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Schreib-Bar, der Quasselthread für Tippjunkies

Begonnen von gbwolf, 07. April 2008, 09:22:21

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Assantora

@ Chaosqueen
Ich weiß was du meinst und mir geht es selbst auch immer so. Ich habe auch das Gefühl, total platte Charaktere zu haben.
Zitatweiß nie, wer meine Figuren sind, wie sie aussehen, was sie in ihrem bisherigen Leben erlebt haben, was sie geprägt hat - kurz: Ich habe eindimensionale Figuren in maximal zweidimensionalen Welten.
Das kann ich so unterschreiben. Vielleicht müssen wir uns mal zusammensetzen und über unsere Probleme diskutieren. Vor allem vergesse ich nach der Einführung eines Charas immer auf so Sachen, wie die Augenfarbe oder die Haare einzugehen. Ich fürchte in manchen Geschichten von mir wechselt sie gefühlt alle drei Seiten, also Chameleon-Haare.  ;D
Was die zweidimensionalen Welten angeht: Ich als Weltenbastler *hüstl* muss gestehen, dass die Welt von meinem Herzensprojekt nur aus einer Hand voll Städten und Schauplätzen besteht, ich keine Ahnung über die Regierungen habe, wer also wie herrscht, oder wie genau die Landschaft gegeben ist. Das ist peinlich, angesichts der Tatsache, dass mir die Geschichte so wichtig ist.
ZitatWie macht ihr das, dass ihr spannend schreibt, ohne durchzuhetzen, die Umwelt beschreibt, ohne seitenlang zu langweilen, die kleinen, zwischenmenschlichen Aspekte beleuchtet, ohne albern, oberflächlich oder kitschig zu werden?
Das ist eine Frage, die mich wirklich auch interessieren würde. Ich bleibe meist auch ziemlich oberflächlich. Also wenn du, oder jemand anderes eine Antwort darauf hat: Ich würde sie gerne ebenfalls hören :)

Heute ist kein guter Schreibtag :( Meine Erste Session hat nur die Hälfte von meinem Tagessoll eingefahren und ich hänge irgendwie am Ende einer ziemlich grausigen Szene. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie nötig ist, ob sie zu sehr darauf abzielt, wer der Antagonist ist, oder ob ich sie nicht einfach erst mal liegen lasse und mich der so entscheidenden Ratssitzung zuwende, in der mein Verräter endlich erfährt, wer sein neuer Boss ist und fröhlich aus den Latschen kippt.  ;D
Wie mache ich das eigentlich, damit der Leser auch aus den Latschen kippt, wenn man mit dem Namen erst einmal erklären muss, wer der neue Boss überhaupt ist? Da stehe ich gerade irgendwie auf dem Schlauch  ???

Sprotte

ZitatIch schwafle, habe kein Ziel, wohin die Reise gehen soll, bastle tausend Nebenschuplätze, bleibe aber in allen Bereichen extrem oberflächlich, ich weiß nie, wer meine Figuren sind, wie sie aussehen, was sie in ihrem bisherigen Leben erlebt haben, was sie geprägt hat - kurz: Ich habe eindimensionale Figuren in maximal zweidimensionalen Welten.

Wie Du weißt, schreibe ich besonders figurendominant, deswegen bin ich natürlich hierüber gefallen.
Ich kenne meine Figuren (okay, manchmal bau ich da auch Mist, aber im Großen und Ganzen). Ich weiß nicht unbedingt, was ihre Lieblingsfarbe ist oder ihr Lieblingsessen. Aber ihr Charakter ist mir bekannt, was treibt sie an, wie reagieren sie in Situation A, B oder C?
Wie weit hast Du es mit Vorstellungsgesprächen schon versucht? Kann helfen, muß nicht. Oder Testszenen. Von dem Procedere habe ich irgendwo gelesen (wahrscheinlich im Zirkel): Stell Held B auf eine bunte Wiese und konfrontiere ihn mit gewöhnlichen und ungewöhnlichen Szenerien. Jemand fragt nach der Uhrzeit. Jemand versucht, ihm sein Geld zu stehlen.

Eindimensionale Figuren tun nicht nur beim Schreiben weh, sondern auch beim Lesen. "Hebt die Titanic" ist für mich ein krasses Beispiel von Figuren, die nicht berühren. Held rennt sehr alleskönnend herum, den lasse ich mal beiseite. Aber die ganzen Wissenschaftler und Ingenieure, die mitspielen, werden alle nur mit zwei, drei Sätzen vorgestellt, wie toll sie jeweils in ihrem Fach sind, und dann agieren sie komplett austauschbar und ohne Wiedererkennungswert. Als die Bösen an Bord kamen und Nebenfiguren killten, wußte ich nicht einmal, wer wer ist. Es blieben leere Namen ohne Gesicht, und es war mir verflixt egal, ob die da gerade über die Klinge springen.

Plotten ... Wie viel, wie wenig ... Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß jeder Autor da eine andere Dosis braucht. Und alleine herausfinden muß, wo genau sein Grat liegt zwischen "Ich langweile mich zu Tode, weil ich zu viel geplottet habe" und "Argh, voll gegen die Wand, weil ich zu wenig geplottet habe".
Ich komme mit sehr wenig aus. Vielleicht auch, weil ich ja meine Figuren habe, an denen ich mich festklammere, damit sie mir nicht im Kampfgetümmel abhauen.

Denn ich schreibe beinahe wie eine Chronistin. Ich renne mit dem Diktiergerät hinter meinen Helden her und klebe an ihnen, während sie Gegner niedermachen.

Wie viel Nähe zu den Figuren braucht eine Geschichte? Das hängt wieder vom Genre ab. Das Titanic-Buch verkaufte sich auch ohne Nähe, wurde sogar verfilmt. Liebesroman? Du mußt quasi in ihrem Blinddarm wohnen!

Ich hoffe, ein paar Punkte zum Nachdenken eingebracht zu haben.

Christopher

@Coppi
Blues hab ich bisher keine. Werde ich denke ich auch vorerst nicht kriegen. Ich habs ja auf ne Fortsetzung angelegt. Ann und Meru verlassen mich noch lange nicht ;)

Zu deinem Problem (warum Mitsprachrechte?): Es gab doch gerade in den letzten Jahren genug Live-Beispiele, wie so was abläuft! Ägypten, Lybien, Türkei, Ukraine... Meistens waren kleine Dinge der Auslöser für etwas großes. Verstärkt durch Medien und Kommunikation. Lass etwas "kleines" passieren, was aber viele Menschen bewegt und dazu bringt, Ungerechtigkeiten anzuklagen oder das System anzuzweifeln. Anschließend das ganze gut kommunizieren, damit möglichst viele Leute bewegt werden... en voilá ein Aufstand.

@Chaos
Komisch. Du beschreibst da ein Problem, was ich völlig anders sehe. Vielleicht ist meine Erwartung beim lesen eine gänzlich andere. Es geht um deine "platten" Charaktere die keine Vergangenheit haben. Meine beiden Protas hatten auch keine Vergangenheit. So wirklich gar keine. Ich erzähle nichts, was vor dem Punkt passiert ist, wo man sie kennengelernt hat. Liegt daran, dass ich sowas grundsätzlich als langweilig/willkürlich/konstruiert empfinde.
"Er hatte eine schwere Kindheit.", "Sie war schon so oft in ihrem Liebesleben enttäuscht worden." am besten noch, als Begründung für ein bestimmtes Verhalten, sind Sätze, die ich schrecklich finde. Ich lasse die Figuren lieber erleben, anstatt dem Leser irgendwelche Archetypen mit solchen Aussagen in den Kopf drücken zu wollen. Definier deine Charaktere doch durch das, was sie erleben, nicht das, was sie angeblich in ihrer Vergangenheit erlebt haben. Denn diese Vergangenheit kannst du nur durch solch platte Sätze, oder Rückblenden einfügen. Zu den platten Sätzen muss ich ja wohl nichts sagen. Und die Rückblenden machen eine Geschichte meistens schwerfällig.

Wie gesagt, das ist meine, etwas andere Sichtweise. Ich weiss, es gibt auch Romane, in denen man Figurenentwicklung als Kernpunkt hat. Bei denen eben diese vergangenen Dinge in die Gegenwart wirken und man die Veränderung der Figur miterlebt. Aber sowas könnte ich persönlich nicht schreiben. Da würde ich mich oft ähnlich fühlen wie du.
Be brave, dont tryhard.

Klecks

@chaosqueen: Ich finde auch, es ist alles eine Sache der Übung, des stetigen Sichweiterentwickelns, des Dranbleibens. Bei manchen Menschen geht es ruckzuck, andere brauchen länger. Ich schaffe es bis heute nicht, einen Plot zu fabrizieren, in dem nicht mindestens eine Handvoll viel zu großer Plotlöcher oder Logikfehler auftauchen, dabei schreibe ich schon sooo lange. Und wenn es das nicht ist, dann erreiche ich irgendwann bei vielen Projekten einen Punkt, an dem es einfach nicht weitergeht - weil mein Plot aufgebraucht ist, weil ich zu wenig recherchiert habe oder aus unzähligen anderen Gründen, von denen ich nicht alle kenne und von denen ich niemals alle kennen werde. Aber ich überwinde diesen Punkt jedes Mal, egal, wie lange es dauert, egal, ob es mir leicht fällt oder ob ich mich eine gewisse Zeit lang zwingen muss. Ich bin mir sicher, dass du das bei deinem Problem auch schaffen kannst!

Und noch etwas: Ich habe immer das Gefühl - immer, immer, immer -, dass ich meine Charaktere nicht genug zum Leben erwecken kann, dass ich zu oberflächlich schreibe, dass es nicht spannend genug ist. Immer. Das heißt jedoch nur, dass wir das so empfinden, und muss nicht unbedingt heißen, dass es für andere auch so wirkt. Für meine emotionale Schreibe, die Charaktere und den Tiefgang wurde ich von meinen Lektorinnen und Lesern bisher am meisten gelobt - und das, obwohl ich mir sicher war, genau darin drei große Schwächen zu sehen. Du siehst also: Was man an sich selbst als Makel empfindet, halten andere vielleicht für das, was am besten ist. Es ist leicht gesagt - und ich bin unfähig, es zu tun, das gebe ich zu -, aber wir Schreiberlinge sollten aufhören, uns immer selbst unter Druck zu setzen. Davon werden unsere Romane - egal, wie lang sie sind und egal, wie viele Ideen jemand hat - nicht besser.  :)

HauntingWitch

Assantora, Coppelia und Tinnue, ihr dürft gerne bei mir im Heim vorbeikommen und ein paar Plotbunnies abholen.  ;) Oder ich packe sie in eine Kiste und schicke sie euch.  :knuddel:

Tinnue

ZitatUnd noch etwas: Ich habe immer das Gefühl - immer, immer, immer -, dass ich meine Charaktere nicht genug zum Leben erwecken kann, dass ich zu oberflächlich schreibe, dass es nicht spannend genug ist. Immer. Das heißt jedoch nur, dass wir das so empfinden, und muss nicht unbedingt heißen, dass es für andere auch so wirkt. Für meine emotionale Schreibe, die Charaktere und den Tiefgang wurde ich von meinen Lektorinnen und Lesern bisher am meisten gelobt - und das, obwohl ich mir sicher war, genau darin drei große Schwächen zu sehen. Du siehst also: Was man an sich selbst als Makel empfindet, halten andere vielleicht für das, was am besten ist. Es ist leicht gesagt - und ich bin unfähig, es zu tun, das gebe ich zu -, aber wir Schreiberlinge sollten aufhören, uns immer selbst unter Druck zu setzen.

Allgemein kann ich mich Klecks da nur anschließen. Es ist verdammt schwer, zu wissen, ob es an der Stelle oder überhaupt so IST oder es einfahc nur aus unserer Perspektive so aussieht.

@Chaos: Hängt das, was du bechreibst, vielleicht ein wenig mit dem oben zusammen? Ich kann auch wunderbar lektorieren, hab ich schon immer gern gemacht (und Deutsch ja auch studiert). Und vielleicht liegt dir das auch, aber wieso solltest du nicht genauso (gut) schreiben können? Weißt du denn sicher (!), ob es zu platt/ zu facettenlos/mit zu wenig Tiefgang etc. ist? Oder könnte es sein, dass da vielleicht Autor und Lektor sich zu sehr vermischen? Ich hatte letztens mal eine Stelle an Nika geschickt (Danke Nika noch mal an der Stelle) weil ich einfach furchtbar unglücklich war: Passt das? Wirkt das stimmig? Brauchen die hier zu lange? Zieht sich das? Sie hat es sich durchgelesen und mich gefragt, wo eigentlich mein Problem sei ...

Manchmal habe ich selbst sicher recht mit meiner Kritik an mir und oft ist auch das Gefühl, dass da "etwas noch nicht ganz stimmt" nicht ganz unbegründet. Aber oft macht man sich auch zu viele Gedanken. Hantiert zu viel mit Schemata, Regeln. Ist das richtig so? Ist das glaubhaft? Wie verlieben die sich ineinander, ohne dass es klischeehaft ist? Passt dann die Szene so, die Worte, die Berührung? Man könnte wirklich überall fragen und hinterfragen. Womöglich fragst du tatsächlich zu viel? Aber das kann ich aus dem bisschen natürlich nicht sagen.

Zu wissen, ob das und das so richtig läuft (Beziehungsaufbau zwischen A und B, gute Spannungsbögen, harmonischer Wechsel zwischen Info und Action, Dialog und Handlung) lässt sich überhaupt schon mal lernen. Ich merke hier und da, wie es hapert. Aber ich versuche versuche versuche wirklich, mich deswegen nicht immer ganz in Frage zu stellen: Kann ich Autorin sein? Damit nimmt man sich doch sehr den Spaß an der SACHE an sich, dem Schreiben. Der Leidenschaft.

Aber wenn ich mal denke, das gefühl dazu verloren zu haben, schaue ich einfach in andre Bücher. Schlage den Prolog auf, Kapitel 1, irgendwo mal in der Mitte. Schaue, wie schnell (wie viele Seiten braucht der Autor, bis ...?) die Handlung vorangeht, aber im Bezug auf die Länge des Romans (dicke Wälzer dürfen "langsamer" vorangehen wie dünnere, finde ich. Schaue, wie Charaktere innerhalb von Dialogen wirken, welche Andeutungen da fallen, wie dezent Gefühlsregungen eingebettet werden dabei, damit es nicht zu plump wirkt ... und prompt habe ich selbst wieder ein bisschen besseres Gefühl dafür. Mag sein, dass auch so etwas hilft? Oder einen Film schauen?


Siara

@chaosqueen:
Zitat von: Coppelia am 21. April 2014, 10:51:17
Stell dir vor, du würdest nicht mehr schreiben. Würdest du das Schreiben dann vermissen? Oder eher nicht?
Die Antwort auf diese Frage ist das Wichtigste, finde ich. Eventuelle Qualität, Leistung, Verbesserungsmöglichkeiten u. ä. sind dann völlig zweitrangig. Selbst wenn du nie professionell schreiben solltest - es gibt ja auch genug Leute, die zum Spaß Sport treiben, ohne bei Wettkämpfen Geld zu verdienen.
Was Coppelia da gesagt hat, finde ich extrem wichtig.

Allerdings ist natürlich verständlich, dass der Spaß flöten geht, wenn man mit dem, was man schreibt, absolut nicht zufrieden ist. Ich habe das Gefühl (und ich nehme gerne jede Pfanne, wenn das vollkommen anders ist), dass du gerade von einer partiellen Unzufriedenheit, die unangenehm lange angedauert hat, in eine ständige universale Unzufriedenheit gerutscht bist. Vielleicht hast du dich so sehr auf die kleinen Haken und Unreinheiten konzentriert, dass du jetzt alles viel negativer siehst, als es ist.

Ich denke, seine Probleme beim Schreiben hat beinahe jeder, auf jeden Fall aber viele. Bei manchen ist es die Frage nach der Tiefe der Charaktere, bei anderen Plotlöcher, beim nächsten der Schreibstil. Wenn du aber schon beim Schreiben auf all das achtest und jede Kleinigkeit analysierst, dann kann ich mir gut vorstellen, dass die persönliche Nähe zur Geschichte dabei untergeht. So eine Angewohnheit abzustellen ist natürlich nicht so einfach möglich, aber ich denke schon, dass es da Mittel und Wege gibt.

Zitat von: chaosqueen am 21. April 2014, 09:45:48
Und wie wird aus einer Idee wie zum Beispiel "Mann und Frau verlieben sich, trennen sich aus Gründen, sie wird schwanger, er ist gekränkt, sie zieht weg, baut sich ein neues Leben auf, er versinkt im Selbstmitleid und nach Jahren treffen sie sich wieder und haben eine zweite Chance" mehr wird als eben genau diese Zusammenfassung?
Vielleicht wäre genau dieses Beispiel eine gute Übung. Fang doch mal an, genau so etwas zu schreiben, eine einfache Grundidee, die in der einen oder anderen Variante schon viele Male verwendet wurde. Und dann, einfach als Test, lass etwas Unerwartetes passieren (das ja nicht mal sinnvoll sein muss). Diese einfache Struktur gerät ins Wanken, die Figuren müssen irgendwie handeln und vielleicht kannst du so die Fantasie etwas anstacheln.

Zitat von: chaosqueen am 21. April 2014, 09:45:48
Ich habe eindimensionale Figuren in maximal zweidimensionalen Welten.
Nehmen denn Leser das genauso war? Oder nur du selbst? Und zweidimensionale Welten müssen nichts Schlechtes sein. Manche schaffen sich ein komplettes Universum, anderen reichen Szenerien, vor denen die Handlung spielt. Den Namen aller vergangener Grafen in der Provinz auf der anderen Seite des Meeres im Norden zu kennen, ist sicherlich kein Muss. Bei vielen dient schließlich die Welt der Geschichte, nicht andersherum.

Zitat von: chaosqueen am 21. April 2014, 09:45:48
Ich: Hier und da ein Fragment einer Figur, einer Szene, eines Settings, einer Geschichte. Reicht meist nicht mal für eine Kurzgeschichte. Ich bekomme einzelne Szenen hin, die tatsächlich ansatzweise die dichte vorweisen, die ich in Texten haben will, aber ich schaffe die Balance nicht zwischen dichten Szenen und Dialogen, zwischen der detaillierten Beschreibung einer Handlung und dem Überspringen ganzer Wochen, ohne diese einfach komplett auszulassen und damit nur einzelne Szenen aneinanderzureihen, was keine Handlung ergibt.
Öhm, und ich dachte immer, eine Handlung würde aus einer Aneinanderreihung von Szenen bestehen? Kann es sein, dass dir nur etwas fehlt, weil du die wichtigen Momente/Gespräche beschreibst und den Rest weglässt? Ich meine, es ist doch richtig und in Ordnung, wenn man von einer Zeit, in der viel passiert, viel berichtet, und dann einige Zeit auslässt, in der nichts weiter passiert, oder? Zu wissen, was wichtig ist und darüber zu schreiben, das ist doch Können und keine Schwäche. Hast du denn einen zentralen Konflikt, den du behandelst? Denn solange der existiert (und du deine wiederkehrenden POVs hast), ergibt das meiner Meinung nach genug an Zusammenhang zwischen den einzelnen Szenen.

So, das war jetzt mein vollkommen Trost freier Beitrag hierzu. ;D
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

gbwolf

Zitat von: chaosqueen am 21. April 2014, 09:45:48
Und wie wird aus einer Idee wie zum Beispiel "Mann und Frau verlieben sich, trennen sich aus Gründen, sie wird schwanger, er ist gekränkt, sie zieht weg, baut sich ein neues Leben auf, er versinkt im Selbstmitleid und nach Jahren treffen sie sich wieder und haben eine zweite Chance" mehr wird als eben genau diese Zusammenfassung?
In diesem Pitch steckt ja schon weitaus mehr Info, als man denkt. Ist ja wie bei einem Eiweiß: Denaturiert ist es viel, viel größer, aber die Form, die es annimmt, die wird schon in der winzigen Fassung vorgegeben.

Der Mann und die Frau werden wahrscheinlich nicht nur im gebärfähigen Alter sein, sondern jünger als 35, denn sie können offensichtlich nicht mit ihren Gefühlen umgehen. Beide haben unterschiedliche Umgehensweisen, die bei einem Wiedersehen wahrscheinlich wieder zu Problemen führen. Der Leser sieht nach dem romantischen Zusammentreffen alles wieder so enden, wie früher, es sei denn, diese Zwischenjahre spiegeln kein typisches Verhalten wieder. Also, die Frau musste durch die Umstände ein neues Leben aufbauen und konnte wegen des Kindes (seins?) nicht in Depressionen verfallen oder sie wurde trotzdem depressiv, wenn niemand hinsah. Er wollte eigentlich alles meistern, aber dann kamen Äußere Umstände dazu (Seine Eltern signalisierten ihm immer, dass er die perfekte Schwiegertochter weggestoßen hat, Job verloren, falsche Freunde intrigieren, ...).

Also, ich finde, wenn man den Pitch ein wenig intensiver liest, beginn von ganz allein eine Geschichte, die man erst mal grob mit Spannungsmomenten, Ellipsen und Konflikten versehen kann.

Ansonsten teile ich dein Gefühl gerade. Mein Problem ist nur, dass es mich mitten im Lektorat ereilt und ich jetzt nicht hinschmeißen kann.

Guddy

#15698
Zitat von: Christopher am 21. April 2014, 11:28:44

"Er hatte eine schwere Kindheit.", "Sie war schon so oft in ihrem Liebesleben enttäuscht worden." am besten noch, als Begründung für ein bestimmtes Verhalten, sind Sätze, die ich schrecklich finde. Ich lasse die Figuren lieber erleben, anstatt dem Leser irgendwelche Archetypen mit solchen Aussagen in den Kopf drücken zu wollen. Definier deine Charaktere doch durch das, was sie erleben, nicht das, was sie angeblich in ihrer Vergangenheit erlebt haben. Denn diese Vergangenheit kannst du nur durch solch platte Sätze, oder Rückblenden einfügen. Zu den platten Sätzen muss ich ja wohl nichts sagen. Und die Rückblenden machen eine Geschichte meistens schwerfällig.
"Was sie angeblich erlebt haben" ... Ehem. Die Protagnisten erleben alles, was wir schreiben, nur angeblich. Da muss diese angebliche Vergangenheit gar nicht so diffamiert werden.
Es geht nicht darum, wer "die schlimmste, die tragischste die gar schröcklichste Vergangenheit" hatte. Aber eine Vergangenheit braucht jeder Mensch, sonst wird er eindimensional. Und ja, oftmals merkt man eine fehlende Vergangenheit leider ;)
Ich persönlich mag Charaktere mit Vergangenheit. Ganz gleich, ob sie rosig oder tragisch ist, denn das ist nicht der Kern der Sache. Die Protas sollen in meinen Augen leben, erleben, fühlen und einen Grundstein haben. Eine Vergangenheit macht sich eben nicht nur durch Rückblenden oder künstlich-bedeutungsschwere Sätze bemerkbar, sondern zieht im Hintergrund die Fäden, stützt den Char unsichtbar.

Und ja, das kann man lernen und man kann sich dadrin einfinden. Natürlich muss man es nicht und wer Protagnisten ohne Hintergrund besser findet, soll es tun. Mir gefällt nur nicht, dass oft darauf herumgehackt wird, wenn jemand eine tragische Vergangenheit hatte. Soll vorkommen, ich hatte selber eine.

@Chaosqueen kein Schriftsteller ist wie der andere, der eine legt den Fokus auf A, der nächste auf B. Wichtig ist, dass du Spaß daran hast, wie andere schon geschrieben haben. Vielleicht hast du bei der ein oder anderen Sache noch Verbesserungsbedarf, doch den haben die meisten hier (und das ist auch gar nicht schlimm.
Es soll auch Künstler geben, die nicht zeichnen können - und es trotzdem tun. Manche werden im Laufe der Zeit besser, gar richtig gut. Oder sie stellen fest, dass sie es nie verkaufen werden. Aber: DU bist hier in diesem Forum angemeldet, heißt, du hast eine gewisse Passion was dieses Thema angeht, sonst wärst du kaum so weit gekommen!

Issun

Ich bin auch der Meinung, dass die Vergangenheit einer Figur wichtig ist. Sicher sind Sätze wie "Er hatte eine schreckliche Vergangenheit." oder endlose Rückblenden eher zu meiden (beides kann aber in bestimmten Kontexten auch passen), viel interessanter finde ich es dagegen, wenn die Vergangenheit die Gegenwart der Charaktere spürbar beeinflusst, indem sie vor dem Hintegrund bestimmter Erfahrungen entscheiden. Ich habe festgestellt, dass ich dazu neige, Charaktere ohne wirkliche Vergangenheit "out of character" handeln zu lassen, weil ich mir bei ihnen nicht klar bin, wie sie auf gewisse Situationen reagieren würden. Bei den Figuren mit Vergangenheit sehe ich wesentlich deutlicher, welche Reaktion stimmig ist und welche nicht. Natürlich sieht das jeder anders, als halber Historiker habe ich wahrscheinlich eine Neigung, bei allem die Geschichte zu betrachten und für wichtig zu halten.

Ich schreibe gerade wie vom wilden Affen gebissen. 
Irgendwie ist es mir unbegreiflich, dass sich so viele Probleme in meiner Geschichte gerade lösen. Ich arbeite lieber mit meinen Figuren denn je, und ich habe das Gefühl, dass auch die letzten Plotlöcher bald gestopft sein werden. Aber ich habe eine Neigung dazu, mir selbst Steine in den Weg zu legen. Der Bruder meines Antagonisten hat, wie sich herausstellt, eine leichte geistige Behinderung, und nun habe ich wieder keine Ahnung, wie ich diese Idee umsetzen soll, ohne von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten. Zwar arbeitet mein eigener Bruder mit Menschen mit Autismus, aber das ist etwas anderes als die Beeinträchtigung des Charakters, darum kann ich ihn auch nicht wirklich zu Rate ziehen.

@Coppelia: Mein Prota hat auch eine gebrochene Nase. ;D Zweifach gebrochen sogar. Ich habe mich immer gefragt, welche Nasenformen durch schlecht behandelte Brüche entstehen können. Im Internet finde ich immer nur die klassische schiefe Nase, aber das trifft es nicht so wirklich. 


Klecks

Zitat von: Issun am 21. April 2014, 15:59:10Ich habe festgestellt, dass ich dazu neige, Charaktere ohne wirkliche Vergangenheit "out of character" handeln zu lassen, weil ich mir bei ihnen nicht klar bin, wie sie auf gewisse Situationen reagieren würden.

Mir geht es ganz genau so, wenn ich die Vergangenheit einer Figur nicht kenne - oder auch, wenn ich noch nicht genügend über sie weiß. Dann will es einfach nicht klappen mit dem Schreiben. Mir hilft es dann, sie richtig auszufragen. Gerade lustige, interessante Details über eine Figur eignen sich dafür wunderbar. Die kommen mir immer in Erinnerung, wenn ich an den jeweiligen Prota/die jeweilige Prota denke, und ich muss schmunzeln, wenn ich aus seiner/ihrer Sicht schreibe, was automatisch dazu führt, dass ich mich besser in ihn/sie einfühlen kann.

Coppelia

ZitatIch schreibe gerade wie vom wilden Affen gebissen. 
Irgendwie ist es mir unbegreiflich, dass sich so viele Probleme in meiner Geschichte gerade lösen. Ich arbeite lieber mit meinen Figuren denn je, und ich habe das Gefühl, dass auch die letzten Plotlöcher bald gestopft sein werden.
Yeah, Issun! Das freut mich total! Dann bleib dabei! :vibes:
Zweifach gebrochen, oha ...
Ich vermute, es können relativ beliebige Nasenformen entstehen, da ja auch schon nicht gebrochene Nasen viele unterschiedliche Formen haben. ;D

Ich finde irgendwie die Hintergrundwelt und die Gesellschaft sehr wichtig. Meine Figuren haben oft gar keine besonders spektakuläre Vergangenheit, in der sie schon sonstwas erlebt haben. Aber wenn ich weiß, wie die Welt funktioniert und welche Gesellschaft meine Figuren umgibt, kann ich mir recht leicht ein Bild davon machen, woran die Figur gewohnt ist und wie sie auf dieser Grundlage in neuen Situationen reagieren könnte. Die aufregenden und tragischen Geschichten hebe ich mir dann ganz gern für die eigentliche Story auf.
Tragisch und viel erlebt ist ja auch Definitionssache, aber eine Figur, die Kinder hat, wird wahrscheinlich in manchen Situationen anders handeln als eine, die keine Kinder hat, und dann kann man sich noch ausdenken, wie es dazu kam, dass sie Kinder hat, und so weiter ...
Eigentlich sollte es mir da ja leicht fallen, Geschichten in unserer Welt zu schreiben. Aber im Gegenteil, es fällt mir schwer, ist fast unmöglich für mich.

heroine

Ich denke es kommt drauf an wie man die Vergangenheit integriert. So erklärende Sätze wie:

"Er hatte eine schwierige Kindheit und daher Vertrauensprobleme."
"Sie wurde von allen ihren Freunden betrogen und mag seitdem keine Männer mehr."
"Er liebte schon immer Süßigkeiten und hatte daher einen Hang zum Übergewicht."

Das sind natürliche Katastrophen für Protagonisten. Ausnahme ist es, wenn das die Meinung eines Protas über andere Charaktere ist. Hier spielt die Umsetzung rein. Ich denke wenn der Charakter ständig wenn er Süßigkeiten sieht aufgeregt wird und welche haben will, dabei gelegentlich auch an die tollen Süßigkeiten denkt, die Großmutter, Mutter und/oder Grundschullehrer gebacken haben, ist das eine andere Übermittlung des gleichen Sachverhalts. Steigern lässt es sich indem man dann vielleicht noch ein kleines schlechtes Gewissen mit Blick auf die Wampe einfügt oder die Unlust wegen den Süßigkeiten noch zusätzlichen Sport machen zu müssen. Er hat eine Vergangenheit damit, die sich bis in die Jetztzeit zieht und die erklärt natürlich sein Wesen. Das aber auch so durchgekaut und bereits analysiert dem Leser zu geben ist absolut unnötig. Er kann es sich denken oder, wenn nicht, es ignorieren.

Wichtig in einer Geschichte finde ich die Charakterentwicklung, die währenddessen stattfindet (wenn die Geschichte charakterbasiert ist); warum sollte die Entwicklung die bereits im Vorfeld stattgefunden hat ignorieren?

et cetera

Zitat von: Christopher am 21. April 2014, 11:28:44
Meine beiden Protas hatten auch keine Vergangenheit. So wirklich gar keine. Ich erzähle nichts, was vor dem Punkt passiert ist, wo man sie kennengelernt hat. Liegt daran, dass ich sowas grundsätzlich als langweilig/willkürlich/konstruiert empfinde.
"Er hatte eine schwere Kindheit.", "Sie war schon so oft in ihrem Liebesleben enttäuscht worden." am besten noch, als Begründung für ein bestimmtes Verhalten, sind Sätze, die ich schrecklich finde.

Solche Sätze finde ich auch grauenvoll, aber auch nur, weil sie übelstes Infodumping sind, ohne dass es irgend etwas darüber aussagt, wie die Ereignisse die Figur geprägt haben.
Was ich mich allerdings frage, ist, warum man sofort davon ausgeht, dass ein Prota Furchtbares erlebt haben muss. Er kann ja auch beschaulich im Dorf aufgewachsen sein oder als Stallbursche in der Burg gearbeitet haben, ganz ohne Mord und Totschlag. Das sind auch Erlebnisse, die einen prägen, wenn auch natürlich in eine ganz andere Richtung.

@Chaos:
Ich glaube, jeder von uns denkt, dass das, was er schreibt, nicht ansatzweise so gut ist, wie das, was man erreichen möchte. Denn schließlich eifern wir doch alle vor allem den Autoren nach, die wir als besonders gut empfinden. Das wiederum bedeutet, dass wir die eigene Messlatte verdammt hoch ansetzen und uns dann wundern, warum wir sie nicht erreichen. Ich werde mit Sicherheit auch nie ein herausragender Schriftsteller sein, aber ich hoffe darauf, mal ein guter zu sein :)

Manchmal merke ich auch, dass das, was mich an Romanen anderer interessiert, bei mir einfach nicht funktionieren kann und ich dennoch versuche, es nachzuahmen. Ich stelle z.B. immer wieder enttäuscht fest, dass meine Figuren einfach sehr "normal" sind. Psychopathen kommen bei mir nicht vor (eine Figur wie Joffrey Baratheon aus Game of Thrones wäre undenkbar), aber das liegt nicht daran, weil ich sie nicht interessant finde, sondern weil es mir eben einfach nicht liegt. Genauso werde ich mir auch niemals 3000 Jahre Geschichte wie Tolkien ausdenken, weil es eben nicht meins ist. Ich glaube aber nicht, dass meine Geschichten deswegen schlechter sind (ich glaube, dass sie aus ganz anderen Gründen schlechter sind ;D), sondern eben nur anders. Vielleicht muss man sich einfach davon loslösen, so zu schreiben, wie es andere vormachen, und stattdessen die eigenen Stärken im Auge behalten - ich zumindest hoffe, dass es mir eines Tages gelingt ;)

Guddy

Zitat von: et cetera am 21. April 2014, 17:00:25
Er kann ja auch beschaulich im Dorf aufgewachsen sein oder als Stallbursche in der Burg gearbeitet haben, ganz ohne Mord und Totschlag.  Das sind auch Erlebnisse, die einen prägen, wenn auch natürlich in eine ganz andere Richtung.

Ganz genau, alles prägt einen in irgendeiner Form, manches mehr, manches weniger. Ich finde es am interessantesten, wenn sich die Hintergrundgeschichten meiner Chars nicht komplett ähneln. A hat wirklich Schlimmes erlebt(und gerade in martialischen Fantasywelten ist das nicht so furchtbar abwegig. In einem Land Nordeuropas ist die Chance natürlich ungleich höher, behütet aufgewachsen zu sein), B ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und C hat eigentlich nur die Vögel beobachtet ;) Aber die Versteifung auf nur ein Extrem geht selten gut.