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Die richtige Zielgruppe...

Begonnen von Mrs.Finster, 15. Oktober 2009, 10:51:07

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Brigadoona

Hallo Debbie,

ich kenne dieses Problem nur zu gut. Bei den ersten Geschichten, die ich geschrieben habe, war mir nicht einmal klar, dass es sich eigentlich um Jugendromane gehandelt hat. Als ich es dann endlich erkannt habe, habe ich das Alter auf etwa "18" geändert, denn einen Führerschein hatten zumindest all meine Darsteller. Und leider sind wir nicht in den USA...
Mittlerweile habe ich mir viele Gedanken über die genaue Zielgruppe gemacht, komme aber immer noch zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die Geschichte könnte ab 14 gelesen werden, aber interessieren 14jährige auch Bücher über 18jährige?
Ich habe letztens erst eine Absage bekommen, mit der Begründung, ich müsse die Hauptdarstellerin um einige Jahre verjüngen. Aber genau damit hätte ich ein Problem. Viele Teile der Geschichte würden keinen Sinn mehr ergeben.
Also Debbie, ich kann dir nicht wirklich helfen, aber dein Problem zumindest sehr gut verstehen. 

LG Brigadoona

Rynn

#46
Zitat von: Debbie am 14. Mai 2012, 19:16:28
Bestimmt ihr die Zielgruppe vor dem Schreiben? Schreibt also "zielgruppenorientiert"?
Ich versuche es; aber ich schreibe erst mal und mache mir hinterher über die Zielgruppe Sorgen.

Zitat
Könntet ihr das Alter eurer Protas zu Vermarktungszwecken anpassen? Müsstet ihr dann die Geschichte ändern?
Und last but not least:
Würdet ihr das Alter eurer Protas zwecks Markttauglichkeit ändern?
Absolut ja.
Für mich sind Zielgruppen etwas Wichtiges. So sehr ich mich von der Handlung leiten lasse, wenn ich schreibe, behalte ich die potentiellen Leser im Hinterkopf. Ich habe kein Problem damit, meinen Prota älter oder jünger zu machen. (Solange das keine Probleme in der Geschichtslogik ergibt, wie von Brigadonna angedeutet. Wenn mein Prota 18 ist und im Buch viermal in ein Auto steigt und ich ihn plötzlich 16 machen soll, dann hab ich natürlich ein Problem, aber selbst dann wäre ich bereit zu sagen: Okay, mal sehen, können die Autoszenen einfach raus?)
Ich will eine Geschichte erzählen und wenn mir jemand, der mehr Ahnung von diesen Dingen hat als ich, sagt: "Pass auf, die Geschichte funktioniert, aber dieser Punkt oder jener, den müssten wir ändern. Dann können wir sie veröffentlichen." Ehrlich, dann bitte!

Eine andere Sache sind aber grundsätzliche Dinge. Ich würde es nicht einsehen, einen schwulen Charakter heterosexuell zu machen oder die Hautfarbe einer Figur zu ändern, um nicht "anzuecken". Nein, das geht gegen meine Prinzipien.
Aber das Alter ändern, damit ein 14-jähriger Leser sich mit meinem Prota besser identifizieren kann? Da sage ich mir: "Wieso nicht?" Ein oder zwei Szenen etwas "herunterschrauben", weil sie zu heftig sind? Solange sich nicht mein ganzes Buch verfremdet und die 'Botschaft' stirbt, dann ja, auch das.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Debbie

Danke für eure Meinungen erstmal  :knuddel:

Ich denke, ich werde alles so lassen wie es ist - mit einem Plan B in der Hinterhand. Grundsätzlich bin ich allerdings auch gegen sowas - teils, weil ich ebenfalls gegen das "Verbiegen" zu Vermarktungszwecken bin und teils, weil ich einfach nicht der Meinung bin, dass deutsche Lektoren/Agenten zur Beurteilung von Markttauglichkeit die Elite sind...

Da meine Geschichte, abgesehen von den typischen Fantasy-Elementen, sowieso in keinen der aktuellen oder aufkommenden Trends passt - und ich auch nicht vor habe, daran was zu ändern - lass ich eben gleich alles wie es ist. HdR hat auch durchgehend erwachsene Protas und hat tatsächlich trotzdem einen Leserkreis gefunden (hätte Tolkien heut wohl noch Chancen auf einen Programmplatz bei den ganz Großen gehabt?  :hmmm:)

gbwolf

#48
Zitat von: Debbie am 15. Mai 2012, 15:38:23HdR hat auch durchgehend erwachsene Protas und hat tatsächlich trotzdem einen Leserkreis gefunden (hätte Tolkien heut wohl noch Chancen auf einen Programmplatz bei den ganz Großen gehabt?  :hmmm:)
Andere Frage: Hätte Tolkien heute noch einen Leserkreis gefunden, wenn er noch nicht bekannt wäre? Meines Erachtens nicht, weil seine Erzählweise altmodisch, epenhaft und langsam ist. Es gibt ganz viele, die nach den Verfilmungen die Bücher lesen wollen und sich sehr schwer damit tun, wenn sie sich nicht gar langweilen.

Agenten und Lektoren versuchen ja herauszufinden, für welche Art von Figuren/Plot es einen Leserkreis gibt, der groß genug ist, dass sich die Investition in ein Werk lohnt. Markteinführungen von neuen Produkten sind in jedem Bereich schwierig. Manchmal gelingen sie, manchmal nicht, manchmal sind sie nur für Nischen gut.
Wenn man professionell (Im Sinne von Lebensunterhalt) schreiben möchte, wird man mit 90% Wahrscheinlichkeit nicht drumherum kommen, sich mit Zielgruppen zu beschäftigen und gegebenenfalls auch seinen Roman anzupassen oder einen anderen zu schreiben, dessen Merkmale besser passen. Oder man muss noch viel mehr Ausdauer, Sitzfleisch und Hartnäckigkeit haben als ohnehin schon notwendig sind.
Wenn die Zielgruppe zu klein für einen großen Verlag ist, wird es eben ein kleinerer werden. Es ist auch nicht so, dass die Publikumsverlage keine Experimente machen, aber wenn der Buchhandel diese Sachen ablehnt (Daran scheitern viele Liebhaberprojekte von Lektoren) und wenn gar die Käufer die Romane nicht kaufen wollen (Gerade Kinderbücher kaufen oft Eltern und Großeltern und die halten einen viel älteren Protagonisten vielleicht nicht für angemessen - in der Bibliothek hatte ich dazu einige Streitgespräche), dann haben die Verlage irgendwann auch keinen finanziellen Spielraum mehr.

Für meine Geschichte macht es übrigens keinen Unterschied, ob der Love Interest weiter ausgebaut wird oder nicht. Die Geschichte ist noch immer die, die ich erzählen wollte. Die Protagonistin flirtet halt ab und an etwas und das ist für ihr Alter (16) und ihren Charakter auch glaubwürdig. Wenn es den Geschmack der Zielgruppe trifft und ich dadurch mehr Bücher verkaufe / mich als Autor etablieren kann, dann schreibe ich bis zu einem gewissen Grad um. Ich habe mich aber auch schon quer gestellt, weil etwas zu weit in meine Geschichte ging. Entweder macht der Verlag dann trotzdem mit oder ich trage das Risiko.

Edit: Ab einem gewissen Grad an Änderungen gilt meiner Ansicht nach übrigens: Nur mit Vertrag oder bezahlter Option auf den Roman!

Edit: Wo ich gerade diese Rezension lese: http://www.phantastiknews.de/joomla/index.php?option=com_content&view=article&id=5007:meljean-brook-flammendes-herz-die-eiserne-see-2-buch&catid=42:rezensionen&Itemid=62
Die Welt klingt für mich superspannend, aber offenbar musste die Autorin in beide Teile Sexszenen einbauen, um eine Zielgruppe zu haben. Leider scheint sie kein großes Talent als Erotikautorin zu besitzen.

Debbie

#49
Zitat von: Die Wölfin am 15. Mai 2012, 16:03:57
Andere Frage: Hätte Tolkien heute noch einen Leserkreis gefunden, wenn er noch nicht bekannt wäre? Meines Erachtens nicht, weil seine Erzählweise altmodisch, epenhaft und langsam ist. Es gibt ganz viele, die nach den Verfilmungen die Bücher lesen wollen und sich sehr schwer damit tun, wenn sie sich nicht gar langweilen.


Schuldig im Sinne der Anklage!  :-[  Die Bücher sind jetzt für mich auch nicht unbedingt das Non-Plus-Ultra. Und zwar nicht, weil sie offensichtliche Mängel aufweisen, sondern weil ich es auch gerne etwas "flotter" mag und auch einen anderen PoV bevorzuge - und natürlich sind sie nicht "modern".
Aber um den Schreibstil ging es mir auch nicht - mehr darum, ob die Geschichte einen Chance hätte, wenn sie gerade nicht im Trend liegt...

Zitat von: Die Wölfin am 15. Mai 2012, 16:03:57

Wenn man professionell (Im Sinne von Lebensunterhalt) schreiben möchte, wird man mit 90% Wahrscheinlichkeit nicht drumherum kommen, sich mit Zielgruppen zu beschäftigen und gegebenenfalls auch seinen Roman anzupassen oder einen anderen zu schreiben, dessen Merkmale besser passen. Oder man muss noch viel mehr Ausdauer, Sitzfleisch und Hartnäckigkeit haben als ohnehin schon notwendig sind.


Das wäre dann wohl meine Kategorie  ;) 
Eine andere Geschichte schreiben fällt für mich i. M. aus. Und das ist definitiv mehr eine Frage des Wollens als des Könnens...
Und ich bin nicht prinzipiell gegen Änderungen - Szenen kürzen, entfernen, Charaktere hinzufügen/rausstreichen oder ihre Merkmale ändern, sind für mich alles machbare/annehmbare Dinge, da ich sie nicht als "in Stein gemeißelt" betrachte. Aber das Alter - was auch eine nicht ganz unwichtige Rolle bei der Auswahl von Marketingstrategien spielt - ist für mich so eine Grenze. Ich lese zwar gerne die YA Novels mit Protas zwischen 15 und 18, aber in meine Geschichte passen die halt einfach nicht. Menschen in dem Alter können einfach nicht den entsprechenden Background meiner Charas haben, und meine Protagonistin auf 20 runterzufahren ist auch schon was, mit dem ich noch hadere; meine Schmerzgrenze sozusagen.

Ich glaube die gleichen Schwierigkeiten hätte ich mit einer Veränderung des PoV Characters (weil sonst zu wenig oder zuviel des Plots für den Leser zugänglich ist), ihrem Geschlecht oder einer "Entschärfung" gewisser unschöner Dinge. Das fällt mir schon wieder zu sehr unter "Zensur".

Im Großen und Ganzen ist es ja nicht so, dass ich blauäugig an die Entwicklung der einzelnen Elemente (Charaktere, Background, Szenenaufbau- und Ende, Plot, etc.) rangegangen bin. Ich bin mir recht sicher, dass die Story ziemlich mainstream (im positiven Sinne) ist. Nur das mit der Zielgruppe und dem Alter der Protas... Naja  :hmhm?:

Edit: Der Kommentar zur Rezi war doch jetzt "persönliche Interpretation" - oder weißt du das mit dem nachträglichen Einbau sicher?? Vielleicht war das "Aufpeppen" ja ihre Idee  ;)
Egal, das Cover ist so abschreckend, dass ich um das Buch sowieso einen großen Bogen machen würde - mit oder ohne guter/schlechter Sex-Szenen.


gbwolf

Zitat von: Debbie am 15. Mai 2012, 16:42:37Edit: Der Kommentar zur Rezi war doch jetzt "persönliche Interpretation" - oder weißt du das mit dem nachträglichen Einbau sicher?? Vielleicht war das "Aufpeppen" ja ihre Idee  ;)
Ist eine Vermutung. Mittlerweile kenne ich ein paar Fälle von "Bau noch dies und das ein und wenn dann der Termin drückt, dann halt mit der Brechstange. Es klingt jedenfalls sehr danach. Da mir persönlich die Cover gefallen und ich das Setting interessant finde, werde ich vielleicht sogar mal reinlesen und die Erotikszenen ignorieren.

In den letzten Jahren habe ich auch oft die Erfahrung gemacht, dass die Verlage gerne ein paar Dinge ausprobieren würden, aber entweder die Leser beim Kauf abstrafen (Gerade, wenn keine Liebesszenen drin sind oder die Protagonisten sich etwas anders verhielten als Schäfechn-Sehnsuchtsprojektionsfläche-Bella und Anschmacht-Adonis-Perfektchen-Eddi) oder der Buchhandel sich sperrt (In der Bibliothek lechzen wir nach richtig guten Abenteuergeschichten für Jungs, aber der Buchhandel verkauft sie wohl nicht gut und im Verhältnis zu den rosa Ponybüchern sind sie unterrepräsent).

Debbie

Zitat von: Die Wölfin am 15. Mai 2012, 16:58:59
In den letzten Jahren habe ich auch oft die Erfahrung gemacht, dass die Verlage gerne ein paar Dinge ausprobieren würden, aber entweder die Leser beim Kauf abstrafen (Gerade, wenn keine Liebesszenen drin sind oder die Protagonisten sich etwas anders verhielten als Schäfechn-Sehnsuchtsprojektionsfläche-Bella und Anschmacht-Adonis-Perfektchen-Eddi)

Als bekennender Twilight-Fan kann ich das garnicht verstehen... Schließlich will ich weder einen Bella- noch einen Eddie-Abklatsch. Kopien sind nie so gut wie das Original!

Als Autor wirds für mich dann wohl schwierig - den LI gibts zwar, und er spielt auch eine überragende Bedeutung, aber er ist halt ein Verbrecher (und damit meine ich jetzt nicht Diebstahl und Vandalismus) mit zweifelhaften und radikalen Moralsvorstellungen. So garnicht Eddie-like  :-\
Und Manon hat leider auch nicht viel Ähnlichkeit mit den üblichen YA Heldinnen - bevor ich die beiden aus Vermarktungsgründen jetzt allerdings zu billigen Kopien oder blanken Projektionsflächen mache, nehm ich lieber in Kauf, dass außer mir und meinem Umfeld keiner die Story zu lesen bekommt. Bedingungslose Unterordnung oder die Prostitution meiner Charas ist halt einfach nicht mein Fall... Und der Zweck heiligt auch nicht immer die Mittel  :no:


Kisara


Das sehe ich ganz ähnlich - ich möchte einfach nicht irgendwann vllt. einen Bestseller veröffentlichen und mir dann vorwerfen lassen, dass ich quasi meine Figuren und mich prostituiert habe um dahin zu kommen.

Viele Verlage haben meiner Meinung nach einfach Panik Verluste zu machen und kopieren daher lieber Dinge, die sich schon in Amerika reich verkauft haben, statt eigene Wagnisse einzugehen.
Außerdem ist folgendes Zitat wohl das wahrste, was ich seit langem gelesen habe:

ZitatWhatever you do, though... good luck. You'll need it.
G.R.R.Martin auf seiner persönlichen Website.

Er hat Recht. Veröffentlichen ist Glücksache und "berühmt werden" genauso. Vermutlich haben viele von uns großartige Storys in ihren Schreibtischen, die es von Plot und Charaktertiefe mit den ganz Großen aufnehmen könnten, aber deswegen sind wir trotzdem noch keine bekannten Namen. Ich kann damit gut leben und bleibe lieber dem treu, was ich mir ausdenke und von dem ich sage: So und nicht anders.

Was natürlich nicht heißt, wie Rynn schon sagte, dass man gegen konstruktive Kritik taub sein sollte. Das bringt auch rein gar nichts. Aber wie gesagt, Sexualität und Hautfarbe usw. usw. bleiben bei mir wie sie sind, sofern es logisch ist.

Thaliope

Hmmm  :hmmm:
Ich denke, man muss wirklich unterscheiden zwischen "sich prostituieren" und "für die Leser schreiben".
Die meisten Autoren schreiben ja, weil sie gelesen werden möchten. Aber manchmal hat man, wenn man mitten in der Geschichte steckt, gar kein Auge dafür, wen das eigentlich interessieren könnte, außer einem selbst und den Betas.

Wenn also ein Agent oder ein Verlag, dem ich Marktkompetenz zutraue, zu mir kommt und sagt, diese Geschichte würde vermutlich bei einer anderen Zielgruppe besser ankommen, würde ich wohl darüber nachdenken. Man ist ja oft genug betriebsblind.

Das ist natürlich noch etwas ganz anderes, als Abklatsche von erfolgreichen Romanen zu schreiben, um in einen Trend reinzurutschen. Markttechnisch gesehen hat das natürlich seine Berechtigung - offenbar wollen viele Leser Bücher lesen, die "so ähnlich sind wie ..." Ich persönlich finde das schauderhaft, aber ich bin da wohl eine Minderheit - und darum geht es hier auch gar nicht. Worum es geht: ich glaube, wir müssten die Stiefelpaare hier etwas sorgfältiger auseinanderhalten :)

LG
Thali

Kati

ZitatDas sehe ich ganz ähnlich - ich möchte einfach nicht irgendwann vllt. einen Bestseller veröffentlichen und mir dann vorwerfen lassen, dass ich quasi meine Figuren und mich prostituiert habe um dahin zu kommen.

Hm. Wie weit müsste man denn gehen, um dieses "prostituiert" zu erreichen? Ich sehe das nicht so eng. Wenn man mir vorschlägt aus meinen Geistern Vampire zu machen, um dem Buch bessere Chancen zu geben, warum denn nicht, wenn das nicht meine ganze Geschichte ändert? Und, wenn die wollen, dass meine blonde Prota dunkle Haare bekommt, damit sich die Zielgruppe besser mit ihr identifizieren kann, finde ich das auch nicht so schlimm. Das sind ja nur Details. Bei mir würde es aufhören, wenn ich große Plotteile umschreiben müsste. Dann sollen sie gleich jemanden suchen, der dieses andere Buch geschrieben hat. Was ich allerdings genau wie Kisara niemals ändern würde, wären Dinge wie die Hautfarbe und die Sexualität. Nicht, weil meine Figur jetzt genau so sein muss, sondern, weil ich die gängigen Klischees und Vorurteile nicht unterstützen möchte.

Daher wäre ich zwar bereit für meine Zielgruppe auch etwas an der Geschichte zu ändern. Alter, Haarfarbe, meinetwegen auch ein bisschen den Charakter, aber, wenn es mir zu weit gehen würde, dass ich ganze Handlungsverläufe umschreiben sollte, würde ich das wohl nicht machen. Ich sage jetzt "wohl". Wie man dann, wenn man wirklich vor der Entscheidung steht, reagiert, kann ja auch nochmal ganz anders sein.

Luna

#55
Zitat von: Kisara am 16. Mai 2012, 10:17:55
Das sehe ich ganz ähnlich - ich möchte einfach nicht irgendwann vllt. einen Bestseller veröffentlichen und mir dann vorwerfen lassen, dass ich quasi meine Figuren und mich prostituiert habe um dahin zu kommen.
Ich sehe das auch so.

@ Debbie
Ich finde Deine Idee gut :jau:. Mach da bloß nichts draus nur der Vermarktung wegen à la: Die junge (hier bitte Adjektive Ihrer Wahl wie jung, gutaussehend, hübsch, schüchtern, kess etc. eingeben) ... lernt in der Disco/Schule/im Urlaub/auf Geschäftsreise den muskulösen, attraktiven, leidenschaftlichen, unnahbar wirkenden .... kennen. Sie fühlt sich sogleich zu ihm hingezogen, doch merkt sie bald, er verbirgt ein dunkles Geheimnis vor ihr. Was hat er zu verbergen? Wird ihre Liebe reichen, dass er sich ihr öffnet? Als er sie dann noch verlässt, weil er Angst hat, für sie eine Gefahr darzustellen, ist sie verzweifelt. In ihrer Verzweiflung merkt sich nicht, dass ihr bester Freund, der schüchterne, introvertierte Träumer ... heimlich ein Auge auf sie geworfen hat .... ;D

Fantasy besteht ja zum Glück nicht nur aus einem Genre wie z. B. Romantic/Romantasy, auch wenn das zur Zeit der letzte Schrei ist. Es gibt da so viele Strömungen und jede hat ihre Leser. Ich denke, wenn es gut geschrieben ist, wirst Du auch Deine Zielgruppe haben, bzw. finden. Ich finde es im Übrigen auch sehr schade, dass Verlage keine Wagnisse eingehen können. Kleinverlage haben es momentan leider sehr schwer und aus diesem Grund verlegen sie lieber altbewährtes, um nicht unterzugehen, denke ich mal. Ich habe da auch nichts so die Ahnung von.

Zitat von: Kati am 16. Mai 2012, 10:44:42
Hm. Wie weit müsste man denn gehen, um dieses "prostituiert" zu erreichen? Ich sehe das nicht so eng. Wenn man mir vorschlägt aus meinen Geistern Vampire zu machen, um dem Buch bessere Chancen zu geben, warum denn nicht, wenn das nicht meine ganze Geschichte ändert? Und, wenn die wollen, dass meine blonde Prota dunkle Haare bekommt, damit sich die Zielgruppe besser mit ihr identifizieren kann, finde ich das auch nicht so schlimm. 
Die Geschichte dürfte das zwar nicht groß ändern. Nur, ich sehe das so, wenn sich mir ein Prota als Geist vorgestellt hat, dann ist er auch als Geist in meinem Kopf und ich habe, während ich die Geschichte geschrieben habe, ein ganz bestimmtes Bild vor Augen. Genau wie mit der Haarfarbe. Dann kann er bei mir nicht plötzlich blond, gut gebräunt, muskulös whatever werden und lange spitze Zähne bekommen. Ich kann meine Bilder, die ich im Kopf habe nur schwer bis gar nicht ändern. Ich weiß nicht, ich würde ihn dann doch gerne so behalten, wie er sich mir vorgestellt hat und nicht, wie sich andere ihn vorstellen.

   

Debbie

Zitat von: Thaliope am 16. Mai 2012, 10:30:40
Hmmm  :hmmm:
Ich denke, man muss wirklich unterscheiden zwischen "sich prostituieren" und "für die Leser schreiben".
Die meisten Autoren schreiben ja, weil sie gelesen werden möchten. Aber manchmal hat man, wenn man mitten in der Geschichte steckt, gar kein Auge dafür, wen das eigentlich interessieren könnte, außer einem selbst und den Betas.

Wenn also ein Agent oder ein Verlag, dem ich Marktkompetenz zutraue, zu mir kommt und sagt, diese Geschichte würde vermutlich bei einer anderen Zielgruppe besser ankommen, würde ich wohl darüber nachdenken. Man ist ja oft genug betriebsblind.

Ja, Unterscheidung ist da definitiv wichtig - und natürlich achtet man beim Entwerfen bis zu einem gewissen Grad darauf, dass die Charaktere sympatisch sind oder ihre Motive wenigstens nachvollziehbar bleiben, dass die Spannung konstant bleibt, der Aufbau logisch, etc. , etc. ... Nimmt man die Sache ernst, und liest sich in verschiedene Themen und Konzepte entsprechend ein, und beachtet einige Ratschläge, schreibt man "automatisch" irgendwie leserfreundlich.

Natürlich kann man nicht erwarten (obwohl es auch nicht ausgeschlossen ist), dass ein Buch mit einem schwulen Prota ein Bestseller wird - denn egal was man davon hält, homoerotische Literatur (auch wenn die Love Story nur untergeordnet ist) bleibt halt ein Nischenmarkt.

Das "betriebsblind" ist ja jetzt nicht wirklich mein Problem - ich bin mir ja bereits darüber im Klaren, dass meine Zielgruppe... naja, eher undefiniert, bzw. eventuell nicht sonderlich markttauglich ist. Das wäre jetzt für mich nicht wirklich eine "Erleuchtung"  ;)
Die Frage ist eben, ob ich bereit bin, die Geschichte jetzt schon (oder überhaupt) zielgruppenorientiert auszurichten, bezüglich des Alters der Protas, meine ich. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger macht es aus logischen Gesichtspunkten Sinn. Die Protas sind halt keine Jugendlichen, und die Story ist auch nicht für 10 - 14jährige geeignet; insofern bleibt alles wie es ist. Ich sehe da nicht wirklich eine Möglichkeit die Thematik, den Background einzelner Charaktere oder verschiedene Szenen zu entschärfen. Dann bleibt von den Charakteren und der ursprünglichen Geschichte nämlich nicht mehr viel übrig, und ja, dann teile ich Kati's Ansicht:

ZitatDann sollen sie gleich jemanden suchen, der dieses andere Buch geschrieben hat.

Das hat Potential als Wahlspruch  ;D

@Luna: Danke für den Support  :knuddel:  Tja, ich werde wohl damit leben müssen, dass meine Protas aus der Schule raus sind, z. T. keinen Schulabschluss haben, in einer mehr oder weniger ungemütlichen Gegend leben und auch sonst völlig verkorkst sind - ein hartes Schicksal  :snicker:

Im Übrigen würde ich aus einer Geistergeschichte auch keine Vampirgeschichte machen - wenn ich nämlich eine Geistergeschichte schreibe, dann mach ich das ja nicht, weil mir nichts besseres einfällt, sondern weil mich das Thema interessiert. Dementsprechend würde sich mein Plot auch um dieses Thema herum aufbauen. Ergo: Keine Geister, keine Story!
Was nicht heißen würde, dass ich "Nein" sagen würde, wenn mich jemand fragt ob ich Lust hätte eine Vampirgeschichte zu schreiben, mit diesen und jenen Eckpunkten und Besonderheiten. Das könnte ich, würde ich vielleicht auch tun, wenn die Bezahlung stimmt - aber meine Story wird jetzt weder zum Vampir-Roman, noch zur Dystopie, noch mache ich aus Magiern jetzt Wissenschaftler, weil Sci-Fi gerade wieder groß im Kommen ist  ::)

Und natürlich ist es manchmal hilfreich, Szenen oder Charaktere hinzuzufügen, zu ändern oder zu streichen - solange es den Plot verbessert, vielleicht sogar neue Möglichkeiten eröffnet... Aber bitte nicht, weil gerade was anderes gefragt ist. Da wird ja dann nicht mehr auf die bestmögliche Story, sondern auf den größtmöglichen Gewinn abgezielt. Da ist meine Schmerzgrenze dann erreicht!

Alana

#57
Ich denke, es kommt auch immer ein bisschen auf das Buch an. Ein Buch, das mir wirklich sehr am Herzen liegt, würde ich sicher nur bedingt ändern. Eines, bei dem das nicht so ist, würde ich sicher auch stark verändern, wenn mir das Endprodukt immer noch gefällt und ich mich damit identifizieren kann. Darin sehe ich auch nichts Verwerfliches.
Wenn mir jemand sagt: Mach aus dem Geist einen Vampir, und ich diese Veränderung vielleicht nachvollziehen, vielleicht sogar gutheißen kann, weil der Geist einfach nicht mehr in die Geschichte passt, oder es eigentlich egal ist, ob es ein Geist oder Vampir ist, dann, warum nicht. Wenn es natürlich mein Anliegen war, über Geister zu schreiben und das das Herzstück der Geschichte ist, dann wäre es wohl schwer, das zu ändern.

Zur Ausgangsfrage: Ja, ich überlege mir schon vorher, für welche Zielgruppe ich schreiben möchte, denn das hat ja nicht nur Einfluss auf den Plot, sondern auch auf den Schreibstil und definiert auch ein bisschen die Art, wie ich selbst über das Buch denke und wie es sich beim Schreiben anfühlt.
Alhambrana

Luna

#58
Zitat von: Debbie am 16. Mai 2012, 11:54:08
Und natürlich ist es manchmal hilfreich, Szenen oder Charaktere hinzuzufügen, zu ändern oder zu streichen - solange es den Plot verbessert, vielleicht sogar neue Möglichkeiten eröffnet... Aber bitte nicht, weil gerade was anderes gefragt ist. Da wird ja dann nicht mehr auf die bestmögliche Story, sondern auf den größtmöglichen Gewinn abgezielt. Da ist meine Schmerzgrenze dann erreicht!
Das würde ich auch so unterschreiben. Anregungen und Kritik, Szenen streichen, kürzen, andere Formulierungen, einen Chara hinzufügen .... solange es den Plot verbessert ist bei mir auch gerne willkommen. Nur, ich möchte nicht erzählt bekommen, das da unbedingt noch ein Vampir und ganz viel Kitsch und Romance rein muss, die Protas ganz anders aussehen, jugendlich sein müssen oder was da eben gerade angesagt ist, nur damit das mehr Profit bringt.

Debbie

#59
Zitat von: Alana am 16. Mai 2012, 12:01:56
Ich denke, es kommt auch immer ein bisschen auf das Buch an. Ein Buch, das mir wirklich sehr am Herzen liegt, würde ich sicher nur bedingt ändern. Eines, bei dem das nicht so ist, würde ich sicher auch stark verändern, wenn mir das Endprodukt immer noch gefällt und ich mich damit identifizieren kann.

Die Frage stellt sich bei mir nicht - ein Buch, das mir nicht sehr am Herzen liegt, würde ich garnicht schreiben. Ehrlich gesagt finde ich traurig, dass es sowas überhaupt gibt; Bücher, die ihren Autoren nicht sehr am Herzen lagen. Das merkt man dem Buchmarkt aber auch an, finde ich. Die Buchhandlungen sind voll von Büchern, die ihren Autoren nicht sehr am Herzen gelegen haben können... Deswegen gehe ich so ungern in eine Buchhandlung. Ich greife 20 oder 30 Bücher aus dem Regal, und allen merkt man an, dass entweder

- der Autor unbedingt mal verlegt werden wollte, und dafür vor nichts zurückschreckt. Diese Autoren brechen gerne mit Regeln und Tabus, um als besonders provoka- ups, ich meinte natürlich innovativ zu gelten und über diese Masche möglichst viele Exemplare zu verkaufen
- oder der Verlag dringend ein weiteres Buch auf den Markt werfen wollte, das dem aktuellen Trend entspricht, um auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen
- oder der Verlag das Exposé eines Autors (vielleicht sogar ein vielversprechendes...) gekauft hat, dass er entweder schon unter Zeitdruck entwickelt, oder dann spätestens unter Zeitdruck geschrieben hat, sodass kaum Zeit für gründliche Recherche, Chrakterentwicklung, Weltaufbau, etc. bleibt.
- oder eine Kombination aus mehreren dieser Komponenten

Das sind dann die Bücher, in deren Rezensionen oft steht: "Die Idee hatte wirklich Potential (war neuartig, großartig, spannend, ungewöhnlich, etc.), daraus hätte man (hier: der Autor) mehr machen können."
Für mich wäre das der Killer-Satz schlechthin!  :pfanne:  Denn viel schlimmer, als nicht verlegt zu werden, wäre es für mich, dem Verlag alles recht gemacht zu haben, und dann den Erwartungen der Leser (und insgeheim auch meinen eigenen) nicht gerecht werden zu können.

Zitatweil der Geist einfach nicht mehr in die Geschichte passt, oder es eigentlich egal ist, ob es ein Geist oder Vampir ist, dann, warum nicht

Das widerspricht ja schon einer der wichtigsten Regeln: Everything has to be there for a reason.
Das gilt sicher auch, und ganz besonders, für Charaktere. Wenn Charaktere oder ihre Identitäten, einfach austauschbar sind, sind sie fehl am Platz. Dann hat m. E. der Autor einfach seinen Job nicht richtig gemacht.