• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

THDuana

Hallo Anathor,

ich persönlich lese die Ich-Perspektive ungern, aber gu hast Recht, man kann den Leser unter Umständen besser ins Geschehen einführen.
Dennoch empfinde ich es als ein wenig seltsam, wenn ich lese:
Ich nahm sie am Arm und zerrte sie durch die Gasse.
Das klingt für mich nicht sehr natürlich, lieber:
Er nahm sie am Arm und zerrte sie durch die Gasse.

Klar, der Leser ist vielleicht etwas näher dran, aber das ist eben Geschmackssache.


Duana

maggi

Hallo ihr Lieben,

ich hab da mal eine Frage an euch. Wie macht ihr das eigentlich mit den Perspektive? Bis jetzt habe ich immer fest an einer Person festgehalten, durch dessen Augen die Geschichte erzählt wurde, aber in letzer Zeit denke ich immer häufiger darüber nach, welche tollen Story-Optionen ich hätte, wenn ich die Perspektive regelmäßig wechseln würde. In TV-Serien hatt man ja oft viele verschiedene Charaktäre mit verschiedenen Storylines und das funktioniert. Könnte das bei einem Buch auch funktionieren? Oder ist das zu verwirrend? Braucht der Leser einen festen Protagonisten, um sich zu identifizieren? Braucht er eine lineare Story-Line um bei der Stange zu bleiben?
Was habt ihr da für Erfahrungen gemacht?

(Momentan arbeite ich an einem Projekt, dass so ähnlich aufgebaut ist, wie Harry Potter. Heißt: Contemporary Fantasy mit Jugendlichen und Geschichten die hauptäschlich in einer Schule spielen. Ich würde aber auch ganz gerne die Geschichten meiner älteren Protagonisten mit einfließne lassen. Eventuell eine Spion-Geschichte als B-Plot und eine Politik-Geschichte als C-Plot)

Aarous

Zwei oder mehr Handlungstränge funktionieren auch im Buch, wenn sie gut umgesetzt werden kann das sicher nicht schaden (in der Hinsicht finde ich den Schwarm genial). Dem einen oder anderen Leser wird es vllt sauer aufstoßen, plötzlich aus ner anderen perspektive zu lesen, aber das ist dann deren Problem ;D
Ich kenne dein Projekt nicht, aber wenn die Geschichten der erwachsenen Protas für das Geschehen an der Schule unwichtig ist, würde ich wohl darauf verzichten - einfach weil es nicht zum eigentlichen Plot gehört und deshalb maximal in einem anderen Buch erzählt werden sollten.

Prinzipiell ist nichts an mehreren Handlungssträngen auszusetzen, aber sie sollten sich schon irgendwann treffen/überschneiden sonst wirkt das als wären zwei Bücher in einen Einband gepappt worden.
Ich persönlich scheue aber davor zurück, weil es mMn anspruchsvoller ist, so einen Plot zu entwerfen und den dann auch konsequent umzusetzen.

eclipse

Sicher funktioniert das, ich für meinen Teil finde Bücher, die nicht nur aus einer Perspektive geschrieben sind, meist sogar spannender. Ich lege damit gern falsche Fährten, gebe dem Leser ein paar Infos mit, die der Hauptfigur fehlen, oder nutze es einfach, um Charaktere facettenreicher rüberzubringen. Hast du dich zu dem Thema schon durch den "Alles zur Perspektive"-Thread im Workshop geschmökert? Da dürftest du einiges zu dem Thema finden.

caity

Hallo,

grundsätzlich: Ja, klar, kein Problem. Aber (und jetzt kommt das große aber ^^") man darf es auch nicht übertreiben. Ich hatte mal als Stichwert für einen 300-400-Seiten langen Roman 5 Personen als Höchstwert genannt bekommen. Mittlerweile finde ich, das man das nicht zu eng sehen darf. Tatsache ist aber, dass der Leser sich natürlich auf die verschiedenen Personen einlassen muss und je mehr Personen innerhalb einer Geschichte auftreten, desto verwirrender wird das Ganze mitunter. Auch würde ich davon abraten, verschiedene Geschichten in ein Buch einzubauen, die nicht viel bis gar nichts miteinander zu tun haben. Wenigstens irgendwie schneiden müssen sich die Storylines, sonst ärgert sich der Leser im nachhinein und fragt sich, warum er nicht nur einen Charakter vorgesetzt bekommen hat, wenn die anderen doch gar nichts damit zu tun haben.
Mein Hauptrojekt umfasst 3 Protagonisten mit jeweils eigener Geschichte, die im Laufe des ersten Romans zusammenwächst. Mir macht das Spaß und ich finde es auch schön.
Ehrlich gesagt bin ich aber überrascht, dass du selbst keine Bücher zu kennen scheinst, die das machen - vielleicht irre ich mich, aber deine Frage hörte sich danach an ::)

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Churke

Zitat von: maggi am 30. Dezember 2008, 19:53:51
In TV-Serien hatt man ja oft viele verschiedene Charaktäre mit verschiedenen Storylines und das funktioniert. Könnte das bei einem Buch auch funktionieren?
Dazu muss ich gleich mal was sagen: Ein Buch ist ein anderes Medium als ein Film. Der Leser muss sich mit dem Protagonisten identifzieren, sich in seine Situation hinein versetzen und mit ihm mitleiden. Dies setzt entsprechend lange Erzählabschnitte voraus. Wenn ich Story schreibe wie einen Film, dann habe ich ständig Brüche in der Handlung. Sofern man das nicht beabsichtigt, sollte man es bleiben lassen.

Tenryu

Dazu würde ich sagen: Ja, gerade wegen des Fernsehens kann und darf man so etwas heutzutage machen. Denn die Leser sind solche Erzählstrukturen eben von dem täglichen Fernsehkonsum gewöhnt.

Ich würde sogar so weit gehen und sagen, daß der moderne Leser (insbesondere von Unterhaltungsliteratur) viel mehr Abwechslung, Szenische Darstellungen, Perspektivwechsel und visuelle Assoziationen erwartet, als das früher der Fall war. Würde man heute so schreiben wie Charles Dickens, Jules Verne oder Kar May, dürfte man ernste Probleme bekommen, einen Verleger (und Käufer) zu finden.

Churke

Nimm dir mal vor, eine Geschichte mit der Erzählstruktur von "24" zu schreiben. In der zig Protagonisten jeweils 2-3 Minuten Zeit bekommen, um die Geschichte voran zu treiben. Versuch es einfach mal. Ich glaube nicht, dass du mit der Wirkung zufrieden sein wirst.  :hmmm:

ZitatIch würde sogar so weit gehen und sagen, daß der moderne Leser (insbesondere von Unterhaltungsliteratur) viel mehr Abwechslung, Szenische Darstellungen, Perspektivwechsel und visuelle Assoziationen erwartet, als das früher der Fall war.

Wenn ich mich in ein Figur hinein versetzt habe, dann will ich gerade nicht die Figur wechseln, weil es ja gerade so schön spannend ist. Der Wechsel ist ein dramaturgischer Kniff, um die Spannung zu steigern, und er ist m.E. nur gerechtfertigt, wenn der zweite Handlungsstrang ebenso fesselt wie der erste. Ich muss gestehen, es gibt Bücher, da habe ich komplette Handlungsstränge überblättert, weil sie mich langweilten.  :gähn: Der Punkt ist einfach: Langeweile kann man nicht beheben, indem man am strukturellen Aufbau eines Romans herumdoktert. Die von dir geforderte Abwechslung ist das Sahnehäubchen, aber jeder weiß, dass zum Sahnehäubchen noch ein Dessert gehört.  :vibes:

Moni

#98
Hallo maggi,

das Thema Perspektive wurde schon mehrmals in diesem Forum besprochen. Die Suchfunktion mit dem Wort "Perspektive" bringt einiges an Ergebnissen.

Bitte die Regeln dieses Boards beachten, daß nicht sofort ein neues Thema aufgemacht wird, sondern auch erst mal in entsprechenden älteren gesucht werden soll.

Hier der Link zum Workshopthread Alles zur Perspektive.

Diesen Thread hier schließe ich jetzt.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Felsenkatze

*ausgrab*

Jetzt habe ich mich durch diesen Thread gelesen, bin aber immer noch nicht schlauer. Also stelle ich doch mal eine Frage:

Bisher habe ich immer nur Geschichten mit Perspektivwechsel geschrieben, wenn sich die Charaktere an unterschiedlichen Orten befanden - zum Beispiel die Prinzessin in ihrem Schloss und dann (zeitgleich) den Ritter auf seiner Queste (das nur zur Verdeutlichung). Ich meine auch, in irgendeinem Schreibratgeber mal gelesen zu haben, dass Perspektivenwechsel auch möglichst mit einem Ortswechsel verbunden sein sollten. Denn es gäbe keinen Sinn und wäre zu verwirrend, wenn sich alle Perspektivträger an einem Ort aufhalten - dann könne man ja gleich nur einen nehmen.

Nun habe ich aber mein altes Zentaurenprojekt ausgegraben, in dem es viele wunderbar ausgearbeitete Charaktere gibt, und ich überlege, wie ich das in Zukunft mal angehen könnte. Ursprünglich war ein junges Mädchen der Perspektiventräger, aber jetzt glaube ich, dass ein Wechsel der Erzählfiguren der Geschichte gut tun würde.
Es handelt sich bei dem Setting um eine Art Harem, im Haus eines Magierfürsten, und das ist eine Umgebung, in der sehr viel "hinter den Kulissen" passiert - Intrigen, die das Mädchen nicht mitbekommt, politische und persönliche Auseinandersetzungen und so weiter. Ich würde mir nun gerne drei oder vier der Figuren herauspicken und als Perspektiventräger einsetzen - nur: die sind nun alle im selben Haus bzw. der selben Stadt, und manches, was sie mitbekommen, wird sich auf jeden Fall überschneiden. Ich hatte zwar nicht vor, Sachen doppelt zu erzählen, aber natürlich werde ich zum Beispiel in einer Szene nach einem Streit den Streit aus der Sicht des neuen Perspektiventrägers aufgreifen (müssen).
Mein Ziel mit diesem Plan ist es einerseits die Vorgänge besser herausarbeiten zu können, und andererseits auch die verschiedenen Charaktere besser ins Licht zu rücken.

Was denkt ihr, ist so etwas möglich, oder ist es einfach unsinnig, mehrere Perspektiventräger an ein und demselben Ort zur gleichen Zeit zu haben?

Coppelia

Nö, das geht doch super? Ich hab das schon häufiger gemacht (nicht zuletzt bei Lotti, was du ja auch kennst, Ronja ;)).
Z. B. habe ich eine Reise zweier Charaktere abwechselnd aus der Sicht der Charaktere erzählt. Das war aber auch eine sehr charakterzentrierte Geschichte, sodass es wichtig war (fand ich), die Einstellung beider Charaktere zu den Dingen zu hören.
Oder eine Geschichte über 4 "Agenten", die für dieselbe Organisation arbeiteten, aber alle unterschiedliche Einstellungen zueinander und zum Geschehen hatten.
Ich glaube, Sinn macht das nur nicht dann, wenn alle Perspektiventräger auch dieselbe Ansicht haben. Es muss schon für die Geschichte wichtig sein und sie bereichern.
Aber übertreiben sollte man das wohl nicht. Was ich ja hasse, ist, wenn aus der Perspektive einer Figur erzählt wird und sie dann am Ende der Perspektive stirbt - und das das ihr einziger Perspektivenauftritt war! Mark, mein Coautor, hat das gemacht ... das fand ich jarnich juht.

Antigone

Sieh dir mal veröffentlichte Bücher an. Da wird in vielen munter die Perspektive gewechselt, dass dem Leser nur so der Kopf schwirrt. (wobei ich finde, dieses "Da wird der Leser verwirrt" maßlos überschätzt wird. Ein bisschen Mitdenken ist dem Leser ja durchaus zuzumutbar)

Was ich damit sagen will: in Schreibratgeber steht viel drin, was dann in der Praxis nicht befolgt wird. Perspektivenwechsel nur in Verbindung mit einem Ortswechsel wäre mir viel zu streng.

Ich habe das Problem für mich so gelöst: ich trachte danach, Perspektiven nicht innerhalb einer Szene zu wechseln. Und wenn es sich partout nicht vermeiden lässt, mach ich zumindest einen Absatz.

lg, A.


Churke

Zitat von: Felsenkatze am 04. Juni 2009, 13:16:28
Ich meine auch, in irgendeinem Schreibratgeber mal gelesen zu haben, dass Perspektivenwechsel auch möglichst mit einem Ortswechsel verbunden sein sollten. Denn es gäbe keinen Sinn und wäre zu verwirrend, wenn sich alle Perspektivträger an einem Ort aufhalten - dann könne man ja gleich nur einen nehmen.

Das halte ich für Käse. Allerdings sollte man sich - wie Coppelia ja schon angedeutet hat - genau überlegen, warum man die Perspektive wechseln will. Ständiges Herumspringen kann schnell dazu führen, dass man seinen Erzählstrang zerhackstückt - womit man sich selbstredend keinen Gefallen tut.
Das ist eben die alte Regel: So wenige Perspektivträger wie möglich und so viele wie nötig. 

Zitat
Was denkt ihr, ist so etwas möglich, oder ist es einfach unsinnig, mehrere Perspektiventräger an ein und demselben Ort zur gleichen Zeit zu haben?
Wenn du die Träger für deine Geschichte brauchst, dann brauchst du sie. Fertig. Man könnte höchstens einwenden, dass die Geschichte nicht funktioniert, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Jara

Ich denke auch nicht, dass es ein größeres Problem sein sollte, mehrere Perspektivträger am gleichen Ort zu haben.
Wahrscheinlich sind ja auch nicht alle tatsächlich an der gleichen Stelle, sondern bekommen an unterschiedlichen Schauorten Verschiedenes, ohne das die Handlung nicht funktionieren würde, mit.

Ich halte es in einem Projekt sogar so, dass meine zwei Protas sich die Perspektive teilen, wenn sie zusammen sind.
Nacheinander wird eine Szene vom einen, die darauffolgende vom zweiten erzählt. Das ist nötig, weil ich in die Köpfe beider schauen muss, am Anfang ihre Vorurteile offen legen und später ihre Beziehung zueinander beleuchten muss.

Letztendlich ist das wohl immer Umsetzungssache. Wenn ich einen Roman schlüssig, spannend und fesselnd erzählen kann, obwohl oder gerade weil ich mehrere Perspektivträger - auch auf engstem Raum - benutze, spricht nichts dagegen.

Franziska

Ich habe gerade diesen Thread durchwühlt, weil ich ein Problem mit meinem Ich-Erzähler habe. Ich schreibe und lese eigentlich gerne in der Ich-Form. Bei meinem aktuellen Projekt habe ich jedoch das Problem, dass einmal Ereignisse aus der Kindheit und dann zehn Jahre später als Erwachsener erzählt werden sollen und meine Testleser meinten, es wäre nicht gut, dass in verschiedenem Stil zu schreiben, es wäre besser, alles in der Rückblende zu erzählen. Da habe ich grundsätzlich nichts gegen, dass würde die logischen Probleme lösen. Nur muss ich mir jetzt ausdenken, wem, wie und warum er alles erzählt und auch noch, ohne zu viel vorwegzunhemen. Vielleicht kann mir da jemand gute Beispiele nennen. Ich habe schon "Im Namen des Windes" gelesen, wo es auch so gelöst ist, aber der Erzählstil, der sich so ergibt ist nicht ganz meins, auch wenn mir das Buch gut gefallen hat.