• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Erzählstil in historischen Romanen

Begonnen von Signy, 05. Dezember 2014, 11:38:51

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

THDuana

#15
Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 14:31:483. Dies ist ein Punkt, der mir mitunter Kopfzerbrechen bereitet. Ich habe versucht, Modernismen so gut es geht zu vermeiden. Mir stieß zuletzt ein "Baby" in einem Buch, das im 17. Jh. spielt auf - aber etliche Bekannte, die viel mehr Histos lesen als ich, nahmen den Begriff gar nicht wahr.
Baby ist, zumindest im englischen Sprachraum, kein Modernismus, dafür aber im Deutschen. Der Roman, von dem zu erzählst, ist er von einem/r englischsprachigen Autor/in? In der Übersetzung werden solche Begriffe gern einmal stehen gelassen. Zum Wort baby an sich, so hat eine kurze Internetrecherche meine Vermutung bestätigt: Es ist ein aus dem Mittelenglischen stammendes Wort, als Diminutiv ab etwa dem 14. Jahrhundert verwendet, ab ungefähr 1520 bzw. 1600 mit der Bedeutung "kindlicher Erwachsener". (Quelle hier und hier)

Churke

Mit einem deutschen Ersatzwort für "Baby" haben sich schon relativ erfolglos die Sprachhygieniker im 3. Reich befasst.

Signy

Zitat von: Duana am 05. Dezember 2014, 16:23:11
Baby ist, zumindest im englischen Sprachraum, kein Modernismus, dafür aber im Deutschen. Der Roman, von dem zu erzählst, ist er von einem/r englischsprachigen Autor/in? In der Übersetzung werden solche Begriffe gern einmal stehen gelassen. Zum Wort baby an sich, so hat eine kurze Internetrecherche meine Vermutung bestätigt: Es ist ein aus dem Mittelenglischen stammendes Wort, als Diminutiv ab etwa dem 14. Jahrhundert verwendet, ab ungefähr 1520 bzw. 1600 mit der Bedeutung "kindlicher Erwachsener". (Quelle hier und hier)

Deutsche Autorin, deutsches Buch, spielt im Deutschland des 17. Jahrhunderts.

Signy

Zitat von: Churke am 05. Dezember 2014, 16:29:54
Mit einem deutschen Ersatzwort für "Baby" haben sich schon relativ erfolglos die Sprachhygieniker im 3. Reich befasst.

"Säugling" ist doch ein absolut gebräuchliches Wort. Man absolviert Kurse in "Säuglingspflege", die Neugeborenen werden auf der Entbindungsstation von "Säuglingsschwestern" versorgt, man bereitet "Säuglingsnahrung" zu und der Duden führt "Säugling" nicht als Wortschöpfung der Neuzeit auf, sondern zurückgehend auf spätmittelhochdeutsch sūgelinc.

Ich verstehe nicht, was dein Hinweis auf "Sprachhygieniker im 3. Reich" aussagen soll. Darf man nichts anderes als "Baby" schreiben?

Lothen

Bei einem unter Einjährigen kann man sich sicherlich gut mit "Säugling" behelfen, aber bei einem älteren Baby wird es schwierig. Zwischen "Säugling" und "Kleinkind" liegt eben doch eine gewisse Spanne.

THDuana

Der Begriff baby umfasst mehr als nur die Bezeichnung eines Neugeborenen. Die verschiedenen Bedeutungen des Wortes können nicht nur mit einem Wort im Deutschen widergegeben werden; ich schätze so etwas Ähnliches meinte Churke.

Zum eigentlichen Thema: Ein, wie du sagst, "nüchterner" Sprachstil missfällt mir bei einem historischen Roman genauso wenig wie bei einem Liebes-, Fantasy-, Science Fiction- oder Kriminalroman. Ein Genre definiert sich für mich nicht über einen Sprachgebrauch, sondern über die Kombination von Erzählstil und Thematik. Wenn du davon sprichst, dass in vielen historischen Romanen ein "blumiger" Stil verwendet wird, so fallen mir genug Romane anderer Genres ein, die ebenso einen Adjektiv-geladenen Stil haben.
Die Verbindung zwischen den Leser in den Prtagonisten hineinzuziehen und einem ausschweifenden Sprachgebrauch muss auch nicht so bestehen. Man kann auch mit akzentuierten Beschreibungen Atmosphäre und Empathie erzeugen. Was beim historischen, genauso wie bei allen fiktionalen Genres (und ich gehe nun davon aus, dass du historische Fiktion meinst) den Lesern sehr gefällt ist, was meine Vorredner schon angesprochen haben: Man will sich die Welt vorstellen können. Man will, wie in einem Film mit historischem Thema, die Kleider, Gebäude, den Schmuck und Prunk, das Essen und die Einrichtung bewundern. Das sind alles Elemente, die sich zu einem Bild der Kultur verschmelzen und die möchte (historische) Fiktion schließlich auch übertragen.

Tigermöhre

Zitat von: Lothen am 05. Dezember 2014, 17:35:53
Bei einem unter Einjährigen kann man sich sicherlich gut mit "Säugling" behelfen, aber bei einem älteren Baby wird es schwierig. Zwischen "Säugling" und "Kleinkind" liegt eben doch eine gewisse Spanne.

Eigentlich nicht. Ein Säugling/Baby ist ein Kind bis 1 oder 1 1/2 Jahren. Alles was älter ist, ist ein Kleinkind. Aber da Kleinkind dann eine recht große Altersspanne hat, benutzen einige das Wort Kleinstkind.
Ich selber würde ein Kind über einem Jar genauso wenig Baby wie Säugling nennen und benutze die Begriffe synonym.

Churke

Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 17:32:17
"Säugling" ist doch ein absolut gebräuchliches Wort.
Ja, aber das sollte der/die gute Deutsche nicht verwenden, weil es so herzlos klingt.
Man präsentierte als Synonym dann "Kindlein". Dass diesem Wort der Durchbruch versagt blieb, dürfte nicht nur mit dem 8. Mai '45 zu tun haben, behaupte ich jetzt einfach mal so...  ::)

Blackhat

#23
@Signy Hilary Mantel schreibt in ihren bekannten Werken sehr nah an den historischen Begebenheiten. Ihre Protagonisten sind historische Figuren, wodurch die Romane teils schon autobiografische Züge aufweisen. Mir war "Brüder" dadurch zu langweilig, zumal einem das Schicksal eines Danton durchaus bekannt ist. Ist halt Geschmackssache.

Signy

Zum Thema "Baby" - ich wollte nur aufzeigen, dass ich das Thema zeitgenössische Wortwahl derart verinnerlicht habe, dass mir so etwas auffällt. Obwohl es augenscheinlich kein Grund für eine Ablehnung ist.
Bei mir - also in meinen Frühmittelalter-Settings, im realen Leben oder zeitgenössischen Settings durchaus - gibt es keine Babys, und wer mir jetzt aus der Verwendung des Wortes "Säugling" einen wie auch immer gearteten Strick drehen will, soll das gerne tun.

@Blackhat,
Wie finde ich heraus, wer im Histo-Genre noch so ähnlich schreibt (stilistisch) wie Cornwell, aber unbekannter ist?
Ich habe noch mal das Buch von ihm herausgekramt, das ich habe, und es ist wirklich krass, abgesehen von der düsteren Geschichte ist das wirklich die Art von Text, wie ich sie liebe und stilistisch bewundere.

Wenn ich bei amazon suche, werden mir nur noch mehr Cornwells angezeigt.

Ich bin ja immer noch auf der Suche nach Vergleichstiteln/Autoren fürs Exposé, viele Agenturen wünschen das ja, und bin mit meiner derzeitigen Auswahl unzufrieden.
Aber mich mit diesem Titan des Genres zu vergleichen würde ich niemals wagen. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich liebe seine Sprache, mein Stil geht in diese Richtung, aber natürlich besitzt er ungleich mehr Erfahrung und Übung, bei ihm sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle.

Klecks

#25
Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 10:37:42
Ich bin ja immer noch auf der Suche nach Vergleichstiteln/Autoren fürs Exposé, viele Agenturen wünschen das ja, und bin mit meiner derzeitigen Auswahl unzufrieden.
Aber mich mit diesem Titan des Genres zu vergleichen würde ich niemals wagen. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich liebe seine Sprache, mein Stil geht in diese Richtung, aber natürlich besitzt er ungleich mehr Erfahrung und Übung, bei ihm sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle.

Keine Sorge, Signy, ich bin sicher, du kannst ihn getrost nennen.  :D  Es geht bei dieser Angabe ja nicht um einen Vergleich, sondern um eine Orientierung für den Verlag/die Agentur, damit sie wissen, an welche Leser dein Buch gerichtet ist und Leser welcher Bücher deine Bücher kaufen würden. Die Agentur muss ja wissen, in welche Richtung das Geschriebene geht. Wenn dein Stil ähnlich wie der des anderen Autors ist, dann ist das eine für Agenturen wissenswerte Sache und ich an deiner Stelle würde es auf jeden Fall ins Exposé setzen. Wenn sie das nicht wissen wollten, würden sie das ja nicht fragen.  :jau:

Phea

Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 10:37:42
Ich bin ja immer noch auf der Suche nach Vergleichstiteln/Autoren fürs Exposé, viele Agenturen wünschen das ja, und bin mit meiner derzeitigen Auswahl unzufrieden.
Aber mich mit diesem Titan des Genres zu vergleichen würde ich niemals wagen. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich liebe seine Sprache, mein Stil geht in diese Richtung, aber natürlich besitzt er ungleich mehr Erfahrung und Übung, bei ihm sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle.

Kannst du es nicht so ins Exposé schreiben? Ich kenne mich damit jetzt nicht aus, aber ich glaube, ich würde es so schreiben, wie du es hier beschreibst. Also dass dein Stil zwar in die gleiche Richtung geht, du dich aber nicht mit ihm vergleichen möchtest/kannst.

Klecks

@Phea: Das würde auf mich den Eindruck machen, dass man sich nichts zutraut, und da der Buchmarkt eben ein hartes Business ist, in dem eine dicke Haut nicht schadet, könnte das in die Hose gehen, befürchte ich.  :hmmm:

Phea

Zitat von: Klecks am 06. Dezember 2014, 11:27:45
@Phea: Das würde auf mich den Eindruck machen, dass man sich nichts zutraut, und da der Buchmarkt eben ein hartes Business ist, in dem eine dicke Haut nicht schadet, könnte das in die Hose gehen, befürchte ich.  :hmmm:

Wie schon gesagt, ich kenne mich in Sachen Exposè gar nicht aus. Ich habe vielleicht mal eins geschrieben, bin dadurch auch an ein Verlag gekommen, der aber ehrlich gesagt grottig und zum Kotzen war. Dann soll sie das raus lassen  :rofl:

Klecks

Mein erstes Exposé war auch grottig und ich wurde trotzdem genommen.  :rofl:  Ich würde es auf jeden Fall rauslassen. Das wirkt duckmäuserisch und als würde man sagen: "Hier bin ich, eine kleine Autorin, die zwar auf den Buchmarkt will, aber sich überhaupt nicht zutraut, mit diesem und jenem Autor mitzuhalten". Selbst, wenn es so ist - und bei mir ist das so, ich traue mir auch nicht zu, mit einem Joe Abercrombie oder sonst wem dieser Bekanntheit mitzuhalten -, sollte das einer Agentur nicht vermittelt werden. Die wird sich dann nämlich fragen, warum sie in jemanden investieren soll, der sich selbst kleiner macht, als er ist, oder vorsorglich in Deckung geht.  ;)