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Schreib-Bar, der Quasselthread für Tippjunkies

Begonnen von gbwolf, 07. April 2008, 09:22:21

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Christopher

Ich sehe, wir sind einer Meinung Guddy. Ich hab das wohl nur etwas missverständlich ausgedrückt.

Wenn der Autor während der Handlung diese Vergangenheit durchscheinen lässt, ist das super und ok. Nur oft bekomm ich sowas in solchen platten Sätzen in genau der Situation vorgesetzt, wo es wichtig ist, das zu wissen. Entweder wurde es vorher nicht eingebaut oder der Autor glaubt, dass es nicht rüberkam. In keinem von beiden Fällen machen solche kurzen Einschübe es besser, in einem sogar schlechter.
Be brave, dont tryhard.

chaosqueen

Danke erstmal für so viel Feedback! :knuddel:

Zur Vergangenheit der Charaktere: Ich meinte natürlich nicht, dass ich ständig dem Leser die Vergangenheit meiner Figuren in Rückblenden und platten Sätzen um die Ohren hauen will (obwohl ich genau das manchmal mache ... *seufz*), sondern dass ich selber die Vergangenheit meiner Figuren kennen muss, um sie in sich logisch handeln zu lassen. Jemand, der in einer Alt-68er Hippiefamilie aufgewachsen ist, wird vermutlich ganz anders über den Konsum von Haschisch denken, als jemand, dessen bester Freund an Drogen gestorben ist. Und wer in einer liebevollen, heilen Familie aufgewachsen ist, wird vermutlich viel eher an das Konzept einer monogamen Beziehung glauben als jemand, der alle paar Monate einen neuen "Vater" vorgesetzt bekam und sieben Halbgeschwister hat. Und in jedem Bereich bestätigen Ausnahmen die Regel - nur wenn ich nichts über meine Figuren weiß, dann kann ich auch nicht beobachten, wie sie sich in bestimmten Situationen (ihnen wird ein Joint gereicht bzw. die Liebste will unbedingt heiraten und Kinder) verhalten und dies in sich stringent beschreiben.

Nadine - das ist der Pitch meines aktuellen Projekts. ;D Und ich habe es so dermaßen gegen die Wand gefahren ... *seufz* Weil ich a) ganz genau weiß, was wann wie wo passiert, aber b) die Autobahn nehme, um dorthin zu gelangen. Und da beschreibe ich dann jedes vorbeirauschende Kennzeichen, aber nicht das, was im eigenen Auto passiert. Oder nicht passiert. ;)

Zitat von: Siara am 21. April 2014, 13:16:48
Öhm, und ich dachte immer, eine Handlung würde aus einer Aneinanderreihung von Szenen bestehen? Kann es sein, dass dir nur etwas fehlt, weil du die wichtigen Momente/Gespräche beschreibst und den Rest weglässt? Ich meine, es ist doch richtig und in Ordnung, wenn man von einer Zeit, in der viel passiert, viel berichtet, und dann einige Zeit auslässt, in der nichts weiter passiert, oder? Zu wissen, was wichtig ist und darüber zu schreiben, das ist doch Können und keine Schwäche. Hast du denn einen zentralen Konflikt, den du behandelst? Denn solange der existiert (und du deine wiederkehrenden POVs hast), ergibt das meiner Meinung nach genug an Zusammenhang zwischen den einzelnen Szenen.

Ich hab das tatsächlich etwas ungenau ausgedrückt - der Fokus meines Absatzes liegt auf der Balance. Entweder schwafle ich seitenweise über die ach-so-blauen Augen des Typen am Nebentisch, oder ich lasse das Kennenlernen komplett aus und sie gehen von "der sieht ja nett aus" zum Sex über. ;)
Und was die Auslassungen angeht: Da finde ich nie das richtige Maß. Es gibt Bücher, in denen werden die wichtigen Szenen sehr detailliert beschrieben, und dann kommt ein Zeitsprung von Tagen oder Wochen, eine kurze Zusammenfassung des Geschehens mit Fokus auf den wenigen wichtigen Dingen, und dann die nächste wichtige Szene in epischer Breite. So, als würde man zwischen Zeitlupe und Zeitraffer wechseln, ohne dabei auch nur einmal zu viel vorzuspielen oder zu viel zu detailliert zu betrachten.
Ich zappe durch die wichtigen Szenen und beschreibe dann noch stundenlang, wie sie durch die Gassen nach Hause geht, ohne dass auch nur ansatzweise irgendetwas für die Handlung wichtiges passiert. Also genau falsch herum.

