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Wenn die Ideologie des Autors Einfluss auf die Kaufentscheidung seiner Werke hat

Begonnen von Nirahil, 02. Dezember 2013, 11:57:22

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Fynja

Das Thema ist interessant, und wohl auch viel komplexer, als ich anfangs gedacht habe.

Ich bezeichne mich als toleranten Menschen. Gern sage ich "ich toleriere alles außer Intoleranz".  ;) Meinungsfreiheit ist gut und sinnvoll, aber es gibt einen klaren Unterschied dazwischen, die eigene Meinung zu vertreten und die Freiheit anderer zu verletzen, und das tut man bereits mit Beleidigungen, sei es gegenüber einzelnen Personen oder Gruppen wie Homosexuellen, Ausländern, usw. Das geht einfach nicht und da reagiere ich sehr schnell, sehr empfindlich. Wenn mir also vor dem Kauf bekannt wäre, dass ein Autor Aussagen betätigt hat, oder, schlimmer noch, Projekte in die Welt setzen wollte, die die Freiheit und Rechte bestimmter Gruppen verletzen würden, dann würde ich das Buch wohl auf keinen Fall lesen wollen, egal wie gut es sein soll. Dann kann ich darauf getrost darauf verzichten, dabei spielt es dann auch keine Rolle, ob die Ansichten des Autos ins Buch hinein fließen oder nicht.
Die Situation, wenn ich bereits Bücher eines Autoren hätte oder man mir welche schenken würde, ist bei mir meines Wissens nach noch nicht eingetreten. Ob ich die dann lesen würde oder nicht, wüsste ich nicht, mit gutem Gewissen im Regal stehen lassen könnte ich sie dann wohl nicht. Wäre ich gerade dabei es zu lesen, und würde mir das Werk gefallen, würde ich wohl nicht einfach mit aufhören, ich kann mir aber gut vorstellen, dass ich es aufgrund des Wissens über extremen Ansichten des Autors, weniger mögen würde.

Dann kommt es natürlich noch drauf an, was das für "gegenteilige Ansichten" sind. Wie gesagt, in Sachen Homophobie, Rassismus, Sexismus und Behindertenrechte bin ich sehr, sehr empfindlich eingestellt. Aber selbst da sind die Grenzen fließend. Erstens, will ich nicht behaupten, dass ich über jeden Autoren, dessen Bücher ich lese, weiß, dass er keine solchen Ansichten vertritt und kontrollieren tu ich das eigentlich auch nicht, zweitens ist es etwas anderes, ob man sich dafür einsetzt, Homosexualität wieder strafbar zu machen oder ob man "nur" gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ist (auch letzteres fände ich schwachsinnig und   es wäre mir persönlich sehr wichtig, dass das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare durchgesetzt wird). Von einem Autoren, der erstere Ansichten vertritt, würde ich kein Buch wissend anrühren, letzteres würde mir den Autoren wohl unsympathischer machen, dennoch würde es mich wahrscheinlich nicht vom Kauf abhalten, wenn mir das Werk wirklich zusagt, auch da würde ich dann aber vorsichtiger mit Inhalten und Botschaften des Buches umgehen. Es kommt also auch noch auf den "Extremitäts-Grad" der Ansichten an.

Eine für mich schwierig zu beantwortende Frage sind da auch Glaubensgemeinschaften. Ich selbst bin Agnostiker, es gibt keine Religion, mit der ich mich identifizieren würde. Auch gegen die Katholische Kirche beispielsweise könnte ich ganz, ganz viele Argumente vorbringen, weil ich bei vielen Ansichten einfach nicht einverstanden bin, aber das heißt nicht, dass ich keine Bücher von einem gläubigen Katholiken lesen würde. Sekten wie Scientology sind da wieder schwieriger, wissentlich würde ich die wahrscheinlich auch nicht unterstützen wollen, und Bücherkauf oder Filmansehen ist, wenn auch manchmal indirekter, immer eine Unterstützung derjenigen. Ich finde es eigentlich schon wichtig, dass man sich als Leser Gedanken darüber macht, wessen Bücher man da konsumiert, würde aber auch niemanden gleich verurteilen, der es tut, nur fände ich generell große Ignoranz von einer Mehrheit der Leserschaft irgendwie bedenklich - und damit meine ich, dass Bücher von Autoren mit extremen Ansichten weiterhin gekauft werden, obwohl es bekannt ist. Wenn man nun mal nicht weiß, ob ein Autor ein kritisches Gedankengut vertritt oder nicht, kann man niemandem etwas vorwerfen, ich recherchier ja selbst nicht immer über jeden Autoren, von dem ich etwas kaufe.

Edit: Katis letzter Beitrag hat meine Meinung gerade ziemlich gut zusammengefasst.  :)

Djamena

@Thea, ich würdige Card und sein Werk nicht herab, wenn ich mich dagegen entscheide, weitere Werke von ihm zu kaufen oder den Film zu gucken. Ich erkenne sein erzählerisches Talent an und mache seine Romane nicht schlecht. Aber wir leben zum Glück in einer freien Gesellschaft, in der man mit solchem Verhalten seine eigene Meinung kund tun kann, indem ich beispielsweise keine Nudeln mehr von Barilla kaufe oder eben keine Bücher von Card.
Es zählt einfach zu meinen Entscheidungskriterien beim Buchkauf dazu. Das kann jeder handhaben, wie er will.

Außerdem hat ja jeder unterschiedliche Ansichten, was ein No-Go ist und was nicht.


Für mich sehe ich einen Unterschied zwischen Musik und Literatur.  Schriftsteller lassen ihre Erfahrungen, ihre Kultur, ihr Wissen und ihre Emotionen in ihre Werke fließen. Das geschieht durch Worte. Sprache ist leichter zu verstehen als Musik. (für mich jedenfalls, auch wenn es immer heißt, Musik wäre eine universelle Sprache)
Ein Autor, der gegen Demokratie und Gleichstellung der Geschlechter ist, wird sicher anders schreiben, als eine Kämpferin für Frauenrechte etc.  Trotzdem kann er vielleicht eine spannende Abenteuergeschichte erzählen, der man eben diese Einstellungen nicht anmerkt. Aber wahrscheinlicher färbt seine Einstellung doch auf den Inhalt ab.


Bei Musik ist das für mich schwieriger. Sollte man Wagners Musik nicht hören, weil er Antisemit war? Oder trenne ich da zwischen Musik und Komponist?


Jara

Zitat von: Thea am 02. Dezember 2013, 16:29:28
Irgendwie entgeht mir hier die Logik. Oder die Trennung von Autor und Werk, die wir so selbstverständlich für uns selbst einfordern. Weil wir nicht unser Werk sind. Weil unser Werk nicht unser einziger Lebensinhalt ist und wir nicht ausschließlich autobiographisch schreiben (wollen). Weshalb gestehen wir einem Autor, mit dessen Überzeugungen wir nicht übereinstimmen nicht die gedankliche und seelische Größe zu, eine Figur zu entwerfen, die mit seinen Meinungen nicht konform geht?
Ich gestehe jedem Autor zu, in der Lage zu sein, Figuren zu schaffen, die nicht seiner Ideologie netspringen oder seinen eigenen Wertvorstellungen entsprechen, außer er beweist in seinem Werk tatsächlich, dass es nicht so ist. Dieser Autor kann ein großer Künstler sei und ein grandioses Werk schaffen. Mag auch sein, dass es mir gefallen würde, so ich es denn lesen würde. Aber das heißt nicht, dass ich es lesen muss, wenn ich den entsprechenden Autor nicht unterstützen will. Meine Entscheidung etwas von dem Autor nicht zu kaufen, spricht ihm nicht sein Talent oder seine handwerklichen Fähigkeiten ab. Es heißt nur, was auch immer er macht, bitte nicht dank meiner Unterstützung. Und das finde ich durchaus logisch. Ich betrachte nicht jeden Bereich meines Lebens getrennt. Meine Überzeugungen politischer, religiöser oder welcher Natur auch immer formen, wenn nicht notwendg meine Texte, zumindest meine Handlungen. Und das heißt auch nichts zu kaufen, das etwas unterstützt, was nicht meiner Vorstellung einer erstrebenswerten Lebenswirklichkeit entspricht.

ZitatAuch die Bemerkung, dass man wegen Überzegung XYZ gar nicht wissen wolle, ob Autor ABC sonst ein netter Mensch ist, halte ich für bedenklich. Dieser Gedankengang führt in tiefe Abgründe der Entmenschlichung. Den Feind auf einen eindimensionalen Pappkameraden zu reduzieren macht es sehr einfach, scharf auf ihn zu schießen. Aber es löst das Problem nicht. Es macht nicht den Feind kleiner, sondern die eigene Haltung kleinlicher.
Von Feind würde ich hier nicht sprechen. Pluralismus prägt unsere Gesellschaft, die die differenziertesten Lebensweisen zulässt. Irgendwer muss immer auf der Gegenseite stehen, sonst wäre ja alles uniform und jeglicher Diskurs sinnlos.
Aber ich stehe dazu: wenn jemand eine für mich unerträgliche Gesinnung an den Tag legt, dann spielen für mich die anderen Eigenschaften nur noch eine begrenzte Rolle. Ich muss (immer beispielhaft) einen Nazi nicht näher kennenlernen. Jemand, dem mein halber Freundeskreis und zudem noch eine Hälfte meiner selbst zu wieder wäre, aus Gründen, die in keinster Weise beeinflussbar sind, ist niemand, mit dem ich mich näher beschäftigen möchte. Außer um ihm zu helfen aus diesem Milieu auszubrechen.
Das hört sich hier aber alles sehr schwarz-weiß an und berücksichtigt einfach alle Graustufen, denen wir in unserem Leben tagtäglich begegnen, nicht. Ich möchte auch kein allgemeines Unwerturteil über irgendjemanden fällen. Aber ich ganz persönlich will die Bücher einfach nicht kaufen, denn
ZitatIhnen die Früchte ihrer Arbeit nicht abzukaufen, ist eine persönliche Entscheidung.
stimme ich absolut zu. Und die sollte auch jeder aus welchen persönlichen Gründen auch immer treffen dürfen .Sollte jemand ein Problem damit haben, dass ich als gläubiger Katholik einen Teil meines Geldes der Kirche spende, hat dieser jemand auch das Recht meine Arbeit nicht zu unterstützen. Damit würdigt er sie aber nicht herab, sondern erklärt, dass er das nicht unterstützen will. Und das muss für mich ok sein. Und ist es auch. Wo ist denn letztendlich der große Unterschied zu " Ich kaufe Tolkien nicht, obwohl ihn der Rest der Welt für genial hält, weil ich seinen Schreibstiel langatmig finde"? Nach welchen Kriterien jemand seine Bücher/Filme etc. auswählt, bleibt demjenigen ja allein überlassen und das muss sich auch nicht moralisch bewerten lassen.
Aber
ZitatAllerdings finde ich, dass das Wort Boykott in diesem Zusammenhang überbenutzt wird.
damit hast du wohl absolut recht, weil wir von persönlichen Wertenbtscheidungen sprechen. Ich persönlich habe das Wort auch eher in dem Sinn von "ich möchte den Autor nicht unterstützen, deshalb kaufe ich nicht" gemeint.

Adam_Charvelll

#33
Grundsätzlich müssen hier zwei Aspekte unterschieden werden, die bis jetzt oft vermischt wurden:
1. Die Bewertung von Kunst
2. Die Unterstützung von Kunst

Bei ersterem bin ich für eine starke Entkriminalisierung des Werks (natürlich nicht des Autors), solange dessen unmoralisches Gedankengut nicht darin verarbeitet wurde. Kunst darf nicht danach bewertet werden, wer der Urheber war, sondern nur nach dem Kunstwerk selbst. Warum sollte ein Tintenklecks auf gelbem Boden minderwertiger sein, wenn er von einem homophoben Maler stammt, als wenn er von einem moralisch ausgewogeneren Künstler stammt? Das wäre Blödsinn und darüber hinaus Blödsinn, den bereits die Nazis ausgeübt haben, als sie Bücher jüdischer Autoren verbrannten und andere Kunstwerke, die ihnen nicht in ihre Weltvorstellung passten, zerstörten.
Günter Grass war selbst in der Waffen-SS und wird heute als großer Schriftsteller und Gewissen der Nation gefeiert. Völlig zurecht!
H.P. Lovecraft zählt zu meinen absoluten Lieblingsautoren, obwohl er regelmäßig rassistische Gedanken äußert, die den Tendenzen seiner Zeit entsprechen.
Karl Mays Werke lebten vom Rassismus und dennoch ist er einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller.

Das sollte man einfach völlig entkoppeln, da Kunst eine individuelle Bewertung verdient hat. Natürlich geht das bei so älteren Autoren wie May oder Lovecraft leichter, da man einfach den historischen Kontext verstehen muss. Im Gegensatz zu seinem Umfeld war May ja fast schon aufklärerisch und weltoffen.

Je aktueller und je härter die Fälle allerdings sind, umso schwieriger ist das aber. Ich habe mir an diesem Wochenende wirklich viel Gedanken über die lostprophets-Geschichte gemacht, da die beiden ersten Alben der Band zu meinen absoluten Top-20 Alben gehören und ich eine Phase hatte, in der Ian Watkins für mich wirklich ein Idol war. Seine Taten sind für mich natürlich unverständlich und inakzeptabel, allerdings musste ich mich hinterfragen, ob ich die Musik, die er mitproduziert hatte, weiterhin hören kann oder darf. Ich kam für mich selbst zu dem Entschluss, dass ich hier wirklich möglichst objektiv agieren sollte und die Musik nicht (mehr) mit dieser Person verbinden darf. Zum einen gibt es ja natürlich noch andere Bandmitglieder, die möglicherweise daran sogar mehr beteiligt waren, andererseits ist die Musik ja durch diesen Fall nicht schlechter geworden. Bzw. wäre es schade, wenn man die Musik nun subjektiv schlechter empfinden würde. Das wäre nicht der Sinn von Kunst.
Werde ich lostprophets weiterhin hören? Ja!
Werde ich dabei ohne Bauchschmerzen hinhören können? Nein.

Ein weiteres gutes Beispiel aus der Musik: Richard Wagner, energischer Verfechter des Antisemitismus und dennoch gefeierter Komponist.

Noch ein Beispiel: Meine absolute Lieblingsband ist August Burns Red, eine christliche Metalband. Ich selbst bin überzeugter Atheist. Ist es mir egal, dass sie ständig von ihrem Gott singen und jeden Auftritt Jesus widmen? Ja.

Zum zweiten Punkt: Die Unterstützung

Dabei geht es hauptsächlich um den finanziellen Aspekt. Muss ich solche Künstler wirklich fördern und unterstützen, zu Ruhm, Reichtum und Ehre verhelfen? Natürlich nicht.
Hier ist es absolut verständlich, wenn sich jemand zum Boykott erklärt, weil er einen homophoben oder rassistischen Künstler nicht reinen Gewissens unterstützen könnte! Ich würde es sogar begrüßen, wenn solche Gestalten nicht zu leicht durch das Leben gehen könnten. Aber das hat mit dem Werk selbst, solange es frei von diesen Ideologien bleibt, wirklich nichts zu tun, meiner Meinung nach. Die können genauso gute Kinderbücher schreiben, auch wenn besonders hier natürlich eine Prüfung auf unterschwellige Botschaften unbedingt durchzuführen ist.


Zitat von: Jara am 02. Dezember 2013, 14:41:56
Aber das heißt nicht, dass jeder Mensch das Recht haben muss, sich mir anzunähern. Ich muss einem Nazi, Homophoben, Rasissten, . . ., nicht das Recht geben, mich davon zu überzeugen, dass er "eigentlich, von dieser einen Sache abgesehen" ein guter Kerl ist. Will ich nämlich nicht. Das sind für mich Ausschlussgründe und ich muss mich nicht rechtfertigen, wenn ich mit so jemandem nichts zu tun haben will.
Zitat von: Kati am 02. Dezember 2013, 13:23:37
Nein. Ich will keine Gleichheit für homophobe Mistkerle und Rassisten, die anderen Leuten das Leben schwer machen. [...] Und so hasserfüllte Menschen, die anderen Menschen wegen ihrer eigenen Überzeugungen das Recht auf Heirat oder auf gewisse Menschenrechte versagen wollen, verdienen für mich keinen Schutz. Irgendwo ist auch mal Schluss. LGBTQ-Menschen werden immer noch stark diskriminiert und benachteiligt, in einigen Ländern sogar verfolgt und getötet. Und wir wollen "Gleiches Recht für alle" - aber für die homophoben Idioten, die sowas möglich machen? Das ist bestimmt alles gut gemeint, aber da schützt man echt die falschen.

Das finde ich aber höchst problematische Ansätze. Natürlich steht es euch frei, euch von solchen Leuten fernzuhalten und ihnen aufgrund deren Überzeugungen nicht einmal eine Chance zu lassen, dass sie ihre guten Seiten zeigen können, sich zumindest als halbwegs gute Menschen beweisen zu können. Allerdings klingt mir das zu sehr nach Pauschalisierung, nach dem Grundsatz "Alle (Neo-)Nazis sind das Böse schlechthin". Das ignoriert nicht nur jegliche Entwicklungshintergründe solcher geistiger Verdrehungen, die auch für mich Verdrehungen sind, sondern verzerrt zudem das historische Geschichtsbild. Meistens ist es doch gerade Einsamkeit, die die Menschen zu rechten Gruppierungen drängt, wo sie Zusammenhalt finden.
Am gefährlichsten finde ich allerdings gerade die gegenwärtigen Tendenzen, durch die Satanifiszierung des Nationalsozialismus eine Art Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, indem man sich immer mehr davon distanziert, bis sich der Schatten vom Körper getrennt hat. Das damals waren nicht irgendwelche Unmenschen, sondern normale Leute wie wir, deren Ansichten im Laufe von Jahrhunderten so verdreht wurden, dass es darin eskalieren konnte. Im Turbodurchgang ist diese Gehirnwäsche heute auch noch möglich, was nicht heißt, dass solche Menschen nicht ohne die gleichen Rechte zur Welt kommen. Ob man diese Rechte durch das Pech, falsche Erziehung und ein falsches Umfeld bekommen zu haben, verwirken kann, finde ich sehr diskutabel.
Sei mir nicht böse, aber die Einstellung, dass jeder Mensch gleich sein sollte, ausgenommen die, die die Einstellung haben, dass nicht jeder gleich sein sollte, ist doch irgendwie kaum schlüssig.

Ich habe im Sommer mal auf nem Festival als Security gearbeitet und 20 Minuten mit einem Festivalbesucher gequatscht, mich durchaus gut mit ihm verstanden. Dann hat er mir ganz plötzlich und ohne Hemmung gesagt, dass er Nazi wär und mich nach meinen politischen Ansichten gefragt, mir irgendwelchen Bullsh*t von abcashenden Einwanderern und kriminellen Ausländern erzählt, dir mir gezeigt haben, dass der Typ einfach nicht zu einer kritischen Analyse der Medien und seines bisherigen Lebens fähig war. Ich hab natürlich versucht mich schnell von ihm loszueisen, bin seinen Fragen ausgewichen und hab gesagt, dass ich wieder auf Rundgang müsse. Die 20 Minuten zuvor hab ich mich dennoch gut amüsiert.



Zitat von: Franziska am 02. Dezember 2013, 12:45:13
Das  Buch heißt: "Ich zog mit Hannibal". Es handelt von einem Jungen, der als Elefantentreiber mit Hannibal gen Rom zieht und letztens fiel es mir wieder in die Hand und ich las den ersten Abschnitt. Ich fand ihn richtig gut und fesselnd geschrieben und habe mich gewundert, dass das Buch nicht neu aufgelegt wurde, wie so viele andere dtv junio Bücher. Tja, dann stellte ich fest, dass der Autor ein Nazi war, nicht nur eine kleine Nummer, sondern in der SS.

Danke für die Info, das wusste ich nicht. War auch eines meiner Lieblingsbücher in der Kindheit.


Ein kurzes Edit ist vlt von Nöten: Ich hab mich jetzt nur auf Nazis bezogen, wobei Kati und Jara ja glaube ich gar nicht explizit auf diese Gruppe eingegangen sind. Das Ganze lässt sich natürlich aber auch auf andere moralisch fragwürdige Einstellungen ummünzen.

HauntingWitch

Zitat von: Djamena am 02. Dezember 2013, 16:52:21
Für mich sehe ich einen Unterschied zwischen Musik und Literatur.  Schriftsteller lassen ihre Erfahrungen, ihre Kultur, ihr Wissen und ihre Emotionen in ihre Werke fließen. Das geschieht durch Worte. Sprache ist leichter zu verstehen als Musik. (für mich jedenfalls, auch wenn es immer heißt, Musik wäre eine universelle Sprache)
Ein Autor, der gegen Demokratie und Gleichstellung der Geschlechter ist, wird sicher anders schreiben, als eine Kämpferin für Frauenrechte etc.  Trotzdem kann er vielleicht eine spannende Abenteuergeschichte erzählen, der man eben diese Einstellungen nicht anmerkt. Aber wahrscheinlicher färbt seine Einstellung doch auf den Inhalt ab.


Bei Musik ist das für mich schwieriger. Sollte man Wagners Musik nicht hören, weil er Antisemit war? Oder trenne ich da zwischen Musik und Komponist?

Das sehe ich nur teilweise so. Was klassische bzw. rein instrumentale Musik betrifft, mag das zutreffend sein. Was aber Musik mit Text betrifft, macht der (wenn man so will moderne) Musiker nicht viel anderes als ein Schriftsteller. Er erzählt eine Geschichte oder stellt eine Sicht-/Denkweise dar oder beides, sobald er von trivialen, unverfänglichen Themenwelten wie z.B. Liebe abweicht. Und selbst bei so etwas vermeintlich allgemein gleich Empfundenem gibt es Unterschiede; Aussagen, die auf gewisse Ansichten oder Charakterzüge des Textschreibers hinweisen. Natürlich kann man das nie 100% wissen, wenn man den entsprechenden Menschen nicht kennt. Aber es ist doch erstaunlich, wie sehr teilweise Songtexte einer Person mit Aussagen anderer Leute über selbige zusammenpassen. Auch Musik kann Weltanschauungen transportieren. Auch in die Musik fliesst ein Stück Seele der Autoren ein, sei es ein Komponist oder reiner Textschreiber (sofern das nicht dieselbe Person ist).  ;)¨

Mir ist noch eine ganz andere Frage aufgekommen. Ich möchte jetzt niemanden angreifen oder beleidigen und ich möchte auch niemanden rechtfertigen oder entschuldigen. Ein ganz einfaches Beispiel aus meinem Erfahrungsschatz: Ich hasse HipHop, das ist eine persönliche Einstellung. Wenn mir ein offensichtlicher HipHoper (ist das der korrekte Ausdruck?) begegnet, habe ich bereits Vorurteile und zwar, weil ich ein Leben lang schlechte Erfahrungen mit, gemein ausgedrückt, *solchen Leuten* gemacht habe. Ich finde das ganz furchtbar und wie kann man nur so eine Einstellung vertreten? Ich liebe Heavy Metal, wie einige vielleicht wissen. Meine Weltsicht, meine Welt, das ultimative Gute für mich. Der HipHoper hingegen, hat meistens etwas gegen Heavy Metal, vermutlich aus ähnlichen Gründen, wie ich HipHop nicht mag. Wenn ich also nun diese Menschen für ihre Lebenseinstellung verurteile, bin ich somit nicht im Grunde genauso schlecht wie sie, die mich wegen meiner Einstellung verurteilen? Und obwohl ich mich das frage tue ich es.

Unter dieser Prämisse müsste man nämlich alles billigen und dürfte nichts verurteilen oder verachten. Aber wir alle haben etwas, dass wir aufgrund unserer Erziehung, Erfahrung, Einstellung usw. verachten und von uns weisen. Dazu hat jeder ein gutes Recht. Aber wer bestimmt, was gut und was schlecht ist bzw. welcher Mensch gut oder schlecht ist? Wir. Wir alle entscheiden das für uns aus Gründen. Das einfach als Gedanke. (Hoffentlich war das jetzt nicht zu OT.)

Kati

Zitat von: Adam_CharvelllDas finde ich aber höchst problematische Ansätze. Natürlich steht es euch frei, euch von solchen Leuten fernzuhalten und ihnen aufgrund deren Überzeugungen nicht einmal eine Chance zu lassen, dass sie ihre guten Seiten zeigen können, sich zumindest als halbwegs gute Menschen beweisen zu können. Allerdings klingt mir das zu sehr nach Pauschalisierung, nach dem Grundsatz "Alle (Neo-)Nazis sind das Böse schlechthin". Das ignoriert nicht nur jegliche Entwicklungshintergründe solcher geistiger Verdrehungen, die auch für mich Verdrehungen sind, sondern verzerrt zudem das historische Geschichtsbild. Meistens ist es doch gerade Einsamkeit, die die Menschen zu rechten Gruppierungen drängt, wo sie Zusammenhalt finden.

Ich weiß nicht, was so schwer daran zu verstehen ist, wieso wir das machen und sagen. Pass auf: Wenn zu dir jemand kommt und dir sagt er hasst dich, er will mit dir nichts zu tun haben, für etwas, wofür du absolut nix kannst. Sagen wir, für deine Lieblingsfarbe. Und weil er dich hasst, für etwas, für das du nichts kannst, findet er, du dürftest jetzt etwas nicht mehr, was alle anderen dürfen. Zum Beispiel ein Shirt in deiner Lieblingsfarbe tragen. Und er ist nicht allein: Fast alle anderen Menschen gucken dich komisch an, weil du ein rotes Shirt trägst und dein Boss zahlt dir deshalb weniger und der Mann am Schalter am Bahnhof lacht dich dafür aus. Das ist das Problem. Es geht hier NICHT um bloße Meinungen. Es geht darum, dass einige Menschen anderen Menschen Grundrechte absprechen. Und nicht wenige, sondern eine gewisse Mehrheit. Und nein, ich werde nicht den Entwicklungshintergrund einer Person oder ihre Geschichte betrachten. Weil mir völlig egal sein darf, wo die Person herkommt und wieso sie so denkt.

Jeder hat die Chance umzudenken, sich zu überlegen, ob sie vielleicht im Unrecht ist. Ich kenne viele Menschen, die ihren Weg gegangen sind, sich geändert haben. Aber mit Leuten, die sich nicht ändern wollen, nicht zuhören, gegen alles hetzen was nicht der Norm entspricht, mit solchen Leuten muss ich mich nicht abgeben. Ich habe keine Verpflichtung jedem Menschen, der mich einfach so zu hassen beschließt, zuzuhören und herauszufinden, wieso er meint, er darf mich hassen. Schließlich interessiert diese Person auch nicht, wer ich bin. Sie sieht mein rotes T-Shirt und beschließt mich zu hassen. Der interessiert sich auch nicht dafür, wer ich bin, was ich erlebt habe und woher ich komme. Wieso muss ich als Geschädigter tolerant gegenüber jemandem sein, der versucht mir Rechte abzusprechen, die jeder Mensch haben sollte, aber dieser Mensch darf seine Ideologie einfach ungehindert rausschreien, obwohl das vielen Menschen große Nachteile bringt?

Ich könnte noch viel mehr dazu schreiben, aber was soll's. Das hat nichts mit einem verdrehten Geschichtsbild zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass man menschenverachtendes Verhalten nicht entschuldigen sollte und genau das tust du. Mich interessiert die Vergangenheit eines Menschen nicht. Mich interessiert sie, wenn er bereit ist, sich zu ändern. Ist er das nicht, ist mir der Rest egal. Sorry.

EDIT: Bevor das falsch ankommt. Ich sehe das eigentlich wie Jara. Wenn jemand bereit ist, sich zu ändern und nachzudenken und neue Gedanken zuzulassen, werde ich das niemals ablehnen. Aber sagen wir, ein Neonazi, der bei seiner Gruppe Zusammenhalt gefunden hat und nicht zuhören will, dessen Meinung gefestigt ist und an der nichts mehr zu rütteln ist, der interessiert mich nicht. Ich finde, ich muss nicht Leuten gegenüber tolerant sein, die selbst so intolerant sind, dass sie nichts mehr sehen außer ihrem eigenen Hass.

Fynja

Zitat von: HauntingWitch am 02. Dezember 2013, 17:22:49

Mir ist noch eine ganz andere Frage aufgekommen. Ich möchte jetzt niemanden angreifen oder beleidigen und ich möchte auch niemanden rechtfertigen oder entschuldigen. Ein ganz einfaches Beispiel aus meinem Erfahrungsschatz: Ich hasse HipHop, das ist eine persönliche Einstellung. Wenn mir ein offensichtlicher HipHoper (ist das der korrekte Ausdruck?) begegnet, habe ich bereits Vorurteile und zwar, weil ich ein Leben lang schlechte Erfahrungen mit, gemein ausgedrückt, *solchen Leuten* gemacht habe. Ich finde das ganz furchtbar und wie kann man nur so eine Einstellung vertreten? Ich liebe Heavy Metal, wie einige vielleicht wissen. Meine Weltsicht, meine Welt, das ultimative Gute für mich. Der HipHoper hingegen, hat meistens etwas gegen Heavy Metal, vermutlich aus ähnlichen Gründen, wie ich HipHop nicht mag. Wenn ich also nun diese Menschen für ihre Lebenseinstellung verurteile, bin ich somit nicht im Grunde genauso schlecht wie sie, die mich wegen meiner Einstellung verurteilen? Und obwohl ich mich das frage tue ich es.

Unter dieser Prämisse müsste man nämlich alles billigen und dürfte nichts verurteilen oder verachten. Aber wir alle haben etwas, dass wir aufgrund unserer Erziehung, Erfahrung, Einstellung usw. verachten und von uns weisen. Dazu hat jeder ein gutes Recht. Aber wer bestimmt, was gut und was schlecht ist bzw. welcher Mensch gut oder schlecht ist? Wir. Wir alle entscheiden das für uns aus Gründen. Das einfach als Gedanke. (Hoffentlich war das jetzt nicht zu OT.)

Also, erstmal, was den Musiksgeschmack anbelangt, bin ich eigentlich auf deiner Seite.  ;) Allerdings finde ich deine Einstellung etwas radikal. Ich hoffe, du nimmst das, was ich schreibe, jetzt nicht falsch auf, ich will dich keinesfalls persönlich angreifen, aber so wie du es beschreibst finde ich, dass es schon ziemlich unfair ist, Menschen aufgrund ihrer Lebenseinstellung, was erstmal Musik betrifft, zu verurteilen.
Ein paar Dinge fallen mir dazu ein: Schließt du vom Musikgeschmack gleich auf die Lebenseinstellung? Ja, auch ich höre Metal und Rock, was für mich auch etwas mehr ist als "nur Musik." Lange Zeit war mein Freundeskreis auch so der "Rocker-Kreis", mittlerweile ist aber alles schön gemischt. Ich selbst habe auch Vorurteile, in dem Sinne, dass ich unbewusst Menschen, die sich "hoppermäßig" kleiden und HipHop hören mit Texten, von denen ich mal gar nichts halte, schneller als oberflächlich einstufe. (wobei ich hier anmerken muss: es gibt auch Hip Hop, den ich durchaus als gut gemacht bezeichnen würde, zwar trifft es dann immer noch nicht meinen Geschmack, aber ich will keinesfalls alle Musiker, die Hip Hop machen, herunter würdigen!) Aber ich finde es sehr, sehr wichtig, auch wenn man schlechte Erfahrungen mit einer Gruppe gemacht hat, nicht alle in einen Topf zu werfen und ebendiese Vorurteile zu erkennen und zu bedenken.
Ich weiß auch nicht genau, was du mit "Lebenseinstellung" meinst. Auch hier habe ich ein Klischee im Kopf, denke an Texte wie die von Bushido oder anderen Rappern, die provozieren, frauenfeindlich sind und so weiter. Wenn die Hip Hop- Hörer solche Einstellungen übernehmen, verstehe ich, dass man das verurteilt, aber ich würde mal behaupten, dass die wenigsten das tun und es ist wie mit jedem Klischee: man darf davon nicht auf jeden schließen, soll dennoch offen dafür bleiben, dass das Klischee widerlegt wird und es einfach kritisch hinterfragen. Aber wenn du bloß die Musikrichtung meinst, dann finde ich es definitiv falsch, Menschen aufgrund ihrer Musikvorliebe so radikal zu verurteilen.

Zu deinem letzten Abschnitt: Der entscheidende Unterschied zwischen Musikvorliebe und Einstellungen, von denen vorher geredet wurde, ist, wie ich in meinem Beitrag bereits erwähnt habe, dass das eine die Freiheit und Gleichstellung anderer begrenzt, die Würde der Menschen verletzt, usw.

Ludovica

Zitat von: HauntingWitch am 02. Dezember 2013, 17:22:49
Mir ist noch eine ganz andere Frage aufgekommen. Ich möchte jetzt niemanden angreifen oder beleidigen und ich möchte auch niemanden rechtfertigen oder entschuldigen. Ein ganz einfaches Beispiel aus meinem Erfahrungsschatz: Ich hasse HipHop, das ist eine persönliche Einstellung. Wenn mir ein offensichtlicher HipHoper (ist das der korrekte Ausdruck?) begegnet, habe ich bereits Vorurteile und zwar, weil ich ein Leben lang schlechte Erfahrungen mit, gemein ausgedrückt, *solchen Leuten* gemacht habe. Ich finde das ganz furchtbar und wie kann man nur so eine Einstellung vertreten? Ich liebe Heavy Metal, wie einige vielleicht wissen. Meine Weltsicht, meine Welt, das ultimative Gute für mich. Der HipHoper hingegen, hat meistens etwas gegen Heavy Metal, vermutlich aus ähnlichen Gründen, wie ich HipHop nicht mag. Wenn ich also nun diese Menschen für ihre Lebenseinstellung verurteile, bin ich somit nicht im Grunde genauso schlecht wie sie, die mich wegen meiner Einstellung verurteilen? Und obwohl ich mich das frage tue ich es.


Ich muss mich hier jetzt mal  einschalten  ;) Eigentlich ist das in diesem Zusammenhang nämlich sehr leicht zu erklären, und zwar mit ein paar einfachen Fragen:

Willst du, dass Leute, die HipHop hören, weniger Rechte haben als du? Denkst du, dass Leute, die HipHop hören, von Natur aus (und nicht wegen ihren in ihrem Leben bewusst getroffenen Entscheidungen) dümmer/weniger wert/krimineller veranlagt sind als Metal-Hörer? Möchtest du, dass HipHop-Hören illegal gemacht wird? Sollten HipHopper gewisse Dinge nicht bekommen, damit Metaller mehr davon bekommen?

Wenn du diese Fragen mit 'nein' beantworten kannst, dann ist das ein komplett anderes Thema, als das, was hier im Zusammenhang mit Homophobie, Rassismus, Sexismus, Ableismus etc. besprochen wird.

Jara

Zitat von: Adam_Charvelll am 02. Dezember 2013, 17:07:36
Das finde ich aber höchst problematische Ansätze. Natürlich steht es euch frei, euch von solchen Leuten fernzuhalten und ihnen aufgrund deren Überzeugungen nicht einmal eine Chance zu lassen, dass sie ihre guten Seiten zeigen können, sich zumindest als halbwegs gute Menschen beweisen zu können. Allerdings klingt mir das zu sehr nach Pauschalisierung, nach dem Grundsatz "Alle (Neo-)Nazis sind das Böse schlechthin". Das ignoriert nicht nur jegliche Entwicklungshintergründe solcher geistiger Verdrehungen, die auch für mich Verdrehungen sind, sondern verzerrt zudem das historische Geschichtsbild. Meistens ist es doch gerade Einsamkeit, die die Menschen zu rechten Gruppierungen drängt, wo sie Zusammenhalt finden.
Weil ich das so nicht mit einer von mir zitierten Stelle unkommentiert stehen lassen möchte, verweise ich einfach ganz dreist in meinen vorherigen Post, wo ich das glaube ich durch
ZitatDas hört sich hier aber alles sehr schwarz-weiß an und berücksichtigt einfach alle Graustufen, denen wir in unserem Leben tagtäglich begegnen, nicht.
gezeigt habe. Zumindest habe ich genau das gemeint, vor allem auch mit dem Hinweis, dass das auf keinen Fall gilt, wenn es darum geht, jemandem zu helfen, aus solchen Strukturen auszubrechen. Natürlich sind Hintergründe, Beweggründe, persönliche Erfahrungen etc. immer zu berücksichtigen. Nur: rechtfertigen können sie Taten, die aus so einer Ideologie heraus begangen werden, allein bei Menschen, die sich der Tragweite ihrer Handlungen nicht bewusst sind, nicht bei Menschen, die der freien Willenbildung (die muss ich für meine Argumentation voraussetzen)fähig sind. So, das war gerade der Jurist in mir. Tut mir Leid, vor allem, weil das jetzt auch eher was mit allgemeiner Wertvorstellung zu tun hat und deswegen sehr OT ist.

Und weil HauntingWitch gerade, während ich getippt habe, geschrieben hat, noch ein bisschen mehr OT ;D:
ZitatDer HipHoper hingegen, hat meistens etwas gegen Heavy Metal, vermutlich aus ähnlichen Gründen, wie ich HipHop nicht mag. Wenn ich also nun diese Menschen für ihre Lebenseinstellung verurteile, bin ich somit nicht im Grunde genauso schlecht wie sie, die mich wegen meiner Einstellung verurteilen? Und obwohl ich mich das frage tue ich es.

Unter dieser Prämisse müsste man nämlich alles billigen und dürfte nichts verurteilen oder verachten. Aber wir alle haben etwas, dass wir aufgrund unserer Erziehung, Erfahrung, Einstellung usw. verachten und von uns weisen. Dazu hat jeder ein gutes Recht. Aber wer bestimmt, was gut und was schlecht ist bzw. welcher Mensch gut oder schlecht ist? Wir. Wir alle entscheiden das für uns aus Gründen. Das einfach als Gedanke. (Hoffentlich war das jetzt nicht zu OT.)
Gut und schlecht ist mir wieder ein bisschen zu schwarz-weiß.
Haben wir alle Vorurteile? Vermutlich (meiner Erfahrung nach) ja. Sind wir bereit diese zu revidieren, wenn jemand diese glaubhaft vor unseren Augen widerlegt? Das ist doch schon mal ein guter Ansatzpunkt für die Frage, ob man auf dem richtigen Weg ist. Und da kommt für mich auch wieder die Sache mit dem freien Willen: ich gehe davon aus, dass jeder ohne dahingehenden krankheitsbedingten Defekt (Juristendeutsch, nicht abwertend gemeint) in der Lage ist, seine Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen. Alles auf Erziehung, Umfeld etc abzuschieben, ist mir zu einfach.
und weil ich jetzt weg muss, höre ich an dieser Stelle mal auf ;)

Umbra et Luminis

Egal ob Musik, Buch, Film oder sonstige Medien. Wenn mir z. B. ein Autor nicht schmeckt, weil er öffentlich Messages verbreitet, die mir quer gehen, dann lese ich sein Buch nicht. Schaue keinen Cruise-Film mehr, höre kein Lostprophets (habe ich auch vorher nicht) und ziehe die Mundwinkel missmutig nach unten.

Wenn ich als Mensch in der Öffentlichkeit stehe und dann eben auch öffentlich Dinge von mir gebe, von denen ich weiß, dass sie von der Mehrheit der Bevölkerung als radikal (Beispiel Rechtsradikalismus oder Homophobie) oder als intolerant betrachtet werden, dann scheint mir ein Verlust an Einnahmen wohl nichts auszumachen und ich nehme sie willentlich in Kauf. Insofern denke ich mir als Konsument, dass derjenige, der seine Nachricht auf Teufel komm raus verbreiten will und anderen und mir als aus meiner Sicht "Normaldenker" damit ins Gesicht spuckt, auch gut auf mein Geld verzichten kann. Denjenigen und seine Ideologien möchte ich dann definitiv nicht fördern. Egal, wie gut das Werk ist. Da bin ich dann beleidigt und suche mir meinen "Stoff" woanders. Da kann und will ich irgendwie nicht emotional differenzieren.

Rhiannon

Ich muss zugeben, mich bei neuen Autoren nicht über den Autor schlau zu machen, bevor ich die Bücher kaufe, wenn sie mich ansprechen. Von daher kann ich auch nicht behaupten, dass die Ideologie eines Autors bei mir Einfluss auf die Kaufentscheidung hat, es sei denn, ich erfahre vor dem Kauf eines Buches davon und der Autor (ersetze Autor immer auch durch anderen Künstler und sein Werk) hat sich einen wirklichen Klopper geleistet.
Ich verstehe diejenigen, die den Autor dann boykottieren, aber so lange sich der Autor keinen schwerwiegenden Klopper geleistet hat, werde ich das Buch trotzdem lesen. Bei Herrn Card kenne ich seine Aussagen nicht, seine Bücher ebenso wenig, aber Ender's Game hat mich neugierig gemacht, das muss ich zugeben.
Ein Buch, das sexistische, homophobe, rassistische etc. Ansichten hat, wird bei mir auch durchfallen, das ist gar keine Frage. Und wenn ich von einem Autor einmal so etwas in Büchern gelesen habe, wenn es nicht gerade dadurch entschuldigt wird, dass der Autor z.B. historische Romane schreibt und die Hauptfigur einfach nur dem Zeitgeist folgt in mancher Hinsicht, werde ich von diesem Autor anschließend keine Bücher mehr kaufen. Kann der Autor allerdings zwischen seiner Ideologie und seinem Werk trennen, dann lese ich ihn weiterhin, wenn ich jetzt nicht gerade mitbekomme, dass er sich an der Hatz gegen "Minderheiten" (Ich mag dieses Wort nicht!) aktiv beteiligt, also so tätig wird, dass ich, würde ich ihm gegenüber stehen, mich gezwungen sähe, einzugreifen.
Ich möchte bitte auch nicht als Psychopathin gesehen werden, weil Charaktere in meinen Büchern solche Tendenzen haben. Autor=/= Prota, das wissen wir. Und ein Autor muss sich bei mir daher wirklich einiges leisten, dass ich seine Werke deshalb komplett disqualifiziere.

Grey

Zitat von: Adam_Charvelll am 02. Dezember 2013, 17:07:36
Warum sollte ein Tintenklecks auf gelbem Boden minderwertiger sein, wenn er von einem homophoben Maler stammt, als wenn er von einem moralisch ausgewogeneren Künstler stammt? Das wäre Blödsinn und darüber hinaus Blödsinn, den bereits die Nazis ausgeübt haben, als sie Bücher jüdischer Autoren verbrannten und andere Kunstwerke, die ihnen nicht in ihre Weltvorstellung passten, zerstörten.

Das hat Churke auch schon gesagt, und ich möchte da noch mal ganz deutlich einhaken: Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein diktatorisches Regime für ein ganzes Volk entscheidet, was schlecht ist, und dann alle Kunstwerke vernichtet, die sie entsprechend abgestempelt haben - oder ob ich selbst, für mich ganz persönlich, entscheide, dass ich einen Künstler, von dem ich weiß, dass er eine bestimmte Ideologie vertritt, nicht unterstützen möchte. Ich treffe hier eine Entscheidung für mich, nicht für andere, und das ist mein gutes Recht. Das hat mit den Bücherverbrennungen der Nazis nicht das Geringste zu tun. Und genau aus dem Grund ist es mir auch egal, dass der Autor, den ich aufgrund solcher Äußerungen und Aktivitäten nicht mehr lesen und erst recht nicht fördern möchte, sich dadurch nicht ändert. Deswegen mache ich das nicht. Sondern ich setze durch meinen Verzicht ein persönliches Statement, das meine Meinung wiederspiegelt. Klar hofft man dann, dass auch viele andere sich so entscheiden und so vielleicht tatsächlich ein Effekt erzielt wird. Aber zuerst mal geht es vor allem darum, dass ich meine Meinung nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten kundtue.

Was die Trennung von Werk und Künstler betrifft: Natürlich nehmen wir alle (oder zumindest viele von uns) für uns selbst diese Trennung in Anspruch und wollen nicht eins zu eins mit unseren Figuren und deren Ansichten gleichgesetzt werden. Aber dieses Argument hier zu verwenden ist, als würde man das Pferd von hinten aufzäumen. Denn hier geht es ja um genau den umgekehrten Fall: Die Texte des Autors sind erstmal inhaltlich unbedenklich und verbreiten seine Ideologie nicht, und trotzdem - der Autor selbst tut es sehr wohl. Damit entscheidet er sich, in seiner Position als bekannte und erfolgreiche Person des öffentlichen Lebens seine Ansichten kundzutun und hebt damit m.E. selbst die Trennung zwischen Werk und Künstler auf. Und das ist der Punkt, wo ich mir dann herausnehme, über Autor und Werk ein Gesamturteil zu fällen und ggf. Konsequenzen zu ziehen. Ich meine, wenn ich als Autorin meine eigenen ideologischen Ansichten von meinen Büchern getrennt haben möchte, dann bin ich ganz bestimmt schlau genug, diese Ansichten nicht mit Pauken und Trompeten und stolzgeschwellter Brust in die Welt zu schreien. Da kann mir niemand erzählen, dass so jemand wirklich noch sein Werk unabhängig von seiner Ideologie betrachtet wissen möchte. Zumal heutzutage, im Gegensatz zu früheren Zeiten, deutlich mehr verschiedene und auch gegensätzliche Weltbilder nebeneinander existieren - genug, meine ich, dass jeder seine eigene Meinung im Spiegel der Meinungen anderer reflektieren können sollte.

Und ob man deswegen auf eine gute Geschichte, auf gute Musik verzichten "muss"? Das entscheidet jeder für sich selbst, aber für mich ist der Verzicht ehrlich gesagt keineswegs schmerzhaft oder besonders groß. Es gibt so viele tausend Künstler da draußen, die auch tolle Musik machen und tolle Bücher schreiben, dass ich mich wirklich nicht auf den Boden werfen und strampeln und "Ich will aber unbedingt diesen Künstler weiter hören/lesen!" brüllen muss. Sowas kann wirklich schade und blöd sein, wie ich kürzlich erst festgestellt habe, als ich ein atmosphärisches Gedicht nicht verwenden konnte/wollte, weil der Dichter überzeugter Antisemit war. Aber meine Welt geht davon nicht kaputt, und das wichtigste: Ich fühle mich selbst wohl mit dem, was ich tue.

pink_paulchen

Erstmal ein großes Dankeschön für diesen überaus interessanten Thread. Ich habe schon viele hervorragende und fundierte Meinungen zum Thema gefunden. Beispielsweise diese:

Zitat von: AlessaNormalerweise interessiere ich mich selten für einen Autor oder einen Schauspieler. In der Regel möchte ich ihre Werke genießen - oder auch nicht - ohne den Hintergrund zu kennen. In ihrer Gedanken- und Gefühlswelt sind sie ebenso frei, wie ich und dieses Recht möchte ich ihnen auch nicht absprechen. Allerdings - und hier kommt der große Haken - kann ich dann auch nicht darüber hinwegsehen, wenn sie ihren Bekanntheitsstatus nutzen, um rechtsradikale oder andere menschenverachtenden Äußerungen in die Massen zu hauen.

Da finde ich mich gut wieder und auch viele andere eurer Beiträge haben mich zu heftigem Kopfnicken gebracht. Aber dieses Statement von Kati hat mich total entsetzt:

Zitat von: KatiErstmal möchte ich davon Abstand nehmen, dass jeder seine Meinung frei rausbrüllen dürfen sollte... das stimmt auf jeden Fall in der Theorie, aber

An diesem Satz darf es kein aber geben. Nie. Aus keinem Grund. Alle Regierungen, die hier ein aber haben, zeichnen sich durch Menschenrechtsverachtung aus. Ich zitiere mal aus der Erklärung der Vereinten Nationen, Artikel 19.
ZitatJeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.
Im unserem deutschen Grundgesetz ist es so formuliert.
Zitat(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten [...] Eine Zensur findet nicht statt."

Das Bundesverfassungsgericht hat das konkretisiert und unterstrichen und es spricht mir damit aus tiefster Seele: "Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend."

Jeder darf er in Deutschland sagen, dass er schwulsein eklig findet. Ich kann ihn dafür hassen, aber ich darf es ihm nicht verbieten! Meinungsfreiheit ist Meinungsfreiheit, auch wenn es weh tut! Ich akzeptiere, wenn jemand die Haltung eines Menschen auch mit seiner Arbeit verbindet und deshalb Werke von ihm nicht mehr kauft. Ich kann auch akzeptieren, wenn jemand zum Boykott aufruft (auch das ist Meinungsfreiheit). Aber was nicht geht - gar nicht - ist, jemand daran hindern zu wollen, dass er auf ein Plakat schreiben oder im Fernsehen sagen oder in einem Buch schreiben darf, was er will.

Für mich ist Tom Cruise ein Spitzenschauspieler und ich kann seine Filme genießen. Wenn er gezielt Werbung für etwas machen würde, was mir nicht passt, würde das vielleicht anders sein. Ich finde in diesem Zusammenhang John Travolta ein gutes Beispiel. dieser Film "Phenomenon", das habe ich beispielsweise als deutliche Werbung für Scientology empfunden und ich mag diesen Film nicht. Andere Filme von ihm sehe ich weiterhin.

Aber andere generalisieren das deutlicher. Da frag ich mich: Wo zieht ihr die Grenze? Es kursieren Listen mit Scientology-Mitgliedern im Netz. Boykottiert ihr jeden, von dem erzählt wird, dass er Mitglied ist? Ich bekomme ein wenig das Bild einer Hetzjagd auf Leute, die auf einer Hören-Sagen-Liste stehen. Und würde es nicht mittelfristig dazu führen, dass jeder lieber nur noch heimlich so ist, wie er ist? Und fühlt sich das nicht ein wenig wie 1984 an, wenn man nicht mehr sagen und denken darf, was man will?

In meiner Welt darf jeder sich im Fernsehen hinstellen und sagen: Schwulsein ist scheiße! Er muss dann damit leben, dass ihn viele dafür verachten, aber er muss das sagen dürfen.
Das Verbot etwas zu sagen, sorgt nämlich bei den Verkündern keineswegs für Verständnis. Wenn jemand rechtsradikale Parolen brüllt, dann kann man das verbieten, aber im Normalfall fühlt er sich dann bestätigt, als Märtyrer und Unterdrückter.

Ich habe mal eine Doku über ein Projekt gesehen, dass in Ostdeutschland gezielt Jugendliche in einem Projekt angesprochen hat, die sich der radikalen rechten Szene zugewandt fühlten. Mit denen wurde dann kein "Umerziehungscamp" gemacht, sondern gezielte politische Bildung. Man hat ihnen erklärt, warum Radikalismus ein Problem ist und was an ihrer Sicht auf Deutschlands Vergangenheit nicht richtig ist. Man hat das bewiesen, diskutiert, ihre Meinung gehört und sie ernst genommen in dem was sie denken. Der überwiegende Teil dieser Jugendlichen hat sich im Laufe dieser Aktion gewandelt.

Das ist teuer, das ist aufwendig, das klappt nicht immer - aber das ist der richtige Weg in einer aufgeklärten Welt.

HauntingWitch

Zitat von: Fynja am 02. Dezember 2013, 17:41:10
Also, erstmal, was den Musiksgeschmack anbelangt, bin ich eigentlich auf deiner Seite.  ;) Allerdings finde ich deine Einstellung etwas radikal. Ich hoffe, du nimmst das, was ich schreibe, jetzt nicht falsch auf, ich will dich keinesfalls persönlich angreifen, aber so wie du es beschreibst finde ich, dass es schon ziemlich unfair ist, Menschen aufgrund ihrer Lebenseinstellung, was erstmal Musik betrifft, zu verurteilen.
Ein paar Dinge fallen mir dazu ein: Schließt du vom Musikgeschmack gleich auf die Lebenseinstellung?

Das ist eine Diskussion, keine Angst, ich nehme es dir nicht übel.  ;) Zu der Frage: Ja, das tue ich unter Umständen. Und zwar dann, wenn sie a) sich auch so kleiden, b) so bewegen, c) in ihren typischen Termini sprechen ("Ey, Mann" u.ä.) und d) der Inhalt des gesagten meine Erfahrungen bestätigt. Denn all dies zusammen, widerspiegelt meiner Meinung nach eine Lebenseinstellung. Das alles tut man ja aus einem bestimmten Grund und nicht einfach nur aus Unsinn, hoffentlich. Natürlich sollte man nicht vom MP3-Player oder von einem Kleidungsstück allein auf den Menschen schliessen. Aber alles zusammen ergibt nun einmal einen gewissen Eindruck. Ich möchte auch nicht alle in einen Topf werfen. Nur ist mir noch nie jemand begegnet, der "anders tickt" (als erwartet). Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass ich seit ich aus der Schule bin praktisch keinen Kontakt mehr zu HipHoppern habe und sie nur noch aus der Distanz sehe (im Zug oder so). Und bestimmt spielt noch die Psychologie mit, dass man, wenn man Fehler erwartet, natürlich auch diese zuerst und vermehrt sieht. Dass das nicht unbedingt tolerant oder gut ist, weiss ich, nur ändert dieses Wissen meine verfestigte Ansicht nicht so einfach.

Zitat von: Fynja am 02. Dezember 2013, 17:41:10Ich weiß auch nicht genau, was du mit "Lebenseinstellung" meinst. Auch hier habe ich ein Klischee im Kopf, denke an Texte wie die von Bushido oder anderen Rappern, die provozieren, frauenfeindlich sind und so weiter. Wenn die Hip Hop- Hörer solche Einstellungen übernehmen, verstehe ich, dass man das verurteilt, aber ich würde mal behaupten, dass die wenigsten das tun und es ist wie mit jedem Klischee:

Ist es so? Bei mir entsteht nämlich der Eindruck, dass sie das tun. Übernehmen Metalheads nicht auch gewisse Denkkonzepte aus der Musik? Bzw. bei "uns" weiss ich, dass die Musik erst aufgrund dieser Denkkonzepte entstanden ist und sie in der Folge natürlich bestärkt. Wir machen und hören unsere bevorzugte Musik aufgrund unseres Denkens, unserer Wertvorstellungen und entsprechend unterstützt und beeinflusst die Musik das. Wie weit das geht, könnte man jetzt vermutlich zu Tode diskutieren und hängt bestimmt auch vom Individuum ab.

Ich weiss nicht, ob ich das witzig oder ernüchternd oder beides finden soll, aber mir fällt gerade auf, dass sich das nicht mit meiner obigen Aussage, das Werk vom Künstler zu trennen, deckt. Und doch würde ich gewisse Leute immer noch nicht boykottieren...  :hmmm:

@Ludovica: Die Fragen beantworte ich ganz klar mit "nein". Nur weil ich sie nicht mag, heisst das ja nicht, dass sie nicht leben dürfen. Ich glaube, langsam verstehe ich euren Punkt (@Kati & Co.).  ;) Das geht wohl etwas tiefer als: "Mir gefällt deine Art nicht, lass mich in Ruhe damit."

ZitatHaben wir alle Vorurteile? Vermutlich (meiner Erfahrung nach) ja. Sind wir bereit diese zu revidieren, wenn jemand diese glaubhaft vor unseren Augen widerlegt?

Aber das ist es ja. Ich z.B., ja, ich denke schon. Aber der Autor mit den bedenklichen Ansichten oder Charakterzügen, wird er sich ändern? Das weisst du nicht. Man müsste mit ihm reden, dann könnte man vielleicht etwas erreichen. Und auch nur vielleicht. Dass man sich aber unter Umständen persönlich unwohl fühlt damit und sein Werk deswegen meidet, das sehe ich jetzt dank euren Beiträgen. Auch wenn es mir selbst nur sehr selten so geht.  ;)



Kati

Pink_Paulchen, du hast mich anscheinend ziemlich missverstanden. Ich werde mal von diesem ganzen Regierungskram absehen, ich bin keine Regierung, ich bin eine einzelne Frau ohne irgendwelche politische Macht oder dergleichen. Bei der Meinungsfreiheit geht es darum, dass niemand für seine Meinung verhaftet werden darf und das ist auch richtig so. Aber, wenn jemand sagt die Meinungsfreiheit wäre wichtiger als das Leben vieler Menschen werde ich kiebig. Ich lese das so, dass du mir vorwirfst, ich wollte eine Zensur... ich will keine Zensur, bei Weitem nicht, ich will, dass Leute kapieren, dass es absolut oberdumm ist Schwulsein eklig zu finden. Oder rassistisch zu sein. Oder etwas gegen Behinderte zu haben. Oder, oder, oder.

Meine Aussage hat dich schockiert. Mich schockiert, dass manchen Leuten das Recht auf freie Meinung wichtiger ist, als das Wohl ganzer Menschengruppen. Stell dir vor, einer stellt sich hin und sagt "Schwule und Lesben sollten nicht heiraten dürfen!" Das ist dann seine Meinung, die hat er dann geäußert, wie schön. Und jetzt stell dir vor, jemand geht zu ihm hin und sagt ihm, dass er seinen homophoben Mist auch für sich behalten kann. Was passiert? Der menschenverachtende Quatsch, den diese Person von sich gegeben hat, wird von weniger Leuten gehört und er oder sie hat vielleicht verletzte Gefühle, weil seine Meinung schlecht aufgefasst wurde. Das ist alles. Mehr passiert nicht. Es passiert nichts Schlimmes. Bleibt so eine Meinung aber unkommentiert, wird es Leute geben die zustimmen. Leute, die nicht wollen, dass LGBTQ-Menschen heiraten dürfen. Und das führt zu Beschlüssen wie gerade heute in Kroatien, wo jetzt in der Verfassung steht, dass nur Mann und Frau heiraten dürfen. Das sind Meinungen, die Menschen ihre Grundrechte wegnehmen. Das sind Meinungen, die dazu führen, dass Menschen diskriminiert, gequält und getötet werden. Ich sag's nochmal:

Jeder kann seine Meinung frei rausbrüllen, wenn er will, aber, wenn es eine Meinung ist, die die Rechte von Menschen einschränkt, ihnen schadet oder sogar ihr Leben in Gefahr bringt, dann sollte er die verdammten Konsequenzen seiner freien Meinungsäußerung auch tragen können! Aber ja, was ist schon ein sorgenfreies Leben für Minderheiten wert, solang jeder Depp sich auf seine Seifenkiste stellen kann und menschenverachtenden Mist in die Welt rausposaunen kann, ohne, dass es Konsequenzen hat.

Wenn ich sage, dass ich eine Meinung, die anderer Leute Rechte auf ein sorgenfreies Leben einschränken, nicht respektiere, macht mich das nicht menschenverachtend. Ich verstehe nicht, wieso die ekligsten Typen in Schutz genommen werden und Leute sagen "Aber er darf seine Meinung äußern!" und "Aber er ist doch vielleicht sonst ein netter Typ!", aber Aktivisten, denen es um echte Gleichberechtigung geht und die dafür sorgen wollen, dass jeder Mensch - egal welche Hautfarbe, welche Sexualität, welcher Körper und was nicht - irgendwann die Möglichkeit hat in Frieden zu Leben ohne Diskriminierung durch irgendwelche tollen Meinungen, werden mit Gegenargumenten überschüttet. Was soll das? Ihr müsst euch mal klar machen, was Diskriminierung eigentlich bedeutet. Das ist nicht einfach "Ih, Schwule sind eklig" und dann passiert nichts. Solche Aussagen werden nicht in einem Vakuum gemacht, die stoßen auf und unterstützen eine Gesellschaftsnorm, die längst überholt ist und Menschen schadet: Durch Diskriminierung, Ablehnung und Hass, die jeden Tag spürbar sind, immer wieder.

Und ja, da opfer ich mal die verletzten Gefühle des armen Rassisten/Homophoben/etc.. Ich will bestimmt keine Zensur. Aber ich möchte, dass mit problematischen Meinungen kritischer umgegangen wird. Besonders mit solchen, die Menschen schaden. Ihr macht euch immer nicht klar, wie sehr solche Meinungen Menschen wirklich schaden! Wenn du überall auf Ablehnung stoßen  würdest, weil deine Augen sagen wir grau sind, wenn dich nur dafür alle hassen, du keinen Job bekommst und nachts auf der Straße Angst haben musst dafür getötet zu werden, würdest du dann immer noch sagen jemand, der meint "Ich mag keine Menschen mit grauen Augen, die sind eklig" sollte diese Meinung noch weitertragen? Oder würdest du zustimmen, dass dieser Mensch das Privileg hat keine grauen Augen zu haben, die Mehrheit hinter sich hat und die größte Schmach, die ihm wiederfahren kann, ist, dass ihm jemand mal die Meinung sagt, aber selbst das ist nicht schlimm, weil es keinerlei ernste Konsequenzen für ihn haben wird. Im Gegensatz zu den Betroffenen mit grauen Augen, die leiden, verfolgt werden, sterben und jeden Tag mit diesem Hass konfrontiert werden, weil einfach so viele Menschen ihre "Meinung" sagen und andere Menschen diese Meinung verteidigen.

Mehr sage ich dazu jetzt nicht. Ich frage mich ehrlich, wie man das nicht verstehen kann, wie man nicht begreifen kann, dass es gewisse Unterschiede gibt zwischen einer Meinung und menschenverachtendem Geschwafel. Wenn ein Nazi sein "Ausländer raus!" brüllt, sind doch auch alle geschockt. Am Ende sind beides eklige Aussagen, die Menschen das Recht auf ein sorgenfreies Leben nehmen. Und wie man das verteidigen kann... Sorry, aber das finde ich scheinheilig und sehr problematisch und unüberlegt.