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Das Kinderbuch

Begonnen von Nightingale, 27. März 2011, 14:45:53

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Kati

Hallo  :winke:,

ich weiß, es gab schon einmal einen Thread, indem es darum ging, wie man ein Jugendbuch ab 10 schreibt. Ich habe ihn gerade durchgelesen und fand auch sehr interessant, was zum Schema der meisten dieser Bücher gesagt wurde und zu der Vermarktung, allerdings hat der Thread meine Fragen noch nicht richtig beantwortet und ging auch an sich ein bisschen in eine andere Richtung.
Mich interessiert gar nicht so richtig, wie man ein Kinder/Jugendbuch schreibt, sondern eher, was rein darf und was auf gar keinen Fall. Also nicht um den Aufbau, sondern wirklich um den Inhalt. Ich denke da schon auch an die Zielgruppe der 10-Jährigen, habe aber das Gefühl, ich meine noch was anderes.
Diese Aspekte bereiten mir gerade Kopfzerbrechen:
- Wie alt darf der Protagonist sein?
- Wie lang darf die Geschichte sein?
- Wie viele Handlungsstränge "vertragen" Kinder im Alter von 10 Jahren?
- Was ist mit Liebesgeschichten?
- Was ist mit Gewalt?
- Wie sieht es mit der Gefühlswelt des Protagonisten aus? Wie weit darf man darauf eingehen?
- Und ganz wichtig, wie schräg und unheimlich darf es sein?

Vielleicht gibt es hier ja jemanden, der darüber etwas mehr weiß, als ich.

Wenn der Thread an der falschen Stelle ist oder dem anderen doch zu sehr ähnelt, dann tut mir das sehr Leid.  ( :pfanne: )

Kerimaya

Hast du vielleicht einen Link zu dem anderen Thread, den du meintest? Ich hab das Gefühl, die Fragen überschneiden sich, aber ich find den Thread grad nicht :)

Kati

Hier war das.  :) Einige meiner Punkte werden tatsächlich angesprochen, aber ich möchte es einfach genau wissen. Nicht so sehr vom Aufbau her, sondern vom Inhalt. Ich bin da sehr unsicher, weil ich sowas noch nie gemacht habe. Wie ich den Plot aufbaue, weiß ich, nur, wie stark ich die einzelnen Punkte ausbauen "darf" ist mir nicht klar.

Kerimaya

Ah, war doch der Thread, den ich meinte :)
Also, zu Jugendbüchern kann ich auch nicht direkt was sagen, aber wenn es um Vorgaben in einem bestimmten Genre geht, würd ich dir empfehlen, dich mal durch diverse Bücher und Neuerscheinungen zu wühlen. Pauschel sind Aussagen zu wie "Wie alt soll der Prota sein?" schwierig zu treffen, deswegen ist es immer ganz nützlich, wenn man sich durch die herausgegebenen Bücher liest (anlesen hilft meist schon, auch wenn die meisten Buchhändler bei dem zehnten Buch, das man durchblättert etwas verschnupft gucken ;)). So entwickelt man ein gutes Gefühl für Vorgaben und Gegebenheiten.

Franziska

ich hatte damals den Thread gemacht. Eigentlich habe ich mir auch ähnliche Fragen gestellt. Ich kann Kery nur zustimmen, lies Bücher, die für die Altersgruppe sind, für die du schreibst. Möglichst von verschiedenen Verlagen. Da bekommt man ganz gut ein Gespür. Ich habe so das Gefühl, dass jeder Verlag da so seine eigenen Regeln hat.

Wie alt die Protas sein sollten, heißt es nicht, 2 Jahre älte als die Zielgruppe? Aber ich glaube, man könnte ein Kinderbuch auch über eine erwachsene Person schreiben. Also meine Prota ist erst 11.

Wie lang? das hängt wieder davon ab, für wen das Buch ist. Es gibt ganz unterschiedliche Längen. Meistens sind Übersetzungen etwas länger, da wundere ich mich schon, wie dick die Bücher sind. Sind sie für Vielleser? Für Jungen, für Mädchen?
Ich habe festgestellt, ein Buch für 10-jährige hat meistens 200 Wörter pro Seite im Gegensatz zu Erwachsenen 250 Wörter.

Wie viel Gewalt, und wie unheimlich? Das kann man wieder unterschiedlich sehen. Es sollte wohl keines der Kinder sterben, oder Gewalt detailliert geschildert werden.

Letztlich wird der Verlag auch sagen können, für welche Altersgruppe es passt. Ich finde persönlich, eine Liebsesgeschichte muss nicht sein, oft sind sie angedeutet. Ich konnte in dem Alter damit noch nichts anfangen, das hätte mich eher genervt, aber viele Verlage bestehen wohl auf einer.

Spinnenkind

Also, meinem Eindruck nach hat man eigentlich viel Handlungsspielraum bei einem Kinderbuch, was den Inhalt betrifft. Gerade Gewalt wird in solche Romanen ja oft viel expliziter dargestellt, als man meinen würde (man denke nur an Märchen). Auch mit Liebesgeschichten sehe ich kein Problem (es erklärt sich ja von selbst, dass es auf der sexuellen Ebene nicht zu hart zur Sache gehen sollte).
Die Gefühlswelt des Protas ist doch gerade für Kinder unheimlich wichtig, zumindest habe ich das als Kind immer so empfunden beim Lesen. Ich brauchte damals immer einen Grund, Empathie mit dem Charakter zu empfinden. Ich denke, ein Kind kann sich nicht mit einer Hauptfigur abfinden, die sie nervt oder ihr unsympathisch ist ( Hat sich bei mir eigentlich bis heute nicht geändert).

Ich denke, ein Kinderbuch verträgt nur ein paar Dinge nicht, wie zum Beispiel die von dir angesprochenen zu vielen Handlungsstränge. Ich würde sagen 2 bis maximal 3, nicht mehr, und nur einer davon sollte richtig komplex sein.
Und was die Schrägheit angeht...so etwas ist doch sehr faszinierend für Kinder. Ich glaube, sie empfinden Gewalt und düstere Handlung einfach ganz anders als wir Erwachsene, sie sind noch durch nichts geprägt und machen sich ihre eigenen Vorstellungen davon.

Franziska

Aber Märchen würde ich wirklich nicht als Beispiel nehmen, die wurden vor 100 Jahren für Kinder geschrieben. Ich würde sie meinem Kind nicht geben. (in dne GrimmMärchen werden teilweise Kindern die Köpfe abgeschlagen und gegessen) Das einige Kinder in dem Alter auch schon Horrorfilme gucken zählt nicht als Argument. Die Bücher müssen für 10jährige geeignet sein. Das ist ja keine FSK-Freigabe. Eltern, die das kaufen, sollten schon sicher sein, dass es geeignet ist, finde ich. Bücher für 12jährige sind da schon wieder was vollkommen anderes. Da findet man schon mal recht drastische Gewalt und sogar angedeutete Liebesszenen. Viele der Bücher würde ich ab 14 empfehlen. Aber 10jährige sind für mich noch Kinder. Das was teiweise in den Büchern drinsteht und was die Verlage für Vorgaben machen ist eins, also ich möchtete kein Buch für Kinder mit Gewaltszenen schreiben.
Das eine sind Vorgaben, die Verlage tatsächlich machen, was rein muss (ab 12 Liebesgeschichte) das andere, was rein kann. Wenn man ein Buch schreiben möchte, das etwas komplexer ist und in dem Gewalt vorkommt, spricht ja nichts dagegen, es als für ab 12 zu deklarieren.

Kati

Keri: Das werde ich mal wieder machen. Allerdings hat mich das erst verunsichert.  ;) Natürlich gibt es solche und solche Zehnjährige, mich hat allerdings doch sehr erschreckt, welche Bücher im "Ab 10" Regal nebeneinanderstehen.  :o Ich habe zum Beispiel eine Reihe von Thomas Brezina gelesen, in der es um ein Mädchen geht, das Todesengel wird. Natürlich ist das Thema eher humorvoll behandelt, aber ich fand es für das angegebene Alter (10-12) doch etwas viel und es werden auch sexuelle Anspielungen gemacht. Die Prota ist 12 oder 13, weiß ich nicht mehr. Dann wiederrum gibt es Bücher wie Winn Dixie, die einfach um die Freundschaft eines Mädchens zu einem Hund gehen.  ???

Franziska: Oh, dann habe ich das wohl entweder nicht richtig gelesen ( :pfanne:) oder verstanden ( :wums:). Jedenfalls kam es mir so vor, als ginge der Thread eher um bestimmte Schemen und Handlungsabläufe in der Kinderfantasy. Ich doof. Sorry.
Das mit dem zwei Jahre älter als die Zielgruppe hatte ich auch noch im Hinterkopf, wegen der Heldenfunktion oder so. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich aus der Sicht einer Zwölfjährigen schreiben kann. Na ja, probieren werde ich es mal.
Die Länge des Buches irritiert mich auch. Das habe ich auch gesehen, wie dick manche Büche sind und wie dünn hingegen andere. Ich wollte so zu 250 Seiten tendieren, habe aber das starke Gefühl, das könnte zu wenig sein, für Mädchen, die gern lesen. Wenn ich höre, dass es achtjährige gibt, die Kerstin Giers Edelsteintrilogie lesen...
Sterben sollte in dem Buch überhaupt gar keine Figur. Ich habe nur Angst, dass die Kinder das Buch weglegen könnten, weil es zu harmlos wird.  Andererseits traue ich mich nicht mir 10-Jährige Betas zu suchen, weil ich nicht will, dass die Mütter mich hassen, wenn es doch zu gruselig ist. Ich dachte an eine etwas schrägere Umgebung mit Fabelwesen, die eigentlich nett sind, aber doch etwas unheimliches an sich haben. Natürlich reagieren darauf alle Kinder anders...das ist alles viel komplizierter als ich dachte...

Spinnenkind: Gerade die Gefühlswelt vermisse ich in den meisten Romanen, die ich jetzt "an"gelesen habe. Ich habe immer viel Abenteuer gefunden und viel Handlung, aber so richtige Gefühle waren da nicht. Vielleicht ist das in explizit auf Mädchen gemünzten Büchern anders?


Märchen: Ich habe Märchen als Kind verabscheut. Ich hatte sogar Angst vor der bösen Hexe in Hänsel und Gretel. Ich wollte jetzt auch eigentlich keine Gewalt in den Plot einbauen. (Was mich in der Richtung wirklich geschockt hat, war Skullduggery Pleasant. Der steht bei uns bei "ab 10" und teilweise wurde MIR da schlecht bei...) Allerdings habe ich eine böse Hexe und die kann doch auch nicht einfach nett und freundlich ihren finsteren Plan verfolgen?

Franziska

nein, du hattest schon recht, dass es in meinem Thread eher über Handlung ging, aber hängt ja auch zusammen.
Ich würde dir empfehlen, lies mal die Spiderwick-Geheimnisse. Die sind ab 8/9. Das hat mich schon gewundert, da kommen jede Menge böse Wesen vor. Eine Hexe darf ruhig böse sein. Wichtig wäre, dass sie ein Motiv hat und solange sie nicht verbrannt wird, finden Kinder das bsetimmt gut. (Ich fand Hensel und Gretel als Kind auch richtig gruselig, weil Gretel die Hexe einfach in den Ofen schiebt. Es gibt eine neue Verfilmunf davon, die sehr realistisch ist, und die lief um 12 Uhr im Kika.)

FeeamPC

Das ist schon fast off topic, aber:
Märchen wurden ursprünglich nie für Kinder geschrieben, sondern für Erwachsene. So der Stoff, der an den langen Abenden in den Spinnstuben erzählt wurde, und der meist so richtig gruselig war.

Runaway

#10
Ich weiß, jetzt wird's vielleicht ein wenig OT (edit: du auch, Fee! ;) ), aber das brennt mir total auf der Seele, wenn ich das lese.
Zitat von: Franziska am 27. März 2011, 16:20:20
Aber Märchen würde ich wirklich nicht als Beispiel nehmen, die wurden vor 100 Jahren für Kinder geschrieben. Ich würde sie meinem Kind nicht geben. (in dne GrimmMärchen werden teilweise Kindern die Köpfe abgeschlagen und gegessen)
Protest!!!!  :hand:

Ich hab in der Oberstufe in meinem Pädagogik-Leistungskurs meine Facharbeit geschrieben zum Thema "Entwicklungspsychologische Bedeutung von Märchen für Kinder und Jugendliche". Wenn das nicht schon sieben Jahre her wäre und ich die digitale Datei noch finden könnte, würde ich sie jetzt hier posten. Ich hab aber leider nur noch meine Mappe hier.
Auch aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Märchen traumatisieren Kinder nicht. Warum nicht? Weil Kinder auch in dieser Welt hier leben und in keiner bunten Plastikwelt. Kleine Kinder haben Alpträume, Verlustängste, negative Gefühle.
Ich hab hier in meiner Facharbeit einen ganzen Abschnitt zum Thema "Märchen als Hilfe bei der kindlichen Konfliktbewältigung".
Zitat... das Kind weiß seine Probleme nicht genau zu benennen, doch würde es dies auch nicht tun, da es sich ihrer nicht selten schämt. Das Kind findet jedoch in der unterhaltsamen Bildsprache der Märchen Lösungsmöglichkeiten für die verschiedensten Ängste, die es plagen: die Angst vor dem Tod, davor, verlassen zu werden, die Entzweigerissenheit im ödipalen Konflikt, die Furcht vor dem Erwachsenwerden und dem anderen Geschlecht, narzisstische Probleme und der Konflikt zwischen dem Lust- und dem Realitätsprinzip.
Märchen schließen immer mit einem glücklichen Ende und machen dem Kind so Mut. [...] In den vielen verschiedenen Märchenmotiven findet es Hilfestellungen und Antworten auf seine unbewussten Fragen, es werden ihm Wege und Wandlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die Ängste abbauen und dem Kind helfen, sich so zu akzeptieren, wie es ist.
Für [Bettelheim] ist das Leben eines Kindes alles andere als frei von Konflikten, denn auch das Kind sucht bereits einen Sinn im Leben und möchte sich selbst verstehen, soweit ihm das möglich ist. Vor allem möchte es mit seinen Ängst ernst genommen werden, und unbewusst findet es Anhörung im Märchen.

Diese Äußerung "Märchen sind grausam" ist ja weitverbreitet, aber ich kann die nicht ruhig so stehenlassen, weil's nach meiner Auffassung nicht richtig ist.

Franziska

naja, ich will jetzt nicht nur über MÄrchen diskutieren, (aber  nicht alle Märchen enden gut, ich hatte als Kind Angst vor bestimmten  Märchen, während ich andere mochte und einige finde ich immer noch gruselig. Die Alpträume, die ich als Kind, besonders als kleines hatte, rührten von Bildern die ich gesehen hatte, im Fernsehen, Spiele, Geschichten und wohl nicht für mein Alter geeignet waren) Es ging mir darum zu sagen, dass man das nicht gut als Beispiel nehmen kann, weil die eben vor etlicher Zeit veröffentlicht wurden, und man sich lieber an Büchern orientieren sollte, die in den letzten Jahren erschienen sind. Das was als akzeptabel gilt und was nicht, ändert sich auch, genauso wie sich Kinder verändern, dass sie etwa früher in die Pubertät kommen.

Es geht ja nicht darum, dass man in Kindergeschichten alles freundlich und lieb gestalten sollte. Natürlich sind Kinder auch in der Lage bestimmte Dinge zu abstrahieren, und eine Geschichte als Geschichte zu sehen. Sie wollen auch ernst genommen werden.

Runaway

Zitat von: Franziska am 27. März 2011, 19:14:39
Natürlich sind Kinder auch in der Lage bestimmte Dinge zu abstrahieren, und eine Geschichte als Geschichte zu sehen. Sie wollen auch ernst genommen werden.
Genau. Das ist es, worum's mir ging! :)

Kerimaya

@Kati Da würde ich mich nicht verunsichern lassen. Es geht ja nicht darum, dich sklavisch an alle Vorgaben zu halten (du hast ja selbst gesehen, dass sich einige Dinge unterscheiden ;)), sondern nur grobe Orientierungspunkte zu suchen. Wie du das am Ende auslegst, wie heftig/zart etc. du es am Ende gestalten möchtest, liegt ganz bei dir :)

Sonnenblumenfee

Eine spontane Idee, wenn du dir (erst mal) keine 10-jährigen Betaleser suchen willst: Sprich (die) Mütter vorher an. Die könnten ja die Bücher vorher lesen oder zumindest die Stellen, die gruselig sind. Als andere Ansprechpartner könnte ich mir (Grundschul-)LehrerInnen und BibilothekarInnen gut vorstellen. Die wissen, was gelesen wird und auch, wie viel gewalt, Grusel etc. vorkommt.

Zum Alter der Protagonisten ist die +2-Jahre-Regel glaube ich wirklich nur eine Richtlinie. Es kommt auch auf den Tonfall der Geschichten an und in wie weit du die Charaktere "verkindlichst". Als Beispiel kann ich dir da z.B. "Dolly" von enid Blython nennen. Die Protas sind zum Schluss erwachsen und trotzdem ist das ein Kinderbuch ab 10. Es geht ja nicht nur um das Alter der Charaktere, sondern auch darum, welche Themen angesprochen werden.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin