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Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?

Begonnen von Sonnenblumenfee, 27. Februar 2011, 12:22:17

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Shay

Ich selber bin genauso begeisterter Weltenbastler wie Geschichtenerfinder und da alle meine Geschichten auf der gleichen Welt spielen, hat die mittlerweile eine ganze Menge an Details aufzubieten. Wahrscheinlich werden es viele davon nie in eine Geschichte schaffen, aber sie sind eben da.

Ich denke, man merkt einer Geschichte (oft) an, ob die Welt in der sie spielt on the go entwickelt wurde, oder mit mehr Liebe ausgearbeitet wurde. Bei den Welten, die nur für eine Geschichte gemacht wurden, passt oft alles nur zu perfekt. Wenn die Helden eine Stadt brauchen, dann ist auch eine da, etc. Bei Welten, die unabhängig existieren, muß die Geschichte manchmal ein paar Umwege machen, weil die offensichtlichste Lösung aus irgendwelchen Gründen gerade nicht geht. Aber solche Umwege machen eine Geschichte in meinen Augen oft erst reizvoll. Denn sie zwingen den Autor kreativ zu werden.

Fantasy-Bücher, denen man anmerkt, daß der Autor das Weltenbasteln als lästige Pflicht betrachtet, landen bei mir schnell auf der Schwarzen Liste. Wer keinen Spaß am Erfinden von Welten hat, sollte in meinen Augen keine phantastische Literatur schreiben.

Judith

Ich kann mich da nur Shay vollkommen anschließen.

Bei den Romanen, die ich in meiner Fantasywelt Acarneya ansiedle, merke ich auch, dass die Grenzen, die mir da bereits gesetzt sind (weil eben die Welt teils schon sehr detailliert entwickelt ist) mich kreativer machen als Freiheiten.
Als ich letzten NaNo eine Parallelwelt zu unserer im Roman hatte, habe ich mir vorher nur das notwendigste überlegt - und bin dann an den Szenen in dieser Welt grandios gescheitert. Ich dachte, ich könnte den Großteil der Welt beim Schreiben entwickeln (und dann auch so, wie ich es grad für den Plot brauche), aber stattdessen kam es mir vor, als würde ich im luftleeren Raum schweben. Ich kannte diese Parallelwelt einfach nicht gut genug.
Acarneya ist da für mich ein ganz anderes Umfeld. Das Schreiben fällt mir viel leichter, wenn ich bereits ein Rundherum habe und mir auch mal überlegen muss, wie ich die Handlung in bestimmte Gegebenheiten der Welt einpasse. Gerade diese Einschränkungen führen bei mir nämlich meistens zu den spannendsten Ideen.

Ich behaupte nicht, dass jeder vorher so detailliert seine Welt bebasteln muss. Aber wenn bei einem Fantasyroman die Welt nur genauso weit entwickelt ist, wie es für den Plot notwendig ist, merkt man das beim Lesen meistens. Einerseits hat man manchmal das, was Shay geschrieben hat - dass alles zu perfekt passt - und andererseits merkt man oft, dass die Welt überhaupt nicht greifbar wird, dass sie keine Tiefe zu haben scheint. Es gibt dann nur die Oberfläche - und darunter liegt nichts.

Thaumaturgon

Ich für meinen Teil fülle meine Welt, bevor ich eine Geschichte darin erzähle. Obwohl ich glaube, dass sehr gute Autoren auch "on the run" entwickeln können, empfinde ich es als häufigstes und gravierendstes Merkmal schlechter und sehr schlechter Fantasy-Romane, dass man ihnen eben allzu deutlich anmerkt, dass sie on the run geschrieben wurden. Es werden nach akutem Bedarf für die Szene riesige Dinge hinzuerfunden, die, wenn es sie vor dem Augenblick schon gegeben hätten, eine völlig andere Welt ausgemacht hätten. So etwas führt praktisch immer zu mittelschweren bis eklatanten Widersprüchen.

Dieses Schreiben-während-des-Schreibens sehe ich als die Hauptquelle für diesen Ozean aus schmerzhaft schlechten Fantasy-Romanen. Einen guten Roman zu schreiben, heißt eben auch, ein Handwerk auszuüben und zu ARBEITEN. Dazu gehört eben, sich Gedanken zu machen, und nicht nur, nacheinander Szenen niederzuschreiben, die in der eigenen Fantasie aufgetaucht sind und einen großen emotionalen Aufruhr verursacht haben.

