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Perspektivenwechsel

Begonnen von Alaun, 14. Juli 2009, 15:56:19

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Notrya

Zitat von: Rhi am 03. September 2012, 08:43:39
Was man auch noch machen könnte, wäre anhand der Kapitelüberschriften aufzuzeigen, aus welcher Sicht das nächste Kapitel erzählt wird.

Das halte ich bei vielen Perspektivträgern sowieso für eine gute Methode, um den Überblick zu wahren, vor allem, wenn sich die verschiedenen Figuren in den Kapiteln über den Weg laufen und voneinander berichten. Der Leser wird im Falle eines Ich-Erzählers dessen Perspektive mit dem Namen über dem Kapitel verbinden und sich nicht jedes Mal wundern, wo plötzlich das "ich" herkommt, würde ich behaupten. Aber auch wenn man ohne nach Figuren benannte Kapiteln arbeitet, denke ich nicht, dass der Perspektivwechsel den Leser vor allzu große Schwierigkeiten stellt, wenn das Wechseln zum Ich-Erzähler dem Leser einen erkennbaren Mehrwert (mehr Nähe zur Figur, Einblick in die Gedankenwelt zum besseren Verständnis der Geschichte, etc.) bietet.

Ich schreibe momentan etwas Ähnliches, es ist zwar kein "richtiger" Ich-Erzähler, sondern er kommt nur in Form von Briefen vor, aber dessen Kapitel sind die einzigen, die keine Überschrift bekommen und die ich zudem kursiv gedruckt habe. Bisher hat sich noch keiner meiner Betaleser sonderlich darüber gewundert, aber die (beabsichtigte) Sonderstellung dieser Kapitel - und des dazugehörigen Perspektivträgers - wird so auf jeden Fall deutlich.


Zit

Nur eine Verständnisfrage: Wie machst du ohne Überschrift deutlich, dass es ein neues Kapitel ist? Nutzt du zusätzlich Numerierung?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Notrya

Ja, genau. Bisher habe ich alle meine Kapitel durchnummeriert, sonst würde ich ein wenig den Überblick verlieren... aber das ist erstmal nur die Rohfassung. Vielleicht kommt mir beim Überarbeiten eine andere (bessere?) Idee, wie man die Kapitel voneinander trennen kann. Das Problem ist, dass ich den Namen des Briefeschreibers zumindest bis zur Romanmitte auf keinen Fall ausplaudern darf, und eine andere schlaue Überschrift für seine Kapitel ist mir auch noch nicht eingefallen. ;D

Zit

Wie wärs mit dem Datum? Das könntest du dann auch bei den anderen Kapitel nehmen und drunter noch eine Überschrift nehmen, oder nur den Ort oder den Namen des Perspektivträgers.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Notrya

Das mit dem Datum ist auch eine gute Idee, danke. Wobei ich dann relativ früh verrate, dass sich alle bis auf eine Perspektive in der Gegenwart befinden, obwohl sich das erst nicht so anhört... Also doch vielleicht lieber den Ort angeben? Das ist auf jeden Fall eine Überlegung wert. :jau:

HauntingWitch

@Rhi und Notrya: Naja, das mit den Namen in den Überschriften möchte ich eigentlich genau vermeiden, ich fand das bisher immer störend.  ;) Aber ich habe eine andere Lösung: Ich kann den Ich-Erzähler mit einer kurzen Einführung beginnen lassen, dann weiss man, dass er er ist und bei den anderen sieht man es am Namen in der Erzählung. Aber das überlege ich mir lieber dreimal, ein Anne Rice-Abklatsch (hat sie bei "Königin der Verdammten" so gelöst) soll es ja auch nicht werden.

Gwee

Das Thema, wie viele Perspektiven man nutzen sollte, ist für mich grad ein aktuelles Thema. Ich habe eine Geschichte, bei der sechs verschiedene Völkergruppen auftreten. Ich stehe jetzt vor dem Problem, dass ich nicht sicher bin, wie viele Perspektiven am Besten wären. Ich will definitiv mehr als eine oder zwei. Sechs finde ich aber irgendwie zu viel, oder wie seht ihr das? Bei fünf käme ich mir z.B. etwas "diskriminierend" vor ein Volk einfach außen vor zu lassen. Die Völker sind alle nicht so richtig gut miteinander, daher ist es auch nicht so praktisch, wenn ich einen Charakter für zwei Völker nutze. Findet ihr sechs Perspektiven zu viel? Was ist für euch so immer das Optimum beim Lesen?
Es ist so eine Art Obsession, glaube ich. Das Schreiben fasziniert mich so sehr,
daß, wenn es mir verboten würde, ich langsam daran sterben würde.
Johannes Mario Simmel

Wallrabe

#97
Also wenn das bedeutet, dass du auch quasi 6 Erzählstränge hast, wäre das wirklich ziemlich überwältigend, fände ich. Zumindest, wenn sie ebenbürtig behandelt werden müssen/wollen.

Allerdings würden mehrere Völker ja etwa nicht jeder eine eigene Perspektive benötigen, wenn sie einen gemeinsamen Nenner irgendeiner Art haben, etwas gemeinsam tun, gemeinsam an einem Ort operieren o.ä. ...

Ansonsten stellt sich auch die Frage - wie verschieden sind diese sechs Völker tatsächlich? In welcher Größenordnung bewegen sich diese Völker? Und unterscheiden sie sich quasi in "allem", Sprache, Aussehen, Sitte, Religion etc. oder sind manche miteinander verwandter als andere?
Und was "tun" sie?

Je nachdem dürfte es sich von selbst fügen denke ich, dass sich manche davon unter einen Hut fassen lassen, sich aber auch differenzieren lassen, ohne dass du jetzt wirklich für jedes Volk eine eigene Perspektive schreiben musst. Sofern ich "Perspektive" jetzt nicht falsch verstanden habe^^.

Würde bspws die eine Allianz gegen die andere kämpfen, hätte man trotz der sechs völlig verschiedenen Völker letztlich nur zwei Fronten, auf die man schaut. Einen nachvollziehbaren Beweggrund vorausgesetzt, aber das wäre dann eine ganz andere Frage... Du musst letztlich wohl klar werden, was du erzählen willst und dann schauen, wieviele Perspektiven diesem Vorhaben tatsächlich nutzen. Welche etwas zur Sache tun, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Völker/Perspektiven du brauchst etc.

Waffelkuchen

Gwee, ich denke auch, dass sechs Perspektiven zu viel werden könnten. Vielleicht gibt es ja die eine oder andere Perspektive, durch deren Weglassen du Spannung erzeugen kannst? Der werte Leser muss ja nicht immer alles wissen. ;D Denkbar ist für mich jetzt auch, dass du z.B. drei Hauptperspektiven hast und aus den anderen dreien nur gelegentlich was einschiebst. Da musst du vielleicht aufpassen, dass es nicht in Infodump ausartet ("ah, in der Perspektive bin ich jetzt nur, weil ich das und das wissen muss").

Was für mich als Leser das Optimum an Perspektiven ist, kann ich so nicht sagen. Ich glaube, man kann da sehr viel machen. Es muss nur sichergestellt sein, dass der Leser hinterherkommt, ohne das Gefühl zu haben, dass er bald ein Nachschlagewerk braucht, um die Perspektiven auseinander halten zu können. Und ein bisschen Zeit braucht man ja auch, um mit den Protagonisten warm zu werden. Also, so gesehen verträgt der tausend-Seiten-Epos vermutlich mehr Perspektiven als das dreihundert-Seiten-Buch.

Ansonsten schließe ich mich dem an, was Wallrabe geschrieben hat, vielleicht gibt es ja doch etwas, was sich zusammenfassen lässt. :)
Ich heb mein Glas und salutier dir, Universum / Dir ist ganz egal, ob und wer ich bin
Fremde - Max Herre, Sophie Hunger

Trippelschritt

Ich sehe nur wenige Schwierigkeiten mit einem Wechsel der Erzählperspektive. Auch nicht mit einer hohen Zahl. Man muss es nur können und braucht vorher einen Plan. Viele der mutmaßlichen Perspektivprobleme haben mehr mit Braiding als mit der Perspektive zu tun und bei sechs wichtigen Figuren gibt es sechs wichige Plotstränge. Wenn ich einem der Plotstränge keine eigene Perspektive gebe, dann bleibt nur noch über ihn zu berichten. Damit ist aber auch eine Entscheidung über die Nähe und über die Wichtigkeit der Figur gefallen. Auf der sicheren Seite ist man meistens dann, wenn die entsprechenden, sich in der Perspektive unterscheidenden Textstücke ziemlich lang sind. Bei Schaschlik wird es schwierig.
Ich erinnere mich an drei Perspektiven in einem Abschnitt. Figur A, figur B und ein Frosch. Grandios geschrieben.
Bei einem Ich-Erzähler plädiere ich für nur eine Perspektive, aber ich kenne auch gut geschriebene Bücher, für die die Autoren sich anders entschieden haben.

Nur Mut
Trippelschritt

Wallrabe

Ich hatte mich das unlängst selbst gefragt, wie viele Perspektiven ich eröffnen will. Da fällt einem dann unter Umständen eine Menge ein und ich hatte Ideen zu diversen Fraktionen und Charakteren, die sich in die Gesamtlage mit ihren eigenen Beweggründen und Intrigen einmischen würden und könnten. Teilweise habe ich es zumindest eben für mich und unter den mir gegebenen Umständen so gehandhabt, dass die Perspektiven teilweise 'nur' auf verschiedenen Seiten derselben Münze szsg. stehen.

In der Mitte ist der große, allumfassende Plot, mit dem die Perspektiven und ihre Träger von verschiedenen Seiten in Kontakt kommen. Nun ist die eine an einem ganz anderen Zipfel des Plot-Brockens, Zwei andere haben jetzt aber eine ganze Zeit lang auf den gleichen Zipfel geschaut, haben aber eben dennoch nur "Ihre" Seite des Zipfels geschehen.

Im Grunde also ein Ereignis, auf das mehrere Perspektiven schauen. Das praktische ist dabei, dass man nicht für jede Perspektive eine neue Gesamtsituation beschreiben muss. Der Leser weiß im Grunde um was es geht und wird daher auch nicht in ein komplett neues Bild geworfen. Durch solche Gemeinsamkeiten kannst du denke ich durchaus eine gute Anzahl von Perspektiven und entsprechenden Völkern einbauen. Jedenfalls mehr als die Geschichte und der Leser greifen könnte, als wenn du wirklich sechs komplett eigenständige Perspektiven und -Träger hast.

Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe :-P

- - Letztlich ist es aber auch natürlich wie Trippelschritt sagt - funktionieren könnte selbst das, aber es wird schwieriger, schätze ich.

Guddy

Wie steht's eigentlich mit dem Aufgeben einer Perspektive? Sollte man es nur tun, wenn der Perspektivträger stirbt oder darf es auch andere Gründe haben?

Ich hadere gerade ein wenig, darum frage ich euch.

Lothen

Also wenn der POV "aus der Geschichte verschwindet" und keinen Anteil an der Handlung mehr hat, wäre das schon ein Grund.

Ich denke gerade darüber nach, ob das bei mir mal der Fall war, aber es war im Zweifel immer umgekehrt: Wenn sich jemand aus dem Hauptstrang gelöst hat, bekam er eher mehr Aufmerksamkeit als davor. ;)

Trippelschritt

Diese Frage hat sich mir so nie gestellt. Da ich immer nur aus einer Perspektive schreiben kann, haben die jeweils wichtigen Perspektiven die unwichtigen verdrängt. Da kann man nur noch darüber nachdenken, warum eine Figur so unwichtig wurde.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Guddy

#104
Zitat von: Lothen am 23. September 2015, 15:32:41
Also wenn der POV "aus der Geschichte verschwindet" und keinen Anteil an der Handlung mehr hat, wäre das schon ein Grund.

Gibt es da denn Beispiele aus Genrebüchern?   :hmmm: (dann könncte ich mal "recherchieren"! ;D )

Theoretisch könnte ich mit dem POV-Charakter, der als Perspektivträger (und auch sonst) von der Bildfläche verschwindet, aber ein Spin-Off schreiben, interessant genug wäre sein Werdegang ;D Nur: Er stirbt nicht, geht nicht weg, er wird einfach nur nicht den Weg des Protas weitergehen.  Zuvor möchte ich ihn als Perspektivträger einsetzen, um durch dessen Augen die Kultur und die Figuren zu beleuchten, da es wieder andere Aspekte hinein bringen würde.