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Charakterschema und Archetypen - gut oder nicht?

Begonnen von Hoellenpfau, 03. April 2011, 19:23:40

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Hoellenpfau

Mir ist jetzt durch Zufall ein buch in die Hände gefallen, was sich mit der Konzipierung von Charakteren bei Geschichten und Wendepunktkonzipierung auseinandersetzt.
Dort sind sind die Charaktere in folgende Gruppen unterteilt:

  • Held(en)
  • Ratgeber
  • Schwellenwächter
  • [Herolde]
  • [Wechselwesen]
  • Schatten
  • Schlitzohren
Die, die ich in eckigen Klammern angegeben habe, müssen nicht vorhanden sein. Die Namen der Archetypen sind übrigens auch austauschbar. ;)

Ich glaube die Helden muss man nicht diskutieren. Sie sind die Hauptcharaktere. Helden können allein auftreten, ohne dass es eine weitere Person gibt, aber meistens werden sie begleitet. Ohne sie gibt es eigentlich keine Story.

Der Ratgeber ist eine Art Lehrer. Er kann vieles sein. Vielleicht auch nur derjenige, der den Helden auf eine weite Reise schickt, ihn anstiftet oder eine Situation, die der Held nicht verkraftet. Jedenfalls etwas, dass den Helden (für den Leser sichtbar) beeinflusst.

Der Schwellenwächter ist sehr weitgegriffen. Jedenfalls etwas, was den Helden auf "seiner Reise" vor eine Herausforderung stellt. Sei es ein alternder Torwächter, eine Truppe Soldaten oder eine Steinlawine, die den Weg des Helden verschüttet. Sogar einfach nur der Gedanke "Schaffe ich das eigentlich?"

Der Herold muss nicht eingebaut sein. Er ist etwas ähnliches wie der Ratgeber. Er kann der Auslöser für das Handeln des Helden sein, aber im Gegensatz zum Ratgeber ist er fast immer wirklich eher eine Person. Außerdem begleitet er den Helden oft - wenn auch nur ein Stückchen - und ermutigt ihm zum Durchhalten.

Das Wechselwesen ist auch ein Schwellenwächter und auch dies ist diesmal eher auf ein Wesen zugeschnitten. Es kann zuerst gut sein, entwickelt sich dann aber eher böse. Außerdem fällt der Held oft auf es herein.
In seltenen Fällen kann der Held selbst das Wechselwesen sein.

Der Schatten ist der typische Antagonist. Er möchte entweder den Tod des Helden oder, dass dieser das Ziel, was er verfolgt nicht erreicht und schafft.
Ich glaube auch dies, brauche ich nicht weiter zu erläutern...

Das Schlitzohr soll die Handlung auflockern. Es kann für gags und Witze sorgen, dem Helden machmal (auf liebevolle Weise) ein Dorn im Auge sein, oder auch der Gehilfe des Schattens sein, dessen Befehle aber nu tollpatisch ausführen. Das Schlitzohr muss nicht unbedingt vorhanden sein, wird aber sehr sehr oft (wenn auch unbewusst) eingearbeitet.


So, das Prinzip habe ich nun erläutert. Ich glaube von dem Buch gibt es verschiedene Ausgaben für Autoren, Drehbuchautoren, Comiczeichner, und und und...
Ich hoffe ihr könnt damit was anfangen.
Das was ich bisher geschrieben habe könnte als Hilfe auch in den Workshop, aber ich mir unsicher, wohin ich das packen soll, denn es folgt nun auch noch eine persönliche Frage von mir:

Ich bin mein derzeitiges Projekt mal durchgegangen. Helden habe ich, Schatten natürlich auch, einen schwellenwächter in Form einer Situation auch - das Gleiche mit einem Ratgeber.
Bei dem Schlitzohr bin ich mir nicht sicher, denke ich aber auch zu haben.
Zwar ist alles "notwendige" da, aber seid der Meinung, dass diese Charakterarchetypen eine gute Hilfe sind?
Sollte man bei seinen Geschichten aufpassen, diese Vorschläge einzuhalten?
Dass es nicht die Quintessenz ist weiß ich natürlich, aber ich möchte wissen, ob es schlau ist damit zu arbeiten, oder ob euch das sonst wo vorbeigeht?

Maja

Das klingt für mich nicht so, als ob du gerade ein akutes Schreibproblem hast, das einen Thread in diesem Board rechtfertigen würde. Es geht hier nicht um Grundsatzfragen, sondern um Stellen, wo der Autor nicht mehr weiterweiß. Ich bin mal gnädig und verschiebe das, ohne gleich mit der dicken Kelle zu kommen. Nur mit der kleinen...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Hoellenpfau

Hm, ich habe es sogar hier im Workshop geschrieben und dann gedacht. Hä? Jetzt stellle ich doch aber eine Frage...
Kopiert, verschoben und im Nachhinein gedacht Ach hättstes gelassen...
Ich geb mir selbst 'ne Pfanne :pfanne:

Maja

Nicht alles, wo du eine Frage stellst, ist ein Fall für "Autoren helfen Autoren". Da geht es wirklich nur um individuelle Szenenarbeit. Hier bist du viel besser untergebracht.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Zit

Wie heißt denn das Buch?

Ich denke, besonders das Schlitzohr (oder besser: Harlekin?) ist nicht immer nötig; ja, kann sogar völlig fehl am Platz sein. Gerade dieser Typ scheint mir nur da angebracht, wo die Geschichte humorig sein kann oder soll. Wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich keinem Werk von mir bisher so eine Figur. Wenn einer mal hinfällt, dann sind es auch meine Protas. :hmmm:
Der Ratgeber/Lehrer ist ganz nützlich als Nebenfigur. Besonders in der HF. Was wären all meine Krieger ohne Lehrmeister? Geht ja ned. Auch Magier lernen selten alles allein. Und wenn wir an Vampire denken ... Da braucht sowohl Jungvampir als auch Jungjäger seinen Lehrmeister.
Wenn man nicht sowieso eine Heldentruppe hat, taucht nach meinen Erfahrungen auch oft der Herold auf. Hercules oder Xena ohne Sidekick (wobei die u.U. sich auch die Rolle mit dem Harlekin teilen, besonders Iolaus)? ;D
Schwellenwächter scheint mir ein hochtrabender Begriff für etwas zu sein, dass in jedem Plot vorkommt: Es sind einfach die Steine, die wir unseren Charakteren in den Weg legen, damit diese nicht allzuschnell ihr Ziel erreichen und die Geschichte damit auch shcnell aus ist. Kommen also auch überall vor. Als Wesen wie als Ding.
Was mir nicht so sehr über den Weg lief, ist das Wechselwesen. :hmmm: Ich würd's einfach unter Plottwist packen.

Ob man das alles brauch? Nein. Du brauchst nicht mal den Strahle-Helden, ein Anti-Held tut's ebenso. ;D Was für eine schlaue Antwort, ich weiß.
Aber ehrlich: Solche Listen sind ganz hilfreich, ich würde jedoch nicht immer darauf pochen, dass jede dieser Figuren auch in der Geschichte auftaucht. Sonst wird alles am so voraussehbar für den Leser, wenn er weiß, dass es immer bei diesem Autor eine Figur gibt, die wechselzüngig ist und den Protagonisten hintergeht oder dass es immer einen Harlekin gibt. Vorallem der würde mich schnell langweilen, als Autor wie auch als Leser.
Klar kann man seinen Figuren eine Funktion innerhalb der Geschichte zuweisen -- aber das macht sie zu keinen individuellen Charakteren, eben weil sie ja eine Funktion erfüllen und nur deswegen existieren. Mir ist es aber lieber, wenn ich die Charaktere um ihrer Selbstwillen schaffe und sie entsprechend ihren "Veranlagungen" einsetze.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Hoellenpfau

Tut mir Leid, Zitka, den Namen des Buches weiß ich nichtmehr. Hab es mir ausgeliehen und leider schon zurückgegeben...
Ich habe bei dem Schlitzohr, oder Harlekin, wie du ihn auch nennst, auch gegrübelt. In meinen Projekten gibt es keine direkten Running Gag oder was auch immer, aber als ich von dem Vergleich mit dem etwas tollpatischgen Diener des Antas gelesen habe, ist mir doch jemand aufgefallen.

Was diese Archetypen betrifft, wird in dem Buch auch mehrmals darauf hingewiesen, dass sich diese auch untereinander mischen können. Der Ratgeber kann auch später das Wechselwesen oder der Schwellenwächter - wenn nicht der Schatten sein. Es wurde auch ein Beipsiel von einer Geschichte des letzten Menschens der Welt gezeigt, was verdeutlichte, dass er mehrere Archetypen in sich vereinen kann.

Aber danke, ich hätte auch nicht darauf gepocht, aber da ich es in meiner Geschichte alles so gefunden habe, wie es mir das Buch erzählt hat, wollte ich schauen, ob es öfters so ist...

Churke

Im hilfreichsten bei solchen Schemata finde ich ja, dass man das Zeug dann aktiv vermeiden kann. Know your enemies. "Ooch, nee, nicht schon wieder ein Ratgeber!"

Kraehe

Zitat von: Churke am 03. April 2011, 19:57:15
Im hilfreichsten bei solchen Schemata finde ich ja, dass man das Zeug dann aktiv vermeiden kann.

Dem würde ich gar nicht mal sooo hundertprozentig zustimmen.

C.G. Jung sei mal als Stichwort für Archetypen genannt. Da gibt es noch wesentlich mehr und irgendwo hatte ich eine Seite mit Beschreibungen gefunden... *kram* hier

Also jedenfalls. Archetypen sind etwas, das irgendwie in einer Art Kollektivgedächtnis vererbt zu sein scheint und also in jedem irgendwie vorhanden ist. Einfach, weil die Menschheit schon Ewigkeiten lang dieselben Geschichten und Erfahrungen teilt.
Insofern finde ich es nicht hundert prozentig falsch, sowas auch zu instrumentalisieren. Und so oder so, auf die eine oder andere Art, wird man es sowieso tun. Bewusst oder unbewusst.
Ich bin auch nicht dafür, das bewusst um jeden Preis reinzuquetschen, aber ein Blick darauf schadet nicht.

Wenn man sich mal erfolgreiche Filme, Serien oder Bücher anschaut, findet man eigentlich überall Archetypen, die verschieden stark geprägt sind. Wir haben dazu im Philosophiekurs eine Einheit gehabt und unter anderem mal James Bond und Herr der Ringe darauf untersucht. Das Filmmaterial natürlich nur zum Zwecke des Unterrichts ;D

Ich würde jedenfalls nicht ganz mit Churke konformgehen. Warum soll man etwas von vorneherein vermeiden und ausmerzen wollen, was zu den Menschen gehört, über oder für die man letztlich auch schreiben will?

(und wie an Zitkalasas Beispielen ja gesehen. Irgendwo rutscht immer was rein ;) )

Churke

Zitat von: Krähe am 03. April 2011, 20:20:58
Warum soll man etwas von vorneherein vermeiden und ausmerzen wollen, was zu den Menschen gehört, über oder für die man letztlich auch schreiben will?

Wir wollen aber doch nicht abgedroschene Plotmuster zu Topoi auwerten. Mein Eindruck jedenfalls ist, dass viele dieser Archetypen dem Artus-Sagenkreis entnommen sind. Während die Felder anderer Sagen und Mythen völlig brach liegen. Wenn man sich da auf etwas fixiert, verliert man aus dem Blick, dass es spätestens seit dem Gilgamesch-Epos Alternativen gibt.

Kraehe

Naja, so ist meine Definition da nicht, deswegen ...

Ich denke, dass sich Archetypen in allen Sagenkreisen o.ä. in der ein oder anderen Form schon etablieren.
Und nur weil ein Charakter, wenn man es dann drauf anlegt, ihn darauf zu reduzieren, sich auf einen Archetypus reduzieren lässt heißt das nicht, dass der Charakter nicht noch originell und die Story noch nicht da gewesen sein kann.
Ich denke nur, dass man das auf die ein oder andere Art doch einbringen wird. Auch wenn man es nicht will. Auch wenn dann nur jemand ankommt und alles so lang auseinander nimmt, bis er den Archetypus gefunden hat.
Und ich würde auch Archetypen und Plotmuster trennen. Hängt zusammen, aber ist nicht zwangsläufig.

Vielleicht kommt es aber auch drauf an, wie "episch" man schreiben möchte, worauf man den Schwerpunkt setzt etc. ...

Dämmerungshexe

Also ich denke nicht dass diese Archetypen alleine der Artussage entnommen sind - vielelicht erinnern die Namen daran. Soweit ich das mit den Archetyoen von C.G. Jung kenne und auch die Arbeit von Joseph Campbell ("Der heros in tausend Gestalten"/"The hero with 1000 faces"), der sehr viele verschiedene Sagen aus allen Kulturkreisen untersucht, sind diese Archetypen wirklich Figuren, die in fast allen Gecshichten und Mythen dieser Welt irgendwie auftauchen. Namen uns Aussehen ändern sich natürlich jedes mal, aber die Funktionen bleiben gleich. Ich habe mal ein Buch, weiterführend zu Campbell, gelesen (Joachim Hammann "Die Heldenreise im Film") wo die Theorie aufgestellt wurde dass dieser Zyklus der Heldenreise und ie darin vorkommenden Archetypen eine Art Ritual vor den Leser/Zuschauer/Zuhörer sind, die ihm dabei helfen seine Eigene Held- bzw. Menschwerdung zu durchlaufen. Also eine Hilfe. Eine Struktur, die sich über Jahrtausende bewährt hat und dem menschen ganz offensichtlich gefällig ist - eben auch weil die gewohnt und somit einfach nachvollziehbar ist.
Natürlich ist das kein Freibrief alles haargenau zu übernehmen. Ich denke das Spannende an diesem Konzept ist die Möglichkeit zur Variation. Immerhin können die Archetypen ihre jeweilige Funktion auf immer neue Art und Weise erfüllen. Und man kann die Erzählung auch so anlegen, dass zuerst nicht klar ist, wer welche Funktion inne hat. (Ein schönes Beispiel ist vielleicht Terry Pratchetts "Weiberregiment"/"Monstrous Regiment", wo die Hauptfigur, durch die man die Geschichte erlebt, am Ende feststellt, dass für die Geschichte in den Augen der restlichen Welt sie selbst nur ein Sidekick ist und eine andere Person der Held.)
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Manouche

#11
Ich habe immer wieder mal aus diversen Quellen etwas zu Archetypen gesammelt. Ich richte mich nicht danach, sondern, wenn ich eine Figur ausgearbeitet habe, hilft es mir manchmal nachzuschauen, welchen Archetyp (oder auch mehrere) die Figur verkörpert. Manchmal bringt mich dies auf weitere Ideen.
Da ich heute alles mal zusammengefügt und sortier habe, dachte ich, wenn ich es schon habe, kann ich meine Sammlung auch gleich mit euch teilen.

Ich freue mich, wenn es jemandem dient  :)

Die Texte sind nicht von mir, nur an zwei Orten habe ich kursiv etwas angemerkt/verändert. Alles andere stammt aus folgenden Quellen:

https://www.redbug-culture.com/blog/kategorie/archetypen/

https://schreibscheune.de/charakterentwicklung-archetypen-genial-nutzen/

https://blog.hubspot.de/marketing/archetypen

Ev. Noch weitere Quellen (andere Webseiten oder aus Bücher), aber da ich über eine längere Zeit gesammelt habe, weiss ich die nicht mehr... Sollte ich etwas vergessen haben, dürft ihr mich gerne informieren und ich füge sie ein.

Archetypen/Charaktere

Der Held/die Heldin:
Sie steht im Mittelpunkt eurer Geschichte und macht die größte Wandlung durch. Ungewöhnliche Entscheidungen treffen, mutig und unerschrocken handeln, Herausforderungen annehmen, für ihre Ziele kämpfen, für bestimmte Werte eintreten, ihre Werte verteidigen, Erfahrungen machen, durch Krisen stärker werden, über ihre eigenen Bedürfnisse hinausdenken, Respekt einfordern, nicht aufgeben.
Hero:
Zielstrebig, ausdauernd, mutig, einsatzbereit, diszipliniert, energiegeladen, fokussiert, selbstbewusst, willensstark, stressresistent, motivierend, begeisterungsfähig, leidenschaftlich, Engstirnig, egoistisch, waghalsig, perfektionistisch, reizbar.
-> Heldin muss eine Entwicklung durchlaufen!
Der Held: stark, mutig, hilfsbereit, kämpft für das Gute
Die Heldin/ der Held
Hier noch eine kleine Erläuterung zur Begrifflichkeit: Der Begriff Heldin/ Held wird hauptsächlich beim Konzept der Heldenreise verwendet. Daher könnte man unterscheiden zwischen einer Heldin, die die Heldinnenreise durchläuft und einer Protagonistin. Diese Begriffe werden dennoch recht synonym benutzt, was teilweise für Verwirrung sorgen kann. Wenn man es ganz genau nimmt, ist eine Heldin immer die Protagonistin und macht die Heldenreise durch. Eine Protagonistin kann also durchaus eine Heldin sein, muss es aber nicht...
Die Heldin ist natürlich die wichtigste Figur deines Romans. Natürlich ist sie am Anfang deines Romans noch keine Heldin. Sie entwickelt sich im Verlauf der Geschichte dazu und diese Entwicklung, die darlegt, wie deine Heldin zu einem (in der Regel) besseren Menschen wird, ist deine Story. Sie bricht also auf, um etwas zu erledigen oder ganz banal, um etwas zu erleben, und kehrt verändert zurück.
Die Leser identifizieren sich mit ihr und ihren Stärken und Schwächen und können auf diese Weise ihre Veränderung im Lauf der Geschichte nachvollziehen. Heldinnen dürfen am Anfang ruhig schwach sein und andere ungünstige Eigenschaften aufweisen – wichtig ist nur, dass sie diese dann irgendwann ablegen und was lernen.
Beispiele für Helden: Harry Potter, James Bond, Luke Skywalker usw.

Der Antagonist/die Antagonisten:
Also der Feind. Er fordert den Helden heraus, ist der Konkurrent, Gegner, der BÖSE.
->Liebe den Feind!
Der Schatten
Der Schatten kann einerseits ganz einfach dein Bösewicht sein, auf den die Ängste, Zweifel, Schuldgefühle etc. der Heldin übertragen werden. Er ist das Böse, der schlimmste Gegner und wird meistens von der Heldin am Ende besiegt, wenn sie es schafft, sich selbst zu überwinden und zu läutern.
Der Schatten kann aber auch unterdrückte Züge der Persönlichkeit der Heldin repräsentieren, mit denen sie sich nicht auseinandersetzen will, es aber am Ende tun muss, um sich zu entwickeln.
Beispiele für Schatten: Voldemort, der Imperator bzw. sein Handlanger Darth Vader aus Star Wars und natürlich die böse Seite von Dr. Jekyll, nämlich der Mr Hyde.

Everyman:
Sozial, loyal, freundlich, umgänglich, ehrlich, Humorvoll, harmonisierend, lebensfroh, umsichtig, Treu, gerecht, mutig, gesprächig, aufmerksam, Charmant, authentisch, anfeuernd, unsicher, konfliktscheu, Harmoniesüchtig, zurückhaltend
Der Jedermann: bodenständig, traditionell, einfach, bescheiden

Freund:
Loyalität, Großzügigkeit, Selbstlosigkeit, Mut, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit

Lover:
Leidenschaftlich, charmant, musisch, kreativ, kommunikativ, ausdrucksstark, liebevoll, selbstbewusst, redegewandt, humorvoll, einfühlsam, aufmerksam, offen, besitzergreifend, ungeduldig, ungestüm, eifersüchtig, kampflustig   
Der Liebende: leidenschaftlich, verführerisch, vermittelt Geborgenheit
   
Der Mentor/die Mentorin:
Auf dem Weg der Erkenntnis braucht die Heldin einen Lehrer. Jemand, der sich auskennt und manchmal hilft, auf den rechten Weg zu kommen. Manchmal ganz wortwörtlich. Haben viel Wissen angesammelt, haben Lebenserfahrung, geben ihr Wissen gerne weiter, erwarten keine Gegenleistung, bestärken den Helden oder die Heldin, machen Mut, schützen den Helden, führen die Heldin in die richtige Richtung, ohne diese selber gehen zu müssen, sind nachsichtig, wenn die Helden Fehler machen oder ihren Rat (erst) ignorieren
Die Mentorin/ der Mentor
Mentoren sind dazu da, der Heldin zu helfen, sie auszubilden und für den letzten Kampf vorzubereiten. Zumeist stehen sie in einem Lehrer/Schüler-Verhältnis. Mentoren sollen reich an Erfahrung sein und waren früher vielleicht selber einmal ein Held. Beispiele gibt es viele, z.B. Gandalf aus Herr der Ringe oder Dumbledore in Harry Potter.
Ein gelungenes Beispiel für eine recht unkonventionelle Interpretation des Mentoren fand ich Haymitch in den Tributen von Panem, der als Mentor von Katniss und Peeta arbeitet. Er ist nicht weise und ruhig wie die normalen Mentoren, sondern versoffen, überhaupt nicht zuverlässig und hat mit seinen eigenen Ängsten zu kämpfen. Trotzdem gibt er sich Mühe, die beiden auszubilden


Schwellenhüter: Steht irgendwie im Weg, nicht unbedingt Mensch. Nicht böse oder gut... Stur, unflexibel, angepasst, unkreativ, grob, gehorsam, befehlshörig, unintelligent
Die Schwellenhüterin/ der Schwellenhüter
Schwellenhüter sind ganz besonders interessant für Geschichten, denn sie bieten großes Potential für Konflikte und Hindernisse. Sie prüfen die Heldin, ob sie schon bereit ist, einen Schritt in das Abenteuer zu starten, indem sie versuchen, sie dabei zu behindern, ihr Ziel zu erreichen. Manchmal sind es Vorgesetzte, die deiner Heldin Steine in den Weg legen, sie suspendieren zum Beispiel, oder die Eltern, die ihr verbieten, das Haus zu verlassen. Sie können Diener des Schattens sein, müssen aber nicht.
Auch müssen sie dabei nicht unbedingt personifiziert sein, Schwellenhüter können andere Hindernisse sein, wie ein Unwetter, vor dem die Heldin kneift und nicht raus möchte, Anfeindungen, vor denen sie sich fürchtet oder etwas in der Art.
Beispiele für Schwellenhüter: Bei Harry Potter der dreiköpfige Hund, der die Falltür bewacht, oder in der griechischen Mythologie der dreiköpfige Höllenhund Cerberus, der den Eingang zur Unterwelt versperrt (Zufall?). Hier wurde der Begriff des Schwellenhüters recht wörtlich genommen. Heutzutage könnten es Securitymänner, Türsteher oder Grenzbeamte sein.

Der Trickster: 
Der Hofnarr. Seppel. Ron (in Harry Potter). Die Figur, die etwas Leichtigkeit in das Spiel bringt, die komische Seite der Geschichte zeigt. Selber witzig ist und dem Helden auch etwas von seiner tragischen Größe nimmt.  Natürlich kann sie auch weiblich sind. Aufdecken von Heuchelei, zeigen der wahren Motive, Schwächen offenbaren, Ego des Helden durch Humor stutzen, Eingreifen in unklaren Situationen, Prozesse (wieder) in Gang bringen, Entspannung durch Humor und Komik, Betrug aufdecken, Falschheit aufzeigen
Der Narr: humorvoll, unterhaltsam, sympathisch
Die Tricksterin/ der Trickster
Der Trickster ist oft ein Begleiter der Heldin, der oftmals die ganze Situation nicht so ernst nimmt und die Heldin durch seinen Humor und chaotisches Benehmen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückführt. Er lockert die ganze Geschichte etwas auf und sorgt beim Leser für Lacher und Entspannung. Ein Trickster findet sich daher oft in Romanen, die eine hohe Spannungskurve aufweisen.
Manchmal ist die Heldin selber eine Tricksterin, vor allem in Komödien sorgt sie selbst für Lacher, oder sie nimmt Züge einer Tricksterin an, wenn sie jemanden überlistet. Trickster sind einfallsreich, komisch, listig und humorvoll.
Eine weitere wichtige Funktion eines Tricksters ist, dass sie der Heldin dabei helfen, sich zu verändern, ohne sich dabei selbst weiterzuentwickeln. Er hilft ihr, ihr Ziel zu erreichen.
Beispiele für Trickster: Wer die Bücher von Wolfgang und Heike Hohlbein kennt, weiß, dass die Heldin bzw. der Held sehr oft eine komische Figur als Begleitung hat, die alle Merkmale eines Tricksters erfüllen. In Herr der Ringe finden wir Samweis Gamdschie, der Frodo treu begleitet und ihn durch seine friedliebende Art oftmals herunterholt.
Jester: Humorvoll, intelligent, wortgewandt, charismatisch Unerschütterlich, erfinderisch, sarkastisch,Unnahbar, unnachsichtig, ungeduldig, rebellisch      

Die Gestaltwandlerin/ der Gestaltwandler (wird teils auch Tricksen genannt)
Gestaltwandler sind Figuren, die die Heldin verwirren sollen. Sie haben zwei Gesichter, geben sich vielleicht als Vertrauter der Heldin aus und verraten sie dann eiskalt. Einen Gestaltwandler im Roman zu erkennen, ist mitunter schwierig, bis er sein zweites, böses Gesicht zeigt. Manchmal kommen aber auch schon früh Zweifel auf, ob sich die Heldin auf diese Figur verlassen kann oder ob sie von ihr im Stich gelassen oder verraten wird. Das macht die Geschichte dann besonders spannend, während im ersteren Fall die Überraschung des Lesers groß ist. Manchmal ist es auch nicht eindeutig, welcher Seite sie zuzurechnen sind, denn Gestaltwandler weisen oft gute und böse Seiten auf. Bei Liebesromanen könnte sich ein Gestaltwandler hinter dem Geliebten verbergen, dessen Treue sich die Protagonistin nicht sicher ist.
Beispiele für Gestaltwandler: Es gibt auch Gestaltwandler, die im ganz wörtlichen Sinne ihre Gestalt ändern: die böse Königin, die sich als alte Krämerin verkleidet, um Schneewittchen den vergifteten Apfel zu verkaufen.
In Game of Thrones ist Lord Varys nicht zu durchschauen und weist damit ebenfalls Merkmale eines Gestaltwandlers auf. Ich finde aber auch Kleinfinger einen wunderbaren Gestaltwandler, weil man sich bis zu seinem Ende überhaupt nicht sicher ist, was er im Schilde führt und auf welcher Seite er eigentlich steht.
Ein herrliches Beispiel, wo ein Held gleichzeitig Elemente eines Gestaltwandlers aufweist, ist die Geschichte von John Dunbar aus dem Film Der mit dem Wolf tanzt. Er ist innerlich völlig zerrissen zwischen seiner alten Welt, der Zivilisation, und der neuen Welt, nämlich der der Ureinwohner Amerikas.

Innocent:
Hoffnungsvoll, charmant, optimistisch, fantasievoll , Neugierde, naiv, träumen, teilnahmslos, hoffnungsvoll, empfindsam
Der Unschuldige: spontan, optimistisch, verlässlich, moralisch

Creator:
Experimentierfreudig, kreativ, innovativ, geschickt, ideenreichtum, produktiv, Vision, chaotisch, ruhelos, obsessiv, perfektionistisch, ungeduldig
Der Schöpfer: kreativ, erfinderisch, proaktiv, will etwas erschaffen

Outlaw:
Rebellisch, impulsiv, leidenschaftlich, Einzelgänger, Gerechtigkeit, Mut, eigensinnig, misstrauisch, voreingenommen, grüblerisch, Idealismus, loyalität
Der Rebell: bricht Regeln, widersetzt sich dem Mainstream, schockiert

Caregiver:
Hingebungsvolle Freunde, umsorgend, Handwerker, Aufpasser,  Zuneigung, hilfsbereit, bemuttern
Der Betreuer: fürsorglich, selbstlos, hilfsbereit, mitfühlend

Magicien:
Erfindungsreichtum, ungewöhnlich, neugierig, tiefgründig, versiert, bestimmt, aufgeschlossen, interessiert, obsessiv, grössenwahn, unmoralisch, unzufrieden, unpersönlich
Der Zauberer: visionär, kreativ, idealistisch, lässt Träume wahr werden

The Ruler:
Selbstbewusst, charismatisch, ambitioniert, manipulativ, Führung, Vision, Eleganz, Überzeugungskraft, bevormundend, ungeduldig, hierarchisch denkend, egoistisch
Der Herrscher: dominant, kontrolliert, verantwortungsvoll

Explorer:
Wagemutig, abenteuerlustig, kulturbegeistert, experimentierfreudig, unvoreingenommen, spontan, neugierig, sozial, ungeduldig, unverbindlich, sprunghaft, wankelmütig
Der Entdecker: abenteuerlustig, unabhängig, individualistisch

The Sage:
Fleissig, geduldig, zielstrebig, intelligent, lernbegierig, ausdauernd, bestimmt, interessiert, aufgeschlossen, kleinlich, besserwisserisch, perfektionistisch
Der Weise: nachdenklich, analytisch, vertrauenswürdig, intelligent

Der Herold
Ein Herold soll etwas verkünden, sprich, er ist ein Bote mit einer Nachricht, die die Geschichte ins Rollen bringt. Er überbringt der Heldin den Ruf zum Abenteuer. Es ist keine Seltenheit, dass der Part des Herolds in einen anderen Archetypen hinein verwoben wird, ganz oft z.B. überschneidet er sich mit dem Mentor, wie in Herr der Ringe, wo Gandalf Frodo zu seinem Abenteuer ruft.
Allerdings muss ein Herold nicht immer eine Person sein, es könnte auch ein Brief oder ein Naturereignis sein, was die Heldin zum Abenteuer auffordert. Manchmal übernehmen auch mehr oder weniger wichtige Nebenpersonen die Aufgabe des Herolds.
Beispiele für Herold: Hagrid überbringt Harry Potter den entscheidenden Brief mit der Aufnahme in Hogwarts.

Frostschimmer

Mir hilft es oft sehr, wenn ich mir zu der Charakteridee, die ich gerade habe, einen Charakter in einem Pen and Paper Rollenspiel erstelle, zum Beispiel Das Schwarze Auge. Das hilft auch dabei, darauf zu achten, dass der Charakter auch Schwächen hat. An diesem Entwurf bleibe ich dann natürlich nicht eins zu eins kleben, aber als ungefährer Leitfaden ist das echt praktisch.
Manchmal erstelle ich solche Charaktere auch einfach so und manchmal eignen diese sich dann zu einem späteren Zeitpunkt für die Geschichte.
Ich frage mich, ob es hier noch andere gibt, die sowas machen?
LG
Frostschimmer

AlpakaAlex

Ich denke mir halt immer, dass es letzten Endes fast normal ist einen Charakter zu schreiben, der einem Archetypen entspricht. Ich denke, dass die meisten Autor*innen automatisch zu Archetypen neigen und dass diese auch ein valides Hilfsmittel sind. Denn Archetypen machen es den Lesenden auch einfacher, die Figuren einzuordnen und sich schneller ein Bild von ihren Motivationen zu machen. Da es meine feste Ansicht ist, dass eine der wichtigsten Sachen in einer Geschichte es ist, dass Lesende die Motivationen der Figuren verstehen - oder zumindest ist das eine gute Grundlage um Spannung aufzubauen (ohne geht es auch, aber es ist schwerer). Und da können eben Archetypen massiv bei helfen.

Wovon ich mich allerdings abgewendet habe, sind die Archetypen nach Campbell, die hier sehr viel aufgezählt werden. Meine Begründung dafür ist halt, dass Campbell sehr eurozentisch und sehr male centric ist. Also seine Archetypen bauen komplett auf indoeuropäischen Mythen über männliche Helden auf. Deswegen lehne ich halt auch klassische Heldenreisen und damit einhergehende Archetypen größtenteils ab.

Mein liebster Archetyp wurde allerdings hier schon genannt: Der Trickster. Ich liebe Trickster. Ich glaub spätestens seit ich die Fluch der Karibik Filme gesehen habe, habe ich eine große Liebe für den Archetyp entwickelt.
 

Schneerabe

*Taucht unauffällig aus einer fast beendeten Bachelorarbeit über Jungs Archetypen auf*

Ich könnte jetzt vermutlich einen unverständlichen Flachwitz über Synchronizität machen, aber lasse es mangels Publikum mal. Lustig, dass das Thema gerade jetzt ausgebuddelt wird. xD

Meine 2 Cent sind jedenfalls... Mit Campbell habe ich mich nicht tiefgründig befasst. Er hat Jungs Ideen quasi... verdaulicher für den (mutmaßlich europäischen) Leser gemacht. Die ursprüngliche Idee der Archetypen entstand zum Teil durch vergleichende Mythenbetrachtung und Jungs Idee dahinter war, dass die Archetypen auf der höchsten Abstraktionsebene kulturübergreifend gültig sind, eine Art anthropologische Konstante... Auf dieser Abstraktionsebene decken sich die Archetypen aber auch nicht mehr so ganz mit den Schemen, die Schreibratgeber anbieten, wenn sie von ,,Schatten" und ,,Trickster" reden.
Es gibt natürlich verschiedene Abstraktionsebenen und auch eine, auf der die Archetypen kulturspezifisch werden. Die Grundidee lässt sich, meine ich, auf der höchsten Abstraktionsebene problemlos auf nicht europäische Kulturen anwenden und das wurde soweit ich weiß auch schon gemacht in entsprechenden Gebieten der Mythenforschung oder Literaturwissenschaft.

Das Campbells Heldenreise speziell männlich orientiert ist, da gab es schon eine ganze Weile Überlegungen aus der Forschung zu. Ich glaube, im archetypischen Forschungsfeld haben sie inzwischen auch Entwürfe für eine weibliche Heldenreise. In jedem Fall gibt es in dem Feld inzwischen auch Theorien, die sich stärker auf weibliche Perspektive stützen. Da habe ich neulich erst ein sehr spannendes Buch gelesen.
Archetypische Forschung ist mittlerweile ein ganzes Forschungsgebiet geworden und es gibt heutzutage so viel mehr zu entdecken als nur Campbell oder Jung. Wer sich dafür interessiert, wird allerdings etwas tiefer buddeln müssen, um Ansätze fern des alten Mainstreams zu finden. Denn fürs Schreibhandwerk sind, glaube ich, nur die älteren, bekannteren und leicht zu erklärenden Theorien aufgearbeitet worden in Ratgebern usw.

Wenn mir gute Einführungswerke einfallen, editiere ich die hier noch. Aber alle ,,spannende" Literatur zum Thema ist in keinster Weise aufs Schreibhandwerk gemünzt, sondern eben Teil der psychologischen/archetypischen Forschung und damit oft ein wenig sperrig, auch wenn ich es sehr bereichernd für mein Schreiben finde. Jedenfalls sind die Archetypen nicht nur Campbell und seine Heldenreise für alle Interessieren, die sich auch andere Perspektiven erhoffen – die gibt es.

Ich stimme allerdings zu, dass man sehr oft, ob man will oder nicht, in Archetypen schreibt, jedenfalls laufen die mir in der Literatur ständig über den Weg und ich bin sicher, nicht alle Autoren sind vertraut mit diesen Theorien. :D
"To hell or to Connacht."