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Gretchenfrage

Begonnen von Maja, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Julian

Ich bin nicht religiös, dennoch glaube ich.

Religion ist ein menschliches Konstrukt.
Gerade vor diesem Hintergrund, fällt es mir besonders schwer, die detaillierten Beschreibungen des Übersinnlichen nicht in das Reich der Fiktionen zu verbannen.  
Das Gehirn ist zu einer immensen Menge an Output fähig, der nichts mit der Realität zu tun hat. Es ist ein Apparat der viele Fehler macht, welche die evolutionäre Entwicklung des Menschen aber nur unwesentlich beeinträchtigt haben.
Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit für mich geringer, dass sich Wahrheit und Glaube treffen. Es gibt unzählige andere Faktoren, die diese Wahrscheinlichkeit weiter senken.

In Relation zum Universum, ist mir die Geringwertigkeit meiner Existenz absolut bewusst. Ich weiß um meine begrenzten menschlichen Fähigkeiten, mein Unwissen. Ich kann nichts wissen, was für Menschen nicht erfahrbar ist. Selbst subjektiv richtig Erfahrenes, kann zu objektiv falschem Wissen führen.

Ich habe etwas gegen willkürliche Annahmen, auf denen dann ein hübsches Kartenhaus aufgebaut ist/wird (welches sicherlich auf psychologischer Ebene nützlich sein kann, mit der Realität aber rein gar nichts zu tun hat). Dieses dann noch als Wahrheit anzunehmen, lehne ich vollständig ab.

Ich bin kein 100%iger Atheist, da ich Gott nicht verneinen kann. Ich halte aber ihre/seine Existenz für extrem unwahrscheinlich. Ich lebe in einer Welt von Erscheinungen - nur Narren behaupten, sie sähen etwas Wahrhaftiges.

Mein Gehirn ist dazu verdammt, im Kausalitätskarussell Platz zu nehmen. Deshalb kann ich nichts als gegeben hinnehmen. Auch ein Gott wäre für mich nicht frei von Ursache und Wirkung. Für mich gibt es immer ein davor, und davor, und davor etc., nichts ist losgelöst vom kausalen Kontext (das Wissen um die Quantenphänomene ist mir noch zu unausgereift und widersprüchlich). Mit Mitte zwanzig hat mich diese Sicht der Dinge zu zwei Glaubensrichtungen geführt. Zum einen glaube ich an die Unendlichkeit. Das mag sich sehr vage anhören, ist es vielleicht auch, gleichzeitig aber zutreffend. Dieser Glaube geht weit über unser Universum und "normale" Vorstellungswelten hinaus. Es ist schwierig, diesen Glauben zu beschreiben, da er weder Anfang noch Ende hat. Was das Verständlichmachen noch weiter verkompliziert, ist die Tatsache, dass sich Glauben und Fühlen nicht voneinander trennen lässt und das Ganze somit einen irrationalen Charakter erhält.
Zum anderen Glaube ich an die Beschränktheit unseres Denkorgans. Wir können nur in bestimmten Kategorien und Dimensionen denken. Möglicherweise ist es uns damit niemals vergönnt, zu wissen was wirklich ist, selbst wenn uns die notwendigen Informationen dafür direkt vor die Füße fielen...

In meine Fantasy versuche ich allerdings eher Philosophie, denn Religion einfließen zu lassen. Allerdings, und da gehe ich mit eurer Forumsspinne konform, neigt der Mensch dazu, aufgrund seiner psychologischen Beschaffenheit, sich mit etwas Übernatürlichem zu arrangieren - auf die eine oder andere Weise. Deshalb wird es auch in meinen Werken zumindest religiöse Ansätze geben.


Julian

Manja_Bindig

Vielleicht ist es für Fantasyautoren gerade gut, nciht allzu reiligös zu sein - das heißt nciht, dass alle Fantasyautoren Atheisten sind, nur, dass unsereins einen lockereren Umgang mit Religion hat - immerhin schaffen wir ja auch zumindest ansatzweise eine Religiöse Richtung, nach der unsere Charas mehr oder weniger hadeln... wir sind die Schöpfer der Schöpfer.
Und ich kann mir denken, dass ein dogmatischer Christ/Jude/Muslim/was-weiß-ich-nicht-noch-alles damit ein "leichtes" Problem haben könnte.

Silberweide

Ich bin evangelisch altreformiert.

Eigentlich lasse ich mich nicht von meiner Religion (und auch nicht von anderen) beeinflussen, was ich wie schreibe. Ich habe nur ein klitzekleines Problemchen damit, wenn ich abends meine Geschichten weiterdenke, wenn in ihnen eine Gottheit, eine Göttin oder gleich ein ganzes Sammelsurium an Göttern (m und w) vorhanden ist. Es kommt mir immer etwas... falsch vor, wenn ich, zwar als mein Charakter, den ich dann verkörpere, in irgend einer Art und Weise "anbete". Ich richte keine Gebete an die, das hab ich mir von vornherein untersagt, aber trotzdem hab ich immer ein mulmiges Gefühl und versuch solche Szenen relativ außen vor zu lassen. Manchmal geht's nur leider nicht.
Geschrieben seh ich das schon etwas anders und wenn ich Bücher anderer Autoren lese, hab ich damit überhaupt kein Problem. ICH weiß ja, dass es Fiktion ist. Leider weiß ich nicht, wie "mein" Gott darüber denkt ^^° (Hört sich dämlich an, ist aber so~)

Moni

ZitatVielleicht ist es für Fantasyautoren gerade gut, nciht allzu reiligös zu sein - das heißt nciht, dass alle Fantasyautoren Atheisten sind, nur, dass unsereins einen lockereren Umgang mit Religion hat - immerhin schaffen wir ja auch zumindest ansatzweise eine Religiöse Richtung, nach der unsere Charas mehr oder weniger hadeln... wir sind die Schöpfer der Schöpfer.
Und ich kann mir denken, dass ein dogmatischer Christ/Jude/Muslim/was-weiß-ich-nicht-noch-alles damit ein "leichtes" Problem haben könnte.
Na na, bitte nicht verallgmeinern... wenn das auf dich alles so zutrifft, ok., dann schreib aber bitet auch "ich" und nicht "alle Fantasyautoren" ...

Ist nicht bös gemeint, aber bitte nicht von dir auf andere schließen... schon gar nicht bei einem so persönlichen Thema.

Lg
Moni
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Manja_Bindig

Ich hab ja auch gesagt "vielleicht".  ;)

Moni

Zitatnur, dass unsereins einen lockereren Umgang mit Religion hat

Ich bezog mich darauf.... aber auch egal...
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Lastalda

Wenn man "locker" als "nicht starr oder gar extremistisch auf ein Kirchendogma festgelegt, das ein Denken außerhalb desselben nicht erlaubt" übersetzt, könnte es aber hinkommen. Denn ein solches festes Dogma dürfte meiner Meinung nach tatsächlich zu gewaltigen Konflikten führen... Aber ich kann mich natürlich auch irren. ::)

Meintest Du das, Manja?

Manja_Bindig

Ja... ich meine hiermit Menschen, die diese Nächstenliebe-Ideale, etc. leben und die bibel so auffassen - und ehrlich diese Vorstellung von einem Gott, der die Menschen liebt, wie sie eben sind, wäre sogar mir noch halbwegs erträglich. Aber eben nur halbwegs, immerhin ist Gott=Schicksal, da rüttelt kein Christ dran... und ich nehm mein Leben lieber selbst in die Hand und vertraue nur auf meine eigenen Fähigkeiten.

Astrid

#23
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Gott kein Thema war, Lügen, Verdrängung und Heuchelei "um des lieben Friedens willen" an der Tagesordnung waren, Männer den Allmächtigen rauskehrten und Frauen ebendiese Männer vor den katastrophalen Folgen ihrer Fehler, Dummheiten und Verbrechen schützen zu müssen meinten. Auf Kosten ihrer eigenen seelischen Gesundheit. Und der ihrer Kinder.

Mit 18 kam ich in eine christliche Jugendgruppe, hatte zum ersten Mal Freunde, mit denen ich reden konnte, fühlte mich viel besser und glaubte, daß ich das ihrem Gott zu verdanken hatte. Also glaubte ich dankbar ebenfalls an Gott. Bis die Gruppe wegen kleinlicher Zankerei und hinterfotzigem Getue auseinanderbrach und mir die Versicherung "Aber ich bete für dich" nur noch wie bösartigster Hohn vorkam. Ganz abgesehen davon, daß mein ultrachristlicher Gruppenleiter mir erklärte, daß mich das Schreiben von Fantasygeschichten (also Rabenzeit) geradewegs in die Hölle brächte, wenn mir "so was" wichtiger sei als Gott. Es war mir SELBSTVERSTÄNDLICH wichtiger als Gott, weil es mich nämlich am Leben hielt. Ich mußte wählen: Rabenzeit oder Gott. Gott verlor.

Danach zog ich mich von solchen Gruppen zurück. Mittlerweile glaube ich nicht nur nicht an Gott, sondern ich weigere mich, an ihn zu glauben, ich hasse die heuchlerische Bande, die ihn als Rechtfertigung und Entschuldigung für jede noch so erbärmliche Tat vor sich her trägt. Ich habe nichts gegen Menschen, die wirklich an ihn glauben und Kraft daraus schöpfen, aber ich halte Religion allgemein für ein Hilfskonstrukt, mit dem Menschen sich eine Richtung zu geben versuchen. Und das ist meiner Meinung nach auch die einzige Daseinsberechtigung der Religion, weil Menschen ohne Richtung und ohne Grenzen Monster werden.

ABER ich glaube an Geister, weil ich selbst mal einen erschaffen habe und drei Tage lang mit ihm herumgelaufen bin. Ich glaube aber, daß Geister genau das sind - irgendwelche Eindrücke überreizter, überstreßter Gehirne.

Manja_Bindig

Ich denke, das einzige, woran jeder Mensch wirklich glauben kann, ist sich selbst und seine Fähigkeiten - in meniem Falle die Fähigkeit, alles möglische zu überleben und es auf schreiberische Weise zu verarbeiten.

Falls es doch etwas gibt, dass einem "Gott" nahekommt, etwas, das einem Menschen gewisse Gegebenheiten auf den Weg gibt, damit er dann damit sein Leben lebt, danke ich diesem Etwas für meine Liebe zum Schreiben. Und dass ich durch das Schreiben leben kann.

Lastalda

Och, Manja, man KANN durchaus an andere Dinge als sich selbst und seine Fähigkeiten glauben. Und es gibt auch Menschen, die genau daran überhaupt keinen Glauben haben. Also funktioniert die allgemeingültigkeit Deines Satzes nicht. ;)

Und übrigens: es gibt durchaus Christen, die Gott nicht mit Schicksal gleich setzen. Das sind z.B. die, die glauben, dass Gott dem Menschen einen freien Willen gab - mit der Auflage, dass er mit den Konsequenzen klarkommen muss.
Halt ich für eine gesunde Einstellung. :)

Manja_Bindig

Ich hab noch keinen gläubigen Christen getroffen, auf den das zutrifft.

Moni

ZitatUnd übrigens: es gibt durchaus Christen, die Gott nicht mit Schicksal gleich setzen. Das sind z.B. die, die glauben, dass Gott dem Menschen einen freien Willen gab - mit der Auflage, dass er mit den Konsequenzen klarkommen muss.
Halt ich für eine gesunde Einstellung. :)

So wie ich zum Beispiel... Womit du widerlegt wärest, Manja  ;)
Wenn ich mich selbst zitieren darf:
ZitatDa Gott uns den freien Willen gegeben hat, glaube ich nicht an Dinge wie "Schicksal" oder "Fügung". Somit gibt es für mich auch keine göttliche Einmischung in mein Leben, was sich, wie bereits erwähnt, auch in meinen Texten niederschlägt.  
Aber jeder stellt sich Gott auf seine ganz persönliche Weise vor, entweder im positiven Sinne als ein "Etwas" an das man glauben kann, oder im negativen Sinne um seine Ablehnung darauf zu projizieren.

Und ich bezeichne mich selbst durchaus als gläubige Christin.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Manja_Bindig

Gut... ich kenne keinen aus dem nichtvirtuellen Leben... aber naja, Zabeltitz... ne, Lastalda?

Feuertraum

Eine kleine Geschichte am Rande (falls sie nicht paßt, dann diesen Post bitte löschen):
Meine Tante glaubte an Gott.
Meine Tante starb mit 46 Jahren.
Sie krepierte an Krebs (und das Wort krepieren ist hier nicht abwertend gemeint).
Selbst größere Mengen Morphium halfen nicht mehr, die Schmerzen zu unterdrücken. Es ging sogar soweit, das ihr Gedächtnis versagte.
Mit anderen Worten: der Tod war für sie eine Erlösung.
Am Tag ihrer Beerdigung kam einer der sogenannten Christen auf die Familie zu und sagte:
"Gott wollte ihren Glauben testen, doch dieser war nicht stark genug, darum mußte sie so lange leiden."

Traurig, aber wahr.

Gruß

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?