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Sich von Figuren im Kopf lösen

Begonnen von Alaun, 01. August 2009, 14:38:22

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Alaun

Hallo ihr Lieben,

ich könnte gerade durchdrehen! Ich muss für mein Projekt eine Figur entwickeln, die die Funktion eines Hausdieners hat. Es soll kein Mensch sein. Nun sitze ich hier: ich weiss inzwischen seinen Namen und dass er einen schicken Nadelstreifenanzug und immer weisse Handschuhe trägt.
Außerdem ist er so klein, dass er gerade mal über die Tischplatte eines handelsüblichen Tisches gucken kann.

Aber wenn es um sein weiteres Aussehen geht, dann lande ich ständig bei den Bildern von den Hauselfen aus Harry Potter! Es ist zum aus der Haut fahren! Er ist charakterlich ganz anders unterwegs (eher ein wenig, wie soll ich sagen- anarchistisch  ;D), aber ich kann ihn mir nicht vorstellen, weil mir ständig diese Hauselfen durchs Hirn spuken.

Was tut ihr in solchen Fällen? Wie löst ihr euch von bestimmten Bildern, die aus Filmen stammen und sich über eure Figuren stülpen wollen?

Ganz liebe Grüße,
*Alaun


Katharina

In solchen Fällen versuche ich immer den Charakteren bewusst gegensätzliche Charakteristiken zu geben. Dann kann ich in meinem Kopf leichter unterscheiden was meine Kreation is und was ich mir (unbewusst) irgendwo abgeguckt habe.

In deinem Fall wäre es natürlich das Leichteste, den Diener größer zu machen. Dann würdest du wahrscheinlich automatisch nicht mehr an Dobbie denken. Wenn er aber nun unbedingt klein bleiben soll, dann würde ich anfangen ihn andere Merkmale zu verleihen, die ihn von Hauselfen unterscheiden.

Z.B. könnte seine Stimme sehr tief sein, Dobbie piebst ja eher nur rum. Er könnte immer ganz förmlich sprechen (ausser das passt nicht zu seinen anarchischen Zügen). Dobbie hat eine riesige Nase und große Ohren, wie wäre es also mit einer Knopfnase und vielleicht Schlappohren. So was in der Richtung...

Lucien

Na, das Thema kommt ja wie gerufen! Ich habe grad genau das gleiche Problem mit meinem Entführer (den ich jetzt endlich für ein Weilchen aus meinem Hirn verbannen kann! *erleichtert*).
Ich habe mir überlegt: okay, was passt zum Wahnsinn? Lange, wirre Haare. Gut. Welche Farbe? Dunkel hab ich schon so oft, also blond. Passt! Wie kann ich dafür sorgen, dass sein Anblick in meiner Prota ein zusätzliches Gefühl der Unruhe hervorruft? Au ja, graue Augen, weil sie dadurch an jemanden erinnert wird, vor dem sie Antgst hat ...

... Und nun spukt die ganze Zeit ein irre lachender Lucius Malfoy in meinem Kopf rum! ARGH!!

Mal ehrlich, diese Harry Potter Figuren werden immer dreister und aufdringlicher! Ich hatte schon genug Mühe, Snape aus meiner Story zu prügeln und ihn durch einen anständigen Seher zu ersetzen.  :seufz:

Aber lange Rede, kurzer Sinn: Ich würde da Katharina zustimmen. Verpass ihm Merkmale, die sich mit dem Bild von Dobby beißen.

Churke

Zitat von: Alaun am 01. August 2009, 14:38:22
Außerdem ist er so klein, dass er gerade mal über die Tischplatte eines handelsüblichen Tisches gucken kann.

Ich könnte mir vorstellen, dass du unbewusst an Harry Potter denkst oder die Beschreibungen wiederholst.
Bezeichnest du deine Figur z.B. als "schwarzen Homunculus", oder als "Nadelstreifenmännchen", dann wird wohl kaum einer an Harry P. denken.

Luciel

In solchen Fällen von unerwünschten Bildern mache ich eigentlich das gleiche wie bei unerwünschter Musik im Kopf (Ohrwurm): Ich denke ganz bewußt andere (Lieder) und das möglichst rasch wechselnd.
In deinem Fall würde ich mir den Diener also in allen Erscheinungen vorstellen, die mir so einfallen. Ein Minitiermensch - ein Minielf - ein Kleinkind - eine Anime-Figur ..... Höchstwahrscheinlich wird bei diesem Karusell etwas dabei sein, was dir dann sogar gefällt (Stift bereit halten).

Ansonsten muss ich Churke zustimmen, dass sich in deinem Kopf die Bezeichnung Hausdiener wahrscheinlich mit Hauself verbunden hat. Allerdings nicht nur in deinem - auch deine Leser werden sofort daran denken. Da hast du also gleich ein doppeltes Problem.

Tenryu

Zitat von: Alaun am 01. August 2009, 14:38:22Was tut ihr in solchen Fällen? Wie löst ihr euch von bestimmten Bildern, die aus Filmen stammen und sich über eure Figuren stülpen wollen?

Weniger Filme schauen.  :P

Ich würde versuchen, die Figur in wenigstens einer entscheidenden Eigenschaft abzuändern. Mach aus dem Elf einen Zwerg oder ein Wichtelmännchen. Oder ein tierähnliches Geschöpf.
Es ist an sich nicht schlecht, sich von Büchern oder Filmen inspirieren zu lassen. Nur sollte man eben weniger populäre Werke verwenden.
Im Zweifelsfall einfach mal abwarten und die Reaktionen von Testlesern auswerten. Vielleicht kommt dir Ähnlichkeit nur dir als Autor so deutlich vor, und andere denken gar nicht von selbst daran.

Alaun

Hallo ihr Lieben,

danke für eure Hilfe! Es ist gut zu lesen, dass es anderen auch so geht und ich nicht völlig gestört bin  ;) Ich habe jetzt einige Möglichkeiten durchgespielt und der Hausdiener hat sich inzwischen zu einem sehr klassischen Butler entwickelt, der mir ganz gut gefällt. Er ist groß, dürr, hat diesen Anzug und die weissen Handschuhe an. Er ist zudem korrekt bis snobistisch in seinem Verhalten als Butler - bis auf ausgeprägte anarchistische Impulse, die ihn für mich irgendwie interessant machen.

Alles in allem bin ich also von einer bekannten Figur (Dobby) zu einer anderen bekannten Figur (Butler-Stereotyp) ausgewichen  :hmmm:- wobei der Butler eben doch nur oberflächlich dem entspricht, was man erwartet. Aber er passt gut ins Projekt und ich lasse ihn jetzt erstmal machen.

Übrigens, zum Thema Filme gucken: ich bin jemand, der eher selten Filme sieht. Ich gehe gern ins Kino, bin aber kein extremer Cineast und auch kein Fernsehjunkie- ich lese lieber  ;D Vielleicht bin ich aber gerade deshalb von einigen Filmfiguren so "okkupiert". Wie auch immer, die Strategie mit dem Durchspielen mehrerer Möglichkeiten hat gut funktioniert. Dankeschön!

Liebe Grüße,
*Alaun

Romy

Ist ja lustig. Seit ich letzte Woche Harry Potter VI gesehen hab, sieht meine böse Dämonenmeisterin in meinem Kopf aus wie Bellatrix  ;D Naja, bis auf die Frisur.
Aber ehrlich gesagt, ich finde das gar nicht so schlimm, weil die Figuren tatsächlich einige Ähnlichkeit miteinander haben, sowohl charakterlich als auch optisch. Das war schon immer so, aber es ist mir halt nur erst vor einer Woche aufgefallen. Aber deshalb werde ich aus meiner Gonja ja nun kein liebes, stets wohlbesonnenes, blondes Engelchen machen  :P Da wäre mein Dark Overlord dann sicherlich auch nicht so glücklich drüber ...
Das Bild das ich jetzt von ihr im Kopf habe, hilft mir im Gegenteil sogar. Helena Bonham Carter hat einfach so einen herrlich irren Blick drauf, der passt perfekt. Für mich sieht Gonja jetzt also aus wie sie und dadurch ist sie für mich so lebendig geworden, dass sie mir seit einer Woche ständig durch den Kopf springt und verschlagen guckt.  :snicker: Na gut, mittlerweile nervt's ein bißchen, aber der Text gewinnt dadurch und das ist ja das Wichtigste.

Zitat von: Tenryu am 01. August 2009, 21:38:28
Im Zweifelsfall einfach mal abwarten und die Reaktionen von Testlesern auswerten. Vielleicht kommt dir Ähnlichkeit nur dir als Autor so deutlich vor, und andere denken gar nicht von selbst daran.
Das denke ich auch. Als Leser ziehe ich da selten irgendwelche Parallelen. Gut, Dein Hausdiener-Problem ist ja jetzt gelöst, aber um bei dem Beispiel zu bleiben: Sofern da im Text nicht explizit Hauself steht, oder dieses Wesen eindeutig ähnlich beschrieben ist, würde ich als Leser gar nicht daran denken. Sofern der Hausdiener einfach nur klein ist und ansonsten keine der "typischen" äußerlichen Hauselfen-Ähnlichkeiten hat, warum sollte da irgendein Leser in dieselbe Richtung denken?!  :)
An was Du beim Schreiben denkst, ist ja letztlich egal, es kommt drauf an, was im Text steht  ;)

Abakus

Mit solchen Dingen hatte ich noch nie Probleme. Wenn ich eine Figur entwickele, dann habe ich sein Aussehen stets direkt vor Augen. Er oder Sie sieht hat dann mit dem Aussehen von Figuren aus diversen Filmen nichts zu tun. Spätestens nach der Charakterisierung erscheint die Figur in vollem Glanz vor meinem geistigen Auge.

Was mir jedoch manchmal geschieht ist, dass ich einer Figur, wahrscheinlich unterbewusst, irgendwelche Eigenschaften einer Filmfigur schenke. In den meisten Fällen merke ich das erst, wenn meine Figur diese Eigenschaft nutzen will. Gegen sowas bin ich sehr allergisch. Vor allem meiner Figur dann beizubringen, dass sie diese Kraft oder Macht, wie auch immer, nicht nutzen kann. Das macht Laune.  ::)

Genau das ist mir in meinem Manuskript bezüglich der Engel passiert. Der Schutzengel meines Protas, Ian, hatte in einer Szene sechs Dämonen im Kampf gegen sich. Das ist kein Problem für einen Engel seiner Qualifikation, wenn ich ihm just in diesem Moment nicht eine seiner Eigenschaft weggenommen hätte. Ian reagierte ungefähr so: "Ey, Typ! Hast du eigentlich eine blasse Ahnung davon, was es heißt, gegen sechs Dämonen zu kämpfen? Ich bin so gut wie tot, wenn du mir diese Eigenschaft nimmst!" Er hatte natürlich recht und dürfte die Eigenschaft behalten. Ausnahmsweise.  ;D