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ERfahrung macht den Schrifsteller

Begonnen von Manja_Bindig, 04. Juli 2006, 11:08:15

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Manja_Bindig

 So.
  In einem anderen Thread kam das Thema auf, dass man ohne Lebenserfahrung keine guten Bücher schreiben kann - Jungspunde wie ich also -  sehr überspitzt formuliert - besser noch ein paar Jährchen abwarten sollten.
  So.
  Was soll ich davon halten? Ich werd in ein paar Monaten 19, ich hab gerade das Abi hinter mir, ich kämpfe um einen Studienplatz. Ich bin extrem jung, mir mangelt es in einigen Bereichen an Lebenserfahrung.
  Naja... jetzt red ich hier erstmal nur für mich, also werft mir nachher keine PAuschalisierung vor.
  Was weiß ich vom Leben? Ich weiß, wie man Kinder hütet, mit ihnen spielt, mit ihnen schimpft - kurz, ich hab einen kelinen Einblick in das Elterndasein bekommen. Keinen großen, aber ich kann mir ausmalen, was meine Mutter mit mir durchhatte.
  Ich hab ernste Kämpfe mit meiner Familie hinter mir, ohne dabei gelernt zu haben, diplomatisch zu streiten - dafür hab ich aber gelernt, dass es Leute gibt, die auf diplomatisches Streiten mit Nichtachtung reagieren.
  Ich wurde in der Schule gemobbt und kenne ein paar menschliche Abgründe. Ich weiß, was Schmerzen sind, und wie die auf Menschen wirken können.
  Ich habe Freunde gefudnen, die mir aufgeholfen haben udn für die ich jetzt genauso Verantwortung trage, wie sie für mich.
  Ich hab ein paar zerbrochene Beziehungen hinter mir und weiß, wie weh es tut verlassen zu werden und wie schwer es ist, jemanden selbst zu verlassen. Gleichzietig weiß ich aber auch, wie extrem beängstigend jemand sein kann, der nicht loslassen will. Und ich bin zu der Überzeugung gekommen, eine wandelnde Beziehungskrise zu sein.
  Wie man eine Beziehung erhält, weiß ich bis heute allerdings noch nciht.
  Dafür weiß ich, wie man Akkordeon spielt, zeichnet, singt, Lieder schreibt - und ich weiß, dass das die Dinge sind, die mcih wirklich ausfüllen und glücklich machen.
  Plus den gganzen Sachen, die man mir im Unterricht beigebracht hat und die mir hin und wieder beim Schreiben nützen.

  Ziemlich viel für eine 19jährige ohne Lebenserfahrung, was? Ich bin vielleicht ein Sonderfall, weil nciht jeder von uns gemobbt oder über Wochen vom Exfreund verfolgt wurde. Aber alles andere - was st das Leben denn anderes als das, was ich bis jetzt aufgezählt habe(und wehe, mir kommt jetzt einer mit Geld)

Andererseits weiß ich eins: ich hab noch viel zu lernen(unter anderem, wie man eine Beziehung NICHT versaut) - wahrscheinlich mehr, als ich in meinem kurzen Leben schaffe.
Aber gut. Ich schreibe heute anders, als ich es noch mit 15 getan hab, weil ich heute mehr Lebensrfahrung hab(das Beziehungsthema kam erst mit 16/17 auf... *Seufz*). Ich denke schon, dass Lebenserfahrung einen Autor verbessern kann. Bleibt die Frage, ob sie es muss.

lapaloma

Zitat von: Manja_Bindig am 04. Juli 2006, 11:08:15
So.
  In einem anderen Thread kam das Thema auf, dass man ohne Lebenserfahrung keine guten Bücher schreiben kann - Jungspunde wie ich also -  sehr überspitzt formuliert - besser noch ein paar Jährchen abwarten sollten.


Oh! Hab ich das gesagt? Na, dann muss ich mir selber die Ohren lang ziehen.
Es wäre jammerschade, wenn du ein paar Jährchen mit Schreiben warten würdest.
Allerdings glaube ich, dass du in zwanzig Jahren noch wesentlich besser sein wirst und es würde mich nicht wundern, wenn du es bis in den Autorenhimmel schaffen würdest, denn du schreibst schon heute verdammt gut. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, dein nächstes Buch zu lesen.

Was jedoch deine Erfahrung anbelangt, so scheint sie mir nicht aussergewöhnlich, meine Töchter sind etwa gleich weit - nur können die nicht so gut schreiben ;-)

Herzliche Grüsse, Sid

Manja_Bindig

Tja... Lebenserfahrung kann aber auch einiges versauen. Ich kann nicht sdo gut Kinder schreiben.
Kinder haben iene ganz unverkrampfte, naive sicht der Dinge... und die geht bei Lebenserfahrung flöten.

Aneirin

Hallo,

ich weiß zwar nicht wirklich, wozu dieser Thread gut sein soll, außer als Einladung an die anderen an Jahren jungen Mitglieder dieses Forums, ihre Lebenserfahrungen auszubreiten.

Lebenserfahrungen macht man im Laufe seines Lebens, der eine macht diese, der andere macht jene. Der eine schreibt, der andere nicht, der eine schreibt dieses, der andere jenes und im Laufe werden sich die Themen und die Art zu schreiben verändern. Das wird wohl auch gemeint gewesen sein, mit der Lebenserfahrung und der Erfahrung des Autors.

Ihr könnt jetzt alle aufschreien und mir widersprechen, aber ich bin der Meinung, dass man es einem Text in der Regel anmerkt, ob er von einem 16-jährigen, einem 36-jährigen oder einem 66-jährigen geschrieben wurde. Genauso wie man es merkt, ob er von einem Mann oder einer Frau stammt. Das hat etwas mit der Art der Herangehensweise an die Dinge zu tun.

Grüße
Aneirin

Feuertraum

Sorry, Manja, aber dieser These kann und will und werde ich NICHT zustimmen! Zumindest nicht aufgrund dieser Argumentation. Wenn diese Argumente nämlich Hand und Fuss hätten, dann:

dürfen nur noch gedungene Mörder Krimis schreiben, weil sie die Erfahrung gemacht haben, einen (oder mehrere) Menschen zu töten

Dürfen nur noch Schwule und Lesben homoerotische Liebesgeschichten schreiben

Gibt es keine Fantasy mehr, denn wer von uns hat schon mit Ritterrüstung einen Lindwurm im Kampfe besiegt?

Nein, Manja, wenn es die eigene Erfahrung ist, die einen Schriftsteller ausmacht, dann bin ich keiner. Und die meisten von uns werden auch nur wenige Werke zu Papier bringen.
Bleibt also nur die Erfahrung anderer.
Und das geht wieder in den Bereich Wissen.

In diesem Sinne

LG

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Lomax

Zitat von: Manja_Bindig am 04. Juli 2006, 11:08:15..., dass man ohne Lebenserfahrung keine guten Bücher schreiben kann - Jungspunde wie ich also -  sehr überspitzt formuliert - besser noch ein paar Jährchen abwarten sollten.
Das ist in der Form wohl übertrieben, aber in gewisser Hinsicht steckt doch etwas Wahres darin. Ich kenne Autoren, die sich jetzt von ihren "Jugendsünden" distanzieren und sie furchtbar unreif finden - obwohl sie das damals natürlich anders gesehen haben. Andere Autoren distanzieren sich nur, weil sie inzwischen "viel besser geworden sind". Aus Sicht eines Außenstehenden wirkt diese Einschätzung manchmal unberechtigt, und man findet die neueren Texte vielleicht "anders", aber nicht unbedingt "besser".
  Andererseits aber stellt man mindestes ebenso oft fest, dass die Selbsteinschätzung stimmt und man den alten Texte tatsächlich eine spürbare Unreife anmerkt. Ich würde also sagen, dass man "ohne Lebenserfahrung nichts gutes Schreiben kann" stimmt für manchen Autor sicher mehr, für andere weniger.

Ich persönlich habe diese Erfahrung so nicht gemacht. Ich würde mich nicht von meinen alten Texten distanzieren und merke immer noch, dass ich mich in der Essenz vielfach nicht verändert habe und auch in den alten Dingen viel von dem steckt, was mich auch heute noch ausmacht. Meinen ersten Roman würde ich gewiss nicht ohne gravierende formale Bearbeitung an die Öffentlichkeit geben - trotzdem sehe ich ihn noch als "meine Geschichte" an.
  Aber ich merke doch, dass sich meine Texte durch weitere Lebenserfahrung verändert haben. Ich hatte auch vor 20 Jahren nicht das Gefühl eines Defizits - nachdem in einem anderen Thread schon von "traumatischen Jugenderfahrungen" die Rede war, möchte ich hier ergänzen, dass so etwas vermutlich für Autoren nicht ungewöhnlich ist. Schriftsteller sind selten fröhliche und unbeschwerte Leute - ich denke, Schmerz und Leid formen das Schreiben. Und auch wenn ich andere Erfahrungen gemacht habe als beispielsweise Maja, hatte ich schon mit 20 keine ungebrochene Weltsicht und hätte nicht gesagt, dass es mir an "Lebenserfahrung" fehlt.
  Trotzdem ist gerade in den 90ern dann noch einiges hinzugekommen, und das blieb nicht ohne Auswirkung auf die Texte. Und das sich etwas verändert hat, konnte ich sehr deutlich auch durch äußeres Feedback erfahren: Einen "intellektuellen Touch" hatten meine Texte schon immer, aber heute schaffe ich es kaum noch, eine einfache Geschichte zu erzählen - je kürzer die Form, umso schwerer. Und ich liebe es, zwischen den Zeilen verwoben etwas ganz anderes zu erzählen als an der Oberfläche, einen Subtext, der sich mit der erzählten Handlung beißt. Und als ich im letzten Jahr mich mal im Heftromansektor versucht habe, bekam ich regelmäßig das Feedback, dass meine Text zu "kompliziert" für die Zielgruppe sind.
  Und dann habe ich in einem alten Ordner Ideen gefunden, die ich um 1990 aufgeschrieben hatte, und gleich die erste, die ich davon umgesetzt hatte, wurde genommen. Das war immer noch "meine Geschichte", "meine Idee". Sie war aber einfacher und geradliniger, als ich heute schreiben würde - und offenbar auch von anderem Charakter als alles, worauf ich mich heute einlassen will.

Ob das etwas mit "gut" oder "schlecht" zu tun hat, ist dann eine andere Frage. Für manche Zielgruppen waren die "einfacheren" Geschichten offenbar besser geeignet. Aber an Tiefe und Vielschichtigkeit kommt doch mit jeder zusätzlichen Lebenserfahrung etwas hinzu, und ich denke, vom rein abstrakten, formalen "Qualitätsgedanken" im literarischen Sinne profitiert das Schreiben schon von der Lebenserfahrung.
  Man selbst merkt das nur im Rückblick. Ein anderer merkt womöglich leichter, ob einem Text die "Lebenserfahrung" fehlt - aber das macht sich nicht nur an den Jahren fest und verwischt sich dann nach dem Abschluss einer letzten "prägenden Phase" in den 20ern meist vollständig. Danach ändert sich noch etwas - aber es wird schwerer, einen Text konkret einem Alter zuzuordnen.

Steffi

#6
Ich finde zum Schreiben braucht man in erster Linie Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis und nicht so sehr Lebenserfahrung :)

Übrigens Manja, Mobbing ist gar nicht mal so selten.

Nachtrag: Übrigens glaube ich nicht so sehr, dass Erfahrung den Schreibstil beeinflusst sondern vielmehr die Themen, die in den Werken auftauchen :)
Sic parvis magna

lapaloma

Zitat von: Feuertraum am 04. Juli 2006, 13:56:57
Sorry, Manja, aber dieser These kann und will und werde ich NICHT zustimmen! Zumindest nicht aufgrund dieser Argumentation. Wenn diese Argumente nämlich Hand und Fuss hätten, dann:

dürfen nur noch gedungene Mörder Krimis schreiben, weil sie die Erfahrung gemacht haben, einen (oder mehrere) Menschen zu töten

Dürfen nur noch Schwule und Lesben homoerotische Liebesgeschichten schreiben

Gibt es keine Fantasy mehr, denn wer von uns hat schon mit Ritterrüstung einen Lindwurm im Kampfe besiegt?

Nein, Manja, wenn es die eigene Erfahrung ist, die einen Schriftsteller ausmacht, dann bin ich keiner. Und die meisten von uns werden auch nur wenige Werke zu Papier bringen.
Bleibt also nur die Erfahrung anderer.
Und das geht wieder in den Bereich Wissen.

In diesem Sinne

LG

Feuertraum

Wie ich sehe, malen Sie schwarz-weiss, verehrter Feuertraum.
Ich glaube, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt.
Fantasie und Recherche mögen Erfahrung beim Autor weitgehend ersetzen, wie z.B. Karl May bewiesen hat,  doch fehlt dabei ein letztes Quäntchen.
Auch wenn die Vorstellungskraft alle Rahmen sprengt und die Interviews unter die Haut fahren: Wie könnte ich je über die Liebe schreiben, hätte ich dieses Gefühl zwischen Himmel und Hölle nicht selber durchlebt und diesen abgrundtiefen Schmerz nicht selber gespürt?

Ich für meinen Teil, brauche die Erfahrung. Über etwas zu schreiben, das ich nie erlebt habe, fällt mir schwer. Glücklicherweise war mein Leben bisher ein einziges Abenteuer ;-)

Mit freundlichen Grüssen, Ihr Sid

silsi

Hallo Allerseits,

vielen Dank Manja für den neuen Thread, vielen Dank Sid für den Impuls dazu.  :)  :)  :)
Der andere Thread war mir viel zu emotional (oder besser: zu persönlich angreifend).

Ich denke, ein guter Schriftsteller muss (!) immer ein guter Menschenversteher und -beschreiber sein.
Wenn ich wissen will, wie man ein Schwert schmiedet, kann ich drei Bücher darüber lesen, mich mit Experten unterhalten oder Sids Workshop besuchen. Das kann man recherchieren.
Aber wenn ich wissen will, wie Menschen in bestimmten Situationen handeln oder empfinden, dann brauche ich dafür Menschenkenntnis. Wie fühlt sich eine zwanzig jährige Frau, die nach zwei Wochen Beziehung betrogen wird? Wie fühlt sich eine Vierzigjährige nach zehn Jahren Ehe und zwei Kindern in so einer Situation? Wie fühlt sich eine Sechzigjährige? Wie fühlt sich ein Mann (o, der Mann, das ewig Unbekannte  ;) ) ? Jeder Mensch ist zu allem in der Lage, diese Welt hat einen Hitler ebenso hervor gebracht wie eine Mutter Theresa. Aber wie mache ich im Roman glaubhaft, das mein "Hitler" ein unglaubliches Monster und meine "Mutter Theresa" ein echter Engel ist? Dafür muss ich als Autor hinab steigen in die menschlichen Abgründe (oder: hinaufsteigenin die menschlichen Höhen). Dafür braucht ein Autor Sensibilität, die Fähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen.

Ich glaube, mit trockenem Bücherwissen kommt man nicht wirklich weit, wenn man "saftige" (lebendige) Romane schreiben will. Man muss sich dem Leben aussetzen: wie schmeckt das Leben, wie fühlt es sich an. Man muss lieben, lachen, hassen, weinen, jubeln, trauern, in Gemeinschaft leben, alleine sein - halt die ganze Palette. Mitten im Leben stehen.

Natürlich ist es auch wichtig, wie man diese Eindrücke verarbeitet. Es gibt Leute mit den spannensten Lebensläufen, an denen aber die Erfahrungen komplett vorbei gerauscht sind, und dann gibt es wieder Menschen, die schon aus einer Begegnung im Supermarkt tiefe Erkenntnisse und Eindrücke mit nehmen.

Das bringt mich zu Dir, liebe Manja. Ein wenig musste ich schon schmunzeln, als ich die Auflistung Deines ereignisreichen Lebens las. Mit 19 hätte ich mein Leben vermutlich als ebenso dramatisch empfunden. Jetzt bin ich 36 und denke: wow, was für spannende Erfahrungen werde ich erst gemacht haben, wenn ich 45 bin.
Aber ich will dich nicht ärgern, sondern nur sagen: wenn Du jetzt schon aus deinen Erfahrungen gute Geschichten herausholst, dann freue Dich. Denn Du stehst erst am Anfang (des Lebens und des Schreibens).







Lomax

Zitat von: Feuertraum am 04. Juli 2006, 13:56:57Nein, Manja, wenn es die eigene Erfahrung ist, die einen Schriftsteller ausmacht, dann bin ich keiner. Und die meisten von uns werden auch nur wenige Werke zu Papier bringen.
Ich denke, mit der hier angesprochenen "Erfahrung" sind eben nicht konkrete "Kenntnisse" gemeint, sondern Lebenserfahrung im allgemeinen. Es geht eben nicht darum, dass man konkret erlebt hat, wie sich ein 90-Jähriger fühlt oder ein Homosexueller, oder dass man tatsächlich mal einen Lindwurm erschlagen hat. Obwohl diese Art von Erfahrung nützlich fürs Schreiben sein kann.
  Es geht einfach darum, dass man aufgrund einer größeren Anzahl allgemeiner Erfahrungen einfach mehr Dinge von mehr Perspektiven aus sehen kann. Dass das Leben schon genug Illusionen zerschlagen hat, die man früher noch ohne Bedenken in seine Texte hätte einfließen lassen.
  Es geht nicht darum, dass man weiß, wie ein Lindwurm erschlagen wird. Es geht darum, dass man sich bewusst geworden ist, dass das Erschlagen eines Lindwurms mehr als nur eine Konnotation mit sich bringen kann. Das man weiß, wie Menschen im allgemeinen reagieren können, und wie sich aus Situationen ganz unerwartete Dinge entwickeln - und dass man versuchen kann, solche Aspekte von einer breiteren Basis aus in seinen Geschichten anklingen zu lassen, als man es in früheren Jahren konnte. Und das man damit die Geschichte von einem erschlagenen Lindwurm zu einer ganz anderen machen kann, auch wenn es an der Oberfläche um dieselbe Handlung geht.

Und weil es hier besser passt, gehe ich auf ein Zitat von Sid aus einem anderen Posting ein:
ZitatPS. Überlege mir gerade, ob ich einen Kurs für Fantasy-Autoren aufziehen soll: Unter anderem mit dem Schmieden eines Schwertes und anschließenden Kampfübungen. Wetten, dass die Beschreibung eines Schwertkampfes dann viel realistischer tönt?
Diese Art von Erfahrungen ist für einen Autor nützlich, aber trotzdem mit Vorsicht zu genießen. Ich denke, ich habe hier ein Beispiel, an dem sich gut zwischen "Lebenserfahrungen" und "Kenntnissen" unterscheiden lässt und auch klar wird, dass das eine Dinge sind, die nur indirekt in Texte einfließen, die aber uneingeschränkt hilfreich sind - während Letzteres konkreter nutzbar ist, aber auch zweischneidig:
  Ich hatte in dem anderen Thread schon erwähnt, wie ich auch bei der Bundeswehr alle Möglichkeiten zur Fortbildung genutzt habe; und ich war von Anfang an der Überzeugung, dass ich die dortigen Erfahrungen hervorragend auch in meinen Texten verwenden kann. Selbst wenn ich mir manchmal schon zu alt vorkam, um mit dem Gewehr im Wald zu spielen, habe ich alles getan, um später in meinen Texten "realistischer kämpfen" zu können: Ich habe jeden Lehrgang mitgenommen, den ich kriegen konnte, und mich in so manches reingemogelt, was man eigentlich als Wehrdienstleistender und in meiner Waffengruppe gar nicht hätte bekommen können. Nach der Bundeswehr habe ich dann jahrelang Karate gemacht, damit ich auch selbst Nahkämpfe "empfunden" habe und dann lebendiger in den Texten variieren kann.
  Das alles sind Kenntnisse, und ich stehe noch heute dazu: Für einen Autor ist es gut, so etwas zu kennen. Aus erster Hand, wenn es geht. Aber nötig ist es nicht, und mitunter sogar schädlich. Ich ertappe mich jetzt oft dabei, dass ich Kämpfe allzu ausdifferenziert im Kopf durchgehe und versuche, sie dann mit allen taktischen Winkelzügen, Bewegungen, Ausgleichsbewegungen etc. in Worte zu fassen - was dann nicht klappt, weil der Leser nicht dieselben Erfahrungen hat und dann in allzu langen Beschreibungen den Überblick über den gesamten Kampf verliert. Bei anderen Autoren habe ich erlebt, dass ihre Texte belehrend klingen, weil sie versuchen, einen ähnlichen Hintergrund allzu demonstrativ an den Leser zu vermitteln.
  Ich habe also auf diesem Gebiet gelernt, eher wieder von meinen Kenntnissen abzurücken und mehr auf den Leser zu schauen. Es ist gut, wenn man weiß, wie's "wirklich" geht - aber wichtiger ist, wenn man weiß, was der Leser da gerne hören möchte.

Auf der anderen Seite habe ich bei der Bundeswehr auch ganz andere Erfahrungen gemacht. Ich habe plötzlich Leute mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Werdegängen und Charakteren kennengelernt; Menschen, wie ich ihnen vorher nie begegnet bin, wie ich sie in meinem selbstgewählten Umfeld nie haben würde - die ich aber trotzdem sehr intensiv kennen gelernt habe.
  Auch das sind Erfahrungen, die man in seinen Texten gut verwenden kann. Es sind keine Kenntnisse, aber es ist Leben. Und so etwas ist uneingeschränkt nützlich beim Schreiben - auch wenn (und gerade weil) es nicht nur angenehme Erfahrungen sind, mit denen man diese Art Erfahrung erwirbt.
  Ein und derselbe Anlass kann also Kenntnisse und Erfahrung vermitteln - aber es ist beides nicht dasselbe, und man sollte es nicht in einen Topf werfen.

silsi

Noch ein Nachtrag:

es gibt sicher Themen die schwieriger zu behandeln sind als andere.

Z.B. das Thema Krieg. Natürlich kann man über Kriegserlebnisse schreiben, auch wenn man nie einen Krieg miterlebt hat. Aber man muss bei so einem heftigen Thema besonders vorsichtig und mit viel Fingerspitzen und Intuition heran gehen. Sonst schreibt man nämlich nur Klischees über den Krieg.
Da ist das Thema "Wie ich mich das erste Mal verliebte" sicher einfacher darzustellen.

Manja_Bindig

Feuertraum, Feuertraum... schon mal dran gedacht, dass ein Mensch nicht nur die äußeren Umstände meinen kann, sondern auch, wie die akteure dann agieren? :)

Feuertraum

ZitatWie ich sehe, malen Sie schwarz-weiss, verehrter Feuertraum.
Ich glaube, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt.
Fantasie und Recherche mögen Erfahrung beim Autor weitgehend ersetzen, wie z.B. Karl May bewiesen hat, doch fehlt dabei ein letztes Quäntchen.
Auch wenn die Vorstellungskraft alle Rahmen sprengt und die Interviews unter die Haut fahren: Wie könnte ich je über die Liebe schreiben, hätte ich dieses Gefühl zwischen Himmel und Hölle nicht selber durchlebt und diesen abgrundtiefen Schmerz nicht selber gespürt?

Ich für meinen Teil, brauche die Erfahrung. Über etwas zu schreiben, das ich nie erlebt habe, fällt mir schwer. Glücklicherweise war mein Leben bisher ein einziges Abenteuer ;-)

Mit freundlichen Grüssen, Ihr Sid

Lieber Sid!
Um das ganze aufzuklären: Nein, ich male NICHT schwarz-weiß, sondern ich zähle nur auf, warum Manjas Eingangsposting bzw. die dazugehörige Überschrift nicht meine Zustimmung findet.

Und was Ihr Argument, das man nur über das schreiben kann, was man selbst erlebt hat...auch dem möchte ich mich nur bedingt anschließen. Vielmehr schlage ich mich auf Stefanies Seite und behaupte: "Es ist nicht wichtig, welche Erfahrungen man selber gemacht hat. Wichtig ist, das man fähig ist, (Emotionen) so zu (be)schreiben, das im Kopf des Lesers (also dort, wo seine Gefühle entstehen) die richtigen Seiten zum Klingen gebracht werden.
Wir müssen davon ausgehen, das auch die meisten Leser unserer Geschichten nicht die Erfahrung gemacht haben, die wir beschreiben. Und trotzdem lösen Worte in ihnen Empfindungen und Bilder aus.
Und das ist einer der Punkte, die einen guten Autor ausmachen und nicht, ob er nun wenig oder viel Lebenserfahrungen hat!!

LG Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Kalderon

#13
Ich habe wie Manja nicht allzuviele Jahre auf dem Buckel. Aber auch ich denke, ich kann bereits viel an Erfahrung vorweisen.

Auch wenn das wahrscheinlich nicht für alle nachvollziehbar ist: Bücher habe ich fast keine gelesen. Dafür habe ich verdammt viele Filme geguckt. Und meist Gute. Ich behaupte, dadurch eine Menge "Fremdwissen" erlangt zu haben. Illusionäres, simuliertes Wissen gewissermaßen. Wenn man über genug Feingefühl und Menschenkenntnis verfügt (wie Stefanie es gesagt hat), dann weiß man, welche simulierten Wirklichkeiten man für die reale Welt übernehmen kann und welche nicht.
Ich kenne Leute, die denken tatsächlich, dass ein Auto in die Luft fliegt, wenn man darauf schießt. :pfanne: Nein, dem ist nicht so.
Das ist natürlich nur ein Beispiel.
Und ich habe mir wirklich eine Menge vom Film abschauen können.

Darüber hinaus muss ich jedoch sagen: Es ist meine eigene Erfahrung (nicht die, dich ich in Büchern gelesen oder in Filmen gesehen habe), die die Themen lenkt, über die ich schreibe. Sie sind in jedem meiner Bücher außerordentlich stark ausgeprägt.

Wenn die eigenen Erfahrungen sehr tief gehen, dann kann man sie, denke ich, nicht gut beschreiben, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Mir fällt es oft schwer, mittelalterliche Alltäglichkeiten zu beschreiben. Das liegt daran, dass ich davon ehrlich gesagt nicht viel Ahnung habe.
Dafür kann ich Charaktere prima in Szene setzen. Filmschauspieler sind außerordentlich vielseitig und es bieten sich einem immer wieder neue, spannende Außeinandersetzungen und (das ist auch sehr wichtig) tonnenweise Klischees. Der Film ist dafür wahnsinnig gut geeignet.

Jetzt muss man das ganze "nur noch" auf die Buchwelt übertragen.

Arielen

Zitat von: Manja_Bindig am 04. Juli 2006, 11:08:15
So.
  In einem anderen Thread kam das Thema auf, dass man ohne Lebenserfahrung keine guten Bücher schreiben kann - Jungspunde wie ich also -  sehr überspitzt formuliert - besser noch ein paar Jährchen abwarten sollten.
 

Nicht unbedingt. Junge Autoren schreiben anders als Ältere. Ich könnte zum Beispiel nicht mehr wie du schreiben, weil ich in einer ganz anderen Zeit aufgewachsen bin und von ganz anderen Einflüssen geprägt wurde. DAS kommt zusätzlich dazu.
Alles liegt im Auge des Betrachters