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Wie mache ich den Mistkerl sympathisch?

Begonnen von HauntingWitch, 04. Juni 2014, 17:04:53

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HauntingWitch

Ich meinte, dass wir hier im Forum schon ähnliche Diskussionen hatten, aber irgendwie habe ich keinen Thread dazu gefunden. Falls doch schon einer existieren sollte, bitte einfach umtopfen. ;)

Es ist eine Frage, die mich schon länger beschäftigt, doch da ich gerade ein neues Projekt plane, wird das nun sehr konkret. Wie mache ich jemanden mit fragwürdigen Charaktereigenschaften sympathisch? Und ich meine jetzt nicht den typischen Anti-Helden, der dauerdeprimiert ist und eigentlich von seiner Aufgabe nichts wissen will. Sondern ich rede von Personen, deren gewisse Eigenschaft für die meisten Menschen fragwürdig/bedenklich/krankhaft oder was auch immer ist.

Z.B. wäre mein neuer Protagonist rein vom Charakter her jemand, der dazu neigt, seine Frau zu betrügen und dies auch tut. Nun, vermutlich würden die meisten Frauen ihn schon deswegen unsympathisch finden und ein Buch mit so einem Macho in die Ecke pfeffern. Ich möchte ihn aber eigentlich als sympathisch Darstellen, als jemanden, den Frau angeifern kann. Und das soll sich nicht ändern, wenn die Leserin herausfindet, dass er ein Fremdgeher ist.

Ein anderes Beispiel hatte ich vor einigen Monaten bei einer KG, ein Typ mit einem Blutfetisch und entsprechend seltsamen sexuellen Vorlieben. Eigentlich abartig, oder? Aber das ist ja nicht seine einzige Eigenschaft und doch eine wichtige (weil plotrelevant). Vermutlich würden aber die meisten ihn deswegen verurteilen, was ich ja vermeiden möchte...

Versteht ihr, was ich meine? Habt ihr Erfahrungen mit solchen Figuren und worauf achtet ihr?

Bitte startet keine Diskussion über persönliches Empfinden von Recht und Unrecht, normal und nicht normal, das ist ja ein sehr emotionales Thema und die Ansichten sind sehr individuell, was gut ist so. Ich würde einfach gerne sachlich über diese Romanfiguren reden, auf der Suche nach Input. ;)

Antonia Assmann

Hmm, ganz spontan: Wenn er fremd geht, dann lass ihn ein charmanten Fremdgeher sein. Gib ihm eine besondere Begabung Frauen Komplimente zu machen, oder lass ihn kochen wie einen Gott. Was ich meine: Wenn dein Prota eine Eigenschaft hat, die ihn prinzipiell die Missgunst der weiblichen Leserschaft auf den Hals hetzt, dann musst du dir ein Gegengewicht holen. Eine Möglichkeit.
Oder du gibst ihm gleich noch eine zweite negative Eigenschaft mit auf den Weg. Rein mathematisch gesehen: Minus X Minus = Plus.
Funktioniert auch bei Geschichten. Wenn du das Fremdgehen relativieren willst, dann gib ihm noch eine negative Eigenschaft mit auf den Weg, die ihn jetzt nicht körperlich abstoßend macht, aber für seine Leserinnen sehr menschlich.

Wenn jemand einen körperlichen, also damit sinnlichen "Defekt" hat, gib ihm einen sinnlichen Austausch. Er steht auf Blut und alles was dazugehört? Iih, BäH? Dann lass ihn Blumen züchten. Musizieren. Kochen. Starke Bilder, die gegen das Blutbild angehen.

Er ist ein Fremdgänger? Vielleicht noch einer, der nie pünktlich ist? Der sogar ganze Termine vergisst? Lass ihn Kuchenbacken und Gedichte schreiben. Die Damen werden es ihm verzeihen ...

Also so würde ich das handhaben und hoffe, dass du mit meiner Antwort was anfangen kannst ...

