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Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk

Begonnen von Feuertraum, 24. Juni 2008, 21:51:24

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Moni

Zitat von: Julia am 27. Juni 2008, 20:42:34
Sorry, dass ich jetzt ein wenig vom Thema abweiche (falls gewünscht mache ich damit auch gern einen neuen Thread auf), aber dass oben genannte Buch passt damit genau ins Schema. Oder wie seht Ihr das?
Das von Feuertraum genannte Buch ist Ende der 90er erschienen, kann also nicht auf dieser von dir genannten Welle mitschwimmen...  ;)

Es gibt immer wieder Autoren, die mit Stil und Sprache experimentieren und in einem Buch, in dem es glaube ich um Computer etc. ging (wenn ich mich da recht erinnere), wollte der Autor vielleicht mit einem reduzierten Stil in Bezug auf die Dialoge eine nüchterne Atmosphäre schaffen, in der nichts von den eigentlichen Dialogen ablenkt.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Feuertraum

Moni hat in beiden Fällen recht: das Buch erschien 1997, und es handelt von einem Computer und etc...;)
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Lavendel

Zitat von: Julia am 27. Juni 2008, 20:42:34
Man bekommt irgendwie den Eindruck, dass gut erzählte Geschichten (geschrieben in solidem, schriftstellerischen Erzählstil) schlichtweg "out" sind. Was man zur Zeit auf dem Markt bekommt (zumindest an neuen Autoren) ist häufig entweder langweiliger Mainstream-Strunz (ich liebe Anglizismen  ;D ) oder eben ... nun ja, keine Geschichte, sondern ein Selbstzweck.

Aber ich weiß zufällig, dass im Tintenzirkel ein paar Schätze lagern, die den Trend, so es einer ist, nicht unbedingt bedienen ;). Man darf dann also doch noch auf eine gloreiche Zukunft hoffen. ;D

caity

Hallo Feuertraum,

ich liebe Umschreibungen *gg*
Beim Lesen muss ich allerdings sagen, dass ich sie häufig überspringe oder nur überfliege. Bei einem Dialog ist das gesagte schon wichtig. Allerdings mag ich es nicht, wenn man sich den Zusammenhang komplett selbst denken muss. Ein gesundes Mittelmaß ist, denke ich, dabei wichtig. Zu viele Umschreibungen können wirklich bremsen, ein paar gezielt eingesetzte sind aber zum einen notwendig, um dem Geschehen überhaupt zu folgen (diese sind auf keinen Fall wegzulassen!!!) und zum anderen, um wie Sie bereits sagten, Atmosphäre zu schaffen.
Atmosphäre zu schaffen ist imho eines der schwierigsten Handwerke des Schreibens, denn letztendlich ist sie dafür verantwortlich, ob der Leser sich in den Roman fallen lassen kann, oder - wie Sie es ja beschrieben haben - darüber nachgrübelt und dann eben *nicht* Mitten im Geschehen ist.

Trotzdem sollten Dialoge an sich so konzipiert sein, dass sie mit so wenig Umschreibungen wie möglich auskommen. Ein ständiges >"...", sagte sie. "...", sagte er< ist mindestens genauso nervtötend wie nicht zu wissen, was momentan passiert.

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Hr. Kürbis

Keine Ahnung, wo ich es gelesen oder gehört habe, aber es hat mal jemand gesagt, ein guter Dialog bräuchte keine erklärenden Worte. Allein der Inhalt sollte aussagen, wer wie etwas zu wem sagt.
Dem kann ich mich nur anschließen, obwohl ich selber oft nicht danach handle und im Anhang eine Wertung des Gesagten abgebe. Aber richtig gute Autoren können meiner Meinung darauf verzichten, aber der Grat zwischen Scheitern und Gelingen wird doch sehr schmal.
 

caity

@ Stefan: Ich glaube, das Problem bei den meisten Dialogen ist nicht, dass sie ohne Wertung nicht auskommen würden, sondern, dass sehr schnell der Überblick verloren gehen kann ...
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Hr. Kürbis

@caity
Ja, da stimme ich dir zu, deswegen sollte man, zumindest wenn man mehr als zwei Gesprächsteilnehmer hat, ab und an etwas Orientierungshilfe geben.

Julia

Zitat von: Moni am 29. Juni 2008, 00:29:44
Das von Feuertraum genannte Buch ist Ende der 90er erschienen, kann also nicht auf dieser von dir genannten Welle mitschwimmen...  ;)

Vielleicht hat es zur Begründung dieses Trends mit beigetragen ...?

Nein, mal Spaß beiseite, ich hatte irgendwie schon geahnt, dass so etwas ähnliches bei meinem Beitrag herauskommen würde ( ;) das wäre natürlich nicht passiert, wenn ich mich vorher zu dem genannten Buch informieren hätte - aber dazu war ich in dem Moment zu faul).

Trotzdem möchte ich noch mal auf meine Frage zurückkommen (auch wenn dieses Buch also definitiv nicht darunter fällt  :psssst: ); Natürlich gab und gibt es die Autoren, die mit Sprache und Stil experimentieren (so wie Moni es schon angesprochen hatte). Im Moment sehe ich allerdings eine drastische Zunahme dieser "Experimente", und zwar sehr häufig von Autoren, die ihre Romane eben (ich fange an, mich zu wiederholen, sorry) als Selbstzweck feiern. Die Romane sind schräg, sie sind merkwürdig oder was auch immer - also müssen sie gut sein. Mich als Leser lassen sie aber ratlos zurück, meist kann ich nicht einmal sagen, ob ich das Buch gut fand oder nicht.
Das zweite Problem bei der Sache ist zudem: jemand, der mit dem Experimentieren beginnen möchte, sollte vorher bewiesen haben, dass er auch die Grundzüge seines Handwerks beherrscht. Sonst fühle ich mich als Leser (vor allem, wenn ich es vorher nicht erwartet habe) - Entschuldigung: vera...lbert. Und richtig sauer werde ich dann noch, wenn irgendwelche Kritiker behaupten, der tiefere Sinn liegt in blub, und die Redundanz der sozialkritischen Reflexion in blah, und überhaupt: wenn man dieses Buch nicht gut findet, dann hat man es nicht verstanden (solch ähnliche Kritiken konnte man tatsächlich beispielsweise für "Feuchtgebiete" in renommierten Journalen lesen).
Bin ich jetzt tatsächlich blöde - oder sogar grenzdebil - weil ich nicht die tiefere Ästhetik in diesem (speziellen) Werk erfassen kann, sondern das ganze Machwerk für Schrott auf Dr. Sommer-Niveau für Fortgeschrittene halte?
Vielleicht bin ich tatsächlich zu schlicht im Geiste, aber ich finde leider immer weniger Bücher, die mir gefallen. Entweder ich finde sie langweilig, weil der Stoff schon dreißig Mal in anderen Büchern (siehe diverse Historienschinken oder der siebte "Eragon"-Aufguß) verarbeitet wurde, oder - nun ja, ich bin mal höflich und sage: sie überfordern meinen kleinen intellektuellen Horizont.
Dazwischen gibt es irgendwie immer weniger. Oder geht es wirklich nur mir so?

Fragende Grüße,

Julia

P.S.: @ Lavendel: Doch, es läßt mich sehr hoffen - nur müssten die Verlage solche Geschichten auch veröffentlichen ...





Tenryu

@ Julia: Da es immer mehr Leute gibt, die schreiben und die alten Bücher nicht verschwinden, ist es praktisch unmöglich, etwas neues, oder gar innovatives zu erfinden. Bei hunderttausend Neuerscheinungen jedes Jahr, wird es immer schwieriger, sich von der Masse abzuheben. Das ist das Problem unserer Zeit. Vielleicht gibt es einmal einen großen Weltkrieg, der alle Bibliotheken und Museen vernichtet, dann könnte die Kunst wieder ganz von vorne anfangen. Und ein Buch über einen kleinen Zauberlehrling und ein Bild mit drei Farbklecksen auf einer weißen Leinwand begeistern die Menschen im Jahr 3000 wieder ganz neu... Aber bis danin werden wir uns eben durch einen Wust von Schund durchwühlen müssen, um die eine oder andere Perle zu finden.

Churke

ZitatUnd ein Buch über einen kleinen Zauberlehrling und ein Bild mit drei Farbklecksen auf einer weißen Leinwand begeistern die Menschen im Jahr 3000 wieder ganz neu...
Da muss ich ganz entschieden widersprechen.
Die Figuren in einer Geschichte spiegeln die gesellschaftliche Realität des Verfassers. Beispielsweise hat man einen Artus im Mittelalter anders interpretiert als im 19. Jh. oder gar heute. Und auch ein Harry Potter wird sich in 100 Jahren sicherlich anders verhalten.

   



Tenryu

Da hast du schon recht. Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist, daß jedes neue Buch nicht nur mit den aktuellen, sondern auch mit allen jemals veröffentlichten um die Gunst des Lesers konkurrieren muß. Würde man alle Bücher vernichten, wäre jedes neue Buch wieder neuartig und könnte nicht mit früheren verglichen werden.

Aidan

Du löscht aber nicht gleichzeitig die Erinnerungen aus. Und außerdem - eine schreckliche Vorstellung, oder?

Und worauf sollen dann Parodien abzielen? Und nur, weil ein Buch "neu" ist, hat es vielleicht dennoch nicht Qualität. Und trotz allem sind die Ideen schon mal gedacht worden, man kann nur nicht mehr nachvollziehen, von wem. Und man kann sehr viel von den richtig großartigen Autoren lernen, die alte Ideen doch wieder so aufgegriffen haben, dass sie neu rüberkamen.

Ich denke, jedes Buch ist ein Spiegel seiner Zeit. Und so wird es wohl unsere Zeit wiederspiegen, dass auf der Suche nach Originalität interessante Wege eingeschlagen werden, die teilweise auch nur schlechtes Handwerk übertünchen sollen, oder den Mangel an eigener Fantasie einiger Leute. Traurig ist es schon teilweise, was man im Buchladen sieht, aber vermutlich muss sich - mal wieder - ein neuer Stil entwickeln. Das geht wohl mit einigem Ausschuss einher.

Ich denke, man braucht auch die "Vorreiter", um von ihnen zu lernen.Bei einigen wie man es macht, und bei anderen wie man es nicht machen sollte. Hoffen wir, dass die Zeiten, wo ungewöhnlich = Qualität suggerieren soll, wo die Darstellung wichtiger ist als der Inhalt, bald vorbei gehen.

Und bei allem Schrott, der auf den Markt kommt, irgendwo sind auch noch ein paar Perlen dabei, oder? (Auch wenn man sie wohl suchen muss.)
"Wenn du fliegen willst reicht es nicht, die Flügel auszubreiten. Du musst auch die Ketten lösen, die dich am Boden halten!"

,,NEVER loose your song! Play it. Sing it. But never stop it, because someone else is listening."

Julia

Zitat von: Tenryu am 05. Juli 2008, 21:13:46
@ Julia: Da es immer mehr Leute gibt, die schreiben und die alten Bücher nicht verschwinden, ist es praktisch unmöglich, etwas neues, oder gar innovatives zu erfinden. Bei hunderttausend Neuerscheinungen jedes Jahr, wird es immer schwieriger, sich von der Masse abzuheben.

Nein, so meinte ich es eigentlich nicht. Mir ist schon klar, dass sich nicht jedes Buch mit einem neuen "innovativen" Inhalt beschäftigen kann - gerade bei den historischen Büchern ist das unmöglich, wenn man sich halbwegs an die bekannten Geschichtsdaten halten will. Und trotzdem ist es machbar, ein eigenes Buch zu schreiben, das nicht nur auf einer Welle mitschwimmt. Dazu kann beispielsweise die Geschichte aus einer völlig neuen Perspektive erzählt, oder neue Aspekte mit in die Geschichte gebracht werden (auch in der Geschichtsschreibung gibt es Quellen, die noch nicht von hundert Autoren verwurstelt wurden - und seien es auch "nur" die persönlichen Aufzeichnungen der damaligen Pastorenfrau aus dem Nachbardorf zu Zeiten der napoleonischen Kriege ...)
Okay, so etwas fällt nicht jedem in die Hände, aber trotzdem gibt es auch in unseren Zeiten noch etwas mehr zu schreiben als nur das übliche "Junges Mädchen wächst behütet/unter ungewöhnlichen Bedingungen zu starker Frau heran, erlebt historische Ereignisse und politische Intrigen (die dann wieder so ausführlich geschildert werden, dass man auch eine Doktorarbeit zu dem Thema lesen könnte), verliebt sich in attraktiven, intelligenten Mann (ebenfalls in politische Intrigen verwickelt), und nach weiteren (politischen und persönlichen) Verwicklungen kommt es zu einem Happy End." Oder auch nicht, aber das macht die Sache nach fünf- bis sechshundert Seiten dann aber auch nicht mehr besser.
Und obwohl der Autor alle Register seines Könnens gezogen hat, bleiben die Figuren in dem Buch seltsam farb- und gesichtslos - es gibt Bücher, da kann ich mich in der Mitte des Romans nicht einmal genau daran erinnern, wie jetzt die die wichtigsten vier oder fünf Figuren heißen.
DAS meine ich damit.

Trotzdem gibt es noch Autoren, die neue und frische Ideen haben, z.B. Diana Gabaldon (zumindest die ersten Romane der Highland-Saga), oder Judith Merkle-Riley mit "Die Stimme" (okay, ist schon etwas älter, aber ein gutes Beispiel). Oder, um deutsche Autoren zu nennen: Barabara von Bellingen mit "Tochter des Feuers" oder den "Engelke Geerts"-Büchern. Auch wenn der Stil nicht jedermanns Sache sein mag - die Figuren sind absolut liebenswert, weil sie - ja, einfach lebendig sind.
Oder, um ein Beispiel aus dem Tintenzirkel zu nennen (und das ist vollkommen ernst gemeint und kein Anbiedern):
"Der Kuss des Dämons" von Lynn Raven. Es stimmt, es ähnelt in vielen Teilen den "Biss"-Büchern von Stefanie Meyer (bei denen ich den Hype ehrlich gesagt nicht nachvollziehen könnte, aber okay, ich bin keine siebzehn mehr), aber im Gegensatz zum "Bis(s) zum Morgengrauen" leben ihre Figuren deutlich mehr.

Das alles macht in meinen Augen einen guten Geschichtenschreiber aus. Natürlich kann jetzt nicht jeder schreiben wie die Gabaldon (ich würde gern, bin dazu aber nicht in der Lage - außerdem wäre ich dann auch wieder langweilig), aber jeder sollte sich bemühen, auf seine Art zu einem guten Erzähler zu werden, der eben nicht nur den dreißigsten Abklatsch von irgend etwas zu Papier bringt.
Oder um ein ganz anderes Beispiel zu nennen: Es gibt viele Gärten. Manche sind langweilig, manche auch schön. Aber manche Gärten sind einzigartig (formal, klassisch, nach englischem Vorbild, verwildert, oder was auch immer). Und dass, obwohl sie doch alle die gleichen Blumen und Pflanzen verwenden, wie alle anderen Gärten auch ...

Liebe Grüße,

Julia


Tenryu

Gute (und schlechte) Bücher wird es auch in Zukunft immer wieder geben. Aber die Frage der Neuartigkeit ist doch immer eine subjektive. Da kein Mensch alle Bücher lesen kann, hängt es immer davon ab, wie viele und welche er schon kennt.
Daher kann auch die abgedroschenste Geschichte für den einen Leser etwas neues und unbekanntes sein, während sie anderen als abgeschmackt vorkommt. Für jemanden, der aber alle existierenden Bücher gelesen hätte, wäre es aber meiner Ansicht nach doch extrem schwer, noch etwas wirklich innovatives zu finden.

Feuertraum

Irgendwie interessant, wie das ursprüngliche Thema sich gewandelt hat... ;)

Ich will aber etwas ketzerisch sein: auch wenn es eigentlich immer wieder sehr gerne behauptet wird, aber der Markt richtet sich nur indirekt nach der Käufer Wünsche. Vielmehr versucht er mittels (aggresiver, da häufig zu sehender/hörender) Werbung den Käufer dazu zu "überreden", was er gerade toll zu finden hat (ich weiß, Ausnahmen bestätigen die Regel, aber im Allgemeinen...)

Ich wage einmal zu behaupten, dass unsere Gesellschaft eigentlich gar keine Innovationen will. Siehe Hollywood; das Prinzip funktioniert: das übliche System lockt Hunderttausende in die Kinos. Filme, die aus der Reihe tanzen (die irgendwann mal auf ARTE oder 3sat laufen), werden nicht wirklich Kassenerfolge.

Und was das "auf einer welle reiten angeht: Verlage wollen verdienen, müssen verdienen, wollen sie ihre Kosten decken und auch ncoh Gewinn erwirtschaften. Also versuchen sie, mit auf den Geldtransporter zu springen. Auch wenn sie wohl davon ausgehen, dass die Rosinen schon weg sind und sie vielleicht nur noch ein paar Krümel abbekommen: es kann vielleicht ausreichen, um ein bichen Gewinn zu erwirtschaften.

LG

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?