Plotten mit der Schneeflocken-Methode nach Randy IngermansonRandy Ingermanson, ein Autor aus den USA, schreibt Bücher und unterrichtet kreatives Schreiben. Seine Bücher plottet er nach der von ihm so genannten „Schneeflocken-Methode“, bei der man sich vom ersten Satz der Geschichten-Idee immer weiter nach außen vorarbeitet. Dabei wächst die Geschichte, bildet immer mehr detailliertere Arme, eben wie eine Schneeflocke. Ausführlich wird die Methode selbst vom Autor auf folgender Seite frei und für jeden vorgestellt:
http://www.advancedfictionwriting.com/art/snowflake.phpDa aber hier nicht jeder Autor der englischen Sprache überaus mächtig ist und das Thema immer mal wieder von Interesse sein könnte, werde ich mich hier mal der Methode annehmen und sie für euch zumindest sinngemäß übersetzen. Los geht’s …
Schritt 1:
Nimm dir eine Stunde Zeit und schreib einen Satz, der die Handlung deines geplanten Buches zusammenfasst. Klar, nicht jedes Detail wird zur Sprache kommen, aber das große Motiv sollte klar erkennbar sein.
Beispiel:
Ein junger Prinz wird um sein Erbe gebracht und macht sich auf den Weg, Königreich und Krone für sich zurückzuerobern.Der Satz sollte nicht zu lang sein, je kürzer er ist, umso besser! Benutze keine Namen für deine Charaktere, auch keine Platzhalter. Was der Charakter ist sagt mehr aus, als Wer er ist! Konzentriere dich dabei auf den Charakter, der der Protagonist sein wird, der am meisten zu verlieren, aber auch am meisten gewinnen kann.
Dieser Satz wird das Leitmotiv sein und dich die gesamte Planung hindurch begleiten.
Schritt 2:
Nimm dir eine weitere Stunde und erweitere den einzelnen Satz auf 5 Sätze. Geh dabei nach folgendem Schema für die Sätze vor:
Der erste Satz beschreibt die Ausgangssituation, die folgenden drei Sätze beschreiben Punkte, die der Handlung einen Wende geben, Satz 5 schließlich beschreibt das Ende des Buches.
Wir haben es hier also mit einem klassischen Fünfakter zu tun, wer will, kann auch mit drei Akten arbeiten, je nach Gusto.
Beispiel:
Der Prinz ist der rechtmäßige Erbe eines Königreiches. Am Tag seiner Krönung kommt es jedoch zu einem Putsch und er flieht zusammen mit seiner Mutter ins Exil. Als seine Mutter stirbt, bereitet der Prinz mit ein paar Getreuen seine Rückkehr vor. Einer seiner Freunde verrät den Prinz und kurz vor Erreichen seines Ziel landet er im Kerker. Er kann fliehen, stellt die Thronräuber und den Verräter und gewinnt sein Königreich zurück.
Schritt 3:
Man hat jetzt schon einen groben Überblick über die Geschichte, nun braucht man Personal, um sie mit Leben zu füllen. Charaktere sind sehr wichtig für die Geschichte, daher nimm dir entsprechend Zeit, um sie auszuarbeiten. Beginne für jeden Charakter eine neue Seite und arbeite folgende Punkte ab:
- Name des Charakters
- Ein-Satz-Zusammenfassung der Geschichte des Charakters (siehe Schritt 1)
- Die Motivation des Charakters (Gerechtigkeit, Liebe, Freundschaft etc.)
- Das Ziel des Charakters (Der Prinz will sein Königreich zurück)
- Was hindert ihn daran, sein Ziel zu erreichen? (Personen, Umstände, Gefühle etc.)
- Die Konsequenz (was lernt der Charakter, wie verändert er sich persönlich/emotional etc.)
- Die Fünf-Sätze-Zusammenfassung der Geschichte des Charakters (siehe Schritt 2)
Wenn sie aus diesen Beschreibungen Änderungen für die Geschichte ergeben, ändere sie auch entsprechend in Schritt 1 und Schritt 2. Das kannst du an jedem Punkt der 10 Schritte machen, Änderungen ergeben sich ja quasi von selbst und man sollt sich und seine Kreativität nicht in ein Korsett quetschen, nur weil der bisherige Plan anders aussah. Es ist besser, schon jetzt Änderungen einzuarbeiten als während des eigentlichen Schreibens, was meist mit wesentlich mehr Arbeit verbunden ist …
Schritt 4:
Nimm die Zusammenfassung aus Schritt 2) und mach aus jedem der 5 Sätze einen Absatz, der 5 Sätze hat. Achte darauf, dass jeder dieser Absätze in einer „Katastrophe“ endet, an einem Wendepunkt der Geschichte. Der Letzte Absatz erzählt das Ende des Buches.
Du hast jetzt schon ein ziemlich gutes Grundgerüst für deine Geschichten und neue Ideen, die du in die vorangegangen Schritte einarbeiten kannst. Nimm dir entsprechend Zeit dafür und ändere auch mal den Plan, wenn er dir besser erscheint.
Schritt 5:
Nimm die Charakter-Übersicht aus Schritt 3 und beschreibe die Handlung aus der Sicht des entsprechenden Charakters. Somit wird sie für dich besser nachzuvollziehen. Für jeden Hauptcharakter schreibe ungefähr eine Seite, für Nebencharaktere reicht ein halbe Seite. Wenn sich Änderungen ergeben, arbeite sie auch diesmal ein. Lass dir dazu einen oder zwei Tage Zeit.
Schritt 6:
Nimm die aus Schritt 4 geschriebenen Absätze und erweitere jeden Absatz zu ein kompletten Seite. Das kann ruhig eine Woche dauern. Du wirst sehen, deine Geschichte wird immer detaillierter und nimmt Gestalt an, sollten sich logische Fehler einschleichen, wirst du sie jetzt früh genug bemerken. Du kannst frühzeitig reagieren und Änderungen nach wie vor einarbeiten.
Schritt 7:
Lass dir eine weitere Woche Zeit und kümmere dich nun um die Charakterbeschreibung aus Schritt 3. Verwandel sie in ein vollständiges Charakterblatt und erweitere sie um alle Details, die dir über diesen Charakter bekannt sein. Das können Aussehen, Geburtsdatum, Vergangenheit etc. sein. Lege besonderen Wert auf die Veränderungen, die der Charakter vom Anfang der Geschichte hin zum Ende durchmacht.
Schritt 8:
Die Handlungszusammenfassung aus Schritt 6 unterteilst du jetzt in Szenen und arbeitest sie in eine Tabelle um. Lege jeweils eine Spalte für den Charakter an, aus dessen Perspektive du erzählst und eine für die Handlung. Du kannst noch mehr erstellen, zum Beispiel für den Ort der Handlung, die Zeit, das Ziel der Szene, die Motivation … . Leg so viele Spalten an wie du brauchst! Jetzt sollte die Handlung überschaubar vor dir legen und Änderungen lassen sich durch verschieben der Szenen einfach bewerkstelligen. Änderungen kannst du nach wie vor einarbeiten.
Schritt 9:
Öffne für jedes Kapitel, das du schreiben willst ein neues Dokument und schreibe für die Szenen aus Schritt 8, die darin enthalten sein werden, einen Absatz. Hier kannst du auch schon coole Dialoge einfügen, wenn sie dir durch den Kopf schwirren, füg hinzu, was dir einfällt … Wichtig ist: jede Szene sollte Konfliktpotenzial haben, tritt kein Konflikt auf oder bahnt sich wenigstens an, arbeite die Szene um oder streiche sie komplett!
Schritt 10:
Jetzt geht es mit der eigentlichen Schreibarbeit los! Du hast jetzt einen Plan, ausgearbeitete Charaktere, eine Übersicht über jede Szene und jedes Kapitel. Leg dir alles zurecht und fang an, das Buch zu schreiben!
Wer jetzt denkt, die Planung würde die Kreativität töten, nein, das ist nicht der Fall. Zumindest wenn du nicht schon jedes Detail in deiner Handlung ausgearbeitet hast. Klar, du weißt, in der dritten Szene in Kapitel 4 wird der Held gefangen genommen und kann erst am Anfang des nächsten Kapitels fliehen. Aber WIE er das anstellt, hm, keine Ahnung bis hierhin … finde es heraus! Die Methode soll dir nur einen möglichst genauen Überblick über den Handlungsverlauf verschaffen und verhindern, dass du dich während des eigentlichen Schreibprozesses verzettelst und nicht weißt, wohin der Weg dich führt.
Natürlich ist diese Methode nicht die ultimative Wahrheit und jeder muss selbst herausfinden, ob sie ihm hilft oder nicht. Selbst wenn das Endprodukt anders ausfällt als geplant, so hat man sich schon in einem sehr frühen Stadium mit der Geschichte auseinandergesetzt und intensiv mit der Handlung auseinandergesetzt. Hat man erstmal 500 Seiten geschrieben und dann gemerkt, dass nichts zusammenpasst und große Logiklücken im Text sind, ist es schwieriger, alles nachträglich anzupassen als „nach Plan“ zu schreiben.
Wer will, kann diese Methode seinen eigenen Bedürfnissen anpassen und abwandeln, immerhin gleicht keine Schneeflocke der anderen und jeder kann (oder sogar muss) seine eigene Schneeflocke gestalten.
Viel Spaß beim Ausprobieren!