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Bin ich verrückt?

Begonnen von Cailyn, 20. Dezember 2013, 17:51:35

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Coehoorn

#15
Ich könnte niemals ausschließlich schreiben. Der Grund ist recht simpel. Irgendwann fühle ich mich auf so vielen Ebenen nicht ausgelastet, dass ich wie ein eingesperrtes Tier auf und ab gehe, miese Laune verbreite und einfach nichts mehr auf die Kette kriege. Deswegen steh ich jeden morgen um halb 6 auf, schwing mich raus in die Kälte und fahre eine Stunde durch die Pampa um mich in irgendwelchen Hörsälen mit irgendwelchem komplizierten Wirtschaftskram zudonnern zu lassen, gehe dazu dreimal die Woche zum Sport und muss nebenher noch pauken. Ich hätte auch eine ruhige Kugel als Springer bei der Bank schieben können. Keine Kundentermine, regelmäßiges Gehalt (wenn auch nur 1,6-1,7 Netto aber hey! Nach drei Jahren Ausbildung ist das nicht zu verachten) und super Arbeitszeiten inklusive 30 Tage Urlaub und minutengenauem Überstundenausgleich. Nur dann hätte ich zwar jede Menge Zeit, würde aber auch nicht mehr schreiben, weil ich vor lauter Langeweile und Unterforderung irgendwann nur noch depressiv werden würde.

Zu viel ist niemals gut. Völlig egal von was. Ich hatte auch noch nie von diesem Frey gehört und hab mich mal gerade ein wenig eingelesen. Nur das reicht mir schon um zu wissen, dass ich auf nichts, was der Kerl sagt, was geben würde.

Cailyn

#16
Thaliope,
Schön, dass du mir dies mit dem Lehnstuhl in Erinnerung rufst. So habe ich mein Leben schon ein paar Mal betrachtet. Hab's mir sogar schon einmal aufgeschrieben, Jahr für Jahr erzählt, was ich alles erlebt habe (so aus der Warte einer 90-Jährigen). Und weisst du was? Diese Übung habe ich vor etwa 8 Jahren als letztes gemacht und hingeschrieben: 42, Buch veröffentlichen. Hehe. Das heisst, ich hätte jetzt noch ein paar Jahre Zeit, um eine fulfilling prophecy zu füllen. Ich geh mal über die Bücher und überlege, ob das für mich aus aktueller Warte aus immer noch zutrifft.

Dani,
Mir ging es gleich mit dem Berufswunsch als Kind (natürlich auch noch Krankenschwester, aber das fällt wegen dem Blut sowieso heute weg *brrrr* :seufz:)
ZitatDas kann ich zwar irgendwo sogar verstehen, aber ehrlich, machen könnte ich das nicht. Nicht mit den ganzen anderen Talenten, die ich noch habe.
Wie schön! Aber genau das kann ich von mir nicht sagen. Es gibt keine grossen Talente. Egal was ich mache, ich mache immer das Beste draus. Doch berufen fühle ich mich aufgrund irgendwelcher Skills leider nicht.
Zitatdem Schreiben und einer zukünftigen Familie zuliebe
Ja, ich denke, da tut sich jeder einen Gefallen, wenn er nicht ständig den Traum vom Schrifstellerleben (ohne anderen Job) vor Augen hat. Das kann sonst auch immens frustrieren, wenn es nicht klappt. Und du hast völlig recht. Wenn man dann noch eine Familie gründet, hat man dann auch noch Prioritäten, die man weder umkehren noch ändern sollte. Und alles hat halt nicht immer Platz.

