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Wenn eure Geschichten euch zum Weinen bringen

Begonnen von PinkPuma, 18. Dezember 2015, 10:11:03

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Trippelschritt

@ flowrite
Ich habe keine Probleme Deine Befremdung zu verstehen, denn Tränen erwecken immer zwiespältige Gefühle. Vor allem die Tränen anderer. Ich habe nur Schwierigkeiten zu verstehen, was Du unter professioneller Distanz eines Autors verstehst. Für mich ist das ein Widerspruch in sich. Als Profi brauche ich Nähe und keine Distanz. Distanz würgt meinen Kreativprozess völlig ab. Allerdings gleite ich nicht (hoffentlich) in rührseligen Kitsch ab.
Wahrscheinlich gibt es diesbezüglich so viele Meinungen und Wahrnehmungen wie es Autoren gibt und ich möchte meine eigene Sicht der Dinge auch nicht als besonders wichtig herausstellen. Nur möchte ich davor warnen, dass ein Autor in allen Phasen seines Schreibprozesses eine Distanz aufbauen und behalten sollte. Verallgemeinert wäre das für mich nicht professionell.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Aljana

Zitat von: flowrite am 24. Januar 2016, 01:06:00

Eine gewisse professionelle Distanz zu allen Figuren zu wahren, gehört für mich zum A&O schriftstellerischen Schaffens. Wenn mir dabei Tränen in die Augen schießen., heißt das: Schreibstift beiseite legen und der Trauerphase frönen. Vielleicht mit anderen Stellen weiterschreiben, erst mit unverfänglichen (in der es also eh keine Bezüge zur toten oder leidenden Figur gibt), dann die Reminiszenzen ... Mit dem Tod der Figur ins Reine kommen, sich in den Fortlauf der Geschichte fügen. Es ist ja mitnichten so, dass man als Intuitivschreiber (im Gegensatz zu Planschreibern) Macht darüber hätte, gell. Erst dann wieder dransetzen und die Gefahr, dass der Text über meinem Tränenfilm in rührseligen Kitsch abgleitet, ist gebannt. Bei mir würde diese Gefahr nämlich bestehen, deshalb habe ich nämlich schon mal eine Kurzgeschichte rigoros auf die Hälfte gekürzt.



Ja flowrite ein wenig kann ich dich verstehen. Und ich gebe dir völlig recht. als intuitivschreiber hat man nicht immer die Macht darüber. es kommt plötzlich und teils unerwartet und dann steht man da und der eigene geleibte Held liegt in seinem eigenen Blut vor einem und das schon im zweiten Kapitel ... Ich lege dann allerdings den Stift nicht weg, sondern schreibe, oder denke die Szene dann einfach mal in all ihrer kittchigen Schönheit zu Ende. Wenn es raus muss muss es raus. auch der Kitsch. Ihn später nochmal zu überabeiten (und zwar rigoros) ist dann aber ein wichtiger Schritt. Dennoch denke ich, dass man nicht zu distanziert sein sollte, wenn man den Leser berühren will. Es gibt große Gefühle in Romanen und sie kleinzureden oder zu schreiben ist auch falsch. Aber das richtige Maß finden ist definitiv schwierig.

Judith

Wenn ich mir eure Beiträge so durchlese, fühle ich mich nun wie eine seltsame Schreiberin. Ich muss zwar sehr schnell und häufig weinen, wenn ich ein Buch lese, aber wenn ich schreibe, dann ist mir das noch nie passiert. Egal, wie emotional die Szene ist oder wie gern ich die Figur habe, die ich gerade umbringe.
Ob das etwas mit der von flowrite gewünschten Distanz zu tun hat, weiß ich nicht, aber ich bezweifle es. Meine Figuren spuken bei mir immer sehr lebhaft im Kopf herum und selbst jetzt, da ich ewig nicht mehr geschrieben habe, sind sie in meinen Gedanken sehr präsent. Manchmal bringe ich es auch kaum übers Herz, ihnen etwas schlimmes anzutun und muss mich sehr überwinden, um solche Szenen dann zu schreiben. Aber weinen: nein, noch nicht einmal annähernd; nur bei "fremden" Geschichten.
Ich hoffe mal sehr, dass das nicht bedeutet, dass solche Szenen von mir dann auch Lesern nicht nahegehen.  :hmmm: Aber andererseits finde ich meine eigenen Geschichten auch nicht spannend (wie denn, wenn ich in der Hand habe, was als nächstes passiert) und konnte trotzdem schon Betaleser damit fesseln.