Aber das ist ja nur meine Sichtweise.  :)

Atischara

Ich habe ja nicht wirklich viel Erfahrung beim Weltenbau, aber mir scheint, daß diese Frage einen direkten Bezug zu der Frage hat, ob man erst plottet und dann schreibt oder beim Schreiben die Geschichte entwickelt.

Natürlich wirkt eine Welt viel echter, wenn sie mit vielen Details gründlich entworfen ist, genauso, wie ein Plot sicher auf Anhieb am besten funktioniert, wenn man ihn vorher detailliert geplant hat. Aber es gibt eben unterschiedliche Arbeitsweisen. Wer weniger plant, muß eben mehr überarbeiten.

Mir gefällt es zum Beispiel, wenn sich beim Schreiben die Figuren selbständig machen und plötzlich ganz neue Probleme auftauchen, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Entsprechend können sich dabei andere Anforderungen an die Landschaft ergeben, oder es entstehen plötzlich kulturelle Details, von denen man vorher noch gar nicht wußte, daß man sie brauchen wird. Und dann, wenn ich etwas wissen muß, recherchiere ich es. Wenn ich mir vornehme, gleich von Anfang an alles Nötige zu recherchieren, dann weiß ich gar nicht, was ich überhaupt brauche und wo ich anfangen soll - nach meiner Erfahrung führt das entweder zur zeitintensiven Anhäufung von Material, das man dann doch nie wirklich zur Kenntnis nimmt, oder dazu, daß man die Idee überhaupt aufgibt, weil man den Anfang nicht findet oder einsieht, daß die verfügbare Zeit nicht reicht. Außerdem: Wenn ich versuche, Welt, Figuren und Plot komplett und detailliert vorher zu entwickeln, bekomme ich das Gefühl, daß es wie ein Gebäude ist: konstruiert. Ich will aber, daß die Welt und die Figuren lebendig sind und nicht wirken, als wären sie mir gerade vom Reißbrett gesprungen. Außerdem fällt mir frei schwebend grundsätzlich erstmal gar nichts ein - die besten Ideen ergeben sich bei mir tatsächlich während des Schreibens.

Das kann daran liegen, daß ich grundsätzlich schlecht im detaillierten Planen bin. Ich lege vorher nur die Grundlinien fest, und dann sehe ich weiter. Das ist sogar bei meiner Arbeit so, bei der ich ständig größere oder kleinere wissenschaftliche Texte schreiben muß: Die eigentlich zündenden Ideen und die endgültige Struktur ergeben sich (bei neuen Themen) erst bei der Arbeit und oft sogar erst beim Schreiben. Dann merke ich, welche Informationen ich noch brauche, was ich nachschlagen oder überprüfen muß. Wenn ich versuche, das alles vorher schon zu überdenken und zu planen, klappt es erstens NIE (ich muß IMMER korrigieren) und zweitens blockiert es mich auch noch. Ich jedenfalls kann so nicht zielgerichtet arbeiten. Deshalb visiere ich nur die Richtung und den ungefähren Weg an und gehe dann erstmal los. (So macht es mir übrigens auch bedeutend mehr Spaß, und das ist mir schon wichtig, weil ich daraus meine Energie ziehe.)

Deshalb meine ich auch, daß es nicht zwingend zu weniger lebendigen oder schlecht ausgearbeiteten Welten oder logischen Brüchen kommen muß, wenn man "beim Schreiben schreibt". Es führt nur zu einem größeren Aufwand HINTERHER, wenn man korrigieren und auffüllen muß. Diejenigen, die gut vorausplanen können oder das gerne machen, haben die Arbeit eben VORHER. Aber letztlich läuft es auf dasselbe heraus, wenn man die Arbeit nur ordentlich macht - an welcher Stelle im Arbeitsprozeß auch immer. Es sind einfach unterschiedliche Zugänge und Techniken. Und wie umfangreich die (bekannte bzw. in der Geschichte auftauchende) Welt ist, hängt ja, wie hier schon mehrfach angemerkt wurde, auch sehr vom Umfang des Buches ab - und davon, ob noch andere Geschichten in derselben Welt spielen. Dann ergibt sich so eine komplexe Welt ja vielleicht auch erst langsam Stück für Stück über Jahre hinweg.

