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Unbekannt