Coehoorn,
Ja, ich denke, in deinem Alter ist das auch wirklich eine sehr gute Entscheidung. Du springst ja ins Berufskarusell erst so richtig hinein. Aber meine Ausgangslage ist da ein wenig anders, da ich ein paar Jahre mehr auf dem Kerbholz habe. Ich habe zwei Ausbildungen gemacht, viele Jahre gearbeitet in verschiedenen Jobs und bin auch bei einer Anstellung angelangt, die mir gefällt. Und doch...ich könnte auch genauso gut was anderes machen, kein Mensch nähme Notiz davon, keiner würde es bemerken. Was ich täglich leiste, halte ich für extrem austauschbar, da wenig individuell. Das ist auch nicht schlimm, nein, es ist eine gute und tolle Sache, denn es bringt mir Geld und leichtfertigen Spass und anderen einen informativen Nutzen. Aber für immer? Das käme für mich dann auch nicht in Frage. Daher kam mein Bedürfnis nach Selbständigkeit. Mein eigener Chef sein (klingt doch auch gut, oder?). Aber eben, das hätte seinen Preis, unter anderem das intensive Schreiben.

Alana

#17
@Grey: Das klingt jetzt aber sehr negativ, wahrscheinlich meinst du es nicht so, aber ich finde, man kann die Qualität oder den Unterhaltungswert von Texten nicht davon abhängig machen, wieviel jemand in welcher Zeit schreibt.

@Cailyn: Im Moment tue ich tatsächlich nichts als schreiben, weil ich ein paar Deadlines einhalten muss. Normalerweise betreibe ich aber einen Job-Mix aus Übersetzen und Schreiben und ich halte das für äußerst sinnvoll. (Wobei ich mit dem Schreiben noch nichts verdiene, aber ich sehe es trotzdem als meine Arbeit an, das ist einfach wichtig für mich, damit mein Umfeld es ernst nimmt und auch ich selbst. Und es ist ja oft so, dass man erst Zeit für lau investiert, bevor eine Tätigkeit Geld bringt.) Es ist einfach wichtig zu wissen, dass man einen Broterwerb hat, der nicht einfach wegbricht, weil der launische Mark einen nie oder nicht mehr mag. Nur vom Schreiben zu leben könnte ich mir nur vorstellen, wenn einer meiner Romane so viel Geld einfährt, dass die anderen nichts mehr einbringen müssen. Ist das nicht der Fall, so wie meistens, würde ich je nach sonstiger Einkommenslage auf jeden Fall einen Brotjob halten, den man zur Not auf Vollzeit ausweiten könnte, wenn es nötig wäre.
Bei mir ist es allerdings auch so, dass ich zum Glück kein komplettes Einkommen erwirtschaften muss und, was eigentlich traurig ist, mir aber die Entshceidung leichter macht, ich in meinem erlernten Beruf wohl noch weniger verdienen würde als mit diesem Job-Mix.

Zur Ausgangsfrage: Ich glaube nicht, dass man nur noch schreiben muss. Im Gegenteil. Um richtig gut schreiben zu können, und zwar nicht nur ein Buch, sondern viele, muss man vor allem leben. Ich merke in letzter Zeit sehr stark, dass jede Erfahrung, die ich gemacht habe, mir beim Schreiben hilft. Es nutzt also ganz bestimmt nichts, sich irgendwo zu vergraben. Es ist aber in so weit richtig, dass ich neben dem Schreiben keine Hobbys mehr habe, einfach weil ich nichts anderes machen will. Sobald ich aber die Lust verspüre, wieder was nebenher zu machen, werde ich das ganz sicher tun.
Alhambrana

Grey

Zitat von: Alana am 20. Dezember 2013, 22:02:37
@Grey: Das klingt jetzt aber sehr negativ, wahrscheinlich meinst du es nicht so, aber ich finde, man kann die Qualität oder den Unterhaltungswert von Texten nicht davon abhängig machen, wieviel jemand in welcher Zeit schreibt.

Öhm ... ich finde jetzt gerade überhaupt nicht, wo ich etwas geschrieben haben soll, das so klingt? ??? Das denke ich nämlich auf keinen Fall! Kannst du mir die entsprechende Stelle zitieren? Ich würde das gern richtig erklären, wenn es da wirklich steht, aber ich weiß echt nicht, worauf du dich beziehst ...

Alana

ZitatIch für meinen Teil schreibe jedenfalls nach wie vor meine Geschichten, keine Auftragsarbeiten, ich habe keinen Textoutput wie eine Maschine, sondern produziere weiterhin in meinem Tempo - und ich lebe trotzdem davon.