:winke: Antonia

Kati

Ich weiß gerade nicht, inwieweit das überhaupt möglich ist und ich denke, das ist auch von Leser zu Leser ganz subjektiv. Einen Betrüger würde ich niemals sympathisch finden, egal, was er in dem Buch sonst noch tut, weil dieser Aspekt seines Charakters dann bei mir einen unschönen Nachgeschmack hinterlässt. Wenn er einmal auf einer Party eine andere Frau küsst und das dann dementsprechend bereut, fände ich das aber zum Beispiel viel weniger schlimm und könnte ihn trotzdem noch sympathisch finden. Wenn er aber wirklich ständig fremd geht und dabei auch nichts findet, dann würde ich ihn wohl niemals mögen. Aber es wird auch LeserInnen geben, die das ganz anders sehen, da gibt es wohl gar keine richtige Antwort drauf, weil ja alle Leser solche Figuren anders wahrnehmen. Bei deinem zweiten Beispiel hätte ich zum Beispiel überhaupt keine Probleme ihn "trotzdem" zu mögen, wenn er sich nur mit Leuten auslebt, die ihr Einverständnis gegeben haben. Aber das ist wie du ja auch sagtest völlig subjektiv.

Wenn ich Figuren schreibe, die ich persönlich nicht sympatisch finde, aber Lesern sympatisch verkaufen möchte, dann achte ich meist darauf, dass ich nicht über die Strenge schlage. Also ausnutze, wie subjektiv solche Dinge empfunden werden und nicht etwas nehme, wo ich von vorn herein weiß, dass die meisten Menschen die Figur deswegen nicht mögen werden. Ich weiß nicht, inwieweit es überhaupt möglich ist eine Figur sympathisch zu zeigen, die einfach überhaupt nicht sympathisch ist. Man kann blöde Typen schon sympatisch zeichnen, solang sie auch noch irgendwie liebenswert wirken. Viele gehen da über die Schiene, die Figur etwas putzig und trottelig wirken zu lassen, also nicht abgebrüht und sich voll darüber bewusst, dass er oder sie etwas falsch macht. Aber das funktioniert glaube ich auch nur solange, wie man eben nicht zu extrem wird und die Figur etwas tun lässt, was die meisten Leser ganz sicher als unentschuldbar empfinden würden.

Bei deinem Fremdgeher könnte ich mir vorstellen, dass er eigentlich ein total lieber Typ ist, alle Frauen gut behandelt und gar nicht sieht, dass er etwas Falsches macht. Es hilft auch immer, wenn die Figur über die Geschichte lernt, dass sie sich falsch benimmt und dann versucht sich zu ändern oder einen Weg zu finden, die Art, wie er oder sie ist so zu leben, dass es niemandem schadet. Er könnte zum Beispiel anfangen in offenen Beziehungen zu leben, wo es seinen Partnerinnen nichts ausmacht, wenn er mal was mit einer anderen hat, weil alles vorher abgesprochen ist. Ich denke, wichtig ist, dass die Figur am Ende niemandem schadet, wenn sie sympatisch erscheinen soll. Ich habe aber im Moment ein ähnliches Problem: Der Love Interest ist ein Auftragskiller und soll schon sympathisch wirken, obwohl er ein Mörder ist. Da hilft mir vielleicht der Fantasyaspekt, weil es sich bei seinen Opfern nicht um Menschen handelt, aber trotzdem bin ich nicht so sicher. Ich lese hier einfach mal mit, was noch für Anregungen kommen.

Issun

Ich habe ebenfalls einen untreuen Protagonisten, der allerdings auch in anderer Hinsicht fragwürdig ist. Und ich habe mir dieselbe Frage schon öfters gestellt.  :hmmm:

Psychologisch gesehen scheint es so zu sein, dass die meisten Leute, die etwas tun, das von ihrem Umfeld als Unrecht empfunden wird, Beweggründe haben, die für sie überzeugend sind. Auch Wahnsinn folgt häufig einer bestimmten, für Außenstehende schwer bis gar nicht erkennbaren Logik. Als Leser interessiert es mich besonders, was in der Figur vorgeht, warum sie tut, was sie tut: Warum betrügt sie andere? Warum diese ganzen Liebschaften? Solche Begründungen sind zwar teilweise schwer zu erfassen, aber sie machen es leichter, mit einer Figur zu sympathisieren. Persönlich kann ich nichts damit anfangen, wenn eine Figur einfach nur "böse" oder unsympathisch ist, ohne dass man die Hintergründe dazu erfährt. Zwar kann es wohl ziemlich aufgesetzt wirken, die Beweggründe einer Figur in der Geschichte direkt anzusprechen. Aber ich denke, wenn man als Autor über die Schwächen einer Figur Bescheid weiß, vermittelt man auch leichter den Eindruck, dass die Figur zwar Dinge tut, die nicht in Ordnung sind, aber deswegen noch lange nicht rundum unsympathisch ist. 

Debbie

#4
Motivation is everything!  ;D

Dein Fremdgänger braucht einen guten Grund: Ist seine Frau vielleicht nicht seine wahre Liebe? Ist er von seiner ersten großen Liebe selbst betrogen worden? Glaubt er vielleicht insgeheim, dass seine Frau zu gut für ihn ist und ihn irgendwann verlassen wird? Will seine Frau vielleicht keinen Sex oder kann sie aus gesundheitlichen Gründen keinen haben?
Und am besten ändert er sich zum Schluss, will heißen: Der Beweggrund sollte gleich  noch Potential haben für den Wandel.

Motivation ist natürlich immer das A und O - niemand ist oder tut etwas einfach so. Das Verständnis für die Beweggründe ist wichtig für die Leseridentifikation.

Ansonsten: Sagen wir dein Prota ist ein Killer oder pervers veranlagt, etc.. Dann muss es neben der Motivation am besten noch ein Gegengewicht geben, also z. B.:

Killer -> Liebender Sohn
Perverser -> Toller Vater
Skrupelloser Geschäftsmann -> Tierschützer




Issun

Zitat von: Debbie am 04. Juni 2014, 17:43:47
Motivation is everything!  ;D

Das drückt kurz und knackig das aus, was ich sagen wollte! Kann ich nur unterschreiben.  :)

Arcor

Vom guten Grund abgesehen halte ich Humor noch für ein probates Mittel, um Mistkerle sympathisch zu machen. Das ist natürlich ein ebenso subjektives Feld und kann, wenn es nicht der Humor des Lesers ist, diesen vergraulen.

Wobei ich Humor zweideutig meine:
Zum einen geht es um den Stil. Wenn du fragwürdige Sachen in humorvollem Stil erzählst, wirkt es weniger schlimm. Ich lese gerade Scott Lynch und der macht das ständig, z. B.
ZitatJean miraculously returned to life, and with a few quick swings of his fists he eloquently convinced the two guards to lie down and be unconscious for a while.
Theoretisch kann man das ganze auch sehr viel direkter und brutaler beschreiben. Nun ist die Figur kein Mistkerl, aber es funktioniert trotzdem, finde ich. Zumindest trifft so ein Stil meinen Humor und ich akzeptiere damit auch Entscheidungen, die ich manchmal unnötig finde.

Zum anderen geht es natürlich um den Humor der Figuren. Je nachdem, mit welchen Worten sie ihre Taten darstellen, offenbart das für mich eine Innensicht, die mich einfach schmunzeln lässt, (fast) egal was sie tun. Das spielt sicherlich in die Richtung der Motivation für ihr Handeln, was Debbie geschrieben hat, untermalt das aber nochmal. Die Art, wie die Figur das eigene Handeln sieht, kann durchaus überzeugend wirken.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Kadeius

Ich hab auch so einen Nebenchara, von dem einige sagen, dass sie ihn gern als Prota gesehen hätten. Ich schätze nur, er ist gerade deshalb so super, weil er Nebencharakter ist. Er ist ein bisschen leichtsinnig, macht an unpassenden Stellen Witze, um die Stimmung aufzulockern, ist ein echt smarter Typ und selbst in brenzligen Situationen versucht er, sich um Kopf und Kragen zu reden. Dabei ist er möglichst charmant und nie beleidigend. Und immer meint er es vollkommen ernst mit seiner Nächsten, obwohl er weiß, dass er sich selbst damit nur etwas vormacht.

Die große Frage ist, ob dein Fremdgeher notorischer Seitenspringer sein soll, ob er es aus Jux und Tollerei tut, ob es sich "zufällig" ergibt, oder oder oder ...
Manchmal werden die Leute vielen Lesern dann von ganz allein sympathisch, zumindest in gewissem Maße.

Churke

Zitat von: HauntingWitch am 04. Juni 2014, 17:04:53
Wie mache ich jemanden mit fragwürdigen Charaktereigenschaften sympathisch?

Indem du ihm positive Charaktereigenschaften, die die negativen (über-)kompensieren. Bei einem tollen Typ ist man bereit, über andere Schwächen hinweg zu sehen.
Überhaupt kann jeder Schurke beim Leser Punkte machen, wenn er sich identitätsstiftend positiv verhält. 

Snöblumma

Motivation und Gründe. Der Charakter muss (plausible) Gründe haben, wieso er sich so verhält, wie er sich verhält. Natürlich muss das nun nicht moralisch nachvollziehbar bedeuten - sonst wäre es ja wieder gar nichts Heikles. Zumindest innerhalb des Charakters (falls aus seiner Sicht geschrieben) müssen die Handlungen absolut logisch zwingend und stringent sein.

Wenn man sichergehen will, verpasst man dem Charakter noch eine moralisch eher einwandfreie Motivation, aber ich finde immer, das ändert die Grundrichtung zu sehr - wer beispielsweise Drogen dealt und Leute abzieht, um damit seiner kranken Mutter zu helfen, handelt vielleicht falsch, aber sehr nachvollziehbar. Das Robin Hood-Syndrom eben: Jeder weiß, dass Diebstahl nicht okay ist, aber von den Reichen nehmen um den Armen zu geben? Da sieht die Welt gleich ganz anders aus.

Allerdings ist das wohl nicht ganz das, was du meinst, oder? Ich finde Antonias Ansatz mit dem Gegengewicht sehr gut, also entweder ein moralisch/motivatorisches Gegengewicht (das wäre dann wohl Robin Hood) oder ein Sinnliches. Was mir persönlich hiflt, um den Charakter mit allen Schwächen darzustellen, ist mir selber eine Erklärung zurechtlegen, wieso er so geworden ist, wie er ist. Gewisse Grundanlagen hat jeder, keine Frage, aber wieso geht gerade er dieser Pervesion nach / stürzt sich fast zwanghaft in jede Affäre / wird bei jedem Kaufhausbesuch schwach und stielt? Was hat ihn dazu gebracht, nicht nach dem gesellschaftlich anerkannten Maßstab zu leben? Wieso hat er beschlossen, sich außerhalb die Norm zu stellen? War es ein bewusster Entschluss? Steckt eine Krankheit dahinter? Was tut er, um die Krankheit zu bekämpfen? Ist ihm selber überhaupt klar, was er da anrichtet? Lebt er in einer ganz eigenen Welt, in der die Maßstäbe sich vollkommen verschoben haben?

Wenn ich diese Dinge über meine Figuren weiß, kann ich ihnen Gründe geben, um zu handeln, wie sie handeln. Ich glaube ja, dass wir Menschen schon zufrieden gestellt werden können, wenn es einen plausiblen Grund gibt. Nur das "grundlos Böse", wie es so gerne heißt, das würden wir einem Charakter sicher nie verzeihen. Wenn es also keinerlei Hintergründe gibt, wenn jemand bspw. einfach nur mordet, um zu morden, wahllos, einfach so, und da steckt keinerlei Krankheit dahinter, kein psychischer Defekt, keine wie geringen Reizungen durch die Opfer auch immer - pure Mordlust eben -, einen solchen Charakter würden wir nie verstehen. Gibt es dagegen in der Logik des Charakters zwingende Gründe, können wir ihn zumindest verstehen. Sind diese Gründe auch noch moralisch gut ("nur mal kurz die Welt retten"), dann werden wir ihm fast alles verzeihen.

Insofern würde ich es wirklich zusammenfassen auf Motivation und innere Logik :D.

Coppelia

Ich habe jetzt die Anmerkungen der anderen nicht gelesen, aber: Du gibst ihm Perspektive (was du ja offenbar tatsächlich vorhattest). Leser neigen dazu, sich mit dem Perspektiventräger zu identifizieren, selbst wenn er Dinge tut, die nicht mit ihrem moralischen Empfinden harmonieren.
Ob er dadurch tatsächlich sympathisch wird, ist zweitrangig. Wenn klar wird, welche Ziele er hat und warum es für ihn wichtig ist, sie zu erreichen, wird der Leser mit großer Wahrscheinlichkeit auch mit einem charakterlich bedenklichen Protagonisten mitfiebern.

Das Reizvolle ist dann ja gerade, dass die Leser (im besten Fall) das Verhalten verurteilen, aber trotzdem von der Handlung mitgerissen werden. Außerdem hat dein Protagonist ja die Chance, sich im Lauf des Romans moralisch zu verbessern.

Du kommst da in interessante Bereiche des Schreibens, wo man sich fragen kann, ob das Schreiben nicht selbst schon eine moralisch bedenkliche Handlung ist. Nicht gerade bei einem Schürzenjäger; aber wenn man darüber schreiben würde, wie ein grausamer Diktator an die Macht kommt, wäre es etwas anderes.

Rhiannon

Gegenfrage: Muss er unbedingt sympathisch sein? Ich meine z.B. in "Das Parfum" wird der Protagonist nicht wirklich sympathisch. Der Autor trägt auch nicht dazu bei, denn er beschimpft seinen Protagonisten sogar im Laufe des Buchs. Aber die Geschichte funktioniert.
Ansonsten wurde alles, was ich dir hätte sagen können, schon genannt mit dem Gegengewicht etc.

Issun

Zitat von: Coppelia am 04. Juni 2014, 20:00:47
aber wenn man darüber schreiben würde, wie ein grausamer Diktator an die Macht kommt, wäre es etwas anderes.

Das bringt mich auf eine Idee. Ich glaube, auch die persönliche Stellungnahme des Autors ist wichtig. Der Fall des Diktators wäre für mich dann moralisch bedenklich, wenn man die Machtergreifung nicht problematisiert. Ich finde es z.B. recht interessant, wenn moralisches Fehlverhalten negative Konsequenzen für eine Figur hat.
Mir fällt im Gegensatz dazu auch gerade ein Beispiel ein, in dem ein unverbesserlicher Frauenheld einen kometenhaften Aufstieg macht: "Bel-Ami" von Maupassant. :)   

K a t e

Ohne jetzt jeden vorherigen Post ganz genau gelesen zu haben:

Ich glaube, negativen Eigenschaften eines Protas können für den Leser verständlicher rüberkommen, wenn es eine gute Erklärung dafür gibt. Um bei dem Beispiel des untreuen Ehemannes zu bleiben: wenn der Prota z.B. eine Art Bindungsangst hat und nur bei seiner Frau, die ihm viel bedeutet und die er ungern enttäuschen möchte, bleiben kann, indem er für sich diese Bindung lockert, indem er mit anderen Frauen schläft, würde seine Situation und seine Gründe verständlicher werden. Wenn er dann auch noch ein sehr charmanter Betrüger ist, umso besser. (Aus persönlichen Erfahrungen kann ich sagen, dass das auch wirklich funktioniert und Frau ihm aufgrund seiner psychischen Probleme nicht böse sein kann.)

Bei der Perversion dasselbe: vielleicht hat ein prägendes Ereignis in seiner Vergangenheit (Körperliche Gewalt etc.) unter die er leiden musste und psychisch so geschädigt, dass er jetzt eine seltsame Vorliebe für Blut hat oder schmerzhaften Sex, um damit fertig zu werden? Oder vielleicht hat er selbst jemanden mal so verletzt, dass er sich glaubt selbst bestrafen zu müssen (wenn er derjenige ist, der verletzt werden möchte)?

Zwei kurze Gedanken. Ich würde einfach versuchen das teils unmoralische Verhalten der Figur mit einem Ereignis in der Vergangenheit zu koppeln, dass sie so sehr geprägt oder verletzt hat und das momentane Verhalten erklären würde.

pink_paulchen

Zum Thema "Gegengewicht schaffen" hat writing excuses gerade eine passende Folge gehabt: http://www.writingexcuses.com/2014/03/30/writing-excuses-9-13-three-prong-character-development/
Falls dein englisch dafür ausreicht, ist das sicher sehr hilfreich. Die These ist, dass eine Figur mittels dreier "Schieber" geregelt werden kann: Sympathie, Kompetenz und Eigeninitiative.
Dr. House funktioniert beispielsweise völlig ohne Sympathie mit viel Initiative und Kompetenz als Figur.