Übrigens: So sehr ich die Autoren von Büchern bewundere, in denen sehr komplexe, echt wirkende Welten vorkommen, fallen mir doch auch bei denen immer wieder weiße Flecken auf. So geht, wenn ich das recht in Erinnerung habe, bei Tad Williams' "Geheimnis der drei großen Schwerter" die aktiv erinnerte Geschichte auch nur ein paar Jahrhunderte zurück, und Osten Ard hat nur eine sehr überschaubare Anzahl an Ländern und Kulturen -  verglichen mit unserer Welt zumindest, an die es doch sehr deutlich angelehnt ist. Also: Selbst wenn die Welt gut ausgearbeitet und vermutlich von langer Hand vorher geplant ist, ist ihre Komplexität oft genug auch nicht entfernt mit der unserer realen Welt vergleichbar, und das muß sie auch nicht. Wir lernen ja sowieso nur die Länder und Völker näher kennen, die in der Geschichte auch eine Rolle spielen. Warum soll man also einen kompletten Planeten detailliert entwerfen, wenn sich die Geschichte vielleicht nur in zwei oder drei Ländern abspielt? Man kann ja mit ein paar Hinweisen einen weiteren Horizont eröffnen.

Aber ehrlich: Ich finde es faszinierend, daß viele von euch offenbar eine komplette Welt einfach so aus dem Nichts planen können!  :jau:

Thaumaturgon

Es kommt eben darauf an, was einem wichtiger ist. Spaß beim Schreiben zu haben - oder dem Leser Spaß beim Lesen zu machen.

Man muss ja nicht alles bis ins Kleinste vorher festlegen; selbstredend sollen sich Szenen "natürlich" entwickeln. Gute Szenen haben aber einen dramaturgischen Unterbau, und auch gute Charaktere sind Charaktere, in denen Arbeit steckt, und zwar so viel Arbeit, dass es ganz leicht und selbstverständlich aussieht. Wie bei Zirkusartisten. Die hängen sich auch nicht einfach ans Trapez und lassen "die Dinge sich entwickeln".

Wir schreiben eben alle mit unterschiedlichen Mitteln und für unterschiedliche Ziele. Ist ja auch in Ordnung so :-)

Atischara

@ Thaumaturgon: Eigentlich meinte ich mit meinem Statement gerade, daß sich eben kein schlechteres Endprodukt ergeben MUSS, nur weil man es anders hergestellt hat, um mal im handwerklichen Vokabular zu bleiben. Und daß in jedem Fall in einem guten Text auch jede Menge Arbeit steckt, von der man bei fiktionalen Texten wenig sieht (oder sehen sollte), ist wohl unstrittig. Was ich problematisch finde, ist lediglich, davon auszugehen, daß ein schlechteres Ergebnis dabei herauskommen muß, wenn man nicht die ganze Arbeit schon im Vorfeld erledigt hat. Du verweist auf Beispiele, an denen du mangelnde Vorarbeit bemerkst. Aber ganz offensichtlich haben sich die Autoren dieser Beispiele ja die Arbeit auch hinterher, beim Überarbeiten, (Um-)Strukturieren und Kürzen nicht gemacht. Ich glaube nur nicht, daß man an einem gelungenen Ergebnis automatisch ablesen kann, an welcher Stelle im Entstehungsprozeß die Arbeit aufgewandt worden ist, die natürlich immer erforderlich ist, um überhaupt ein gutes Ergebnis zu bekommen. Ich hatte einfach den Eindruck, daß du unterstellst, daß Romane grundsätzlich nicht gut werden, wenn man "beim Schreiben schreibt", und das glaube ich nicht - immer vorausgesetzt, man überarbeitet auch wirklich. Vielleicht habe ich das aber auch mißverstanden.

Und ich finde, beides ist sehr wichtig: der Spaß am Schreiben ebenso wie der Spaß, den der Leser beim Lesen haben soll. Ich glaube auch nicht, daß man das wirklich trennen kann. Denn daß man versucht, ein möglichst gutes Ergebnis zu produzieren, das auch beim Leser ankommt und seine Bedürfnisse erfüllt, ist doch Teil des Vergnügens am Schreiben, oder nicht? Wenn ich das Gefühl habe, es kommt Mist heraus, macht es mir jedenfalls keinen Spaß, einen Text zu schreiben (und das gilt auch für jeden längeren nicht-fiktionalen Text). Nur wenn ich den Eindruck habe, mein Text hat das Potential, gut oder sogar sehr gut zu werden, habe ich Vergnügen dabei, ihn zu schreiben. So gesehen, ist das kein Gegensatz. Aber ich gebe zu, daß mir persönlich erstmal am wichtigsten ist, daß es mir Spaß macht (auch bei dem, was ich beruflich schreibe), sonst habe ich nämlich keine Lust darauf und mache es dann entweder schlecht oder gar nicht. Der schmerzhafte Teil mit der wenig spaßigen Arbeit (Straffen, besser Strukturieren, Stringenz überprüfen, Lücken schließen) kommt bei mir immer hinterher. Selbstverständlich sind Texte immer für Leser geschrieben. Aber ebenso selbstverständlich schreibt man Texte nur dann gut, wenn man es gern tut und Spaß dabei hat. Warum sollte man es sonst tun? Schreiben bindet ja den ganzen Menschen und die volle Konzentration ein. So einen Einsatz werfe ich doch nicht weg an etwas, was mir keinen oder nur mäßigen Spaß macht. Soweit geht mein Altruismus jedenfalls nicht. Und ich finde, soweit sollte er auch nicht gehen, denn niemand sollte seine Zeit anderen zuliebe mit etwas verbringen, was ihm nicht wirklich viel Spaß macht (oder sagen wir: Vergnügen bereitet, um mal von dem oberflächlichen Spaßbegriff wegzukommen).  ;)

Aber ich glaube, jetzt bewege ich mich ein bißchen weit vom ursprünglichen Thema weg, zumal hier wahrscheinlich niemand schreibt, ohne Spaß daran zu haben.  :) Also höre jetzt mal auf.

Farean

Ich kann mich Atischara nur anschließen: im Vorhinein ausgiebig zu planen, ist genausowenig eine Garantie für das Gelingen eines Projekts, wie "einfach drauflosschreiben" das Mißlingen vorprogrammiert.

Ich habe das bei meinen letzten beiden Projekten selbst gemerkt. Das vorletzte war durchgeplant, strukturiert, mit einem Weltenbau, den ich als Quellenband für ein Rollenspiel hätte herausgeben können. Die Charaktere waren sorgfältig konstruiert, der Plot genau choreographiert.

Das Ergebnis war so steril, daß ich das Projekt nach zwei Dritteln abgebrochen habe. Irgendwann kam ich an dem Punkt an, wo ich mich fragte: "Wer will das eigentlich lesen? Ich nicht."

Bei meinem letzten Projekt habe ich einfach aus einer Laune heraus drauflosgeschrieben. Ich hatte an dem Tag noch nicht mal vor, ein Projekt zu starten, geschweige denn eine Romantrilogie zu über 1500 Normseiten. Aber genau das ist dabei rausgekommen. In die Charaktere hatte ich (zumindest bewußt) überhaupt keine Mühe investiert, und sie standen plötzlich vor mir, lebten und atmeten und versprühten eine Leidenschaft, die mich einfach überwältigte. Als ich mit dem Schreiben anfing, wußte ich nur wenig über meinen Antagonisten und noch weniger über die Welt, in der das Ganze spielte. Irgendwann nach Kapitel 3 von Band 1 habe ich dann etwas Grund reingebracht, das Ganze noch mal durchgeplant und das bisherige Geschriebene überarbeitet, daß es mit der Welt, soweit ich sie bis dahin kannte, stimmig war.

Diese Arbeitsweise zog sich durch das ganze Projekt: ein paar Kapitel erst mal drauflosschreiben, dann überarbeiten. Dann wieder drauflosschreiben, dann überarbeiten. Die Welt entstand, während ich sie mit meinen Charakteren bereiste. Und ich könnte im Nachhinein Sachbücher über Aufbau und Geschichte dieser Welt füllen, so stimmig und plastisch ist sie geworden.

Daß es so funktioniert hat, lag sicher auch daran, daß ich mich vorher (für meine Rollenspielrunde) jahrelang sehr ausgiebig mit dem Mittelalter befaßt und über diverse Dinge recherchiert habe und geistig einfach im Thema "ganz tief drin war". So gesehen habe ich Vorarbeit geleistet, ja. Aber es war nicht das bewußte Konstruieren dieser Welt, dieser Charaktere und dieses Plots.

zDatze

ZitatIch kann mich Atischara nur anschließen: im Vorhinein ausgiebig zu planen, ist genausowenig eine Garantie für das Gelingen eines Projekts, wie "einfach drauflosschreiben" das Mißlingen vorprogrammiert.
/sign
Sehr schön zusammengefasst.

Moni

Um mal auf die ursprüngliche Frage einzugehen, ob eine Welt so extrem ausgeklügelt sein muß, oder nicht:

Müssen  sicherlich nicht, aber ich habe zum Beispiel festgestellt, daß es für mich selbst wesentlich einfacher ist, wenn ich bei der Reise von Charakter nach Punkt A von Punkt B weiß, wie das Gebiet dazwischen aussieht. Dann kann ich während des Schreibens die entsprechende Landschaft mit all ihren Besonderheiten wesentlich glaubwürdiger in die Geschichte einflechten, als es der Fall ist, wenn ich on the fly Landschaftsbau betreibe.
Genau das Problem hat mir mein NaNoRoman von 2007 bereitet. Ich hatte eine grobe Idee, die letztlich in einer Art Roadmovie für die Charaktere münden sollte. Nur leider bestand die Welt nur aus dem "Startgebiet". Ich wußte weder, wie der Rest der Welt aufgebaut war, noch welche Klimazonen sie hatte oder gar ob es geologische Besonderheiten gab. Das hat mir im NaNo das Genick gebrochen, ich mußte aufgeben, weil ich einfach mit der Geschichte ohne extensives Weltenbasteln nicht weiterkam. Mittlerweile habe ich mehr Ahnung von der Welt und auch wenn ich jetzt ein wenig improvisieren mußte, um überhaupt mal mit der eigentlichen Geschichte in Fahrt zu kommen, nehme ich mir einfach lieber die Zeit zum Weltenbau.
Mein Opus hat eine schon recht gut ausgearbeitete Welt, zumindest die Gebiete, die bisher benötigt wurden, habe ich in Notizen und mehr oder weniger umfangreichen Landkarten festgehalten. Das engt mich nicht ein, ich kann immer noch alles mögliche passieren lassen, aber jetzt muß ich mir neben dem Plot nicht noch die Umgebung neu überlegen, sondern kann nachschlagen, wie es in Gebiet XYZ aussieht.

Als Leser genieße ich es, ganz in eine fremde Welt eintauchen zu können und das gelingt mir eigentlich nur, wenn ich während des Lesens merke, daß der Autor da wirklich Herzblut reingesteckt hat. Darum bin ich immer noch ein glühender Verehrer Tolkiens und oft schaue ich mir einfach die Landkarten an und kann dann in Gedanken in die Geschichte springen, die  in diesem oder jenem Landstrich spielt.
Das ist meiner Meinung nach die Königsklasse des Weltenbaus: wenn der Leser deine Geschichten und deine Welt miteinander verbindet und ein Blick auf die Landkarte reicht, um ihn ohne das er es nachlesen muß in die Geschichte eintaucht.

Weder darf die Welt um ihrer selbst willen gebaut sein, noch darf sie reines Mittel zum Zweck für die Handlung sein. Eine stimmungsvolle Umgebung kann einer Geschichte genau den Kick geben, der sie zu etwas ganz besonderem macht.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Atischara

@ Farean: Ganz ähnlich, wie du das beschreibst, sieht meine Arbeitsweise im Moment auch aus: Schreiben, Nachfassen (ein paar Dinge besser durchdenken, Fehler korrigieren, etwas recherchieren), wieder Schreiben und wieder Nachfassen. Diesen Monat ist Schreiben dran, aber nebenbei habe ich auch das Magiesystem konkretisiert, woraus sich ergibt, welche früheren Passagen wie überarbeitet werden müssen. Im April will ich dann erstmal ein paar grundsätzliche Dinge im Plot zurechtrücken und auch etwas mehr recherchieren und planen. Im Mai soll es dann wieder eine größere Schreibaktion geben...

Fianna

Als unlogisch empfinde ich beispielsweise, wenn städtische und dörfliche Strukturen sich so seltsam miteinander vermischen. Also der Prota oder Nebencharakter beispielsweise einen ganz bestimmten Beruf hat (--> Spezialisierung im technologischen oder künstlerischen Sinne), anderseits jedoch alles so rückständig und einfach wirkt (ein Setting nach dem Motto: Strohhütten mit zugigen Wänden und Fertigung für Hausbedarf), dass man sich fragt, wie das zusammen passt.

Oder aber wenn ein ordentliches Berufsheer dem König zur Verfügung steht (im Extremfalle wurde es schon in vorhergehenden Kriegen dezimiert und erneut aufgefüllt) und dabei jedoch vollkommen unklar ist, wie die Bevölkerung das mengenmäßig leisten kann und wie das Ganze finanziert wird.


Ich habe zwar auch eine Checkliste, die ich abarbeite. Zuerst entwickelt ich jedoch aus dem Plotplan ausgehend alles, was ich brauche, da es teilweise meinen groben Plotplan beeinflusst.

Was mir aber sehr wichtig ist: nachdem alle notwenigen Details geklärt und ausgeschmückt sind, streue ich immer wieder mal kleine "überflüssige" Details im Nebensatz ein, die Größeres andeuten. Über Aberglauben, Sprichwörter oder lokale Feste/Traditionen wird dann eine gewachsene Kultur suggeriert. Das Ganze dient jedoch nur der "Unterfütterung" der Welt und ist nicht immer wirklich ausgearbeitet (weil es z.B. ein Einzelroman in diesem Land/zu dieser Zeit ist und der Platz nicht reicht, da auch noch drauf einzugehen).

Bei Ländern, die immer mal wieder erwähnt werden, verselbstständigt sich das Ganze gerne mal. Einige Details der Kultur entwickeln sich so teilweise über Jahre und beiläufig. Über eine mythologische Wesenheit habe ich mal 2 Sätze notiert (zur Vervollständigung meines Götterpantheons), daraus wurde irgendwann mal eine ganze Kurzgeschichte geschaffen, in der Helden dem Wesen begegnen.

Andere Dinge wiederum werden von Lesern wohlwollend erwähnt und nachgefragt - die waren aber nur "angedeuteter Füllstoff" ^^

Dämmerungshexe

Ich gehe da verschiedentlich vor, je nachdem wie es die Geschichte erfordert:

- bei "Cardigan" geht es schließlich und endlich um die Welt an sich, und es gibt sehr viele "fremde" (nicht menschliche) Völker, deren Kulturen für den Plot von Bedeutung sind - da ist es wichtiger schon vorn vorneherein zu wissen wie alles funktioniert.

- bei "Das flammende Schwert" stehen die Charaktere und ihre Geschichte im Vordergund - die Welt drum herum hat noch nicht einmal wirklich einen Namen - an sich ist es eine 08/15-Fantasy-Welt (Berge, Wälder, Städte, Elfen, Zwerge, Menschen ...) und ich erweitere und verändere dieses Grundkonzept immer dann wenn es nötig wird.
Diese Methode funktioniert vor allem wenn die Erzählung nicht zu ausschweifend ist - im Moment, da ich den zweiten und dritten Teil aufzubauen versuche, merke ich, dass mir Details und Zusammenhänge fehlen und dass ich da noch einiges dran machen muss.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Atischara

@ Fianna: Ja, logische Brüche sind nicht gut. Allerdings frage ich mich gerade, in wie vielen Büchern mir klar geworden ist, woher die Soldaten kommen und wie sie bezahlt werden - von großen Mehrteilern mal abgesehen, wo solche Informationen meistens irgendwann irgendwo auftauchen.... :hmmm:

Fianna

#28
Zitat von: Atischara am 20. Juni 2012, 16:45:00
@ Fianna: Ja, logische Brüche sind nicht gut. Allerdings frage ich mich gerade, in wie vielen Büchern mir klar geworden ist, woher die Soldaten kommen und wie sie bezahlt werden - von großen Mehrteilern mal abgesehen, wo solche Informationen meistens irgendwann irgendwo auftauchen.... :hmmm:
Da hast Du mich etwas falsch verstanden oder ich habe mich schlecht ausgedrückt. Ähems, das falsch verstanden wurde stark begünstigt vom zweiten, wie mir auffällt ^^
Ich hatte im Kopf (das habe ich aber nicht mehr geschrieben), dass teilweise Informationen gegeben werden über den "Reichtum" des Landes oder angedachte Heirat mit Nachbar-Prinzessin wegen Geldmangel etc. Wenn in solche Informationsbrocken dann noch ein schickes Heer gestellt wird, evt erneut aufgefüllt, das ist einfach unlogisch. Stehende Heere unterhalten ist sowieso ohne Ende teuer.

Oder was mir auch mal auffiel: bei Städten fehlt häufig die Versorgung. Also man kommt zur Stadt und ist auf einmal drin, in der Stadt wohnen x Menschen, und es gibt nirgendwo außerhalb der Stadt Felder etc. Die waren nicht wichtig und wurden vom Autor nicht erdacht. Sie sind aber immanent für das Funktionieren der Welt, für die Vesorgung einer Stadt.


Mir fehlen gerade gute Beispiele weil ich nicht mehr soviel Beta lese bzw. die falschen Genre  :D Früher habe ich auf einer Plattform viel betagelesen, dazu fehlt mir jetzt aber die Zeit. Das ist nämlich eine Plattform mit so schöner ebook-Darstellung, einige Leute wollten dieses Feedback gar nicht haben und haben dann einfach gelöscht. Oder aber sie waren dankbar über das Feedback, haben den Text weggenommen und ich hab nie wieder gehört, was draus geworden wurde. Also, ich will ja gar nicht mal den Text nochml lesen und mich freuen, dass meine Kritik berücksichtigt wurde. Mir hätte schon gereicht ein "Danke Fianna für Deine Mühe, ich habs überarbeitet, sind inzwischen x Word-Seiten" (dem aufmerksamen Leser fällt auf, dass hier in meinem Beispiel nix steht bez. Fiannas Kritik umsetzen und einfach allgemein für die Mühe gedankt wird  ;)) - nada - einfach auf Nimmer Wiedersehen verschwunden. Da hatte ich dann auch keine Lust mehr, mir diese Mühe zu machen.
Ich lese nur noch Freunde bzw. auf Anfrage beta.

Atischara

Ah, ok, jetzt ist es mir klar geworden.  :)

Das mit den Städten ohne Versorgung ist eigentlich erstaunlich, denn wenn man Romane liest, entsteht doch so ein Eindruck, wie die Versorgung einer Stadt früher mal funktioniert hat. Ich dachte immer, das macht man schon intuitiv richtig. Aber ich lese auch oft historische Romane. Kann also sein, daß ich die Intuition von dort habe. Vielleicht ist das ein Phänomen bei modernen Stadtbewohnern: Da ist einem nicht mehr so klar, woher die Versorgung kommt, denn sie ist einfach da. Also macht man sich dann beim Schreiben auch keine Gedanken darum.

Am sichersten finde ich es wegen dieser Probleme ja immer noch, sich an unserer Wirklichkeit zu orientieren und dann die (aktuelle oder historische) Infrastruktur an die eigene Welt anzupassen. Letztes Jahr hatte ich aber ganz schön viel zu tun, weil ich meine Welt auf den Kopf gestellt habe (irgendwie fand ich es immer unoriginell, daß Fantasywelten meistens im Norden kalt und im Süden warm sind, also habe ich das mal umgedreht). Daraus hat sich ergeben, daß ich erstmal recherchieren mußte, wo dann welche Vegetation möglich ist und wie Gebirgsketten und Flüsse verlaufen können, vor allem aber, auf welcher Seite eines Gebirges es Wald geben kann etc. Da steht einem die eingschliffene Nord-Süd-Denkgewohnheit dann doch im Weg. Hätte man natürlich einfacher haben können...