• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Rückblenden vermeiden und Zufälle

Begonnen von Kitsune, 13. Dezember 2010, 16:12:11

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Kitsune

Dazu habe ich zwar einiges im Archiv gefunden, aber die Themen sind alle geschlossen, deswegen möge man es mir nachsehen, dass ich ein neues Thema mache, da ich schon noch einige Fragen dazu habe.

Als eifriger Anfänger habe ich mir natürlich sämtliche goldenen Schriftsteller-Regeln durchgelesen, die hier wahrscheinlich schon jeder kennt. Weil man ja nichts als gottgegeben hinnehmen sollte, habe ich diese Regeln auch alle brav hinterfragt und mir damit dann schon oft selber die Begründung dafür geliefert warum jene Regeln angewendet werden sollten.

Der Umstand, dass ich hier schreibe, man ahnt es wahrscheinlich schon, liegt daran, dass ich eine Regel nicht wirklich verstehe. ,,Rückblenden vermeiden". Teilweise habe ich sogar gelesen, dass man Rückblenden unter allen Umständen vermeiden soll. Andere waren etwas milder, aber das Gesamturteil war letztendlich immer, dass man Rückblenden vermeiden soll.

Die Begründung war, dass der Leser aus dem Lesefluss gerissen und vor allem, das Spannung die man vorher mühsam aufgebaut hat zerstört wird, sodass ein Leser auch gerne mal ein Rückblenden-Kapital überspringt, damit er erfährt wie es mit der Geschichte weiter geht.

Wenn ich mir jetzt die Frage stelle: ,,Wie verhindere ich eine Rückblende?", dann schaffe ich das nur, wenn ich die Geschichte so aufbaue, dass das Vorleben meiner Handelnden für die Geschichte völlig unwichtig ist. Für mich wäre es jetzt logisch, dass gerade solche Geschichte mit einem Zufall beginnen. ,,Ich finde zufällig einen Zauberring...", ,,Ich ziehe in einen neue Stadt und lerne dort jemand neues kennen...", ,,Ich verpasse meinen Zug und werde Zeuge eines Mordes...". Da ich ein Lesemuffel bin, weiß ich nicht, ob diese These zutrifft, deswegen wäre meine erste Frage, ob es tatsächlich so ist, dass um Rückblenden zu vermeiden oft Zufälle genutzt werden? Als Alternativ hat man sicherlich auch noch eine lineare Erzählweise, aber die ist meiner Meinung nach schlecht, wenn Ereignisse weit zurückliegen, sodass es zu häufigen Zeitsprüngen kommt, weil z.B. in den nächsten zehn Jahren nichts wichtiges passiert.

Ich selber mag Zufälle eher weniger, wenn der Protagonist z.B. in die Handlung fällt; aber das ist ja Geschmackssache. Interessant wäre für mich zu wissen, wie andere Forumsnutzer Rückblenden sehen, also eher kritisch oder als ein wichtiges Stilmittel und vor allem warum?

Wenn ich eine Rückblende so verstehe, dass ich die Handlung in verschiedene Zeitstränge aufteile, dann müsste dadurch doch eigentlich Spannung entstehen?! Als Beispiel vielleicht: ,,Zehn Jahre nach der Apokalypse kämpft eine Gruppe von Wissenschaftlern ums überleben."
Ich habe in der Gegenwart eine Handlung und in der Vergangenheit ein Ereignis. Als aufmerksamer Leser würde ich mir jetzt die Frage stellen: Was ist damals passiert und haben die Wissenschaftler etwas damit zu tun haben? Als Schriftsteller habe ich so auch die Möglichkeit stückweise Informationen herzugeben, die den Leser in die eine oder andere Richtung lenken können ohne dabei zuviel zu verraten. Letztendlich kann ich mit dem Leser spielen. Wenn ich jetzt die Spannung der Geschichte betrachte, so habe ich drei Spannungsbögen. Die gegenwärtige Geschichte...was passiert mit den Wissenschaftlern, wie geht es weiter? Das vergangene Ereignis...was ist damals passiert? Und die Verknüpfung vom Ereignis mit der Geschichte...haben die Wissenschaftler damit etwas zu tun und wenn ja, wie?
In meiner Vorstellung hätte ich so eine multidimensionale Spannung die ich nach und nach auflöse, indem ich zum Beispiel zeige, dass die Wissenschaftler etwas damit zu tun haben, aber noch nicht verrate was passiert ist.