Fynja

Zitat von: Judith am 24. Januar 2016, 12:58:44
Wenn ich mir eure Beiträge so durchlese, fühle ich mich nun wie eine seltsame Schreiberin. Ich muss zwar sehr schnell und häufig weinen, wenn ich ein Buch lese, aber wenn ich schreibe, dann ist mir das noch nie passiert. Egal, wie emotional die Szene ist oder wie gern ich die Figur habe, die ich gerade umbringe.
Ob das etwas mit der von flowrite gewünschten Distanz zu tun hat, weiß ich nicht, aber ich bezweifle es. Meine Figuren spuken bei mir immer sehr lebhaft im Kopf herum und selbst jetzt, da ich ewig nicht mehr geschrieben habe, sind sie in meinen Gedanken sehr präsent. Manchmal bringe ich es auch kaum übers Herz, ihnen etwas schlimmes anzutun und muss mich sehr überwinden, um solche Szenen dann zu schreiben. Aber weinen: nein, noch nicht einmal annähernd; nur bei "fremden" Geschichten.
Ich hoffe mal sehr, dass das nicht bedeutet, dass solche Szenen von mir dann auch Lesern nicht nahegehen.  :hmmm: Aber andererseits finde ich meine eigenen Geschichten auch nicht spannend (wie denn, wenn ich in der Hand habe, was als nächstes passiert) und konnte trotzdem schon Betaleser damit fesseln.

Ehrlich gesagt beruhigt es mich ein wenig, dass du das schreibst, denn mir geht es in allen Punkten genau so. Beim Schreiben selbst empfinde ich zwar sehr wohl Emotionen, aber geweint habe ich noch nie dabei, aber flowrites Sicht trifft auf mich auch nicht zu, weil ich manchmal trotzdessen eher zu wenig Distanz zu meinen Figuren wahre. ::)  Und beim Schreiben selbst finde ich meine Geschichten auch nie spannend, was oft genug zu Selbstzweifeln führt. Wenn ich aber Jahre nach dem Schreiben mal wieder in ein Projekt hineinschnuppere, nur zum Lesen, nicht zum Überarbeiten, dann sehe ich da auf einmal einen Spannungsbogen und verdrücke die ein oder andere Träne. Aber nur dann. Nur gerade, wenn genügend Abstand zur Geschichte da ist, obwohl ich ja immer noch weiß, was passieren wird.  :hmmm:
Hier unterscheidet sich bei mir also ganz klar die Perspektive des passiven Lesers und des aktiven Schreibers. Weshalb es aber so ist, kann ich gerade nicht herausfinden. Ich denke allerdings nicht, dass wir deshalb so seltsame Schreiber sind, vielleicht versetzen wir uns nur auf eine andere Weise in unsere Figuren hinein. Eine Hypothese meinerseits wäre, dass ich auch im realen Leben eher weine, wenn ich das Leid "anderer" sehe, wenn es mir selbst schlecht geht, empfinde ich zwar auch heftige Emotionen, aber das Weinen kommt immer erst später, beim Verarbeiten der Erlebnisse, und nicht während den Geschehnissen selbst.

Klecks

Zitat von: flowrite am 24. Januar 2016, 01:06:00
Eine gewisse professionelle Distanz zu allen Figuren zu wahren, gehört für mich zum A&O schriftstellerischen Schaffens.

Das ist nicht persönlich gemeint, aber als ich das gelesen habe, war ich sehr erstaunt, weil ich mir das einfach für mich persönlich überhaupt nicht vorstellen kann. Für mich gehört zum A und O schriftstellerischen Schaffens nämlich die Nähe zu allen Figuren. Für mich ist es das schönste Gefühl überhaupt, ihnen nahe zu sein, und für mich hat das überhaupt nichts mit Professionalität oder Nicht-Professionalität zu tun. Ob jemand weint oder nicht weint, übrigens auch nicht.  :hmmm:

Vic

Zitat von: Klecks am 24. Januar 2016, 15:34:46
Das ist nicht persönlich gemeint, aber als ich das gelesen habe, war ich sehr erstaunt, weil ich mir das einfach für mich persönlich überhaupt nicht vorstellen kann. Für mich gehört zum A und O schriftstellerischen Schaffens nämlich die Nähe zu allen Figuren. Für mich ist es das schönste Gefühl überhaupt, ihnen nahe zu sein, und für mich hat das überhaupt nichts mit Professionalität oder Nicht-Professionalität zu tun. Ob jemand weint oder nicht weint, übrigens auch nicht.  :hmmm:

Sehe ich genauso. =)
Ich denke beides kann funktionieren, aber ich brauche diese Nähe zu meinen Charakteren auch.
Ich muss sie immerhin besser kennen als ich meine engsten Freunde kenne und dabei bleibt einfach nicht aus, das man ihnen sehr nah kommt. Ich bin immerhin in den emotionalsten wichtigsten Momenten ihres Lebens nicht nur Anwesend sondern vermutlich sogar in ihrem Kopf. Viel näher kann man jemandem eigentlich nicht sein, oder?  :lehrer:

Fianna

Ich finde, es geht beides. Ich fühle mich meinen Charakteren auch nahe, dennoch ist mein Verhältnis zu ihnen meist das eines Schachspielers zu seinen Figuren.

Trippelschritt

Und ich bin in guten Szenen in ihnen drin und lebe sie. Leider gelingt mir das nicht immer.

Trippelschritt

foxgirl

Ich denke bis zu einem gewissen Punkt ist das auch Geschmackssache. Ich persönlich brauche die Nähe zu meinen Figuren, damit sie glaubhaft und lebendig sind. Das heißt in meinem Fall eben auch in Kauf zu nehmen, dass mir immer mal wieder die Tränen kommen. Ich denke nicht, dass das Weinen etwas über die Nähe oder Distanz an sich aussagen muss, ich bin nur ohnehin ein emotionaler Mensch und weine eben bei meinen ebenso wie bei fremden Büchern. Ich schreibe dann auch weiter währenddessen und obwohl es danach, wie alles andere auch, Überarbeitung braucht, finde ich nicht einmal dass es bei mir dann besonders kitschig wird oder so. Ich glaube, dass es da nicht einen richtigen Weg gibt, sondern viele Ansätze. Man muss nur einen finden, der für einen selbst funktioniert, egal ob das heißt, dass man weiterschreibt oder pausiert wenn man weinen muss, ist eben persönliche Vorliebe.

Moni

Ich gehöre auch zu denen, die von ihren eigenen Geschichten nicht zu Tränen gerührt werden und ich muß gestehen, mir passiert es auch höchstselten bei Werken anderer. Generell habe ich eher bei Filmen oder Musik einen Kloß im Hals (oder Videospielen, ich sag da nur: Anfang von Last of us... )
Mich nimmt es durchaus auch mal mit, wenn ich eine sehr emotionale Szene schreibe, aber eher in Richtung Erschöpfung, als daß ich weinen muß. Vielleicht bin ich aber auch nicht empathisch genug, wer weiß.  ;D
Dabei würde ich nicht sagen, ich wäre distanziert zu meinen Figuren. Aber vielleicht "lebe" ich meine Geschichten auch nicht genug, es fällt mir in der Regel sehr leicht, einen Schritt zurückzutreten und einmal neutral zu betrachten.


Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
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Big Kahuna

ZitatEine gewisse professionelle Distanz zu allen Figuren zu wahren, gehört für mich zum A&O schriftstellerischen Schaffens. Wenn mir dabei Tränen in die Augen schießen., heißt das: Schreibstift beiseite legen und der Trauerphase frönen. Vielleicht mit anderen Stellen weiterschreiben, erst mit unverfänglichen (in der es also eh keine Bezüge zur toten oder leidenden Figur gibt), dann die Reminiszenzen ... Mit dem Tod der Figur ins Reine kommen, sich in den Fortlauf der Geschichte fügen. Es ist ja mitnichten so, dass man als Intuitivschreiber (im Gegensatz zu Planschreibern) Macht darüber hätte, gell. Erst dann wieder dransetzen und die Gefahr, dass der Text über meinem Tränenfilm in rührseligen Kitsch abgleitet, ist gebannt. Bei mir würde diese Gefahr nämlich bestehen, deshalb habe ich nämlich schon mal eine Kurzgeschichte rigoros auf die Hälfte gekürzt.

Ich hake mich zu der Aussage auch mal kurz ein:
Ich kann dir weder zustimmen noch widersprechen, da ich glaube, es ist Ansichtssache. Ich bin allerdings der Meinung, dass man Gefahr läuft, seine Figuren emotionslos wirken zu lassen, wenn man sich zu sehr von ihnen distanziert. Und wenn ich wegen der Gefühle in meinem Buch nicht mal selbst gerührt bin, ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass es beim Leser auch nichts hervorruft.
Aber das liegt vielleicht an mir, und ich bin ein seeehr emotionaler Schreiber.

Adalind

Meine Geschichten bringen mich nicht zum Weinen, auch, wenn sie noch so tragisch sind und auch, wenn noch so viele Hauptpersonen sterben. Ich finde die Vorstellung, beim Schreiben Tränen zu vergießen, eher merkwürdig, auch, wenn ich nicht genau sagen kann, warum. Vielleicht liegt es zu einem Teil daran, dass ich kein sonderlich emotionaler Mensch bin und generell sehr selten weine?

Was hin und wieder passiert, ist, dass mir etwas mulmig zumute wird, wenn ich eine meiner Figuren sterben lasse oder einer meiner Figuren das Leben kaputt mache. Besonders, wenn ich einer sehr liebgewonnen Figur, die mich schon lange begleitet, Schlimmes antue, habe ich ein schlechtes Gewissen.

Waldhex

Also ich bin ohnehin reichlich sensibel und emotional, von daher kommen mir schon immer wieder beim Schreiben die Tränen. Aber ich weine auch bei Filmen etc.
Ich werte es für mich eher als gutes Zeichen. Wie Big Kahuna schon geschrieben hat - wenn es mich nicht rührt, wenn soll es dann rühren?

Judith

Zitat von: Waldhex am 20. Februar 2016, 12:41:16
Wie Big Kahuna schon geschrieben hat - wenn es mich nicht rührt, wenn soll es dann rühren?
Nun ja, die Leser.  ;)
Ich gehe als Autorin logischerweise anders an meine Texte heran als als Leserin an fremde Texte. Wenn einen die Texte beim Schreiben nicht zum Weinen bringen, sagt das meiner Meinung nach nichts darüber aus, wie es dann den Lesern damit ergeht.

Siara

Zitat von: Judith am 20. Februar 2016, 12:49:31
Zitat von: Waldhex am 20. Februar 2016, 12:41:16
Wie Big Kahuna schon geschrieben hat - wenn es mich nicht rührt, wenn soll es dann rühren?
Nun ja, die Leser.  ;)
Ich gehe als Autorin logischerweise anders an meine Texte heran als als Leserin an fremde Texte. Wenn einen die Texte beim Schreiben nicht zum Weinen bringen, sagt das meiner Meinung nach nichts darüber aus, wie es dann den Lesern damit ergeht.
Dem stimme ich nur sehr begrenzt zu. Meiner Meinung nach merkt man doch sehr deutlich, wie sehr die Geschichte den Autor selbst mitgerissen hat. Weinen muss vielleicht nicht unbedingt sein, da ist sicher jeder anders, auch als Autor. Aber wenn eine traurige Szene einfach nur runtergetippt ist, und sei es in noch so hübschen Wörtern, ist das zu spüren. Es liegt vielleicht einfach an der mangelnden Empathie zu seinen Figuren, die dafür sorgt, dass man die Gefühlslage nur um einen Ton verfehlt. Traurig ist ja schließlich nicht gleich traurig. Damit man den Leser an der richtigen Stelle trifft, muss man meiner Erfahrung nach auch selbst tief berührt sein.

Was mich angeht: Ich habe beim Schreiben erst ein einziges Mal geweint. Meistens habe ich mich an extremen Stellen des Romans eher in einer Art Rausch befunden, in dem das Herz schnell schlägt, man starke Gefühle durchlebt. Aber ich bin einfach nicht so nah am Wasser gebaut. Diese eine Szene, wo es dann doch soweit kam, war eine vorgegriffene. Ich bin morgens aufgestanden, und musste sie einfach schreiben, obwohl chronologisch noch hundert Seiten zuvor kamen. Da habe ich dann tatsächlich von Anfang bis Ende geweint.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.