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Was tun wir heute? - Die Welt retten, wie jedesmal!

Begonnen von Silvia, 19. Juni 2006, 10:15:44

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Naira

Es wäre interessant, eine Art Gesellschaftssatire in einer Fantasywelt zu schreiben, sowas wie Gullievers Reise (nur natürlich ganz anders)  ;) *patent dafür hol*

aber back to topic:
Vielleicht macht das "die Welt retten" deutlicher, wie wichtig es ist, das der Chara diese Bürde auf sich nimmt und dies oder das macht, weil es ja die ganze Welt rettet und nichtnur "irgendein popeliges Dorf", da kann man schonmal ein paar opfer bringen  ;)
Wenn nur ein ganz bestimmter, kleiner Teil der Welt in Gefahr ist, könnten die Bewohner einfach irgendwohin flüchten und ihn sich selbst überlassen.
(was offensichtlich schon mit unzähligen alten minen, verfluchten Tälern, Spukhöhen usw. passiert ist, deren wahre, nie ganz aufgedeckte und nur noch in alten Märchen, die niemand richtig glaubt überlieferte Geschichte die Helden dann ergründen und den Schrecken ausmerzen, den ihre Vorgänger nur vorläufig gebannt haben. z.B. eingemauert, aber die Mauer kann ja irgendwann bröckeln, eingeschlossen, aber jemand könnte ja ausversehen die Tür aufschließen... wodurch dann die ganze Geschichte wieder anfängt, entweder kommt die Bedrohung für die ganze Welt wieder hervor oder es sind nur Nebenstationen, die die Helden "ganz nebenbei" auf dem Weg zur entgültigen Weltrettung mal eben machen, damit es auch den leuten von da und dort wieder ein bisschen gut geht und sie den helden bis in alle Ewigkeit dankbar sind  ::) - hilfe, ich schweife ab  ::))

Das Reizvolle am Weltrettungsgedanken ist, wie oben schon erwähnt, das man sich der Situation nicht entziehen kann (ok, was ein richtiger Held ist, der scheut keine Gefahr um seine Lieben zu retten;)) und der innere Konflikt, wenn die Hauptperson/en merken, dass sie die Welt retten und notfalls dabei draufgehen müssen, weil es sonst keiner machen kann, weil sie eben besondere Fahigkeiten oder besonderes Wissen dazu haben.
Leider ist dieser Konflikt mittlerweile reichlich abgenutzt (in fast jedem Fantasybuch, das ich bisher gelesen habe, gab es nur eine Person oder eine Gruppe von Leuten, die in der Lage waren, die Welt zu retten bzw. den zu finden (und oft noch zu befreien) der es kann.



Arielen

Zitat von: Manja_Bindig am 22. Juni 2006, 16:58:02
Und schau an, auf einmal muss auf Teufel komm raus die welt gerettet werden. Huch... *am Kopf kratz* Wenn ich mir dann noch ansehe, nach welchem Sprachschema und optischen Aufbau das feindliche Volk aufbauen... von den Sitten und Gesetzen ganz zu schweigen... da fragt man sich, ob Fantasy nicht langsam zur politischen Massenmanipulation mutiert.

Sie mutiert nicht nur langsam, sie tut es. Falls du Conan kennst, oder andere recht alte Sword & Sorcery-Romane und Kgs, so hatten und haben viele Bösewichte entweder arabische oder asiatische Züge, und eine ganze Zeit lang waren die Gesellschaften, die alle anderen versklavten doch ein wenig sowietisch angehaucht. Die Feindbilder, die dem aktuellen politischen Feindbild entsprechen sind immer da gewesen. Was meinst du, warum auch bei Tolkien die Feinde aus dem Osten und Süden kommen? Und das Heil im Westen liegt?
Alles liegt im Auge des Betrachters

Linda

#32
Zitat von: Arielen am 22. Juni 2006, 18:13:09

Sie mutiert nicht nur langsam, sie tut es. Falls du Conan kennst, oder andere recht alte Sword & Sorcery-Romane und Kgs, so hatten und haben viele Bösewichte entweder arabische oder asiatische Züge, und eine ganze Zeit lang waren die Gesellschaften, die alle anderen versklavten doch ein wenig sowietisch angehaucht. Die Feindbilder, die dem aktuellen politischen Feindbild entsprechen sind immer da gewesen. Was meinst du, warum auch bei Tolkien die Feinde aus dem Osten und Süden kommen? Und das Heil im Westen liegt?

Hervorhebung im Zitat von Linda.

Das ist bloßer Zufall. Tolkien reagierte ziemlich allergisch auf jede Art von Allegorie, die man in seine Texte hineininterpretieren konnte.

Im Gegensatz zu diesem, wie heißt er, der Kerl von Schwert der Wahrheit? Ach ja, Terry Goodkind (na, wenn das mal kein passender Name ist) Der ist ja wohl mit Absicht politisch ideologisch in seiner Fantasy. Und zwar proamerikanisch, wenn man das so sagen darf. Da ich die Bücher aber selbst nicht kenne, enthalte ich mich eines weiteren Urteils. Wen die Diskussion interessiert, der kann mit den Stichworten "Terry Goodkind"+ "Ideologie" etc. googeln.

Gruß,
Linda

Moni

#33
@Linda: Danke, du sparst mir ein langatmiges Posting über Tolkien und seine Allegorieaversion.  :jau: (OT Tolkien:  I cordially dislike allegory in all its manifestations, and always have done since I grew old and wary enough to detect its presence. )

Back to Topic:

Es ist tatsächlich so, daß die amerikanische Fantasy wesentlich mehr vom "Weltrettungsvirus" infiziert ist, aber es gibt auch löbliche Ausnahmen.
Ich kann jetzt aber nicht sagen, daß ich ein wirkliches Problem mit der Thematik habe. Solange die Story fesselt, der erhobene Zeigefinger auch mal abgehackt wird und der Autor im allgemeinen sein Handwerk versteht, lese ich auch mit Vergnügen Romane, in denen mal wieder die Welt gerettet wird.

Aber selbstverstänlich ärgere ich mich auch über Fantasyromane, die zur Verbreitung politischer oder ideologischer Grundsätze benutzt werden. Nur ist dies ja eine allgemeine Praktik, die von anderen Genre zur Fantasy rübergeschwappt ist.

Lg
Moni
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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Manja_Bindig

Löbliches Beispiel aus der Ralfantasy(so nenne ich es jetzt einfach, wenn Magie und dergleichen in der realen Welt eine wichtige rolle spielen):
"Magier der Nacht" von Marion Zimmer Bradley
Ein Colin-McLaren-Roman, der die Geschehnisse diverser anderer Romane mit ihm auch teilweise zusammenfasst - was ich aber sehr schön finde ist das(das zitat ist nur sinngemäß): "Er hatte versucht, den amerikanischen Traum zu retten, an den er geglaubt hatte und an den er immer noch glaubte. Und nun war dieser Traum von seinen eigenen Kindern beschmutzt worden." Bitter, aber real.
(hier wird der "american Dream" der Gründerzeit gemeint(der vom Prinzip und der Idee eine gute Sache ist - aber die meisten guten SAchen scheitern an der Umsetzung) - der "neue american Dream" wäre es wohl auch kaum wert verteidigt und geschützt zu werden.)

Dieserr Spruch fiel zweimal in dem Roman: einmal, als Colin die Watergate-Affäre verfolgt und einmal, als der Vietnamkrieg losgeht.

Arielen

#35
Zitat von: Linda am 22. Juni 2006, 18:18:29
Das ist bloßer Zufall. Tolkien reagierte ziemlich allergisch auf jede Art von Allegorie, die man in seine Texte hineininterpretieren konnte.

Sagen wir so, ihm gestehe ich noch zu, daß er den klassischen Sagen gefolgt ist. Tir-Nan-Og und die Inseln der Seligen lagen ja auch im Westen.

----------------

Was aber andere Autoren angeht... man merkt schon, aus welcher Zeit die Fantasy stammt (wie auch die SF). Die Fantasy Romane, die in den 60ger und 70ger Jahren entstanden stellte die Feindbilder viel mehr auf den Kopf, oder stellte sogar die amerikanischen Werte und die derzeitige Moral in Frage, aber seit den 90gern merkt man schon, daß ein reaktionärerer Kurs eingeschlagen wird, und die alten moralischen Werte plötzlich wieder mehr zählen. Mich erinnert die Fantasy aus Amerika stellenweise an die alte Sword & Sorcery der 50ger und frühen 60ger. Es ist zwar alles etwas verbrämter und moderner, sich aber trotzdem recht ähnlich. Leider?!
Alles liegt im Auge des Betrachters

Steffi

Zitat von: Arielen am 23. Juni 2006, 08:38:47
Zitat von: Linda am 22. Juni 2006, 18:18:29
Das ist bloßer Zufall. Tolkien reagierte ziemlich allergisch auf jede Art von Allegorie, die man in seine Texte hineininterpretieren konnte.

Sagen wir so, ihm gestehe ich noch zu, daß er den klassischen Sagen gefolgt ist. Tir-Nan-Og und die Inseln der Seligen lagen ja auch im Westen.


Möglicherweise mache ich mich jetzt wieder zum Affen (es gibt ja hier schließlich noch einen Tolkienexperten), aber der Grund dafür, dass bei Tolkien das Heil im Westen liegt ist einfach der, dass in der Urversion des Silmarillions die Inseln im Westen Großbritannien sein sollten (Tol Eressa sollte glaube ich England sein). Der gute Mann wollte ein eigenes vorzeitliches "Sagenmythos" für England schaffen. Damit blieb ja nicht mehr so viele Himmelsrichtungen über, aus denen Feinde kommen konnten :)
Sic parvis magna

Geli

der Grund dafür, dass im Westen die Inseln der Seligen liegen, unabhängig von der Heimat des Autors, ist einfach der, dass im Westen nun mal die Sonne untergeht.

Nahe zu überall auf der Erde gibt es die Vorstellung eines Totenreichs hinter dem Sonnenuntergang.
Ein globales Phänomen, wenn Ihr mich fragt.

Arielen

Tja, was die Amerikaner dazu bringt, ihr Heil eigentlich anderswo suchen zu müssen, denn in Richtung  der untergehenden Sonne liegt ja eigentlich alles andere als das Gute. Ehemalige Kriegsgegner und Klassenfeinde, heutige Klassenfeinde und misstrauisch zu beäugende Diktatoren mit Pfoten auf Atombomben und Co...

Hilfe, was machen die dann? Wo liegt das Heil eines aufrechten Amerikaners dann? Im eigenen Land?
Alles liegt im Auge des Betrachters

Zealot

Modern geworden ist aber inzwischen auch der Überwachungsstaat, oder die geheime Geheimorganisation die im Hintergrund alles beherrscht...

Ja liebe Mods ich weiss, dass gleitet zu sehr vom Thema ab ;)

Termoniaelfe

ZitatJa liebe Mods ich weiss, dass gleitet zu sehr vom Thema ab ;)


Na dann iss ja gut, wenn Du das weißt. :darth:  :pfanne: ;)

Arielen

Zitat von: Zealot am 23. Juni 2006, 21:52:45
Modern geworden ist aber inzwischen auch der Überwachungsstaat, oder die geheime Geheimorganisation die im Hintergrund alles beherrscht...

Ja liebe Mods ich weiss, dass gleitet zu sehr vom Thema ab ;)

Wieso? Denn es muss ja immer noch Helden geben, die die Welt von diesem Übel befreien (und Platz für ein neues System machen  ;D).
Alles liegt im Auge des Betrachters

Maja

#42
Und nun: Zurück zum Thema! Huzzah!
Ich hasse Weltrettungen eigentlich. Das heißt, besser, ich glaube nicht an sie. Wenn man Welten retten könnte, warum tut es dann keiner mit unserer? Also wollte ich nie Bücher schreiben, in denen irgend jemand die Welt rettet. Dumm nur, daß es trotzdem immer irgendwie passiert...

Mowsal in der Spinnwebstadt weigert sich beharrlich, die Welt zu retten, nur um im entscheidenenden Moment, als er sich endlich doch dazu bereit erklärt, zu erfahren, daß er in Wirklichkeit eine ganz andere Aufgabe hat. Und im Epilog deute ich dann an, daß die Welt tatsächlich nicht mehr zu retten ist. Okay - aber kann man nur einmal machen.

In den frisch umgetauften Chroniken der Elomaran habe ich sechs Schreibjahre lang alle Weltenrettung ausgeklammert und sich nur auf den Kampf zweier rivalisierender Parteien um die Vorherrschaft beschränkt, Bis ich plötzlich merkte, daß ich mein Buch langweilig fand. Und daß meine Helden keine Motivation hatten, nichts, wogegen sie kämpfen konnten, und nichts, wofür.
Da erhob sich plötzlich der Abgrund mit Verstärkung in Gestalt eines untoten gefallenen Engelsgeborenen und sagte: "Yippie, die Gelegenheit nutzen wir aus, endlich können wir die Welt zerstören, dann haben wir wieder freie Schußbahn auf den Himmel und können die blöden Engel vernichten" - und da war sie plötzlich wieder, die Motivation. Meine, und die meiner Helden.

In Rollenspielrunden ist es so ähnlich. Jahrelang kämpft man sich von Dungeon zu Dungeon, hier ein kleines Gemetzel, dort eine niedliche Intrige, solange es Geld und Erfahrungspunkte dafür gibt - und plötzlich erscheinen göttliche Gesandte und sagen "So, liebe Helden, ihr habt jetzt das fünfzehnte Level erreicht, nun ist es an der Zeit, die Welt zu retten."
Helden: "Was zahlt ihr denn so?"
Göttliche Gesandte: "Der Dank der ganzen Welt wird euch gebühren"
Helden: "Davon können wir uns auch nichts kaufen. fragt mal weiter."
Göttliche Gesandte: "Aber... die Welt geht unter!"
Helden: "Dann rettet sie doch selbst!"
Göttliche Gesandte: "Aber - aber - aber es ist eure Schuld, daß sie untergeht!"
Helden: "Dann geht sie wohl unter. Man muß mit den Konsequenzen seines Handelns leben"
...
Am Ende hat unser Elf dann doch noch eine dicke Belohnung rausgehandelt, und unsere Klerikerin hofft auf die Erfahrungspunkte und mächtigere Zauber, und mein Kämpfer sagt "Okay, wenn ihr mich dazu zwingt - aber nach spätestens einem Jahr bin ich weg, kann doch nicht mein Training vernachlässigen".
Ein anderer Charakter von mir ist in einer Vergleichssituation aus seiner Runde ausgestiegen - er war gerade Vater geworden und wollte das letzte Jahr, das der Welt blieb, lieber seiner Familie widmen als einem aussichtslosen Unterfangen. Und über genau solche Leute schreibe ich gerne meine Geschichten - die, denen ihre Freunde und Familie wichtiger sind als die Welt, und die den letzten Tag noch nutzen, um ein Apfelbäumchen zu pflanzen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Manja_Bindig

Das ist niedlich... die Idee mit dem Apfelbäumchen.

Ich habe mal was geschrieben(ja... große erkenntnis), wo es um eine Schriftstellerin mit Schreibblockade ging.
Leider hat die Blockade(ausgelöst durch Selbstzweifel und angst vor sich selbst) die elt die sie geschaffen hat, zerstört... und wenn sie da nix macht, ist sie selber weg vom Fenster. Und nun ja... das will sie nicht, also musste sie wohl oder übel los.
Ich hab irgendwie immer sehr egoistische Charas.

FeeamPC

Also dieser Thread ist es durchaus wert, mal wieder das Tageslicht zu erblicken.

Ja, es ist immer noch auffallend, wie oft die Welt gerettet werden muss. Meine Erklärung dafür: Entweder der Held oder der Widersacher oder beide sind von vorneherein so ausgestattet worden, dass alles andere unter ihrem Niveau ist.
Jemand, der mächtigste Zauber beherrscht, würde mit weniger als einer Weltrettung schlicht unterfordert und damit unglaubwürdig sein.

Auf der anderen Seite bevorzuge ich beim Schreiben (und beim Lesen) Helden und Gegner, die nicht übermächtig sind, die die normalen menschlichen (oder elfische, oder orkischen, oder was-auch-immer) Beschränkungen haben, und die ein für sie im Augenblick extrem großes Problem lösen müssen, wobei sie im Laufe der Handlung über sich selbst hiauswachsen (alleine oder als Gruppe). Da wird dann halt nicht die Welt gerettet, sondern nur ein Königreich, oder eine Gilde, oder eine Familie, oder einen Geist wird erlöst, oder ein Verbrecher entlarvt, oder...

Ich finde, bei diesen "kleinen" Helden ist es vielfach einfacher, eine ganze schillernde Welt um sie herum aufzubauen und zum Lebenzu erwecken.