Also, wie gesagt, mich interessiert was ihr darüber denkt und ob ist selber in euren Geschichten Rückblenden benutzt oder eher nicht?

Churke

Zitat von: Kitsune am 13. Dezember 2010, 16:12:11
Wenn ich mir jetzt die Frage stelle: ,,Wie verhindere ich eine Rückblende?", dann schaffe ich das nur, wenn ich die Geschichte so aufbaue, dass das Vorleben meiner Handelnden für die Geschichte völlig unwichtig ist.

Widerspruch. Eine Person ist die Summe ihrer Eigenschaften und durch ihre Erfahrungen geprägt. Die Kunst besteht nun darin, diese Prägung darzustellen, ohne sich in Rückblenden zu verlieren.
Ich gebe ein Beispiel: Der böse Zauberer(TM) will die Welt erobern, weil ihn die Magierakademie wg. Talentlosigkeit seinerzeit abgelehnt hat. Ist es nicht viel besser, zu zeigen, was aus der Person geworden ist und ihre Vergangenheit in Gesprächen, Verhaltensweisen und Gedanken anzudeuten, anstatt platt ein Kapitel "50 Jahre zuvor" einzufügen, das den Lesefluss unterbricht? Indem man die Dinge langsam aufdeckt, bewahrt man sich auch einen Rest Geheimnis.

Zufälle hingegen sind etwas völlig anderes. Der Zufall wird allgemein als deus ex machina genutzt - in den Säulen der Erde (hab das TV-Event gesehen) häufen sich mit fortschreitender Handlung auch die unwahrscheinlichen Zufälle.

ZitatWenn ich eine Rückblende so verstehe, dass ich die Handlung in verschiedene Zeitstränge aufteile, dann müsste dadurch doch eigentlich Spannung entstehen?!
Wenn es so einfach wäre.  ;D
Meines Erachtens ist das Gegenteil der Fall. Durch mehrere Zeitstränge entstehen mehrere Handlungen. Du hast also im Prinzip zwei Plots, die zwar zusammenhängen, aber letztlich doch alleine erzählt werden. Um dein Beispiel aufzugreifen: Du erzählst die Geschichte von den Wissenschaftlern damals und die Geschichte von den Überlebenden heute. Ich lese auch nicht gerne mehrere Bücher nebeneinander. Meistens entwickelt sich dann auch eine Lieblings-Handlung und die weiteren Handlungen werden als lästige Unterbrechung wahrgenommen.




Thaliope

Also ich persönlich habe prinzipiell nichts gegen Rückblenden - wenn sie gut gemacht sind. An der richtigen Stelle angebracht, reißen sie den Leser m.E. nicht unbedingt aus dem Lesefluss, sondern bringen unter Umständen eine angenehme Variation des Tempos.
Wie sie "gut gemacht" werden, und wann sie nicht stören, lässt sich wohl nur durch Üben und Probieren herausfinden.

Ein Beispiel, über das ich erst gestern gestolpert bin, und das ich toll gemacht fand: Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym von Edgar Allan Poe.
Der Held ist auf einem Schiff in einer Kiste eingesperrt, erstickt fast, wird vor Durst schier wahnsinnig ... das ist furchtbar nervenaufreibend, man kann beim Lesen selbst kaum noch atmen. Endlich wir er gerettet. Uff. Durchschnaufen, neues Tempo. Und dann wird in aller Ruhe rückblickend erzählt, was in der Zwischenzeit passiert ist und wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass er so lange da unten eingesperrt war. Ich fands toll, weil ein Punkt abgeschlossen war und man sich auf einen neuen Part einlassen konnte und wollte.

Wenn man Rückblenden hingegen mitten in einer Aktion einsetzt, weil man noch schnell irgendetwas erklären muss, wirken sie auf mich tatsächlich leseflusshemmend. Das abschreckendste Beispiel, wenn auch nur eine Mini-Rückblende, war für mich bei Schneewittchen: Die böse Hexe reichte Schneewittchen einen Apfel. Den hatte sie nämlich zuvor in Gift getaucht ... -- da wird also nachträglich was erklärt, was man schöner vorher hätte erwähnen können, damit der Leser die Voraussetzungen der Szene kennt.

Also ich (unerfahrender Naivling) glaube, dass man Rückblenden schon einsetzen kann, dass sie aber eine häufige Quelle für Fehler sind, wenn man sie inflationär einsetzt, an der falschen Stelle, oder um sich das Leben leichter zu machen :)

Zufall kann ein sehr interessanter Faktor in einer Geschichte sein, aber ihn als Hauptantrieb der Geschichte zu wählen, würde ich nur empfehlen, wenn der Zufall selbst das Thema der Geschichte ist (wie bei Paul Auster zum Beispiel gerne).


@Churke: Deine Abneigung gegen parallel verlaufende Handlungsstränge teilt der Mainstream offenbar nicht ;) Das ist ja ein ganz gängiges Muster unter anderem für Thriller (Ken Follett etc.)

LG
Thali

Grey

Ich habe das Thema mal ins richtige Board verschoben. Das "Autoren helfen Autoren" ist nur für konkrete Notlagen, gedacht, die speziell mit dem eigenen Text zusammenhängen.

Gruß,
Grey

Feuertraum

Zitat von: Kitsune am 13. Dezember 2010, 16:12:11


Als eifriger Anfänger habe ich mir natürlich sämtliche goldenen Schriftsteller-Regeln durchgelesen, die hier wahrscheinlich schon jeder kennt. Weil man ja nichts als gottgegeben hinnehmen sollte, habe ich diese Regeln auch alle brav hinterfragt und mir damit dann schon oft selber die Begründung dafür geliefert warum jene Regeln angewendet werden sollten.

Ich mag da einmal widersprechen. Die Frage: "Warum muss/sollte man diese Regel anwenden?" ist m.E. unglücklich gestellt. Es ist sicherlich richtig, dass man nicht jede Regel sklavisch umsetzen sollte, aber es bringt meiner Meinung auch nichts eine Regel zu lesen und sich dafür eine Erklärung auszudenken, dass man sie auch anwenden kann.
Natürlich ist das Handwerk des Schreibens wichtig, aber im Grunde genommen gibt es nur eine einzige Regel, an die sich ein Autor halten muss: wenn eine Regel einer Geschichte schadet, brich sie!

ZitatDer Umstand, dass ich hier schreibe, man ahnt es wahrscheinlich schon, liegt daran, dass ich eine Regel nicht wirklich verstehe. ,,Rückblenden vermeiden". Teilweise habe ich sogar gelesen, dass man Rückblenden unter allen Umständen vermeiden soll. Andere waren etwas milder, aber das Gesamturteil war letztendlich immer, dass man Rückblenden vermeiden soll.

Und genau da setze ich meine "Brich die Regel, wenn die Story drunter leidet" an. Retrospektiven  haben sehr wohl ihren Sinn und können - wie von Thaliope schon geschrieben - einer Geschichte sehr viel geben. Seien es Erklärungen oder  Charakterdifferenzierungen  (aber auch bei Rückblenden sollte man ein "Show, don`t tell" anwenden)

ZitatDie Begründung war, dass der Leser aus dem Lesefluss gerissen und vor allem, das Spannung die man vorher mühsam aufgebaut hat zerstört wird, sodass ein Leser auch gerne mal ein Rückblenden-Kapital überspringt, damit er erfährt wie es mit der Geschichte weiter geht.

Sehe ich anders, aber okay.

ZitatWenn ich mir jetzt die Frage stelle: ,,Wie verhindere ich eine Rückblende?", dann schaffe ich das nur, wenn ich die Geschichte so aufbaue, dass das Vorleben meiner Handelnden für die Geschichte völlig unwichtig ist.

Nicht zwangsweise.
Sie können eine Geschichte auch wirklich von A-Z schreiben, inklusive der Vorgeschichte und der Tat. Aber ob das die Leser wirklich interessiert?

ZitatAlso, wie gesagt, mich interessiert was ihr darüber denkt und ob ist selber in euren Geschichten Rückblenden benutzt oder eher nicht?

Ja, ich verwende Rückblenden, wenn ich der Meinung bin, dass sie dorthin passen.

