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Charaktererschaffung

Begonnen von Cherubim, 31. Dezember 2009, 22:19:25

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Cherubim

Ich habe keinen Theard gefunden, der genau zu dem Thema passt. Wenn ich ihn übersehen habe tut es mir Leid und ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

Vor einiger Zeit habe ich angefangen das Buch "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" zu lesen. Im allgemeinen bin ich nicht so begeistert davon, aber das Kapitel über die Erschaffung eines Charakters fand ich sehr ausführlich und hilfreich.

Ich habe es für mich mal zusammengefasst, vielleicht kann es den ein oder anderen von euch auch helfen. Ich arbeite mittlerweile richtig gerne damit.



Fiktionale Biographie:
(Innerhalb des akzeptablen Rahmens, kreativ werden!)

1) Physiologische Dimension

Größe, Gewicht, Alter, Geschlecht, Rasse,
Aussehen, Körperbau und Körperhaltung, Hautfarbe,
Stimme und Stimmlage,
Gesundheitszustand, Behinderung, Narben oder Verunstaltungen, Abnormalitäten,  Allergien,
Neigungen zu Schweißausbrüchen, Mundgeruch,
Nervöse Ticks und Gesten,...

?   welche Auswirkungen hat das auf Berufswahl, Ansicht seiner Mitmenschen, Stellung, Meinung von sich selbst

2) Soziale Dimension

soziale Schicht, Milieu, Schulbildung,
politische Ansichten, Religionszugehörigkeit,
Ansichten der Eltern (zu Sex, Geld, Karriere, Religion) <- eigene Meinung dazu
Kindheit: viele Freiheiten, strenge oder lockere Erziehung, viele Freunde, Außenseiter...

?   Beweggründe erkennen bzw. schaffen

3) Psychologische Dimension (Ergebnis aus 1. und 2.)

Phobien, Manien, Komplexe, Ängste, Hemmungen,
Empfindsamkeit, Erregbarkeit, Schuldgefühle,
Sehnsüchte, Fantasien, Intelligenz, Begabung,
besondere Fähigkeiten, Talente,
Gewohnheiten, Schlüssigkeit, Argumentationsfähigkeit...

?   Aufzeigen, warum ein Mensch genau so ist und genau so handeln MUSS

=> dynamische Charakter / emotionale Feuerstürme voller Leidenschaft und starker Gefühle (Wolllust, Neid, Gier, Ehrgeiz, Liebe, Hass, Rachsucht, Bosheit, Neugier, Gerechtigkeitssinn...)

Erst den Gegenspieler erschaffen!!!

Romy

Hi Cherubim!

Das Buch vom James N. Frey habe ich auch gelesen und fand das Kapitel zur Charaktererschaffung ebenfalls sehr nützlich :)

Gerade kam mir der Gedanke, dass diese Zusammenfassung, die Du da hast, schon mal im Thread zu den Charakterfragebögen aufgetaucht ist ... http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,1522.60.html
Und als ich nachgeschaut habe, habe ich gesehen, dass sogar Du es warst, die es damals gepostet hatte ;)

LG Romy

Cherubim

 :wums:Aaah. Peinlich. Ich hatte mir auch eingebildet, dass schon einmal geschrieben zu haben, aber ich habs im Forum nicht mehr gefunden.

Ich fürchte es ist wirklich was dran, dass stillen blöd macht.

Danke für den Hinweis.

Romy

Ach was, das ist ja schon über ein Jahr her, da kann man ja mal was vergessen  :d'oh:

Joscha

Die Zusammenfassung sieht gut aus, danke :jau: (ganz egal ob sie jetzt schon einmal gepostet wurde oder nicht - vor einem Jahr war ich eh noch nicht dabei). Ich habe zwar die meisten dieser Fragen unterbewusst für meine Figuren schon beantwortet, aber nicht alle und auch nur wirr und indirekt. Vielleicht schaffe ich es damit, etwas System in meine Charaktererschaffung zu bringen. Die Charakterisierung meines Protagonisten in meinem aktuellen Projekt bestand nämlich aus zwei A4-Seiten zusammenhangloser Stichwörter. ;D

Kati

Ich liebe solche Charakterbögen!  :innocent: Danke!  :jau:
Wenn ich eine Geschichte anfange, fülle ich meist erst einmal so ein Ding für jeden Chara aus. Bevor die Charaktere nicht stehen, läuft mit Plot bei mir gar nichts.  ;D

LG,

Kati

Feather

Zitat von: Joscha am 04. Januar 2010, 11:27:43
Die Charakterisierung meines Protagonisten in meinem aktuellen Projekt bestand nämlich aus zwei A4-Seiten zusammenhangloser Stichwörter. ;D

Zwei Seiten... es wäre schön wenn ich die mal zusammen bekommen würde. Irgendwie kenn ich meinen Prota in und auswendig, aber einen Bogen habe ich noch nie ausgefüllt, geschweigedenn alles von ihm aufgeschrieben.
Aber ich glaube ich sollte mal meine ganzen fliegenden Blätter und Notizen zusammenfügen und auch mal versuchen einen Bogen, zumindest für meine Hauptfiguren, auszuarbeiten. Vielleicht lerne ich dann auch einige Figuren besser kenne, die in näherer Zukunft auf mich zukommen werden.

Beate

Der Bogen erinnert mich stark an die Bewerbungsschreiben für Foren-Schreib-Rollenspiele. Allerdings kommt da der ganz große Punkt "Vergangenheit" noch hinzu. Mein längster Charakter hat auf diese Methode um die 10 DinA4-Seiten (getippt) umfasst.

Meiner Meinung nach ist es gar nicht so wichtig, sich an eine Vorgabe von Stichpunkten zu halten, sondern vielmehr, sich in en Charakter zu versetzen und bestimmte Themengebiete abzuarbeiten (die in den Stichpunkten natürlich enthalten sind).

Aussehen: Wenn der Charakter in den Spiegel schaut, was sieht er? Wenn ein anderer den Charakter ansieht, was sieht DER? (kann sehr verschieden sein!) Gibt es Dinge, die normale Leute nicht zu sehen bekommen? Beispiel: Ein Charakter von mir in einem Rollenspiel hat lange, rote Haare und trägt einen Schleier. Aber sie hat unter den Haaren am Hals eine Art Tätowierung in Form von Drachenschuppen. Die sieht aber keiner, da sind sie dennoch und der Autor muss es wissen. Darunter fallen auch sämtliche körperlichen Beeinträchtigungen sowie die Kleidung, die gerne getragen wird und so. Auch das Alter und Altersspezifische Erscheinungen gehören mit dazu. Oder hat er etwa schon graue Haare, obwohl er erst 20 ist? Trägt er vielleicht Waffen bei sich? Oder hat er eine Art "Schatz", eine Waffe, die er hütet wie seinen Augapfel? Wie sieht die aus?

Charakter: Was tut der Charakter wann und warum? Welche Eigenschaften machen ihn aus? Ist er ängstlich, aggressiv, ablehnend? Geht er auf Menschen zu oder beobachtet er still? Ist er eine Quasselstrippe oder doch eher ein Mauerblümchen? usw. usf. Bei diesem Punkt muss man den Charakter gedanklich einfach in verschiedene Situationen bringen und schauen, wie er reagiert. Vielleicht gibt es ja auch irgendetwas, was ihn extrem aggressiv macht, obwohl er normalerweise ein ruhiger, bescheidener, zuvorkommender Mensch ist? Ist er Tierlieb? Oder bringt er Tiere zum Spaß um? usw. usf. Auch was seine Beziehungen zu anderen betrifft, sollte hier etwas stehen.

Fähigkeiten: Was kann der Charakter? Ist er ein besonders guter Sänger? Spielt er gerne Klavier? Oder vielleicht eine andere Art von Kunst? Ist er besonders Sportlich? Kann er, wenn in der entsprechenden Welt vorhanden, zaubern? Ist er darin gut oder etwa nur mittelmäßig? Geht schonmal ein Spruch in die Hose? Auch thelepathische Fähigkeiten und ähnliches gehören dann unter diesen Punkt.

Vergangenheit: Dies ist meiner Meinung nach ein Punkt, der oft zu kurz kommt. Ein Charakter ist nicchts ohne seine Vergangenheit. Sie beeinflusst ihn und hat ihn geformt. Wenn z.B. seine Eltern ihn geschlagen haben, wird ihn das geprägt haben, ebenso, wenn sie ihn total verhätschelt haben. All das hat Einfluss auf sein Wesen in der "Jetzt"-Zeit. Deshalb sollte man sich auch darüber Gedanken machen und zumindest grob das bisherige Leben zusammenfassen.


Das ist so meine Methode, wie ich an einen Charakter rangehe. Danach kennt man ihn zwar nicht in und auswendig, denn er entwickelt sich ja immer weiter mit den Begegnungen, die er hat, aber man weiß, mit was für meinem Mensch/Wesen man am Beginn des Romans/Spiels startet.



//Anmerkung: Ich bitte tippfehler zu entschuldigen, mein Browser spinnt, so dass ich nicht sehe, was ich tippe, denn das Scrollen klappt irgendwie nicht und ich sehe immer nur den Anfang des Textes.

Stjersang

Mit dieser Art von Fragebogen komme ich meist nicht zurecht. Äußerlichkeiten muss ich zwar so festhalten, um nicht durcheinander zu kommen, aber sobald es tiefer in die Materie geht, müssen meine Charaktere die Fragen selbst beantworten. Wenn ich ihre Persönlichkeiten in Stichworten beschreibe, sauge ich mir völlig unpassende oder abstruse Dinge aus den Fingern, für Fließtexte zu jedem Charakter bin ich zu faul (jeder Figur kommt die selbe Aufmerksamkeit zu, auch wenn sie dem Prota nur das Weinglas an den Tisch bringt  ::) )
Ich interviewe sie also oder spiele ihr Verhalten in Gedankenexperimenten durch. Oft kommen bestimmte Phrasen oder Marotten dann ganz von selbst. Viele Charaktere fliegen mir auch einfach so zu und benötigen keine zusätzlichen Informationen.

Lila

Ich finde diese Art von Fragebögen klasse! Ich habe sogar so einen in der Art bei mir vor'm Schreibtisch an der Wand hängen. Das Problem bei mir ist immer die Motivation mich mal wirklich an sowas dranzusetzen. Bei den meisten meiner Charaktere sind diese Fragebögen eigentlich gar nicht nötig, weil sich bei den meisten ihre Lebensgeschichte im Laufe der Zeit ganz einfach ergibt. Bei manchen wäre so ein Fragebogen aber durchaus mal angebracht. Warum kann der (Sonn- und Feier-)Tag nicht 48 Stunden haben? ::)
Livid Oppressed King: Ignite!
Tyranny Has Overcome Rules."
(oder: was man nicht alles aus LOKI & THOR machen kann!) - TasTä (aka Lila)

Dämmerungshexe

An sich sind solche "Ausfüll-Fragebögen" ja schon nützlich.
Die einfachste und wirkungsvollste Art, einen Charakter darzustellen, sind für mich aber noch die drei Konflikt Ebenen:

globaler Konflikt: Der Held gegen die Welt/Gesellschaft (seine Einstellung zu Moral und Normen mit denen er leben muss; ...)

lokaler Konflikt: Der Held und sein Gegenspielt (was macht sie zu Feinden? Hintergründe und Emotionen; ...)

innerer Konflikt: Der Held gegen sich selbst (leidet er an Schuldgefühlen? An seinem Äußeren? Tur er Dinge, die er nicht tun will? ...)

Diese drei Sachen sind viel wichtiger als Dinge wie Haarfarbe, Größe ... die sagene inem zwar wie man den Held beschreibt, aber mit dem verlauf der Geschichte haben sie gar nichts zu tun. Spannende Handlung ist immerhin auch möglich, ohne dass der Leser weiß wie der Protagonist aussieht, aber nicht ohne Konflikte, die setzen die Handlung nämlich erst in Gang und treiben sie vorwärts.
Deswegen setze ich bei der Charaktererschaffung auf die Konflikte, Aussehen der Protas und auch das Setting können sich später dann noch ändern.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Aquila

Also ich kann solche Charakterbögen auch nur begrenzt nutzen. Gerade Äußerlichkeiten halte ich so fest und wichtige "Eckpfeiler" des Charakters wie Vergangenheit, warum er so ist wie er momentan ist und wie er zu dem wurde was er ist. Sonst lasse ich meinen Protas aber freien Lauf in der Entfaltung ihres Charakters. Ich lerne sie kennen und meine Protas entwickeln bei mir ohnehin ein Eigenleben während des Schreibens, sie entwickeln und verändern sich mit der Geschichte. Da kann es sogar vorkommen, dass plötzlich eine vollkommen neue Figur in der Geschichte auftaucht, die ich nicht eingeplant habe, die aber trotzdem einen Platz in der Geschichte haben will. 

Joscha

Zitat von: Dämmerungshexe am 04. Februar 2010, 10:38:05
An sich sind solche "Ausfüll-Fragebögen" ja schon nützlich.
Die einfachste und wirkungsvollste Art, einen Charakter darzustellen, sind für mich aber noch die drei Konflikt Ebenen:

globaler Konflikt: Der Held gegen die Welt/Gesellschaft (seine Einstellung zu Moral und Normen mit denen er leben muss; ...)

lokaler Konflikt: Der Held und sein Gegenspielt (was macht sie zu Feinden? Hintergründe und Emotionen; ...)

innerer Konflikt: Der Held gegen sich selbst (leidet er an Schuldgefühlen? An seinem Äußeren? Tur er Dinge, die er nicht tun will? ...)

Diese drei Sachen sind viel wichtiger als Dinge wie Haarfarbe, Größe ... die sagene inem zwar wie man den Held beschreibt, aber mit dem verlauf der Geschichte haben sie gar nichts zu tun. Spannende Handlung ist immerhin auch möglich, ohne dass der Leser weiß wie der Protagonist aussieht, aber nicht ohne Konflikte, die setzen die Handlung nämlich erst in Gang und treiben sie vorwärts.
Deswegen setze ich bei der Charaktererschaffung auf die Konflikte, Aussehen der Protas und auch das Setting können sich später dann noch ändern.

Aber gerade darum geht es ja in Churkes Fragebogen. Natürlich, die erste Sektion besteht größtenteils aus Äußerlichkeiten, aber bereits in deren letztem Satz werden diese schon in Bezug gesetzt und es können erste Konflikte auftreten.

Ich verwende keine Charakterbögen, die einfach jede erdenkliche Körpereigenschaft aufzählen und nur grobe Charakterisierungen durch Multiple-Choice ermöglichen (etwa: Temperament ( ) cholerisch (x) phlegmatisch etc.) Diese sind oberflächlich und bringen einen eher dazu, sich an Oberflächlichkeiten festzunageln. Schließlich wird nicht jedes kleinste Detail, das das Aussehen des Charakters betrifft, in der Vorstellung des Lesers umgesetzt. Ich persönlich zumindest habe Feinheiten wie etwa die Art, auf die der Charakter seine Haare trägt, schon am Ende des nächsten Absatzes vergessen.

Diesen Fragebogen oder Pseudo-Fragebogen, schließlich ist es mehr eine Zusammenfassung, finde ich dagegen gelungen. Er ermöglicht es, die Konflikte, das Umfeld und den seelischen Zustand des Charakters gebündelt und so strukturiert, wie es eben geht, darzustellen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich diese Fragen bisher erst für einen einzigen Charakter beantwortet habe.

Gwee

Ich nehme mir meist auch solche Fragebögen zur Hand. Je genauer, desto besser.
Ansonsten würde ich wahrscheinlich recht schnell wichtige Details über die Charaktere vergessen.
Es ist eine schöne Art seine Charaktere auszuarbeiten und sie relaistischer zu gestalten, auch wenn es leider ziemlich bremst, wenn man anfangen will seine Geschichte zu schreiben und die Charaktere noch nicht vollkommen erfasst hat. Das ist etwas schade, aber ansonsten liebe ich solche Bögen - schon allein, weil ich grundsätzlich Fragebögen liebe und mit Freude ausfülle.
Es ist so eine Art Obsession, glaube ich. Das Schreiben fasziniert mich so sehr,
daß, wenn es mir verboten würde, ich langsam daran sterben würde.
Johannes Mario Simmel

Khell

Ich hab' das einmal gemacht, dass ich nach dem Vorgehen in "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" (und in "The Key" - auch von James N. Frey) ein paar Charaktere erschaffen habe. Fazit: Ist gründlich schiefgegangen. Ich wurde vor allem mit dem Hauptcharakter  nicht warm und bin es bis heute auch nicht geworden. Seitdem steh' ich solchen Fragebögen recht skeptisch gegenüber.

Ich tu' mich furchtbar schwer, bei der Charaktererschaffung nach irgendeinem "Schema" vorzugehen. Zwar finde ich's ganz interessant, was es da alles gibt, hab' auch ein sehr interessantes Buch "20 Master Characters". Aber anwenden tu' ich das allerdings nicht. Liegt vielleicht auch daran, dass ich nicht das Gefühl habe, Charaktere aktiv zu erschaffen. Es ist eher so, dass sie auf einmal da sind und ich habe das Gefühl, sie sind schon komplett fertig, ich muss sie nur noch richtig kennenlernen. Das ist irgendwie wie "Licht aus - Spot an" - und da steht er.