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Das Hygieneproblem

Begonnen von Maria, 06. November 2009, 19:07:03

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Nachtblick

Abgesehen vom Hygieneproblem schreibe ich einfach gerne Badeszenen oder finde sie für die Story zumindest hin und wieder hilfreich, da sich sie eine Art kurze "Entspannung" des Plots darstellen, ein bisschen Atempause vom ewigen Hin- und Hergerenne zwischen Antagonisten und Protagonisten.  :D

Manja_Bindig

Naja... das weibliche Hygieneproblem lässt sich vielleicht daher erklären, dass High-Fantasy nun mal üblicherweise in einer Zeit angesiedelt ist, in der Frauen nur dann permanent auf Achse waren, wenn sie Spielleuten angehörten - und zum einen schickte es sich nicht, über das Leben des LEichten Volkes zu berichten, zum anderen war der weibliche Zyklus ja noch mehr Tabu.
Ich lös das so, dass meine Mädels immer n paar Lumpen haben, die sie als Tampon oder Binde benutzen und bei jeder Gelegenheit waschen. (dafür werden eben auch Stoffetzen benutzt, die zu sonst nix mehr taugen, mit denen man also auch nicht mal mehr flicken kann.
Man kanns natürlich auch machen wie Mercedes Lackey und eine Art "Pille" einführen - zum einen als Schwangerschaftsverhütung zum anderen, damit das Hygieneproblem sich erledigt und ihre weiblichen Heralds ungehindert in die Schlacht ziehen können.

Nachtaktive

Bei mir ist es irgendwie genau umgekehrt.
Frei nach dem Motto, dass bestimmte Dinge einfach immer zu den unpassensten Zeiten geschehen hab ich schon oft die berühmte "Badeszene" damit beschlossen, dass genau in diesem Moment wo die Waffen nutzlos am Ufer liegen die gegnerische Partei vorbei kommt. Bin da wohl etwas sadistisch angehaucht :snicker:
Ich schreib vor allem gerne nach Abschluss der Reise über die anschließende "Generalreinigung". Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es mir persönlich, wenn ich auf so einer Reise wäre nach der Eingewöhnung nicht mehr so viel ausmachen würde dreckig zu sein, solange wie sozusagen alle gleich schlimm stinken.
Unangenehm wirds deßhalb auch immer erst für meine Helden, wenn sie in eine Stadt oder im allg. zurück in die Zivilisation kommen. Das Prinzip des Herdentieres

Lucien

*räusper* Zwei meiner wichtigen Nebenfiguren (eine davon weiblich) leben hauptsächlich in der Wildnis, schlafen in Erdhöhlen und sind ständig auf der Flucht. Wenn sie sich mal eine Verschnaufpause gönnen können, reicht es meistens nur für eine Katzenwäsche. Kleidung zum Wechseln haben sie für gewöhnlich nicht. Bei Bedarf wird halt was neues gestohlen. Sie werden wohl des öfteren mal ziemlich stinken. Bei solchen "wild lebenden" Figuren mache ich mir eher weniger Gedanken wegen der Hygiene.
Aber bei den Figuren, die in Stadt und Co. beheimatet sind, achte ich kurioser weise sehr auf die Hygiene. In meiner Fantasy-Mischwelt gibt es sogar recht moderne sanitäre Einrichtungen.  ;D

Anamalya

Bei mir halten sich einige Protas großteils in Ortschaften oder Städten auf, in denen es zumindest öffentliche Brunnen gibt, wo sie sich Wasser zum Waschen holen können. Allerdings geht es dann auch mal ins Gebirge, wo keine Menschenseele mit Badewanne weit und breit ist  ;D Das heißt, wenn sie sich waschen wollen, müssen sie das in eiskalten Quellen tun, außer sie machen sich die Arbeit, das Wasser in einem Kessel zu erhitzen. Eine Garnitur Ersatzwäsche haben sie dabei. Ich glaube, dass sie sich bei der Kälte eher selten waschen, höchstens einmal die Woche.

Dämmerungshexe

An sich denke ich über solche Problem schon nach, wenn es dann aber ans Schreiben geht lasse ich das Thema meist außer Acht. lediglich "nach" einer Reise, bzw. bei einer Zwischenstation beschriebe ich dann mal zumindest ansatzweise die Körperpflege.

Was mich allerdings schon öfters verwundert hat sind Szenen oder auch ganze Abschnitte in Geschichten, in denen die Figuren irgendwo eingesperrt sind - sei es tatsächlich als Gefangene in einem Kerker oder sonstwie. Es wird praktisch nie erwähnt wie es speziell um Ausscheidungen und ähnliches bei solchen gelegenheiten steht. Ich meine dass es relativ klar ist, dass es in einem keker, der ja nicht auf Komfort ausgelegt ist, zumindest ein Loch im Boden geben wird. Angenehm stelle ich mir das aber auch nicht gerade vor.

Das einzige mal, dass ich mich aktiv an eine Szene erinnern kann wo der Toilettengang eine richtige Rolle gespielt hat, war als es er als Erklärung dafür gedeinet hat, warum der eine Charakter alleine in eine verzwickte Situation geraten ist.

Ich denke dass das "Fehlen" solcher Themen in Geschichten nicht einfach nur mit einem gesellschaftlichen Tabu zu tun hat, sonderna uch damit, dass wir uns in Erzählungen nunmal nicht allzu gerne mit dem allzu Alltäglichen aufhalten wollen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Tenryu

Wie oft liest man schon in einem normalen Roman, daß jemand aufs Klo geht oder sich die Zähne putzt? Wenn es für die Handlung nicht relevant ist, braucht man das nicht unbedingt zu erwähnen.

Ary

Klar. Aber WENN es wichtig ist, sollte man sich auch gedanken darüber machen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Geli

Das Loch im Boden im Kerker ist eine Illusion.
Überlegt mal: die meisten Gefängnisse waren Verliese.
Derartiges ist entweder im Erdgschoss und hat einen gestampften Erdboden, oder es ist "im Keller" und da geht es nun mal nicht noch eine Etage tiefer, damit irgendetwas oder jemand durch ein Loch nach unten verduften könnte.

Alles, was ich in dieser Hinsicht noch im 18. Jahrhundert an "Komfort" gelesen habe, war Stroh ...
Jawohl, ihr Lieben, so und nicht anders ist das.

Hygiene, so überhaupt, fand durch Haarekämmen statt, um Läuse loszuwerden.
Schaut Euch mal bei Gelegenheit einen Reisebericht über Ladakh oder Nepal an und betrachtet die Gesichter der Kinder. Dreck schützt. Gegen Kälte und Dämonen.

Ary

Oh, wie bin ich doch nett, dass ich meinen Eingekerkerten ab und zu einen Eimer gönne, der sogar ab und zu mal geleert wird.  ;D
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Geli

Zum Eimer:
Dazu könnte Christian Friedrich Daniel Schubart, 1777 auf Hohenasperg eingekerkert manches berichten.

http://www.zeit.de/2004/43/A-Hohenasperg

Ich hoffe, der Link funktioniert.
Die im Artikel erwähnte Hafterleichterung beinhaltete auch einen Leibstuhl.
... der 1x pro Monat geleert wurde. Denk Euch den Rest selbst.

Lynn


Darf ich die Diskussion mal weg von den Figuren auf die naechst hoehere Ebene lenken?

Denkt mal an den Leser. Solche Alltaeglichkeiten interessieren ihn nur am Rande. Er weiss, dass die Figuren sich mit dem ein oder anderen menschlichen Beduerfnis auseinander zu setzen haben. Wie oft geht jemand am Tag auf Toilette, waescht sich die Haende etc.? Das jedes Mal im Text zu bringen, ist m.E. ziemlich unsinnig, denn (m.E.!!) reisst es den Leser jedesmal aus der Geschichte heraus. Um es ueberspitzt zu sagen: Im 'schlimmsten Fall' ist er genervt, im 'besten Fall' ueberblaettert er die Sequenz. Tja, und was wenn ihr diese Sequenzen benutzen wolltet, um. z.B. den Hinterhof des Gasthauses zu beschreiben?  Er wird es nicht lesen.

Und vor allem: Ihr vergebt euch etwas! Wenn ich in einer Geschichte x-mal eine Szene habe, in der jemand ohne dass es die Handlung vorantreibt oder etwas mit ihr zu tun hat, z.B. in der Badewanne liegt, ich dann aber eine Szene habe in der bei einer solchen Gelegenheit tatsaechlich etwas passiert, ist das trotzallem 'nur' eine Szene von vielen, in der eben ausnahmsweise etwas passiert. Ist das die einzige Szene in der die Person in der Badewanne liegt und es geschieht etwas, hat die ganze Szene im Text selbst einen ganz anderen Stellenwert. Ihr seht, was ich meine, oder? Weniger ist mehr! (Uebrigens der Lieblingssatz meiner Lektorin  ;)  )

Und noch ein ganz anderer Punkt: Wer nicht zu den gluecklichen gehoert, die ihren Text vom Umfang her punktgenau abliefern, wird ihn in der Regel kuerzen muessen. (Mein ewiges Drama) Die Szenen die dann zuerst rausfliegen duerften, sind die, die der Handlung nichts bringen. Warum sie also zuerst schreiben? (O.K. wer keine Deadline im Genick hat, fuer den ist das vielleicht zweitrangig, aber fuer alle anderen ....?)

Vielleicht sagt jetzt der ein oder andere: aber ich brauche in einem Roman auch ein paar Szenen, in denen es nicht Schlag auf Schlag geht, damit der Leser auch mal entspannen / durchatmen kann. Klar.  ;) Aber doch nicht gerade beim Gang auf's '00' oder in der Badewanne, oder? Da kann ich mir schoeneres vorstellen  ;D
Und auch 'Ortsbeschreibungen' lassen sich m.E. anders 'aufziehen'.

Wie gesagt: das alles bezieht sich auf Szenen, die die Handlung nicht vorantreiben. Szenen, die die Handlung tatsaechlich 'braucht' sind was anderes.

:hmhm?: Das sind jetzt keine Allgemeingueltigkeiten oder wie auch immer man das ausdruecken will, sondern schlicht meine Herangehensweise an das 'Problem'.  ;) Mit der ich bisher ziemlich gut gefahren bin.   8)

P.S. Ich habe einiges jetzt bewusst etwas polemisiert und ueberspitzt dargestellt. - Es moege sich bitte niemand auf die Fuesse getreten fuehlen.

Churke

In einem der Sparta-Romane erwähnt Paul Preuss ausdrücklich, dass der Held vor einem Einsatz noch mal die Blase entleert. Offen gestanden ist DIES das einzig Konkrete, an das ich mich noch erinnern kann. Das spricht nicht dafür, dass es überflüssig ist/war.  ;)

ZitatWie oft geht jemand am Tag auf Toilette, waescht sich die Haende etc.?
Der Witz ist ja, dass die Romanfiguren nicht "mal eben auf Toilette" gehen, sondern dazu gewisse Vorrichtungen haben. die zu erfahren für den Leser möglicherweise interessant. Die hygienischen Verhältnisse halte ich jedenfalls für ein extrem wichtiges Detail. Am Umgang mit diesen Dingen erkennt man die Sauberkeit einer Gesellschaft.

Wenn ich also beschreibe, wie man in Versailles die Geschäfte verrichtet, sagt das wahrscheinlich um einiges mehr aus als 2 Seiten über den Spiegelsaal. Und da gibt es noch viele andere Stories... Wobei ich natürlich festhalte, dass es nicht um das Geschäft an sich geht, sondern um die Art und Weise, wie das Geschäft in dieser Gesellschaft verrichtet wird.

Nachtaktive

Ich glaube auch, dass man vielen Lesern erstmal klar machen muss, dass der Hygienestandart der heutigen Zeit bei weitem nicht normal ist.
Ich meine, nicht jeder hat eine Manie für historische Romane ( so wie ich, ich gehe meinen Fantasyfirguren mit schöner Regelmäßigkeit fremd ;) )
Ich geb Lynn recht, dass es nicht unbedingt viel wert hat, alle Nase lang einfach nur einen Badevorgang oder eine Klositzung nur um des Badevorgangs oder der Klositzung Willen zu schreiben :)
Aber wenn ich eine Szene in einem Kellerverlies habe, dann macht sich jeder Mensch automatisch Gedanken über grundlegende Bedürfnisse. Ich habe schon viele solcher Szenen gelesen und da wird eigentlich immer beschrieben wie es um die "sanitären Anlagen" bestellt war. Weil es einfach zur Ausgangssituation gehört, ebenso wie kalte, ungeheizte Räume. Allerdings denke ich auch, dass da ein oder zwei Sätze durchaus reichen. Im normalen Leben unterhalte ich mich ja auch nicht mit anderen Leuten darüber wie sie duschen oder das Klo benutzen ( :rofl: )
Also, für mich geht es darum: Bringt mich die Beschreibung dieser Beschäftigungen weiter? Kann ich dadurch beispielsweise anderen die Situation näher bringen, deutlich machen wie gut/schlecht es grade um meine Protas steht? Oder bringt die Szene zusätzlich Atmosphäre (hier ausschließlich Badeszenen ;) )?
Wenn das nicht zutrifft lass ich sie auch lieber weg

Moa-Bella

Wirklich notwendig finde ich dasim Allgemeinen nicht, irgendwie stört es mich auch ein wenig, wenn alle "dreckigen" Details beschrieben werden. Manches muss man wirklich nicht wissen. Wenn es storytechnisch relevant ist, sollte es erwähnt werden, wenn man einen historischen Roman schreiben will und es für nötig erachtet, kann man es auch reinschreiben, aber ansonsten würde ich es eher weglassen.