Ich lese gerade Lynns "Blutbraut" und bin total fasziniert davon, wie sie mit wenigen Sätzen so viel Atmosphäre schafft, dass ich vor Ort bin. Lucinda betrachtet eine alte Kirche, sieht die ausgetretenen Stufen, von denen eine zerbrochen und etwas abgesackt ist, sieht die Risse in einigen der andern Stufen, die Glocken, die in einer Art Fenster hängen - und ich bin da. Ich kann jetzt die Szene und vor allem den Handlungsort exakt in meinem Kopf abrufen.

ABER: Wenn ich schreibe, dann sehe ich nicht, was passiert. Ich habe keine genauen Vorstellungen, wie es am Handlungsort aussieht, sofern ich nicht reale Vorlagen nehme. Die dann aber auch exakt so bleiben wie sie in der Realität aussehen. Ich schaffe es nicht, ihnen etwas Flair zu verpassen. Der Pub in meinem Roman ist der Pub in Kiel, eins zu eins. Ich bin noch nicht mal kreativ genug, den Pub einfach mal ins Gewölbe des alten Rathauses umziehen zu lassen, in dem in der Realität zwar auch ein Lokal ist, aber ein Mexikaner.

Manchmal glaube ich, dass der einzige "Ort", an dem ich wirklich kreativ bin, meine Träume sind. Und bevor es jemand vorschlägt: Nein, daraus Geschichten zu machen, klappt leider auch nicht, ich habe es mehr als einmal versucht.

Ich glaube, ich werde tatsächlich mal meinen unfertigen NaNo-2011-Roman schnappen und nach divernsen Kriterien durchackern. Als allererstes sollte ich aber mal herausfinden, warum in der Parallelwelt die Kunst verboten wurde und was das für einen tieferen Sinn hat.

Kennt ihr diese unsäglichen Romane, die meistens in DKZV oder im Selbstverlag erscheinen und bei denen man sich immer fragt, warum um Himmels Willen der Autor sich nicht zwischen Krimi, Romance, Coming of Age, Horror und Persiflage entscheiden konnte? Genauso schreibe ich.

Und es ist total lieb, dass ihr mich damit aufmuntern wollt, dass man selber immer betriebsblind ist und andere das Geschriebene anders und meistens besser bewerten. Nur: Etwas, das ich selber grottig finde, mag ich keinem anderen zumuten. Ich lese wirklich gerne, aber ich mag meine Zeit nicht mit schlechten Büchern verschwenden. Daher mag ich die Zeit anderer auch nicht mit schlechten Manuskripten verschwenden.

Zum Schreiben an sich: Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es schlimm wäre, wenn ich es nicht mehr mache. De facto schreibe ich seit zwei Monaten nicht mehr, und wenn, dann nur, weil ich glaube, dass ich müsste.

Ja, ich bin eher von der ungeduldigen Sorte. Ich fand es als Kind schon total bekloppt, Dinge lernen zu müssen, anstatt sie einfach zu können. Aber ich habe irgendwann sowohl Radfahren als auch Schwimmen gelernt und notgedrungen konnte ich mich sogar ansatzweise auf Schlittschuhen halten.

Ich bin inzwischen eine gute Taucherin und auf dem Weg, eine gute Tauchlehrerin zu werden. Ich habe weitergemacht und bin besser geworden. Beim Schreiben ist es irgendwie so, dass ich mich noch immer auf dem Niveau befinde, auf dem ich mit 15 war. Mit kleinen Ausnahmen. Und das lässt mich ernsthaft überlegen, ob ich es nicht besser einfach lassen sollte. Ich male ja auch nicht, weil ich da auch nie über einen Level hinausgekommen bin, der mit "notfalls erkennt man das Strichmännchen" nennenswert hinausgeht. Ich singe nur alleine im Auto, obwohl ich in der Schule im Chor recht gut war. Aber ich bin keine Solistin, so gerne ich es auch mal gewesen wäre. Ich habe in vielen Bereichen meine Mittelmäßigkeit erkannt und akzeptiert. Vielleicht sollte ich das auch beim Schreiben machen, auch wenn tief in mir noch immer der kleine Ehrgeiz sitzt, der sich wünscht, eines Tages den Nobelpreis zu gewinnen. Oder zumindest den Pulitzer. ;D

Coppelia

#15707
@ chaos
Dein Post geht mir die ganze Zeit im Kopf herum. Ich kann wohl nicht einschlafen, ehe ich nicht geantwortet habe. ::)
Mir ist schon früher aufgefallen, dass du im Gegensatz zu den meisten Schreibern, die ich kenne, immer wenig von deinen Geschichten erzählt hast. Die meisten Autoren und Hobbyautoren mögen es, lang und breit von ihren Figuren und Plots zu erzählen, aber du warst immer relativ sparsam mit Informationen. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber ich musste wieder daran denken.

Ich denke ja: Wenn man etwas unbedingt machen möchte, weil man Freude daran hat und sich davon irgendwie erfüllt fühlt, wird man es tun. Man wird einen Weg finden. Wenn man diesen Drang nicht hat, dann nicht. Das ist überhaupt kein Problem. Vielleicht ist Schreiben einfach nicht dein Ding. Oder es ist gerade jetzt nicht dein Ding. Dann wäre es vielleicht gar nicht so sinnvoll, Energie, Lebenszeit und kostbare Freizeit damit zu verschwenden. Davon hat man ja auch nicht unendlich viel.

Dann schreibst du auch viel davon, wie Romane sein "müssen". Wer sagt, wie sie sein müssen? Wer sagt, dass sie so, wie du sie schreibst, nicht gut sind? Du hast offenbar irgendwelche Normen im Kopf. Es ist vielleicht nicht einmal relevant zu fragen, woher diese Normen kommen. Das Ding ist halt: Kein Mensch entspricht einer Norm, und keine kreative Leistung entspricht einer Norm. Es ist meiner Ansicht nach ohnehin nicht das Beste, Normen an kreative Leistungen anzulegen. Man sagt ja nicht umsonst "es singe, wem Gesang gegeben". Inwiefern die kreative Leistung irgendwelchen (wirtschaftlichen?) Normen entspricht, ist meiner Meinung nach gleichgültig, solange man Freude daran hat.
Und gesetzt den Fall, deine Romane würden diesen Normen entsprechen - was dann? Was würde das für dich ändern?

Vielleicht macht dir deine Gesundheit auch gerade zu schaffen (ich erinnere mich an den entsprechenden Thread), und deine Gedanken ändern sich, wenn sich dein Zustand bessert.

Das waren die drei Dinge, die mir persönlich dazu eingefallen sind.

Dass du von Preisen sprichst, war vermutlich ein Witz, oder? Als Autor kann man sich ja dann schon glücklich schätzen, wenn man in einem mittelgroßen Verlag einen Roman mit mäßigem Erfolg verkauft. Und sogar diejenigen, die erfolgreich sind, bekommen normalerweise nicht den Nobelpreis. :P

(Räume kann ich übrigens auch nicht beschreiben. Ich habe immer nur eine ganz vage Vorstellung von den Innenräumen, und in dieser Vorstellung sehen sie immer so aus wie meine Wohnung, das Haus meiner Eltern, meiner Oma u. ä. Ich habe schon versucht, zu Übungszwecken reale Räume genau zu beschreiben, aber dabei kommt auch nichts Sinnvolles heraus. :P)

chaosqueen

Ich fange mal von hinten an: Das einzige, was ich inzwischen kann, sind Wohnungen. Vermutlich besvhreibe ich sie noch immer nicht, aber zumindest sehe ich sie vor mir, während ich meine Figuren darin herumlaufen lasse. Sehr hilfreich, damit nicht plötzlich das Bett im Bad und der Kühlschrank auf dem Balkon stehen. :rofl:

Ich habe genau eine Vorstellung, wie Bücher sein müssen: fesselnd und interessant. Okay, in sich logisch und so geschrieben, dass ich Spaß daran habe ist auch nicht ganz unwichtig. Woher diese Vorstellung kommt? Aus meinem Leseverhalten. Ich habe in meinem Leben 3000+ Bücher gelesen und ich weiß sehr genau, was mir gefällt und was nicht. Und meistens auch, warum.
Würden die Bücher, die ich schreibe, also dieser "Norm" entsprechen, hätte ich sehr viel davon: ich hielte sie für gut.

Und zum Schreiben an sich ... Ich weiß es gerade nicht mehr, ob es "meins" ist oder nicht. Ich schreibe seit meinem achten Lebensjahr Geschichten. Ich habe als Kind auf die Frage, was ich werden will, durchaus ernst gemeint mit "Schriftstellerin" geantwortet. Ich habe mit 17 den Schreibwettbewerb unserer Schule in der Oberstufengruppe gewonnen. Ich habe das Herz eines Mannes mit einer Kurzgeschichte erobert, bevor er mich zum ersten Mal gesehen hatte. Ich habe vor gut zehn Jahren etwa fünf Kurzgeschichten veröffentlicht.

Ich habe sehr genaue Vorstellungen von dem Stil, in dem ich schreiben will - ich treffe ihn nur nicht. Und ich habe nicht nur den Sprung von der Kurzgeschichte zum Roman nicht geschafft, ich finde auch nicht wieder zurück. Nicht erst seit ein paar Tagen oder Monaten, sondern seit Jahren. Das, was ich schreibe, ist Mist. In meinen Augen, und das reicht erstmal.

Die Frage, ob ich einfach nicht mehr schreiben sollte, steht hier sehr ernsthaft im Raum - und zugleich erwische ich mich dabei, wie ich Lösungen für mein Problem suche, also ist es wohl doch nicht so einfach.

Das mit den Preisen - jein, es war nur halb ein Witz. Realistisch betrachtet weiß ich, dass ich davon etwa so weit entfernt bin wie die Erde vom Zentrum des Universums. Aber diese Stimme ist da und hält nicht die Klappe. Mag sein, dass ich mich genau damit blockiere, aber ich habe nie Dinge ohne Ziel getan. Einfach nur für mich zu schreiben kam mir als Kind schon komisch vor. Ich will für ein Publikum schreiben. Für ein großes Publikum.

Ich hab gerade mal nachgedacht - bei den meisten TiZi-Treffen wurde über alles mögliche geredet, wir haben uns Auszüge unserer Texte vorgelesen und über das Schreiben geredet, aber über die aktuellen Projekte und die darin enthaltenen Figuren nur sehr am Rande. Ich kenne tatsächlich mehr Autoren, die nicht gerne oder zumindest nicht viel über ihre Geschichten reden als solche, die es tun.

Siara

@Chaos: So wie du es beschreibst, klingt es, als hättest du dich durch Ehrgeiz und Lernwillen in eine Sackgasse gearbeitet. Aber wenn du so früh mit dem Schreiben begonnen hast und dir dafür ja ganz offensichtlich auch schon Anerkennung zuteil wurde, dann glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass Schreiben schlicht nicht mehr dein Ding ist. Da spalten sich wahrscheinlich die Meinungen, aber ich denke, man wird mit dem Hang zum Schreiben geboren oder eben nicht.

Aber wenn es seit Jahren bergab geht, ist das natürlich ganz und gar nicht so, wie es sein sollte. Vielleicht führt mehr Ehrgeiz und mehr Analyse des Problems wirklich nur zur Verfestigung der ganzen Unzufriedenheit. Was ich mir aber sehr gut vorstellen kann: Wenn du wirklich aufhörst mit dem Schreiben, vollkommen, könnte die Schreiblust mitsamt Motivation wieder auftauchen. (Das würde meine Theorie des Schriftsteller-Gens stützen).

Das ist absolut keine Aufforderung, nicht mal ein Rat. Ich will damit nur sagen, wenn du diese mit Sicherheit extrem schwere Entscheidung treffen solltest, muss das ja noch lange nicht das Ende sein. Vielleicht brauchst du auch schlicht etwas Abstand, Abstand von mehr als nur ein paar Wochen.

Oh, und ich rede auch absolut nicht gerne über laufende Projekte, das hat also wenig zu sagen.  ;)
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Guddy

Naja, in Jugendzeiten und in der Schule hat man ja auch ganz andere Konkurrenz. Aber es tut auf jeden Fall gut, schon was erreicht zu haben auf dem Gebiet!
Es kann immer sein, dass das, was man lange Zeit gemacht hat, nichts mehr für einen ist. Weil einen die Zeit überholt hat, weil man sich selber aus welchen Gründen nicht weiter entwickelt hat. Was aber vermutlich häufiger vorkommt, ist einfach eine phasenweise Lustlosigkeit das Thema betreffend.
Mach einfach ein paar Monate Pause, dann wirst du sicher merken, ob du es begraben möchtest oder nicht. Wobei - es gibt ja kein "Entweder machen oder für immer sein lassen!". So streng sind Hobbies nicht. Man kann immer wieder, auch nach JAhren noch, neueinsteigen :)
Versuche vielleicht, dir selber etwas Druck zu nehmen. Den hast du nämlich eigentlich nicht.

Valkyrie Tina

Ich hatte letztes Jahr fast dasselbe Problem wie du. Ich kam keine drei Sätze weit. Alle Dialoge waren einfach nur furchtbar, ich konnte keinen geraden Satz mehr schreiben und am Schluss hab ich schon das leere Dokument gehasst. Ich weiß nicht, ob das irgendjemand anderem helfen würde, aber ich bin so da wieder raus gekommen: statt verzweifelt zu versuchen, irgendwas Gutes hinzubringen, habe ich absichtlich schlecht geschrieben. Für eine Woche habe ich ein Schlachtfest des schlechten Schreibens gemacht, Klischees übereinander gestapelt, hinreißend grauenhafte Dialoge gebaut, Actionszenen sind auf halbem Weg verhungert, und die Kennlernszenen wären von Pornoproduzenten als "zu unrealistisch" abgelehnt worden.
Ich weiß nicht, warum es geholfen hat, aber ich glaube, ich war vorher so fixiert auf das "gute Schreiben", dass ich automatisch alles weg zensiert hab, was nicht meinen hohen Erwartungen entsprach. Und da, wie wir wissen, der erste Entwurf meistens Schrott ist, hab ich mir quasi meinen ersten Entwurf wegzensiert. Beim schlechten Schreiben gab es nichts zu zensieren. Außerdem neige ich zu Übertreibungen, und hatte einen Riesenspaß dabei, noch mehr schlechte und unsinnige Sachen zu finden.

Und noch was: als ich es einen Monat später noch mal gelesen hab, war es tatsächlich nicht so schlecht. Wir selbst können unseren Kram doch gar nicht beurteilen, vor allem, wenn wir ein Tief haben. Also such dir um Himmels Willen ein bis zwei anständige Betaleser, die dir sagen können, woran es bei deinen Texten hakt (und ob es überhaupt hakt). Du willst das nicht, weil deine Texte nicht deinen Ansprüchen entsprechen? Das ist, als würdst du sagen, du gehst nicht zum Arzt, weil du dich zu schlecht fühlst. Betaleser sind zum Helfen da, nicht zum Pampern!

traumfängerin

Liebe chaosqueen,

ich weiß nicht, was für dich der richtige Weg ist. Ob es gerade richtig wäre, das Schreiben für einige Zeit ruhen zu lassen, oder ob nicht. Nur das hier kann ich einfach nicht so unkommentiert stehen lassen:

Zitat von: chaosqueen am 21. April 2014, 20:25:34
Und es ist total lieb, dass ihr mich damit aufmuntern wollt, dass man selber immer betriebsblind ist und andere das Geschriebene anders und meistens besser bewerten. Nur: Etwas, das ich selber grottig finde, mag ich keinem anderen zumuten. Ich lese wirklich gerne, aber ich mag meine Zeit nicht mit schlechten Büchern verschwenden. Daher mag ich die Zeit anderer auch nicht mit schlechten Manuskripten verschwenden.

Für mich besteht ein großer Unterschied zwischen schlechten Büchern und schlechten Manuskripten (falls deines tatsächlich schlecht sein sollte, nicht nur in deinem skeptischen Blick). Schlechte Bücher hasse ich wie die Pest. Sie bedeuten vergeudetes Geld und vergeudete Lebenszeit. Schlechte Manuskripte hingegen haben in sich das Potential zu guten zu werden. Vielleicht bin ich eine Masochistin, aber ich liebe schlechte Manuskripte. Weil ich es absolut faszinierend finde, zu erleben, wie sich etwas Schlechtes zu etwas richtig Gutem entwickelt. Deshalb überarbeite ich auch lieber, als zu schreiben.

Also bitte, wenn du dich dazu entscheiden solltest, weiterzuschreiben, dir ein Werk von dir vornimmst, um es zu überarbeiten, dann frag ruhig hier im Tintenzirkel oder irgendwo anders nach einem Betaleser. Ohne Betaleser würden meine Geschichten niemals ihr ganzes Potential entfalten können. Und was gibt es Schöneres als zu wissen, dass Dank der eigenen Betaleser-Kommentare deine Geschichte so gut geworden ist, dass sie den Pulitzer-Preis gewinnt?  :P