Das klang ein wenig so, aber wie gesagt, ich dachte mir schon, dass du das nicht negativ meinst.  :knuddel: Es ist nur in letzter Zeit so, dass das Bashing von sehr produktiven Autoren ein wenig die Runde macht, deswegen bin ich da wohl etwas empfindlich, sorry.
Alhambrana

Franziska

@Grey: ich dachte immer, du hättest dich bewusst entschieden nur zu schreiben und habe dich für diesen Mut bewundert. ;) Ne, aber ich bewundere trotzdem, wie du das machst. Man merkt ja bei dir, dass es auch nicht so einfach ist, selbstständig zu sein.

@Dahlia: Mir geht es gerade genauso. Ich habe ernsthaft überlegt, mein Masterstudium abzubrechen. Es macht keinen Spaß, ich habe überhaupt keine Lust mehr auf das Studium, ich habe mir das ganz anders vorgestellt. Und vielen Komillitonen geht es ähnlich, wie ich so höre. Die meisten schaffen es auch nicht in der Regelstudienzeit, statt 4 sind 6 Semester normal. Ich werde wohl auch noch zwei brauchen. Also 5 insgesamt. Außerdem habe ich gar keine Leidenschaft mehr für mein Fach. Am Anfang wollte ich unbedingt in die Forschung, habe überlegt, einen Doktor zu machen. Und jetzt ist diese Begeisterung völlig weg. Ich weiß nicht, was ich mit meinem Studium anfangen soll. Ich habe Journalismus ausprobiert, aber das war auch nichts für mich. Ich weiß schon, dass es auch mit dem Master schwierig werden wird, einen Job zu bekommen.
Am liebsten würde ich im Moment mein Studium abbrechen, mir irgendeinen Job suchen, von dem ich leben kann, 20 Stunden arbeiten und den Rest schreiben. Dabei glaube ich nichtmal, dass ich mit dem Schreiben auch Geld verdienen könnte, jedenfalls nicht viel. Das war immer mein Traum, aber ich fühle mich davon gerade meilenweit entfernt. Trotzdem würde ich am liebsten nur schreiben. Ich schreibe auch gut, wenn ich sonst nichts mache, ich brauche nicht wirklich diese Inspiration von außen. Allein befürchte ich, würde ich es irgendwann bereuen, wenn ich jetzt mein Studium abbreche.

Grey

Zitat von: Alana am 20. Dezember 2013, 22:21:45
Das klang ein wenig so, aber wie gesagt, ich dachte mir schon, dass du das nicht negativ meinst.  :knuddel: Es ist nur in letzter Zeit so, dass das Bashing von sehr produktiven Autoren ein wenig die Runde macht, deswegen bin ich da wohl etwas empfindlich, sorry.

Ach so. :) Nein, ich hatte mich nur auf die von Fee erwähnte "pausenlose Brötchenarbeit" bezogen und dem in zweifacher Hinsicht wiedersprochen - dass meine Bücher für mich nicht bloß Brötchenarbeit sind, sondern wirkliche Herzensangelegenheiten, und auf der anderen Seite, dass ich nicht pausenlos Wörter dreschen muss, nur um davon leben zu können. Das hat sich vielleicht ein bisschen vermischt, sorry. Ich wollte auf keinen Fall damit sagen, dass jemand schlecht schreibt, nur weil er schnell und viel schreibt. :knuddel: Nur, dass man sich nicht zwingend schinden muss, um vom Schreiben leben zu können.

Alana

Wobei es mir aktuell nicht wie Schinderei vorkommt. Ich bin froh, die Deadlines zu haben, so kann jeder verstehen, dass ich die Feiertage über auch was tun muss. Jetzt Pause zu machen, das würde ich gar nicht aushalten. ;D So hab ich eine Entschuldigung. Andererseits glaube ich ganz ehrlich nicht, dass das auf Dauer so bleibt und das ist vielleicht ganz gut so. Irgendwann wird sich eine Balance einstellen, denke ich. :)

Zitatdass meine Bücher für mich nicht bloß Brötchenarbeit sind, sondern wirkliche Herzensangelegenheiten,

Das ist schön, aber das finde ich auch total wichtig und das ist bei mir auch so. Jedes Buch liegt mir sehr am Herzen und ich hoffe sehr, dass ich auch irgendwannmal da hin komme, wo du jetzt bist.  :wolke: Das wäre das Tüpfelchen auf dem i. Solange ist halt das Übersetzen mein Beitrag zur Familienkasse.
Alhambrana

Nachtblick

#23
Ich habe vor etwa drei Jahren gemerkt, dass Schreiben immer meine erste Priorität sein wird, abgesehen von so humanen Dingen wie Essen, Schlafen, Frieden, Freundschaft, Familie und Liebe ;D und dass ich damit mein Geld verdienen will. Ich verdiene damit bereits seit Jahren neben Nebenjobs Taschengeld und einmal auch die Studiengebühren, vor Kurzem habe ich über einen Literaturpreis für eine Kurzgeschichte das erste Mal richtig viel Geld verdient, so viel, dass ich damit ein weiteres Jahr für mein Studium abgesichert bin, und natürlich bin ich noch nicht runter von der Wolke, aber ich bin noch nie so zuversichtlich gewesen, dass das etwas wird, nicht nur könnte, und zwar ohne permanente Auftragsarbeiten.
Ich schreibe in verschiedenen Genres und fühle mich derzeit sehr wohl mit meinem Stil. Ausschließlich schreiben will ich trotzdem nicht. Ich muss meine Hände benutzen, basteln, bauen und mich handwerklich betätigen, um nicht in Trott zu verfallen. Ich kann mehr als nur schreiben, wenn auch, wie Dani auch schon sagte, das am Besten. Und es gibt Dinge, von denen ich vielleicht noch gar nicht weiß, dass ich sie kann. Aber ich bin ja auch 20 (aber nicht mehr lang)! :P
Derzeit entwickele ich mit drei Freundinnen für die Uni eine Webserie, was mir als neue Beschäftigung neben dem Schreiben und in meinem Fall Schreiben, Medien und Theater studieren gerade sehr recht kommt. Letztes Frühjahr habe ich an einem Theaterstück mitgearbeitet, bei dem ich Schauspielerin war, und das hat mir gut getan. Ausschließlich schreiben kommt für mich nicht in Frage. Ich würde mich gern noch aufs Fotografieren weiterbilden, entweder durch Studium oder Ausbildung, und momentan hätte ich sehr große Lust auf einen handwerklichen Beruf.

Ich denke, jeder und jede muss das persönlich klarkriegen. Abwechslung im Alltag sollte selbstverständlich sein. Abwechslung im Beruf, also mehrere Dinge zu machen, ist vielleicht nicht ganz so wichtig, wobei es mich persönlich eher einschränken würde. Aber dieser Gerede, dass man sich von allen abschotten und alles opfern sollte, ist schlichtweg Blödsinn und kann auch dazu führen, dass man sich das Schreiben ruiniert, ganz abgesehen davon, dass man es sich mit Mitmenschen verscherzt. Schreiben ist einfach nicht wie Auswandern (,,Den Schnitt machen!").
Sich realistisch einzuschätzen ist natürlich nicht leicht, aber ich denke, dass es hier darum geht, zu sagen: Ich muss dafür sorgen, dass ich irgendwie genug Geld verdienen kann, um über die Runden zu kommen, und ich muss realistisch sein, ob das mit dem Schreiben klappen kann, und ob ich überhaupt außerhalb mir am Herzen liegender Texte schreiben kann, ohne mir selbst das Schreiben kaputtzumachen.

Das mit der Produktivität: Ich denke immer, ich bin sehr produktiv, dann sehe ich in den Tintenzirkel und nehme mich wieder zurück. :) Ich schreibe täglich und gerade besonders viel, aber genau in dem Rahmen, in dem ich meine Qualität halten kann. Ein Kumpel von mir schreibt alle zwei Wochen eine halbe Seite, die er hundertmal korrigiert, bis der Tonfall stimmt. Meine beste Freundin schreibt jeden Monat zwei Kurzgeschichten. Meine Freundin schreibt Artikel und monatelang gar nichts, dafür dann prompt im Nano einen Roman. Alle schreiben qualitativ. Der Output hat also keine Aussage über die Qualität, würde ich meinen.

Dahlia

@Cailyn: Wenn dir die Leidenschaft gerade fehlt, ist das denke ich keine gute Voraussetzung, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Ich weiß nur von meinem Vater, wie sehr es an ihm zehrt, in seiner Selbstständigkeit weiter zu machen, nachdem er die Leidenschaft verloren hat (bzw. gemerkt hat, wie viel Papierkram damit zusammenhängt und wie viel angenehmer es doch war, nicht selbstständig zu sein) - aber bei ihm hängen inzwischen halt auch ein paar Jobs mit dran, da will er auch nicht wieder hinschmeißen :-\
Wenn gerade die Leidenschaft für das Schreiben so stark ist: spräche irgendetwas dagegen, erstmal den sicheren Weg zu gehen, dich aufs Schreiben zu konzentrieren und dann in die Selbstständigkeit zu starten, sobald der Funken wieder da ist? (vielleicht kommt der ja gerade dann wieder, wenn du es nicht mehr so als Ziel hast, demnächst durchzustarten)

@Franziska: Das hört sich so verdammt nach meiner Situation an, das ist schon fast unheimlich :rofl:
Ich wollte ja auch erst promovieren und in die Lehre, weil man mit Japanologie ohne irgendeine Zusatzqualifikation irgendwie auch nicht wirklich was anfangen kann. Aber dann hab ich festgestellt, dass mir das forschen nicht wirklich liegt, weil dafür wirklich diese Leidenschaft bei mir fehlt. Dann hab ich es auch Richtung Journalismus versucht, aber auch gemerkt, dass mir das nicht liegt.
Und momentan mit dem Zweitstudium merk ich nach den ersten beiden Semestern, dass meine anfängliche Begeisterung abgeflaut ist. Das einzige, was mich noch wirklich abhält, abzubrechen, ist die Tatsache, dass ich zu den besten meines Jahrgangs gehöre und ich mich dann wahrscheinlich ewig ärgern würde, abgebrochen zu haben, obwohl ich einen guten Abschluss hätte machen können. Und sollte ich mir doch irgendwann einen anderen Job suchen wollen, fände sich da sicher schneller etwas mit Informatik.

Aber dann ist ja da der kleine Mann auf meiner Schulter, der mir sagt: "Du hast einen unbefristeten Job, den du magst und mit dem du über die Runden kommst. Und du willst doch ohnehin lieber Schreiben." Und noch weiß ich nicht, ob das ein Teufelchen oder ein Engelchen ist ::)

Ich glaub, über die Ferien setz ich mich mal in Ruhe hin und widme mich der Lehnstuhl-Methode.

FeeamPC

Von Schinden müssen war wohl weniger die Rede, und ich meinte auch nicht Groschenromanschreiber oder Auftragswerbespoterfinder oder dergleichen Leute, die das harte Brot haben, von fixen Vorgaben etwas Brauchbares basteln zu müssen..  Aber ein Autor, der vom Schreiben leben will, muss diszipliniert Brötchenarbeit machen, das heißt, regelmäßig arbeiten, den Markt im Auge behalten, Kontaktarbeit machen, Deadlines beachten, sich mit tausend Dingen herumärgern, die ein Hobby-Autor oder Nebenberuf-Autor getrost mehr oder weniger ignorieren kann, weil der nun mal nicht von seiner Schreibe leben muss.
Außerdem muss der Berufsautor fähig sein, sich notfalls selbst in den Allerwertesten zu treten, wenn er sich hängen lässt (oder einen aufbauenden Partner oder Agenten oder Freund haben).
Und um überhaupt soweit zu kommen, braucht man schon eine gewisse Präsenz im Markt– und muss irgendwie die Anlaufphase überbrückt haben, mit Geld, das eben noch nicht vom Schreiben kam.

Aber das eigentliche Thema war wohl, wie ich jetzt feststelle, nicht Schreiben als Vollberuf, sondern Berufwechsel mit dem Wissen, dass dann das Schreiben eine Weile zu kurz kommt. Wenn dieser angestrebte Beruf etwas ist, wofür man Leidenschaft entwickeln kann, und auch nur annähernd eine Chance besteht, tatsächlich davon leben zu können (und man noch jung genug ist, um notfalls auch einen dritten Anlauf zu wagen), dann befürworte ich den Wechsel.

Snöblumma

Zitat von: Grey am 20. Dezember 2013, 19:06:11
Fakt ist aber, ich persönlich halte einen Job, der nichts mit dem Schreiben zu tun hat, sogar für hilfreich, um gute Geschichten erzählen zu können. Der Input und die Inspiration, die abwechslungsreiche Arbeit liefern kann, sind absolut unbezahlbar.
Das geht mir genauso. Ich könnte wahrscheinlich nicht nur schreiben, da würde ich durchdrehen. Die Balance muss jeder für sich selber ausmachen, das hängt von so vielen unwahrscheinlich individuellen Faktoren ab - aber ich finde Ausgleich immer wichtig. Job und Schreiben ergänzen sich für mich persönlich perfekt. Bei dem einen habe ich klare Vorgaben, bekomme Input und bekomme meine Dosis Stress ab, bei dem anderen kann ich mich austoben und entspannen. Wenn ich nur vom Schreiben leben müsste, würde ich es wahrscheinlich viel zu ernst nehmen. So kann ich mich einfach in die Geschichten fallen lassen, ohne immer gleich mit einem Auge in Richtung Markt zu schielen :D.

Was die Entscheidung angeht, temporär das Schreiben oder den Job etwas zu reduzieren für jeweils das andere - nun, auch das hängt von so vielen Faktoren ab. Wobei es vielleicht auch nicht immer sein muss ;). Ich habe mit meinem Referendariat im Augenblick Arbeit für zwei, unter zehn Stunden am Tag geht nix (und das sind die guten Tage), und bringe das Schreiben trotzdem unter. Das muss einfach jeder für sich selber sehen, wie viel er schafft, wie viel er sonst an den Start bringen will in Sachen Hobbys, wie wichtig im der Job tatsächlich ist... und wenn es bei mir mal in Richtung Berufseinstieg geht, werde ich sicherlich für eine Weile das Schreiben reduzieren müssen, jedenfalls wenn sich das so entwickelt, wie ich es mir gerade erträume. Wenn das alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, beginne ich in einem Job, der seine 80-Stunden-Woche dooferweise mitbringt. Aber solange mir der Job Spaß macht, reduziere ich eben das Schreiben dafür. Heißt ja nicht, dass es für immer sein muss. Sowas kann sich jederzeit ändern und so viel im Leben ergibt sich einfach, dass ich es für Quatsch halte, da weit in die Zukunft zu planen. Für die nächsten zwei Jahre habe ich meine Balance halbwegs gefunden, und dann sehe ich weiter. Aber eines komplett aufgeben für das andere würde ich nie. Jedenfalls nicht dauerhaft :D.

Pintana

Nur schreiben oder mehr Job ist, denke ich, eine individuelle Entscheidung, die man aus dem Bauch raus und mit ganzem Herzen treffen sollte.

Im Herbst hat mir auch jemand, der es wirklich schaffen würde mich genau da hin zu bringen angeboten mich nur noch mit schreiben zu befassen, den ganzen Tag nichts anderes zu tun. Da ich aber da so ähnlich ticke wie Coehoorn, je ausgelasteter ich bin, desto "produktiver" kann ich schreiben, habe ich tatsächlich abgelehnt. Im nachhinein muss ich echt sagen ich hätte länger darüber nachdenken sollen.
Der Job, den ich zu dem Zeitpunkt noch regelrecht geliebt habe verliert mit jeder Woche an Spannung, frisst immer mehr Zeit und geht mir nach und nach tatsächlich auf die Nerven. Daher suche ich grade nach etwas, dass mir mehr Freiraum gibt. Zum Schreiben und für andere Hobbys.
Alles in allem kann ich trotzdem der allgemeinen Meinung, dass man die richtige Mischung für sich festlegen muss, nur zustimmen. Solange der Brotjob Spaß macht, vielleicht sogar als Quelle der Inspiration dient ist daran ja nichts falsch und einen Job den man nicht mag machen ist sowieso nicht wirklich sinnvoll, dann vom nur Schreiben zu träumen scheint, in meinen Augen, auch keine echte Lösung zu sein.
Die daraus entstehende Erkenntnis für mich: Selbst wenn ich tatsächlich dem Angebot nur zu schreiben, gefolgt wäre, ich hätte mir garantiert noch eine kleine Beschäftigung gesucht, ein paar Stunden die Woche, weil mir sonst der Druck fehlt mich hinzusetzten und zu tippen, wenn ich das ja theoretisch auch noch in einer Stunde oder zwei oder übermorgen machen kann.   

HauntingWitch

Ich unterschreibe Greys ersten Beitrag voll und ganz (ausser, dass ich nicht vom Schreiben lebe, aber die anderen Sachen ;)).

Zitat von: Cailyn am 20. Dezember 2013, 17:51:35
Habt ihr euch eigentlich vollends dem Schreiben verschrieben?

Ja. Das Schreiben ist mir das Wichtigste überhaupt, alles andere hat 2. Priorität. Natürlich muss ich manchmal zwischenzeitlich das Schreiben hinter solch andere Dinge wie den Brotjob stellen, wenn ich ein angenehmes Leben haben möchte. Aber im Kopf und im Herzen bin ich fast immer bei meinen Stories.

Zitat von: Cailyn am 20. Dezember 2013, 17:51:35Opfert ihr einen anderen Beruf, damit ihr mehr schreiben wollt/könnt?

Das würde ich nicht machen. Selbst wenn ich einen weltweiten Millionen-Bestseller landen würde (was man zwar hofft, aber wovon man ja nicht ausgeht ;)), würde ich doch noch weiterhin zusätzlich einen anderen Job machen wollen. Ich würde zwar weniger Arbeiten, nicht mehr Vollzeit, aber ich würde eine "normale" Arbeit brauchen. Denn wie Grey gesagt hat, braucht Inspiration Impulse von aussen und diese Impulse geben mir vor allem Begegnungen und Gespräche mit anderen Menschen. Natürlich gibt es auch Musik, andere Bücher, Filme. Aber das reicht niemals aus.

Gerade gestern hatte ich wieder so ein Erlebnis, da muss ich etwas ausholen. Eigentlich hasse ich öffentliche Verkehrsmittel. Es gibt für mich kaum etwas Mühsameres an meinem Arbeitstag als die Hin- und Rückfahrt. Ich habe mir schon überlegt, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, aber das geht aus verschiedenen Gründen nicht. Und gestern dann, habe ich diese Überlegungen von wegen kein ÖV mehr noch einmal revidiert. Denn einmal mehr setzte sich im Zug mir gegenüber eine unglaublich faszinierende Person hin. Ich habe nicht mit ihm gesprochen. Aber die Inspiration rennt mir seitdem die Tür ein.  ;D Würde ich nur noch im Auto sitzen, zwei Stunden am Tag, fiele das weg. Weiter gesponnen, würde ich nur noch zuhause oder in meinem Einzelbüro ohne andere Menschen sitzen, fielen noch viel mehr solcher Momente weg. Da rostet einem das Gehirn ein.

Hinzu kommt, dass mit der Zeit alles dröge und langweilig wirkt. Ich weiss das noch aus meiner arbeitslosen Zeit. Die ersten 2-3 Monate sind kein Problem, ich habe so viel geschrieben wie nie zuvor, gelesen und das Leben genossen. Aber ab dem vierten Monat war ich wie abgestumpft. Was mich zuvor noch total fasziniert hat, wirkte nur noch langweilig und immer gleich. Musik, die ich liebe und mich normalerweise inspiriert, war plötzlich langweilig und immer gleich. Filme, die eigentlich super wären, habe ich angeschaut wie durch eine trübe Brille.

Vielleicht hängt es auch vom Charakter ab, aber ich für mich brauche einen 0815-Job nicht nur wegen des Geldes. Sondern auch, damit mein Gehirn in Bewegung bleibt und ich immer neue Ideen habe. Ausserdem fiel mir auf, dass ich immer dann am kreativsten bin, wenn ich auch im Brotjob den meisten Stress habe. Ich vermute mal, das hängt irgendwie mit Hormonen zusammen, Adrenalinausschüttung und so, aber da bin ich wirklich kein Experte. Fällt dieser Stress weg, flaut auch die Inspiration ab.

Zitat von: Cailyn am 20. Dezember 2013, 17:51:35Wie weit geht ihr, um eurem Schaffen Raum zu geben?

In den letzten Monaten ist es bei mir zu weit gegangen. Mein Schreibfrust hat sich auf die Arbeit in meinem Brotjob übertragen und ich machte Fehler, war unfreundlich und bekam schliesslich eine nicht so gute Jahresbewertung wie z.B. letztes Jahr. Da merke ich dann so: Ups, du musst ein bisschen besser aufpassen. Denn es kommt durchaus vor, dass ich Einladungen von Freunden ablehne, weil ich an dem Tag einfach lieber schreiben möchte. Ich habe grosses Glück, dass zumindest meine besten Freunde das verstehen. Es kommt auch vor, dass ich während der Arbeit eigentlich am Plotten bin. Ich habe den Vorteil, einen Bürojob zu haben, in dem ich locker mal über Mittag Notizen tippen kann oder zwischendurch, wenn gerade nichts läuft. Aber auch nur dann. Wenn es drunter und drüber geht, geht die Arbeit vor. Und manchmal drehe ich fast durch deswegen, weil ich nicht das machen kann, was ich eigentlich lieber tun würde. Aber sich schätze, das ist "part of the deal", wenn man ein solches Hobby bzw. einen solchen Lebenstraum hat.  ;)

Cailyn

Dahlia,
Ja, die liebe Leidenschaft... Die Frage ist aber auch, ob das Schreiben - mal ganz abgesehen von der abhanden gekommenen Leidenschaft für den anderen Beruf - nicht einfach eine enorme Ablenkung ist, weil ich zu faul bin, um gewisse Mühen auf mich zu nehmen. Ich sage es jetzt mal ganz überspitzt: Vielleicht bin ich einfach zu faul, um Herausforderungen anzunehmen und verstecke mich in meiner Fantasy-Welt, weil es da so eine schöne, verklärte Hoffnung gibt, damit Erfolg zu haben.

Man muss ja mal ganz klar sehen, dass die wenigsten mit Schreiben Erfolg haben werden. Ist Scheisse. Aber es ist nun mal so. Das kann man ja schon statistisch belegen. Klar, ich war mein halbes Leben in diesem rebellischen Denken verfangen, wo ich immer wieder sagte: Ja, Schreiben ist auch Glückssache, aber es ist ja dämlich, es nicht zu versuchen! Stimmt auch wieder. Es stimmt eben beides, die Hinwendung und Einsicht zu einer harten Realität, aber auch die Tatsache, dass jemand nur gewinnen kann, wenn er was wagt.

Franziska,
Ich kann dir gut nachfühlen, was dein Studium angeht. 5 Semester sind halt schon eine lange Zeit, die man nicht einfach mal so als kurze Phase bezeichnen könnte. Hilfreich ist manchmal auch sich zu erinnern, was einem zu Beginn daran gefallen hat. Was hat dich motiviert, das Studium zu beginnen? Und was ist aus dieser Motivation geworden? Hat sich das Studium als anders herausgestellt oder hast du dich verändert, so dass es dich nicht mehr packt?

Nachtblick,
Du klingst so...ooohhhmmm...in deiner Mitte ruhend. Ich find das bewundernswert. Kann ich davon was abhaben?  :wolke: