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Liebesszenen - Aufbau und Vermeidung von Klischees

Begonnen von .Alice, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Maja

Ich wollte auch nie Sexszenen schreiben ...
Aber ehe ich hier abschweife, was genau ist jetzt das Thema dieses Threads - sind mit Liebesszenen gleich die direkten Geschlechtsverkehre gemeint, oder reichen schon Blicke, Gedanken, Berührungen, die dann nicht im Bett/Busch/Auto enden, sondern vielleicht ... verpuffen?

Wieauchimmer.
Meine Figuren waren sehr steril. Sie minnten, aber sie liebten nicht. Ich habe erst langsam lernen müssen, daß nicht jede literarische Berührung gleich in einer Peinlichkeit ausarten muß (wie ich in der Einleitung zu den Liebesakten schon geschrieben habe, bin ich zutiefst geschädigt durch Anne Rices Machwerk "Die Mumie oder Ramses der Verdammte").
Monis und meine erste Liebesszene sah ungefähr so aus:

"Sie breiteten ihre Decken aus und fachten ein Feuer an, als plötzlich ein Schnaufen und Grunzen aus einem entfernten Gebüsch erklang. Sofort sprangen alle auf und blickten wild um sich.
»Bei Rak, was war das nur?«
»Hiiilfe!« kreischte Lili. »Der Dämon!«
»Grunz!«  -  Es war eine Wildsau!
Mit einem gewagten Satz sprang Lili in einen nahen Busch, Dohbie folgte ihr heldenmutig ohne zu zögern.
(...)
In diesem Augenblick raschelte es wieder im Gebüsch.
»Die Sau kommt zurück!«
Doch es waren nur Lili und Dohbie, wenn auch in reichlich derangiertem Zustand. Lilis blonde Locken waren zerzaust und Dohbie hatte seine Tunika verkehrt herum an. Niemand mußte noch fragen, wie sie die Zeit zugebracht hatten."

Knisternde Erotik pur, made in 1995 (@Moni: Halt dir den 15. Feburar frei! Zehn Jahre Öbba!)

Später kam dann Schritt für Schritt mehr Liebe ins Spiel, aber ich weigere mich immer noch kategorisch, manche Dinge und Details beim Namen zu nennen, um sie nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Als ich anfing, die Liebesakte für den Elomaran-Zyklus zu schreiben (und mich heute noch immer wieder fragen muß - haben die da keine anderen Hobbys?), saß ich oft abends mit meinen Mitbewohnerinnen in der Küche, und wir lasen und Liebesszenen vor, zwischen Männern, versteht sich. Ich brachte meine eigenen Texte ins Rennen, Thirteen las aus einem Werk, das (glaub ich) "Das Flammende Schwert" hieß und von schwulen Gladiatoren im alten Rom? Griechenland? handelte, und Zoe las Poppy Z. Bride. Wir haben viel gelacht und am Ende beschlossen, daß ich zumindest einen guten zweiten Platz gemacht hatte.

In welcher Stimmung muß man sein, um Liebesszenen zu schreiben? Den Akt zwischen Alexander und Damiander, dem Engel des Rausches, der nur so von Sinnlichkeit triefen sollte, schrieb ich im Zug, direkt gegenüber einem übergewichtigen, übelriechenden und darüber hinaus erstaunlich häßlichem alten Mann, was für meine Phantasie spricht, oder dagegen. Heutzutage spare ich mir sowas lieber für einen besonderen Moment auf, damit ich jeden Satz in Ruhe genießen kann, vielleicht bei einem Glas Wein (nein, nein, nein! nicht ein Glas pro Satz!).
Aber inzwischen nehme ich mir wieder den Luxus heraus und kehre zurück zu meinen Anfängen, und blende dezent ab oder mache das Licht aus. Weniger ist eben doch noch mehr.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Manja_Bindig

Tja, aber es kommt auch darauf an, WIE man ausblendet... einfach so - zack - abbrechen, wenns spannend wird, is bei mir nich drin, das versaut die Stimmung immer. Diese Abbrechungen sind dann immer das, was ich mir für Latein aufhebe... meist sitze ich die ganze doppelstunde dran(abgezogen die Zeit, die ich mit übersetzen, mitschreibe etc. verbringe). Anders gesagt... raaaaaaaaaaaaah, mich treibts regelmäßig an den Rand des Wahnsinns.

Moni

Zitat(@Moni: Halt dir den 15. Feburar frei! Zehn Jahre Öbba!)

Oh Gott, ich komm mir so alt vor....  :o 10 Jahre Öbba!!
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Lastalda

Deswegen nennt man es sanftes Ausblenden. Immer so, dass der Leser sich so viel vorstellen kann, wie er mag, dass ein gewisses prickeln zurückbleibt, aber eben nichts an Detail vom Autor kommt, und wenn, dann sehr vage umschrieben. So ungefähr stelle ich mir das perfekt vor. Habe auch schon ein paar solche Szenen gelesen, aber noch keine selber geschrieben... was daran liegen mag, dass ich die letzte Szene, die man vielleicht halbherzig Liebesszene nennen könnte, mit 14 oder so geschrieben habe, und das Kitsch pur war... ::)

Lastalda

Manja_Bindig

#19
HAH! Ich hab es geschafft, einen Akt zu schreiben! Ist es denn die Möglicheit! *das eigentlich gar nicht auf die Reihe kriegt, weil zu peinlich*
Und zwar nachdem mich meine Mutter zwei Stunden lang mit rosamunde Pilcher Filmen *grün anlauf* *würg* gequält hat("Du bleibst hier! Sonst gibts kein Taschengeld!"). Kisch am laufenden Band, extrem ungünstig gesetzes Ausblenden bei den etwas weniger jugendfreien Szenen... irgendwann hatt ich es so satt, dass ich meine 15€ hab sausen lassen und aufgestanden bin. Und kaum hatt ich die Kladde und den Füller am Schreibtisch...
Vielleicht sollte man sich - wenn man denn vorhat, DAS zu schreiben, aber eine Art Ladehemmung hat - mit Rosamunde Pilcher quälen. Nacher muss man nur noch den extremen Kischgehalt wegtupfen und fertig...

Judith

Auweia, ein leidiges Thema bei mir. Ich bin ja so ein verklemmter Mensch.....  ::)
Nein, ehrlich: Ich kann und will keine detaillierte Bettakrobatik schreiben. Gut, das verlangt auch keiner von mir, aber ich hab auch schon mit sehr jugendfreien Liebeszenen meine Probleme. Da ich immer Angst habe, in Kitsch abzudriften, kommt meist das Gegenteil heraus: Das ganze ist ohne Gefühl und von Leidenschaft kann erst gar nicht die Rede sein.  :-/
Könnte daran liegen, dass ich ein eher unromantischer Mensch mit krankhafter Beziehungspanik bin.  ::)

Vielleicht sollt ich auch mal Rosamunde Pilcher-Filme gucken... *würg*  ;D

Manja_Bindig

Das hilft, wetten? Am Ende hast du nähmlich so viel von dem Kitsch intus, dass du eine totale Rosa-Wolken-Szene schreibst oder du hast es so satt, dass es... nun ja, weniger rosa hergeht.
Wobei mir einfällt, dass mich mal eine freundin, als ich mich bei ihr darüber ausgeheult habe, angehauen hat: "Wieso, das was du machst reicht doch! Ne detailierte Bettszene haut die ganze Stimmung doch 'putt!"
Werde ich mir in Zukunft vor augen halten... kein Akt der Welt ist es wert, dass ich mein Gehirn dauerhaft diesem Rosarote-Wolken-und-Herzschmerz-Mist aussetze.

Manja_Bindig

Wobei ich sagen muss: Rosamunde Pilcher ist gerade noch erträglich... die Fime nach den Hedwig-Courts-Mahlers Büchern sind es definitiv NICHT. Gut, die Bücher auch nciht. Aber was ich mir wegen dem Kino am Dienstag antun musste(tja, Lastalda, was tut man nicht alles für Constantine...)... nee... danach war ich zu nix mehr in der Lage. (vielleicht lag es auch daran, dass ich meine utter unentwegt angestarrt habe).

Nicht einmal eine extrem heftige Bettszene(die ich nie veröffentlichen werde, auch hier nciht) hat das wieder gutmachen können... ich bin auf Lebenszeit geschädigt...

Arielen

also, ich finde, jeder sollte bei den Liebeszenen so weit gehen, wie er selber kann und sich nicht dazu zwingen. Denn sonst kommt quasi nur Krampf raus (meine Erfahrung). Irgendwann kommt die Lust dazu (oder eben auch nicht!.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Lastalda

Am einfachsten ist es wohl, zu schauen, welche Liebesszenen, die man zwangsläufig irgendwo mal gelesen hat, einem gefallen haben - und sich daran zu orientieren...

Manja_Bindig

Also fällt anne Rice mit ihrer Mumie schon mal raus, ne? *löl*

Lastalda

Sozusagen. ;D Obwohl, es soll ja auch Leute geben, die sowas mögen... ::)

Lastalda

Doriol

Ich denke, an Liebesszenen sollte man mit den gleichen Überlegungen herangehen, die man auch bei allen anderen Szenen anstellen sollte (jedenfalls versuche ich es  ;)):

Welchen Beitrag liefert die Szene zur Handlung?
Welche Wirkung hat sie im Kontext der Geschichte?
Fügt sie sich in den Spannungsbogen ein?
Trägt sie zur Entwicklung der Charaktere bei?
Welche Details sollten geschildert werden, welche sind verzichtbar?
etc.

Viele Liebesszenen sind leider ziemlich platt und absolut unspannend. Das mehrfach erwähnte Buch von Anne Rice kenne ich nicht, aber diverse Szenen beispielsweise aus den Ayla-Bänden von Jean Auel. Im Grunde passiert in diesen seitenlangen Szenen garnichts; es gibt keine Entwicklung, keine Veränderung und erst recht keine Punkte, an denen die Handlung eine überraschende Wendung nimmt.
Das Ende dieser Aneinanderreihung technischer Details ist ebenso vorhersehbar wie die penetrante Schilderung von Glück, Zufriedenheit und Harmonie anödend.

Mal im Ernst: Welche Nicht-Liebesszene könnte denn mit einem derartigen Ansatz funktionieren?

Wer will schon eine Geschichte lesen, in der die Helden immer glücklich sind und in trauter Harmonie leben? Da fehlt die Spannung - im wahrsten Sinn des Wortes.

Allerdings scheint dieser Effekt tatsächlich auffallend häufig bei Liebesszenen aufzutreten. Vielleicht liegt es daran, daß manche Autoren solche Szenen eher als schmückendes Beiwerk sehen.

Von meinen eigenen Liebesszenen mag ich denn auch jene am liebsten, in der alles eine böse Wendung nimmt und beide am Ende eben nicht glücklich und zufrieden sind. Die Spannung zwischen den Figuren wird eher verstärkt als gemindert; so wird die Szene und der (verunglückte) Sex der beiden Hauptfiguren zum tragenden Bestandteil der Gesamthandlung.

Schöne Grüße,

Andreas

Manja_Bindig

Hm... Harmonie.
Wenn der Held der Geschichte glücklich ist, macht es doch gleich viiiiiel mehr Spaß, ihn ins Unglück zu stürzen. Falls das bei Ayla der Fall ist, können diese Szenen ruhig vorkommen...

wenn ich mir so mein zweites Buch ansehe... die armen Kerle können nciht eine Minute zusammen sein. Da staut sich ewig was, auf, das entlädt sich... danach ein kurzer moment ruhe, bis dann der große Krach kommt. Das hat mir wirklich Spaß gemacht, weil die szene mir sehr leicht von der Hand ging... ich wollte schnell fertig werden, um den Großen Krach zu schreiben.

Allgemein... es ist immer wieder schön, neben der eigentlichen Spannung noch diese sexuelle Ladung aufzubauen und die dann einfach zu entladen... man freut sich auch eher auf die entsprechenden Szenen. Ist jedenfalls bei mir so.

Arielen

Manche Romane beziehen ihre Spannung übrigens auch daraus, ob ein Pärchen nun zusammenkommt oder nicht, und vor allem wie und warum es im Bett landet. Die knistern dann meistens vor erotischer Spannung.

Dagegen scheinen mir andere Romane nur um die Sex-Szenen herum geschrieben zu sein - wie Doriol schon sagte, dann wirken sie meistens platt und aufgesetzt!
Alles liegt im Auge des Betrachters