LG
Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Lomax

Ehrlich gesagt halte ich von der "Regel", dass man keine Rückblenden bringen sollte, nicht sehr viel. Ich kenne eine ganze Menge sehr erfolgreiche Romane, die Rückblenden der unterschiedlichsten Form verwenden. Warum also sollte man sie überhaupt vermeiden?
  Die Kunst ist eher, Rückblenden richtig zu verwenden - sie also an Stellen einzusetzen, wo sie nicht den Erzählfluss unterbrechen, sondern wo sie im günstigsten Fall gerade ein Bedürfnis des Lesers befriedigen. Und diese Rückblenden selbst so spannend zu gestalten, dass der Leser sie gerne liest. Wenn man darauf achtet, gibt es keinen Grund, auf Rückblenden zu verzichten - aber es gibt eine ganze Menge, was schlimmer ist als Rückblenden und was man durch eine geschickt gesetzte Rückblende vermeiden kann: Bei Hölzchen und Stöckchen zu beginnen, um die Vorgeschichte der Figur klar zu machen, beispielsweise - da ist es deutlich besser, die Vorgeschichte durch spätere Rückblenden akzentuierter einzuflechten, um möglichst spät in die Handlung einsteigen zu können, nämlich da, wo sie spannend wird. Und so eine Rückblende ist oft auch besser als Erklärungen des Erzählers, weil man sie dramatisieren kann.
  Man muss sich also meiner Einschätzung nach selten fragen, wie man eine Rückblende vermeiden kann. Eigentlich muss man sich immer nur eine Frage stellen: Brauche ich (oder der Leser) hier eine Rückblende? Wenn man diese Frage mit "ja" beantwortet, wäre es ja ziemlich doof, sich zu überlegen, wie man sie vermeiden kann. Wenn man diese Frage mit "nein" beantwortet, muss man auch nicht lange nach einem Ersatz suchen - denn warum sollte man etwas ersetzen, was man gar nicht braucht? ;D

Viel sinnvoller wäre es also, die oben genannte Frage offen und ehrlich zu stellen und sinnlose Hintergrundinfos bei Bedarf einfach wegzulassen. Das Problem sind nicht die Rückblenden selbst, dass Problem ist, das der Autor sie oft nicht benutzt, um seine Geschichte zu erzählen, sondern um eine andere Geschichte zu erzählen ... die zwar nicht in den Text gehört, die er aber gerne auch irgendwie gerne noch reinquetschen möchte. Und da gibt's nur eine sinnvolle Vermeidungsstrategie: Sein lassen!
  Und was in den Text gehört, schreibt man dann auch, ohne kompliziert rumzukrampfen und ohne Regeln nur um der Regel willen zu befolgen.

Simara

Äh, man darf keine Rückblenden verwenden? *räusper*
Mann lernt ja nie aus... Ich persönlich liebe Flashbacks, egal ob beim lesen oder schreiben, und wenn man eine gute Erzählweise wählt wird auch bei solchen "Unterbrechungen" bestimmt kein Rückschlag für die Spannungskurve stattfinden, wenn du mich fragst.

Kati

Rückblenden: Das sehe ich komplett anders. Natürlich ist es nicht schlau, mitten in einem spannenden Kampf eine Rückblende einzubauen, in der der Held sich erinnert, dass der Gegner seinen Bruder auf dem Gewissen hat und wie das passiert ist, wenn man vorhat das seitenlang nachzuerzählen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es funktionieren kann: Man könnte alle paar Absätze einen Satz aus der Vergangenheit einstreuen und schon hat man eine meiner Meinung nach eher spannungsfördernde Rückblende.  ;) Ich mag Rückblenden, aber ich finde, sie sind viel langweiliger, wenn sie in ruhigen Szenen eingeschoben werden. Held findet einen alten Brief seines Bruders und erinnert sich an ihn... Die sind dann meistens auch seitenlang und darauf habe ich meist keine Lust, weil es einfach langweilig ist.
Rückblenden müssen für mich kurz sein und genau im richigen Moment eingesetzt werden, was natürlich schwer ist.

Zufälle: Nun ja, natürlich darf man nicht ALLES dem Zufall überlassen, aber ganz ohne ist es für mich auch unrealistisch. Mal ehrlich, wie oft kreuzt uns im wahren Leben der Zufall dazwischen? Sehr oft, oder? Man muss zu einer wichtigen Prüfung, und zufällig fährt genau an diesem Tag der Bus nicht oder das Auto geht nicht mehr. Solche Sachen. Zufällig hört man, wie sich Leute etwas wichtiges erzählen... Das passiert in Wirklichkeit ja auch, warum also nicht in Romanen, wenn man es nicht übertreibt?  ;D

Na ja, just my two cents.  :) 

Mrs.Finster

#8
Ich kann mich da nur anschließen: Ich liebe Rückblenden. Gerade dahin gehend, wenn vielleicht ein Geheimnis in der Vergangenheit liegt, dass der Leser selbst ergründen muss. Also genau so habe ich das in meiner letzten Story gemacht und es ist gut angekommen.

Ich finde solche Allgemeinregeln sowieso immer subjektiv. Selbes trifft auf die Regel Show don´t tell. Wenn die Mischung stimmt, ist alles erlaubt  ;)
Glück ist, wenn die Katastrophen in meinem Leben endlich mal eine Pause einlegen :-)

Runaway

#9
Zitat von: Simara am 13. Dezember 2010, 18:56:18
Äh, man darf keine Rückblenden verwenden? *räusper*
Mann lernt ja nie aus... Ich persönlich liebe Flashbacks, egal ob beim lesen oder schreiben

Hahaha, genau... das dachte ich eben auch! "Wie, Rückblenden sind Mist? Ich find die aber gut!"
Ich benutze sie auch. Nicht oft, sondern eben da, wo sie sinnvoll sind. Das gibt's immer wieder. Klar sollte man die nicht da reintun, wo es gerade sauspannend ist und man weiterwill, aber ich find eine Rückblende manchmal besser, um nötige Erklärungen anzubringen, als das Ganze in der Haupthandlung nur irgendwie indirekt wiederzugeben. Indirekt ist öde, aber eine Rückblende ist immer viel lebendiger und aktiver.
Das sehe ich als Vorteil daran.

Aber ich finde, irgendwelche goldenen Autorenregeln sind sowieso sehr mit Vorsicht zu genießen, wenn sie nicht sogar Käse sind. Ich hab zum Beispiel in "How to write a mystery", was ich insgesamt genial finde, den Tip gelesen, immer auf Kritikpunkte der Betaleser zu hören.
"Was der Leser nicht verstanden hat, ist also offensichtlich Murks."
Ja, im Prinzip stimmt das auch so. Aber.... Betaleser passen auch mal nicht auf. Sind unkonzentriert. Stehen sich auf dem Kabel. Es ist ja eh schon eine Kunst, einen guten Betaleser zu finden und ich genieße diese Regel sehr mit Vorsicht, obwohl ich ihr generell schon folge.

Von daher würde ich bei sowas aufpassen. Was ich z.B. gut nachvollziehen kann und befolge, ist die Regel, kein Passiv zu verwenden, wenn es sich vermeiden läßt. Das Passiv ist auch schwächer als das Aktiv. Das ist Murks, klar. Aber auch da kann es Ausnahmen geben.
Da würde ich mich nicht irre machen lassen!

Und auch das mit den Zufällen ist so eine Sache... also ich hab's schon ganz gern, wenn es so aussieht, als würde dem Prota etwas zufällig passieren. Dann muß es aber auch wirklich so aussehen und nicht den Anschein haben, als wäre das ein konstruierter Zufall, der nur so aussehen soll wie einer.
Gutes Beispiel: "Kalte Asche" von Simon Beckett. Fall zwei seines Protas... zuuuufällig ist kein anderer Experte da, der das machen kann, weil zuuufällig ein Unglück passiert ist, also muß er auf diese kleine Insel und rein zufällig folgt die Spurensicherung nicht, also sitzt er da fest, bis - wer hätte es geahnt, zufällig! - ein dicker Sturm aufzieht und er noch länger festsitzt.
Naja  ;D

Sanjani

Hallo,

in Prinzip kann ich meinen Vorrednern nur zustimmen. Es ist wichtig, dass die Rückblende an der richtigen Stelle eingebaut wird und von der richtigen Länge ist. Ich persönlich bin kein Fan von langen Rückblenden. Ich hab mal eine Geschichte Beta gelesen, da kam einer in eine neue Stadt und fand sich dort nicht gut zurecht und in Prinzip hat die autorin da über Rückblenden die Vorgeschichte des Protagonisten erzählt, während im eigentlichen Handlungsstrang kaum was passierte. So was ist m.E. ein schlechtes Beispiel. ;-) Ich habe die Geschichte dann auch nicht fertig gelesen, weil noch nicht fertig geschrieben und keine Lust mehr ;-)

Was ich aber noch wichtig finde, ist die Natürlichkeit. Wenn es irgendwie geht, versuche ich Dinge aus der Vergangenheit so einzuflechten, wie sie der Person auch wirklich passieren könnten. D. h. befindet sie sich gerade in einer Situation, wo ihr nur einzelne Erinnerungen kommen oder ist sie gerade in der Stimmung um wirklich aktiv in alte Erinnerungen einzutauchen? Bei ersterem verwende ich nur wenige Sätze zwischendurch, bei zweiterem kann es auch mal ein bisschen länger werden.

Ich bin übrigens auch kein Fan von parallelen Handlungssträngen, zumindest nicht, wenn es zu viele sind (z. B. bei Otherland von Tad Williams waren es mir viel zu viele ^^).

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Mika

Hallo zusammen!

Rückblenden vermeiden?
Hm... nie gehört :)

In meinem aktuellen Projekt sind Rückblenden ein essentieller Bestandteil.
Ich erzähle mehrere Handlungstränge paralell, die auch unter anderem auf gänzlich verschiedenen temporalen Ebenen angeordnet sind. Ich beginne eigentlich mitten in der Handlung und kläre erst nach und nach durch eben jene Rückblenden auf wie es dazu gekommen ist (fange aber nicht bei Adam und Eva an, das ginge zu weit).
Meine Protagonistin ist anfänglich ohne Gedächtnis in einer ihr völlig fremden, scheinbar gefährlichen Welt. Durch Träume gebe ich ihr nach und nach ihre Erinnerung wieder, beginne allerdings bei ihren Eltern von denen sie gar nichts weiß, streue also einen Handlungsstrang, der vor ihrer Geburt beginnt, ein. Was natürlich keinerlei direkten Bezug zu ihr darstellt, Verwirrung bringt, aber vielleicht dem Leser nach und nach erst aufdeckt was es damit auf sich hat, so ist zumindest der Plan, ob es funktionieren wird, weiß ich noch nicht.
Der Handlungsstrang einer anderen Figur beginnt in einem Kerker, nach und nach decke ich auf wie es dazu gekommen ist.
Mein Projekt ist voller Brüche, sowohl in der temporalen Ebene als auch was die Erzählinstanzen betrifft. Etwas unwöhnlich ist das Ganze sicher und ich verwende diese Rückblenden auch ziemlich exzessiv und bin mir auch nicht sicher ob ich damit jemals so weit kommen werde dass irgendjemand das Ganze literarische Verbrechen drucken will, egal, hauptsache mir macht es Spaß.

Und das denke ich ist das wichtigste. Wenn du denkst dass du irgendetwas machen möchtest weil es für den Fortschritt deiner Geschichte von Vorteil ist, weil du denkst dass du nur so die Geschichte die du erzählen möchtest erzählen kannst, dann mach es doch einfach :)

Ich bin mir sicher diese Regeln haben ihren Sinn, aber ich denke auch man sollte auch gelegentlich zu Experimenten bereit sein. Narratologisch betrachtet hat man da erstaunlich viele Möglichkeiten. Befasse mich gerade in einem Seminar konsequent mit der Erzähltheorie, was irrsinnig interessant ist, und alles was ich dort bislang gelernt habe hat mich darin bestärkt meinen teilweise ungewöhnlichen Wegen zu folgen. Wenn es also Regeln gibt, ist das schön und gut, wenn sie mir aber nicht in den Kram passen breche ich damit.

Meine "Rückblenden" sind mal länger mal kürzer, mal streue ich sie mit einem bösen Cliffhanger in die gerade laufende Handlung des Hauptstranges ein, mal finden sie statt wenn dieser zur Ruhe gekommen ist. Es ist ganz unterschiedlich. Manchmal breche ich mitten an einer spannenden Stelle ab und schreibe an einem anderen Strang weiter der in der Vergangenheit liegt, manchmal streue ich Intermezzi ein, die ich auch als solche bezeichne, eigentlich alle fünf Kapitel. Ein Intermezzo ist für mich eine kurze Sequenz die in der weiter entfernten Vergangenheit liegt. Damit kläre ich auch Stück für Stück weiter über die Beweggründe der ein oder anderen Figur auf oder ich streue genauere Informationen über die Welt ein, was allerdings eher seltener vorkommt.

Ob meine Rückblenden allerdings an der richtigen Stelle eingebaut sind, ich wage es zu bezweifeln, aber ich bin gespannt was meine Probeleser irgendwann dazu sagen wenn die erste Fassung fertig ist. Dann werde ich wissen ob ich zu viele literarische Experimente gemacht habe die das Ganze unlesbar machen oder ob es vielleicht für die Spannung zuträglich ist.
Fakt ist, ich unterbreche den Lesefluss und ich tue es bewusst und ohne Reue, vielleicht ein Fehler, aber es macht Spaß nicht liniar zu schreiben. Und noch mehr mag ich meine verschiedenen Handlungstränge, die teilweise aber etwas ausarten. Vielleicht zu viel, keine Ahnung.

Persönlich lese ich sehr gern Bücher mit verschiedenen Handlungssträngen, bzw. auch gern mal Bücher mit verschiedenen Erzählinstanzen oder auch unterschiedlichen temporalen Ebenen. Es macht Spaß wenn man dazu motiviert wird das Buch ja nicht aus der Hand zu legen weil man ja wissen will wie es bei Strang XY weitergeht ect. Zu viele Cliffhanger machen mich dabei beim lesen aber teilweise wahnsinnig und wirken manchmal auch etwas arg konstruiert (z.B. Sakrileg von Dan Brown, wenn ich mich recht erinnere, recht gutes Buch aber die "Cliffhanger" bevor der Sprung zum anderen Strang stattfindet, etwas zu viele für meinen Geschmack).

Was den Zufall betrifft: Davon versuche ich eher Abstand zu halten. Eine Geschichte muss für mich einen logischen Zusammenhang haben, alles muss irgendwie ins Bild passen (zumindest wenn man die einzelnen Handlungsstränge raussortieren und in eine temporale Reihe bringen würde), da hat kein Zufall was zu suchen. Zufall ist für mich der Logik einer Geschichte zu stark entgegen gesetzt und deswegen vermeide ich ihn wie die Pest. Der logische Zusammenhang muss vorhanden sein, durch Zufälle wird das etwas schwierig...

Viele Grüße
mika

Kitsune

Schön, dass die meisten hier auch Rückblenden mögen. Das hilft mir sehr weiter, sodass ich mich jetzt fröhlich an meine Rückblende mache.

Nycra

#13
Also ich finde Rückblenden auch gut, habe allerdings auch schon von der Regel gehört, sie wegzulassen. Anfangs hab ich das auch probiert, das Problem dabei war nur, dass man manche Dinge nicht in die Geschichte einbauen kann, die aber für den Verlauf wichtig sind, ohne dann den Lesefluss zu unterbrechen. Allzu oft verfalle ich dann nämlich in das "Tell" statt in das "Show" und das ist ja nun wirklich nicht gerade prickelnd.


Zitat von: Runaway am 13. Dezember 2010, 20:11:54
Aber ich finde, irgendwelche goldenen Autorenregeln sind sowieso sehr mit Vorsicht zu genießen, wenn sie nicht sogar Käse sind. Ich hab zum Beispiel in "How to write a mystery", was ich insgesamt genial finde, den Tip gelesen, immer auf Kritikpunkte der Betaleser zu hören.
"Was der Leser nicht verstanden hat, ist also offensichtlich Murks."
Ja, im Prinzip stimmt das auch so. Aber.... Betaleser passen auch mal nicht auf. Sind unkonzentriert. Stehen sich auf dem Kabel. Es ist ja eh schon eine Kunst, einen guten Betaleser zu finden und ich genieße diese Regel sehr mit Vorsicht, obwohl ich ihr generell schon folge.

Amen! Ich hatte einen Beta-Leser, der an einer wirklich essenziellen Stelle meinte, "das kannst du so nicht schreiben, das gibt keinen Sinn, weil ..." In der gemeinsamen anschließenden Diskussion kam raus, dass er genau diesen Teil zwar gelesen, aber überlesen hatte, weil er damals nicht wichtig erschien. Sicher, mir zeigte das, diese Stelle zu ändern, aber trotzdem beweist es mir, dass auch Beta-Leser keine Computer sind, die Informationen auf Abruf parat haben.  ;)

Feuertraum

Zitat von: Lomax am 13. Dezember 2010, 18:17:15
  Die Kunst ist eher, Rückblenden richtig zu verwenden - sie also an Stellen einzusetzen, wo sie nicht den Erzählfluss unterbrechen, sondern wo sie im günstigsten Fall gerade ein Bedürfnis des Lesers befriedigen. Und diese Rückblenden selbst so spannend zu gestalten, dass der Leser sie gerne liest. Wenn man darauf achtet, gibt es keinen Grund, auf Rückblenden zu verzichten - aber es gibt eine ganze Menge, was schlimmer ist als Rückblenden und was man durch eine geschickt gesetzte Rückblende vermeiden kann: Bei Hölzchen und Stöckchen zu beginnen, um die Vorgeschichte der Figur klar zu machen, beispielsweise - da ist es deutlich besser, die Vorgeschichte durch spätere Rückblenden akzentuierter einzuflechten, um möglichst spät in die Handlung einsteigen zu können, nämlich da, wo sie spannend wird. Und so eine Rückblende ist oft auch besser als Erklärungen des Erzählers, weil man sie dramatisieren kann.
Eigentlich muss man sich immer nur eine Frage stellen: Brauche ich (oder der Leser) hier eine Rückblende? Wenn man diese Frage mit "ja" beantwortet, wäre es ja ziemlich doof, sich zu überlegen, wie man sie vermeiden kann. Wenn man diese Frage mit "nein" beantwortet, muss man auch nicht lange nach einem Ersatz suchen - denn warum sollte man etwas ersetzen, was man gar nicht braucht? ;D

Viel sinnvoller wäre es also, die oben genannte Frage offen und ehrlich zu stellen und sinnlose Hintergrundinfos bei Bedarf einfach wegzulassen. Das Problem sind nicht die Rückblenden selbst, dass Problem ist, das der Autor sie oft nicht benutzt, um seine Geschichte zu erzählen, sondern um eine andere Geschichte zu erzählen ... die zwar nicht in den Text gehört, die er aber gerne auch irgendwie gerne noch reinquetschen möchte. Und da gibt's nur eine sinnvolle Vermeidungsstrategie: Sein lassen!

Das sehe ich nun ein kleines bißchen anders, auch wenn es vielleicht eher in die Richtung geht, dass Ausnahmen die Regel bestätigen.
Kurzes Beispiel:
Meine Detektive haben allesamt Dreck am Stecken und einer von ihnen wird "entlarvt". In diesem Fall erlaube ich mir eine Rückblende einzubauen, in der Homes und Wazn in ein Haus einsteigen, diverse skurille Dinge sehen und in absurde Situationen geraten.

Kurzum: diese Szene dient weder zur Charakterisierung noch zur Erklärung wichtiger Punkte. Im Grunde genommen erzähle ich eine andere Geschichte.
Hätte es also dieser Rückblende gebraucht?
Eigentlich nein. Eigentlich hätte es gereicht, wenn ich ein "Tell don`t show gebracht und geschrieben hätte: "Sie, Homes, haben eine Geige gestohlen."
Warum also dann eine Rückblende?
Auch wenn die Antwort jetzt ziemlich bescheuert klingt, aber: Einfach, weil es in dieser Situation paßt.
Sie hat nicht nur für mich als Autor den Vorteil, dass ich aus dieser Szene ein wunderschönes "Show don`t tell" machen kann, es hat auch für den Leser den Vorteil, dass er mehr Kopfkono hat, dass er über manches schmunzeln, vielleicht sogar lachen oder staunen kann.

Von daher behaupte ich, man darf Rückblenden nicht nur anwenden um einen Charakter besser darzustellen und auch nicht, um eine Handlung besser zu verstehen. Man darf eine Retro auch dann einbringen, wenn sie nur unterhalten soll, aber auch nur dann, wenn sie sich so geschickt ins Geschehen einweben läßt, dass der Weg gerade ist.
Ich werde darum meine Maxime "Man darf eine Regel brechen, wenn sie der Geschichte schadet" erweitern auf "Man darf eine Regel brechen, wenn sie einer Geschuichgte gut tut".

LG
Feuertraum



Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?