Rhiannon

Chaos, du hast vor einiger Zeit schon einmal darüber geschrieben, dass deine Kreativität dir irgendwie flöten gegangen ist, nicht nur beim Schreiben, sondern auch beim Kosmetik machen usw. Und wenn ich jetzt deinen Post lese, fällt mir dabei eines ganz besonders auf: Du hast wahnsinnig hohe Ansprüche an dich selbst. Nicht nur im Bezug auf das Schreiben, wo ein gewisser Drang zur Perfektion in meinen Augen ebenso gerne mal auftritt, wie bei jedem anderen Hobby, für das man wirklich brennt, auch. Sondern bei dir erstrecken sich die Ansprüche auf so ziemlich deine sämtlichen Lebensbereiche. Wenn ich das, was ich in letzter Zeit von dir gelesen habe, mal so aufliste, kommt folgendes heraus:
- du möchtest so schreiben, dass es deinen Ansprüchen genügt und von einem großen Publikum gelesen wird
- du möchtest eigene Kosmetik entwerfen, die man als Deins erkennen kann
- du möchtest eine gute Tauchlehrerin sein
- du möchtest beim Sport Erfolge erzielen
- du möchtest bei dir komplett Ordnung haben
Und wenn ich den Post im Bezug auf Singen, Malen, Schlittschuhlaufen etc. richtig interpretiere, würdest du auch dabei gern weit über die Mittelmäßigkeit hinausgehen.
Kann es sein, dass du das gleiche tust, wie ich gelegentlich bei mir und dein schlimmster Folterknecht bist, indem du von dir verlangst, einem Anspruch zu genügen, den du an andere Menschen so nie stellen würdest?
Wenn ich deine Posts falsch interpretiert haben sollte, dann bitte nicht ärgern, aber so kommt es für mich rüber.
Wenn das der Fall sein sollte, dann wundert es mich nicht einmal unbedingt, warum sich das Schreiben verabschiedet hat. Wenn man gegen sich selbst über ein bestimmtes Maß hinaus hart vorgeht, blockiert man sich selbst. Den einzigen Tipp, den ich dir in diesem Fall geben kann, ist Folgendes: Überlege dir, was du von einem anderen Menschen erwarten würdest. Und dann bremse dich bewusst aus, wenn du bei dir selbst die Latte höher legst. Wenn die Blockade fällt, gibt es auch wieder Spielraum, um sich zu verbessern.

Was das Schreiben, oder nicht Schreiben angeht, werde ich dir weder zum einen, noch zum anderen raten, aber ich schließe mich meinen Vorrednern insofern an, dass es nicht nur Ganz oder gar nicht gibt, sondern eine Pause, die durchaus auch lang dauern darf, durchaus erlaubt ist.

Coppelia

#15714
ZitatWenn ich deine Posts falsch interpretiert haben sollte, dann bitte nicht ärgern, aber so kommt es für mich rüber.
Ja, das gilt natürlich auch für meinen Post weiter oben.

Für mich haben alle guten Ratschläge und klugen Worte nichts gebracht, als ich vor etwa 4 Jahren fast das Schreiben drangegeben hätte. Damals habe ich auch länger nicht geschrieben. Mir war der Ehrgeiz im Weg, verbunden mit der Erkenntnis, dass mein Nicht-Mainstream-Gehirn niemals Bücher produzieren wird, die die Massen begeistern. Weiter geschrieben habe ich dann doch, und zwar genau das, was ich schreiben wollte, nicht das, was ich "sollte". Ich hab's geschrieben in dem Wissen, dass ich es nur zu meinem eigenen Spaß für die Schublade schreibe, und dieses Wissen hatte etwas extrem Befreiendes.
Man kann vielleicht fragen "Wozu sich dann überhaupt die Mühe machen?" Bei mir war es die Freude am Schreiben und der Spaß, in die Welt meiner Geschichten abzutauchen, mit den Figuren zusammen zu sein. Ich habe letzten Endes erkannt, dass es nicht darauf ankommt, ob ich etwas verkaufe. Das ist nun mein Weg, die Sache anzugehen. Ich hoffe, er bleibt es, aber ich traue meinem Ehrgeiz nicht ganz über den Weg.
Aber genau das, was ich dann später auch getan habe, haben mir vorher alle möglichen Leute gesagt, und ich habe es nicht eingesehen. Ich konnte mich sogar gar nicht mehr wirklich daran erinnern und war erstaunt, als es dann hieß "haben wir dir doch immer gesagt".

Was war es, was dich ursprünglich zum Schreiben gebracht hat? Was ist es, was dir daran Spaß gemacht hat? Wenn ich deinen Antwortpost auf meinen lese, scheint es da auf jeden Fall etwas zu geben. Gibt es etwas, was du gern schreiben würdest, was du dir aus irgendwelchen Gründen aber nicht erlaubst?

*grmbl* Lektorat ist anstrengend, es ist so unspaßig, die eigenen Fehler auszubessern. Lustiger wäre es, neue zu produzieren. Nöl.

Thaliope

#15715
Liebes chaos,
es gibt da so einiges, das ich dir zu deinen Posts gern sagen würde ... sollen wir vielleich nachher mal telefonieren?  *dollknuddel*
Thali

Nirahil

@chaos: Ich glaube, das Problem ist, dass man den Gedanken "es muss diesen und jenen Anspruch erfüllen" nicht mehr wirklich aus dem Kopf kriegt, egal wie diffus oder auch klar er einem vor Augen steht. Wenn ich meine Geschichte öffne, gehe ich automatisch dazu über, den Anspruch erfüllen zu müssen - und tippe im Endeffekt überhaupt nichts, weil ich die Szene beknackt finde, wie sie da schon steht. Dann werden die Dialoge platt, der Charakter unglaubwürdig, man galoppiert von A nach C, weil B irgendwie plötzlich auch blöd ist und wundert sich am Ende, warum sich das alles so beknackt liest wie es sich anfühlt. Ein Geheimrezept dafür hab ich nicht, aber ich finde es so wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, warum man die Geschichte überhaupt angefangen hat. Irgendwo muss da eine bahnbrechende Idee gewesen sein und bestimmt auch Liebe zum Projekt, das einem letztlich "nur" aus dem Ruder gelaufen ist, weil man es perfekt machen möchte. Aber wer definiert denn eigentlich Perfektion? Der Bestseller, den jeder kauft? Nicht immer, weil auch da zum Teil sehr schwarze Schafe bei sind, wo man sich an den Kopf fasst und sich fragt, wie die so erfolgreich werden konnten. Wenn ich es perfekt haben will, denke ich an die Bücher, die ich gerne lese. Aber auch ein Zwergen-Band von Markus Heitz hat manchmal Sätze drin, die ich so nie stehen lassen würde, kämen sie in meiner Geschichte vor. Gestört hat es mich trotzdem nie so sehr, dass ich deshalb die Geschichte schlechter fand. Warum stört es mich dann in meinen Geschichten? Weil ich es perfekt haben will, während ich ignoriere, dass es perfekt einfach nicht gibt. Und da ist die Schreibblockade wieder.

Als Nirahil das Licht der Welt erblickt hat, kam ich genau sechs Seiten weit. Eigentlich waren es sogar nur fünfeinhalb. Der Prolog war so episch und ich finde ihn noch immer so gelungen (das dient nicht zur Selbstverherrlichung, sondern nur zur Veranschaulichung), dass mir alles danach so platt erschien, dass ich es sofort gelöscht habe. Drei lange Jahre lag das Manuskript in meiner Schublade, ehe ich endlich wieder Freude daran hatte, die sechs Seiten zu lesen und auch weiter zu schreiben, weil ich das Gefühl wieder hatte, was es heißt, eine schöne Geschichte zu erfinden. Inzwischen ist es mir wieder ein bisschen abhanden gekommen und ich will Perfektion - gut, dann lass ich es eben liegen, bis ich mich wieder erinnern kann, dass ich diese Geschichte wegen ihrer Spannung, Schönheit und Eigenheit schreibe und nicht wegen ihrer angeblichen Perfektion, die ich sowieso nie erreiche. Ich will fühlen können, was meinen Figuren geschieht, ich will mit ihren Augen den See vor der Stadt funkeln sehen, und nicht nur gestelzte Sätze von mir geben, die irgendeine Art von Atmosphäre erzeugen sollen und dabei doch nur platt wirken, weil mir das Gefühl beim Schreiben fehlte. Ich will wissen, wie Nirahil leidet, wenn er seine Teuerste blutverschmiert im Arm hält und sich die Seele aus dem Leib heult, und nicht nur von Tod und Verderben schreiben, weil das der Plot halt gerade so vorsieht. Erst wenn ich das schaffe, gefällt mir die Geschichte wieder selbst, weil ich ein Gefühl dafür habe, was geschieht. Und ich denke, erst dann hat es auch Potential, andere zu beeindrucken. Soviel zu meiner Einschätzung, was ich so aus den Posts rausgelesen habe.

Ansonsten stimme ich meinen Vorrednern zu: der erste Entwurf ist meistens nicht so toll. Aber das heißt auch im Grunde überhaupt nichts, weil man überall noch schleifen, polieren und aufhübschen kann, damit am Ende etwas verdammt Gutes aus dem Mittelmäßigen entsteht. Es geht nur nicht, wenn man von Anfang an auf das perfekte Manuskript hinarbeitet. Ich glaube, sogar ein Markus Heitz hatte seine Betaleser, die ihm die ein oder andere Sache um die Ohren gepfeffert und die Geschichten besser gemacht haben (tut mir leid, dass ich den ständig erwähne, aber Die Zwerge sind einfach so gut! ;D). Im Übrigen kann ich das mit dem Beschreiben auch überhaupt nicht. Entweder klatsche ich einen Ganzkörperscan auf die Seite oder handle das in einem einzigen Satz ab. Aber das macht nichts. Wenn ich in der Überarbeitung drüber gehe, habe ich alle Zeit der Welt, es zu kürzen oder auszuschmücken oder ganz zu streichen - was auch immer an der Stelle dann besser passt.
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

HauntingWitch

@Chaos: Bei den meisten deiner Punkte weiss ich gar nicht, was ich dazu sagen soll, denn ich kenne diese Situation so kaum, so verfahren. Aber etwas ist mir aufgefallen:

ZitatABER: Wenn ich schreibe, dann sehe ich nicht, was passiert. Ich habe keine genauen Vorstellungen, wie es am Handlungsort aussieht, sofern ich nicht reale Vorlagen nehme. Die dann aber auch exakt so bleiben wie sie in der Realität aussehen. Ich schaffe es nicht, ihnen etwas Flair zu verpassen. Der Pub in meinem Roman ist der Pub in Kiel, eins zu eins. Ich bin noch nicht mal kreativ genug, den Pub einfach mal ins Gewölbe des alten Rathauses umziehen zu lassen, in dem in der Realität zwar auch ein Lokal ist, aber ein Mexikaner.

Hast du nicht einmal erzählt, dass du z.B. auch Dialoge im Kopf hörst, aber die Figuren dabei nicht sehen kannst? Kann es sein, dass du einfach kein visueller Mensch bist? Ohne dir jetzt auf die Füsse treten zu wollen, vielleicht hast du Mühe mit der Vorstellungskraft, mit dem "inneren Bild" (wie ich es gerne nenne). Ich denke, in so einem Fall könnte es vielleicht helfen, wenn du einen Illustrator hättest, dem du sagen kannst: "Ich brauche einen Pub, etwa diese Atmosphäre muss er haben" und der das dann zeichnen könnte, damit du sozusagen eine optische Vorlage hast. Natürlich müsste man so jemanden auch noch finden, aber einfach so als Gedanke...

Vielleicht könntest du auch einmal versuchen, von allzu optischen Beschreibungen wegzukommen und vor allem Atmosphäre oder Geräusche zu beschreiben? Bleiben wir beim Auto und stellen uns eine Szene mit einem Pärchen darin vor, das diskutiert. Ich würde da Gesichtsausdrücke, Farben, vielleicht auch Klamotten oder Brücken, die über die Strasse führen beschreiben. Das sind alles Dinge, die ich in meinem inneren Bild habe. Aber wenn du das nicht hast, weisst du doch bestimmt, wie die beiden sich fühlen, ob gerade "dicke Luft" herrscht oder ob eine gewisse Leichtigkeit in ihrer Stimme mitschwingt? Es muss nicht jede Beschreibung total optisch sein, um Wirkung zu entfalten. Wie gesagt, nur so ein Gedanke.

Guddy

Ich bin gerade ganz aufgeregt, weil ich meiner Mutter gestern Part 1 unserer Geschichte zugeschickt habe ;D Sie wollte immer schon was von mir lesen, ich habe mich jedoch nie getraut, ihr was zu schicken.
Und heute kam die erste Mail von ihr, dass sie es sich auf das Kindle geladen hat und schon ganz gespannt ist. Ja, ich auch *hibbel*  ;D

Klecks

Zitat von: chaosqueen am 21. April 2014, 22:36:41Ich habe sehr genaue Vorstellungen von dem Stil, in dem ich schreiben will - ich treffe ihn nur nicht.

Oh, liebe chaos, ich glaube, genau damit blockierst du dich.  :knuddel:  Wenn ich versuche, mir einen Stil anzueignen, scheitere ich immer grandios. Ich bin der Meinung, dass ich gar keinen habe - zumindest kann ich ihn nicht sehen, finde ihn in meinen verschiedenen Projekten nicht wieder. Es klingt holprig, wenn ich versuche, einem anderen Stil nachzueifern. Es fühlt sich falsch an, blockiert mich und verhindert, dass ich über ein paar Seiten hinauskomme. Diese Versuche haben mich mal in eine richtig heftige Schreibblockade katapultiert, und ich bin da erst wieder rausgekommen, als ich akzeptiert habe, dass ich nur genau so schreiben kann, wie ich eben schreiben kann.

Das nur so als kleiner Kommentar zu deinem Satz, der mich so an mich vor ein paar Jahren erinnert hat. Welche Entscheidung du auch triffst: Hauptsache ist, es geht dir gut damit.  :knuddel: