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Mindestbuchpreise in der Schweiz?

Begonnen von Nebeldiener, 27. Januar 2012, 13:15:58

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Nebeldiener

Schönen guten Mittag alle Tintenzirkler.

Gestern Abend hab ich etwas entdeckt, was sehr wahrscheinlich alle hier interresieren dürfte.

Am 11. März 2012 wird in der Schweiz abgestimmt, ob Mindestbuchpreise eingeschafft werden sollen oder nicht.
Ich als Schreiberling finde bin für Mindestbuchpreise (auch, wenn ich nicht abstimmen gehen darf :D), denn so haben die Autoren wenigstens ein bisschen eine grössere Chance davon leben zu können.

Dank dem Exlibris (http://www.exlibris.ch/) bin ich erst darauf gestossen, denn die verteilen so schöne Zettelchen.
Auf dem Zettel wird sehr schnell deutlich, dass sie dagegen sind z.B. wegen: "Günstige Bücher sind die beste Leseförderung." oder "Buchpreis-Diktat NEIN" oder "Soll Lesen Luxus sein? NEIN" oder "Staatliche Regulierung NEIN"

Verstehen kann ich das nicht, denn bei uns kostet ein grösseres Fantasybuch (mit Softcover) etwa um die 20 CHF. (ca. 16-17 Euro).
Auch wenn sie fünf oder zehn CHF teurer wären, könnte man die noch bezahlen.
Wenn man aber wirklich keine Bücher kaufen kann, gibt es immer noch Bibliotheken, bei denen man gratis Bücher ausleihen kann.

Wie ich finde, wird Lesen auch mit den Mindestbuchpreisen immer noch für jeden erschwinglich sein.



Mich würde aber interessieren, wie ihr das findet und ob ihr dafür oder dagegen seit (auch wenn die meisten in Deutschland wohnen).

Lg Nebeldiener

HauntingWitch

Wird auch Zeit. Ich fände es auch gut, damit die beiden grossen (Orell Füssli und - wer hätte es gedacht - Ex Libris) die kleinen Buchläden nicht weiterhin mit Dauer-Aktionen ausstechen können. Das ist für alle nur gut.

Dass ExLibris etwas dagegen hat, ist ganz klar, die umschleichen schon seit Monaten das Wettbewerbsgesetz mit Dauer-Mängelexemplarverkäufen, die keine sind. Die haben einen Stempel drauf, ein paar kaum sichtbare Ecken am Einband und ansonsten sind die Bücher in Top-Zustand. Aber sie werden für billig verschleudert, immer wieder und seltsamerweise scheint ihnen der Bestand gewisser Autoren/Verlage trotzdem nie auszugehen.  :hmmm: Ich finde das ziemlich frech, denn so rennen alle zu ExLibris (was ohnehin ein Saftladen ist, aber das ist nochmals eine andere Diskussion wert) und die "echten" Buchläden haben das Nachsehen, weil sie ihre Bücher gar nicht so billig anbieten können. Und ExLibris hat - zusammen mit Orell Füssli - die Marktmacht. Das ist Schindluderei, die ausgetrieben werden muss.

sirwen

Hmm, also ehrlich gesagt finde ich es zwar schön und nett, dass man sich Gedanken über die Autoren und Verlage macht, aber in der Realität sieht es so aus, dass ich nach der damaligen Aufhebung der Buchpreisbindung (2007) mehr Bücher gekauft habe als zuvor, weil ich es mir endlich leisten konnte. Ich weiss nicht, wie viel Autoren wirklich davon haben, wenn alle nur in die Bibliotheken gehen und sich die Bücher dort ausleihen. Aber am liebsten kaufe ich sowieso Bücher auf Flohmärkten oder in Brockenstuben ...

Schlimm fände ich die Wiedereinführung der Buchpreisbindung allerdings nicht, das war halt all die Jahre davor schon so, und wer billig Bücher erwerben will, bestellt sie sich sowieso über amazon.

Interessant ist im Übrigen, dass die italienischsprachige Schweiz schon immer frei von der Buchpreisbindung war, und in der Romandie wurde sie auch schon in den 90ern aufgegeben. Würde mich ja interessieren, wie diese Sache dort wahrgenommen wird.

Aber ja, Orell Füssli, Thalia und Ex Libris mag ich auch nicht (was für gute Bücher kriegt man eigentlich überhaupt im Ex Libris???). Das wäre schon ein Pro-Argument.

HauntingWitch

@sirwen: Naja, man müsste die Preisbindung ja auch nicht weiss-der-Himmel wie hoch ansetzen, das wäre dann wohl ein weiterer Diskussionspunkt.

Tatsächlich habe ich im ExLibris auch einmal ein gutes Buch gefunden, aber da wusste ich noch nicht, was ich jetzt weiss. Das ist mir mittlerweile fast schon peinlich.

Erdbeere

Ich gebe zu, ich habe über den Online-Shop von ExLibris auch schon Bücher gekauft. Ich hatte Gutscheine, was solls? Bei ExLibris konnte man sich vor Jahren nicht entscheiden, wie man das Sortiment gestalten soll - CDs, DVDs, Bücher? Geht alles bunt gemischt, ohne System. Die Bücher sind knapp alphabetisch geordnet, aber da steht Schundliebesroman neben skandinavischem 0815-Krimi. Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll, nach einem Buch zu suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie es gar nicht haben, ist ebenfalls sehr hoch. Erste Anlaufstelle ist ExLibris für mich bestimmt nicht.
Allerdings weiss ich nicht, was die mit ihrer Daueraktion bezwecken wollen. Logisch, wer Bücher dauerhaft 20% - 30% günstiger anbietet, lockt Kundschaft. Aber ehrlich, mit meiner Studentenkarte von Orell Füessli (den ich liebe, so nebenbei) bezahle ich ebenfalls weniger. Hat ExLibris nun einfach Angst, dass mit der erneuten Einführung der Buchpreisbindung Kundschaft verloren geht? Über die Argumentation liesse sich streiten. Besonders das mit der staatlichen Regulierung fördert ein Stirnrunzeln - im Marketing habe ich gelernt, dass Buchpreisbindung mit Verlagen zu tun hat, nicht mit dem Staat. Preisbindung im Allgemeinen wird von einer Branche bestimmt, ähnlich wie ein Kartell.

Ich werde die Sache jedenfalls im Auge behalten. Klar habe ich nach Aufhebung der Preisbindung mehr Bücher denn je gekauft, aber vom Lesen abgehalten hat mich das vorher dennoch nicht. Da habe ich eben auf ein Buch gespart (nicht so wie heute...) oder bin in die Bibliothek.

Nebeldiener

Waren die Bücher in Zeiten der Buchpreisbindung so teuer?

Was ich jetzt einfach schade finde ist, dass Kleinhändler so gar keine Chancen haben.
Wir hatten in einer Nachbarstadt einen sehr guten Buchladen. Wenn man irgend ein Buch suchte konnte man dort den Verkäufer fragen und der hat einem ein paa empfohlen. Leider musste er den Laden verkauen, weil er eben gegen Thalia und co. nicht konkurenzfähig ist.
Grosse Buchhandlungen haben mit ihrer Auswahl auch ihren Charm, aber ich vermisse dort den Kundenservice.

Die Bücher müssten von mir aus nicht 30 CHF oder so teurer werden, es müssten nur alle Geschäfte die gleichen Preise haben.

Erdbeere

Falls ich mich richtig dran erinnere, waren die Preise durchschnittlich 2.- - 5.- höher, allerdings habe ich den Verdacht, dass die Grossen wie Thalia und Orell Füessli ihre Preise nur gering runtergeschraubt haben nach der Auflösung. Damals gab es ja den grossen Aufschrei, dass Bücher nun zu Dumping-Preisen verhökert werden würden. Was sich ja nicht eingestellt hat. Ich war damals noch ziemlich jung und hab das nur am Rande direkt mitbekommen.

Was ich jedenfalls weiss, ist, dass ich nein Stimmen werde. Preisbindung setze ich mit Preisdiktat gleich. Da können ein paar wenige Grosse, die das Monopol haben, bestimmen, wie viel der Endkonsument bezahlen soll. Wirtschaftliche Interessen hinter dem "Kulturgut Buch" zu verstecken und in der Preisbindung "eine Art Buchförderung, die den Steuerzahler keinen Rappen kostet" zu sehen, finde ich heuchlerisch.
Wie gesagt, es gab vor der Aufhebung grosses Geschrei, dass das Buch nun seinen Status als Kulturgut verliert und zu Billigpreisen verkauft wird, was nicht eingetreten ist (ExLibris ist aber hart an der Grenze). Jetzt wird wieder geschrien, diesmal aus der anderen Ecke. Typisch Schweiz.

Lomax

Zitat von: Erdbeere am 27. Januar 2012, 18:28:42Preisbindung setze ich mit Preisdiktat gleich. Da können ein paar wenige Grosse, die das Monopol haben, bestimmen, wie viel der Endkonsument bezahlen soll. Wirtschaftliche Interessen hinter dem "Kulturgut Buch" zu verstecken und in der Preisbindung "eine Art Buchförderung, die den Steuerzahler keinen Rappen kostet" zu sehen, finde ich heuchlerisch.
Wie gesagt, es gab vor der Aufhebung grosses Geschrei, dass das Buch nun seinen Status als Kulturgut verliert und zu Billigpreisen verkauft wird, was nicht eingetreten ist
Nein, das Hauptproblem bei fehlender Buchpreisbindung ist nicht, dass die Bücher unter Wert verkauft werden und so an "Ansehen" als Kulturgut verlieren oder so ein Geschwurbels. Das Hauptproblem dabei ist, dass dann die großen Geschäfte zu billigeren Preisen anbieten können als die Kleinen. Vielleicht nur um ein oder zwei Euro, aber das reicht, um über kurz oder lang die Konkurrenz aus dem Geschäft zu drängen.
  Während mit Buchpreisbindung jeder Händler denselben Preis verlangen muss, führt gerade das Fehlen einer Buchpreisbindung dazu, dass die Großen den Preis festlegen können und ein Monopol erzielen können. Die Kleinen müssen dann nachziehen, um im Wettbewerb zu bestehen, und selbst wenn sie nachziehen, verlieren sie, weil die Großen halt auch bei geringerer Gewinnspanne über die Masse mehr Gewinn machen.
  Das wiederum hat durchaus spürbare Rückwirkungen bis zum Autor. Das Fehlen einer Buchpreisbindung fördert die Konzentration des stationären Handels auf Bestseller und Schnelldreher oder mehr oder minder subventionierte "Hochliteratur". Das Mittelfeld bricht eher weg. Was wiederum bedeutet, dass weniger Plätze für Autoren in den Verlagen vorhanden sind. Gute Platzierungen für Neueinsteiger im Handel werden rar, und Buchverkäufe werden stärker über das Werbebudget für einzelne Titel bestimmt, was die Chancengleichheit für Autoren noch weiter sinken lässt.

Das passiert nicht von heute auf morgen, aber man kann doch sehen, dass die Buchpreisbindung eine Entwicklung wie auf dem US-Buchmarkt zumindest bremst. Gerade als Autor sollte man sehr genau darüber nachdenken, ob die paar Prozent, die Bücher dann billiger werden, all diese Verluste wirklich wert sind. Denn für Autoren bedeutet das Fehlen einer Buchpreisbindung ganz klar: Eine Handvoll Autoren werden immer mehr Geld verdienen, und dafür immer mehr Autoren immer weniger.
  Man kann zwar darauf hoffen, dass man als Autor zu den Gewinnern gehören wird. Aber man sollte sich doch darüber im Klaren sein, wenn man mit Nein stimmt, dass man dann auch dafür stimmt, dass die Einkommen in der Branche, in der man arbeiten will, noch unterschiedlicher verteilt sein werden und die Einkommensschere weiter auseinanderklafft.
  Was ja eigentlich eine Entwicklung ist, die gemeinhin eher kritisiert wird. Und da sollte man sich zumindest darüber im Klaren sein, dass eine Nein-Stimme gegen die Buchpreisbindung eine Ja-Stimme für mehr Neoliberalismus im Verlagswesen ist. Wenn man da ein Verfechter von ist - gut. Wenn nicht ... sollte man vielleicht noch mal genauer darüber nachdenken  ;)

Snöblumma

Nur eine Verständnisfrage: Sprechen wir über eine Buchpreisbindung nach deutschem Vorbild? Das heißt, an den Endverbraucher darf dieselbe Auflage eines Buches nicht zu einem anderen Preis verkauft werden, als den privatautonom festgelegten. Sprich: das Buch kostet den Leser überall gleich viel.
Oder geht es um echte Mindestpreise? Sprich: ein Taschenbuch mit soundso viel Seiten muss 10 Euro kosten, egal was Verlag und Autor davon halten?

Moni

Zum Thema gibt es auf der Webseite des Börsenblattes einige Artikel, unter anderem diesen hier: http://www.boersenblatt.net/448621/ und auch diesen: http://www.boersenblatt.net/488150/template/bb_tpl_ausland/

Es geht um die Wiedereinführung der Preisbindung, wie sie auch in Deutschland gegeben ist: ein Buch kostet überall das gleiche.

Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Erdbeere

@Lomax: Dann ist die Argumentation unserer Politiker echt harzig, denn das mit dem Kulturgut kommt von denen, nicht von mir.

Zitat von: Lomax am 28. Januar 2012, 01:40:39
Das passiert nicht von heute auf morgen, aber man kann doch sehen, dass die Buchpreisbindung eine Entwicklung wie auf dem US-Buchmarkt zumindest bremst. Gerade als Autor sollte man sehr genau darüber nachdenken, ob die paar Prozent, die Bücher dann billiger werden, all diese Verluste wirklich wert sind. Denn für Autoren bedeutet das Fehlen einer Buchpreisbindung ganz klar: Eine Handvoll Autoren werden immer mehr Geld verdienen, und dafür immer mehr Autoren immer weniger.
  Man kann zwar darauf hoffen, dass man als Autor zu den Gewinnern gehören wird. Aber man sollte sich doch darüber im Klaren sein, wenn man mit Nein stimmt, dass man dann auch dafür stimmt, dass die Einkommen in der Branche, in der man arbeiten will, noch unterschiedlicher verteilt sein werden und die Einkommensschere weiter auseinanderklafft.
  Was ja eigentlich eine Entwicklung ist, die gemeinhin eher kritisiert wird. Und da sollte man sich zumindest darüber im Klaren sein, dass eine Nein-Stimme gegen die Buchpreisbindung eine Ja-Stimme für mehr Neoliberalismus im Verlagswesen ist. Wenn man da ein Verfechter von ist - gut. Wenn nicht ... sollte man vielleicht noch mal genauer darüber nachdenken  ;)

Da hast du Recht. Aus der Sicht der Autoren habe ich das bisher nicht gesehen, da kenne ich mich auch überhaupt nicht aus, ehrlich gesagt. Natürlich ist es schade für die Kleinen, wenn die Monopolisten den Markt bestimmen, dennoch bin ich der Meinung, dass eine Preisbindung den Wettbewerb einschränkt.
Bis zur Abstimmung hab ich ja noch Zeit, mich schlau zu lesen, querbeet. ;)

HauntingWitch

Ein anderer Aspekt, der mir gerade heute noch eingefallen ist: Was ist mit Second-Hand Büchern? Noch kann ich zu meinem Lieblingssecondler gehen und dort Bücher unter CHF 10.- kaufen, die gut erhalten und schön sind. Auch seltene. Ob der überlebt, wenn er einer Preisbindung unterstellt wird?  :hmmm: Von dem her mache ich mir jetzt doch ein bisschen Sorgen.

Erdbeere

Und erst die Bücherbrokis, wo ich heute erstklassige Secondhand-Bücher zu CHF 2.- - 7.- kriege! :d'oh: Da hast du einen Punkt, Witch - sind diese Händler dann davon ausgeschlossen? Wohl schon, denn es handelt sich ja um Gebrauchtware, oder?

HauntingWitch

Ich hoffe es, sonst haben wohl nicht nur wir ein kleines Problem... Ich meine jetzt, wegen meinem Buch-Menschen, ich kenne den ein ganz klein wenig, war schon ein paarmal bei ihm im Laden. Oh mannomann, plötzlich klingt es nicht mehr so toll.  ::)

Maja

Eine weitere Folge von der Aufhebung von Buchpreisbindungen haben wir vor ca. 10 Jahren in den USA feststellen können: Da schadet es nicht nur den kleineren Buchhandlungen, dass die großen die Preise diktieren können, sondern auch den Verlagen. Damit Barnes&Noble, Borders & Co die Kampfpreise anbieten konnten, mussten ihnen auch die Verlage entsprechende Rabatte einräumen können - nach dem Motto "Dafür kaufen wir euch größere Mengen ab". Sie haben z.T. mehr als siebzig, achtizg Prozent Rabatt auf den Ladenpreis verlangt, um das Buch dann zum halben Preis anbieten zu können; Verlage, die nicht mitspielen wollten oder konnten, wurden daraufhin aus dem Sortiment genommen und hatten effektiv keine Chancen mehr, den Leser zu erreichen. Letzlich sind viele kleine Verlage daran eingegangen. Wenn sie gezwungen waren, die Bücher unter Herstellungspreis zu verkaufen, konnten sie den Laden gleich dicht machen.

Lustigerweise war das Online-Geschäft, wiewohl es auch viele Buchhandlungen das Leben gekostet hat, ein Rettungsanker für viele Verlage; Barnes&Nobel und vor allem Borders haben übel an ihrer Kampfpreispolitik schlucken müssen - Borders ist AFAIK inzwischen pleite und völlig vom Markt verschwunden. Gegen Amazon kommen sie einfach nicht an. Man muss aber auch bedenken, dass der amerikanische Markt und der deutsche nicht analog betrachtet werden können, da der Markt viel größer ist und darum auch kleinere Verlage viel größere Auflagen verkaufen können als in Deutschland.

Gebrauchte Bücher, Mängelexemplare etc. sind übrigens nicht von der Buchpreisbindung betroffen.

Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt