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Erster Entwurf - Was beachtet ihr und was ignoriert ihr?

Begonnen von Wahtaria, 05. August 2020, 08:56:31

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Wahtaria

Hallöchen,
nach ziemlich langer Planung, habe ich mit dem ersten Entwurf angefangen. Leider passiert es mir immer wieder, dass ich überhaupt nicht zufrieden mit meinem Geschreibsel bin. Ich finde, meine Worte drücken noch nicht genau das aus, was ich sagen will. Nach einem Probelesen, könnte ich die Szene fast immer neu schreiben, weil ich nicht alles beachtet habe oder Stellen total katastrophal sind. Das Neuschreiben bringt etwas, keine Frage, es wird besser, aber eben auch nicht perfekt.
Wie habt ihr eueren ersten Entwurf geschrieben? Natürlich habe ich auch schon den Ratschlag gehört, einfach schreiben oder sogar "schlecht schreiben", überarbeiten kann man immer noch ... Habt ihr euch da dran gehalten? Oder habt ihr direkt überarbeitet? Habt ihr irgendwelche Tipps?

Lieben Gruß von einer leicht verzweifelten Schreiberin.

Araluen

Einfach schreiben, egal wie schwer es fällt, nicht zurück zu blicken. Ich habe auch oft das Gefühl wie ein Grundschüler zu schreiben. Aber das ist dann eben erstmal so. Dafür gibt es die Überarbeitung. Der Perfektionist in mir hat das aber auch nicht immer zugelassen. Der Erstentwurf meines Romans befindet sich nun auch in Version 4 mittlerweile  ::) Aber nun schreib ich tatsächlich einfach stur weiter und wenn mir Dinge auffallen, setze ich mir einen entsprechenden Kommentar an den Text, auch bei offenen Recherchefragen oder wenn mir auffällt, dass ich etwas vergessen habe.
Zudem habe ich mir angewöhnt mitten in der Szene eine Schreibsession zu beenden. So komme ich beim nächsten mal schneller wieder in den Schreibfluss und muss mich weniger einlesen.

Graumond

Hallo Wahtaria,

ich trenne Schreiben und Überarbeiten prinzipiell. Das heißt, ich schreibe die erste Fassung erst einmal komplett runter, OHNE sie mir durchzulesen. Dadurch übersehe ich vielleicht Logiklücken, unschöne Konstruktionen oder einfach nur schlecht geschriebene Szenen. Aber wenn ich sofort mit dem Verbessern anfangen würde, würde ich wahrscheinlich wahnsinnig und vor allem nie fertig werden.  :seufz:
Das Überarbeiten kommt dann erst Wochen oder Monate später. Dann hab ich den allseits bekannten Abstand zum Text und bin ohnehin besser im Schreiben geworden. Jetzt werden die Szenen spannender, logischer und schöner zu lesen gemacht. Das ist manchmal frustrierend, weil ich mir oft denke, was für einen Sch... :zensur: ich mir da vor Monaten ausgedacht habe. Oft finde ich aber auch heraus, dass der Text doch nicht so schlecht ist, wie befürchtet. (Also: Texte einfach mal liegenlassen)
So funktioniert das Ganze zumindest für mich. Mit welchem Schreibprozess, du am besten zurechtkommst, musst du selbst herausfinden. Aber ich vielleicht konnte ich dir ja zumindest einen gedanklichen Anstoß geben.  :)

Schöne Grüße und nicht verzweifeln!
Graumond
Sprache ist Werkzeug und Waffe zugleich.
Sprache kann erschaffen und zerstören.
Wir machen von ihr Gebrauch, und müssen uns doch ihren Regeln unterwerfen.
Sprache definiert, wie wir denken und wer wir sind.
Der Mensch ist die Sprache.

Maubel

Definitiv erst mal schreiben und das überarbeiten sein lassen. Mir ging es auch jahrelang so und dann habe ich mich im ersten NaNo 2014 mal wirklich dran gehalten und siehe da, Ende des Monats war das Buch tatsächlich erstmal fertig. Mittlerweile sind meine ersten Entwürfe auch generell besser, aber das Überarbeiten lasse ich trotzdem erst mal sein. Das bringt an der Stelle nichts. Du kannst im Grunde 1000 Versionen einer Szene schreiben oder lieber 1000 Szenen ;)

vanya

Ich halte es da mehr oder weniger wie Graumond: Erstmal schreiben, alles andere später.
Gerade bin ich zB wieder in so einer Zwischenphase. Die Rohfassung steht und liegt nun seit zwei Wochen herum, damit ich Abstand gewinne. Ich weiß, dass die Version grottenschlecht ist, vor allem der Anfang und, dass einige Lücken drinnen sind. Aber dem widme ich mich jetzt Kapitel für Kapitel beim Überarbeiten. Wenn ich das alles gleich mache, während ich schreibe, brauche ich nicht nur viel länger, sondern komme auch eher durcheinander. Weil dann denke ich mir vielleicht für die eine Lücke was neues und später komme ich drauf, dass das dann gar nicht passt, mit dem Schluss.

Also, meine Devise: Schreiben, liegen lassen, überarbeiten :engel:
Magic can kill.
Knives can kill.
Even small children launched at great speed can kill.

Trippelschritt

Das hört sich gleich nach mehreren Problemchen an, die Dich an Deinem ersten Entwurf zweifeln lassen.
Grundsätzlich stimme ich den anderen zu, wenn sie sagen: Schreiben kommt erst, Überarbeiten später. Ich denke sogar, dass es für die meisten gar nicht anders geht, denn das Wichtigste ist immer, in den "Flow" hineinzukommen, den den Schreiber beim Schreiber weiterträgt.

Wenn man aber das Gefühl hat, dass das Kapitel (die Szene) nicht das ausdrückt, was Du sagen willst, dann kann das daran liegen, dass Du das selbst (noch) nicht weißt. Das solltest Du aber wissen. Manchmal hilft, einfach aufzuschreiben, was man in der Szene sagen will ohne Rücksicht auf Stil oder Atmosphäre. Wenn das nicht gelingt, dann weiß man noch nicht, was man will und muss es herausfinden.

Bauchschreiber wissen fast nie, was sie wollen. Sie setzen sich hin und schreiben einfach und lesen anschließend, was sie geschrieben haben. Und dann frage sie sich, ob es das war, was sie haben schreiben wollen. Oft ist es das. Aber nicht immer.

Es gibt so viele Wege, eine Geschichte zu schreiben, wie es Autoren gibt. Jeder muss seinen eigenen Weg selber finden. Und das geht nur durch schreiben.

Wird schon
Trippelschritt

Federstreich

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, was die anderen bereits geschrieben haben. Hinzufügen möchte ich, dass ich mich anfangs auch nicht dran gehalten habe. Da habe ich am nächsten Tag das am Vortag geschriebene zu überarbeiten versucht, um dann weiterzuschreiben. Ich nannte es auch "wieder in den Text reinfinden". Diesen Roman habe ich nach zwei Kapiteln abgebrochen und nie wieder begonnen, weil ich in eine saftige Schreibblockade rutschte. Ich mache dafür die Tatsache verantwortlich, dass ich immer diesen einen Schritt zurückgegangen bin. Seit ich das nicht mehr mache, beende ich einen Roman nach dem anderen, was sich jetzt nach mehr anhört, als es tatsächlich ist, aber ich BEENDE sie.  :vibes:

Siara

Interessant, anscheinend mache ich da was anders als die Mehrheit. Für mich funktioniert es überhaupt nicht, einen Roman runter zu schreiben und nicht zurück zu blicken.

Bevor ich an einem Tag anfange zu schreiben, lese ich alles von der letzten Schreibeinheit noch einmal durch, verbessere Tippfehler, kantige Formulierungen und streiche teils Absätze oder schiebe neue ein, wenn mir an einer Stelle etwas fehlt. Das hilft mir auch, wieder in die Szene einzusteigen, die ich danach schreiben möchte. Das ist eines der Dinge, die ich tue.

Außerdem gehe ich aber auch immer wieder hunderte Seiten im Roman zurück und lese irgendwelche Zufallsstellen. Nebenbei mache ich mir Notizen, was mich stört, oder korrigiere einfach direkt. Zum einen habe ich Spaß daran, zu sehen, wo meine Charaktere vor hundert oder zweihundert oder dreihundert Seiten gerade waren. Zum anderen hilft es mir aber auch, ihre Entwicklung zu überprüfen und ein besseres Gefühl für den Zustand zu bekommen, in dem sie sich gerade befinden. Auf diese Weise überarbeite ich den Roman bereits zwischen zwei- und zehnmal komplett, noch bevor der letzte Satz geschrieben ist. Das dauert natürlich länger, als würde ich einfach runter schreiben. Mir hilft es aber, die Geschichte als Ganzes zu erfassen und zu verstehen. Meistens macht es mir sogar Lust aufs Schreiben, was umgekehrt dann dafür sorgt, dass ich öfter und mehr zu Papier bringe. Das macht die verlorene Zeit wieder wett.

Es kommt meiner Meinung sehr darauf an, wie sehr man sich von eigenen Schwachstellen stressen lässt. Wenn man dazu neigt, im Nachhinein alles doof zu finden, was man geschrieben hat, oder es sogar frustriert zu löschen, sollte man das Zurücklesen besser lassen. Genauso, wenn man sich in Kleinigkeiten verbeißt und dann gar nicht mehr vorankommt. Mir persönlich macht es aber Spaß, und es trägt auch zur Qualität meines Geschreibsels bei - nicht nur der Qualität des bereits Überarbeiteten, sondern auch dessen, was ich erst noch schreibe.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Sonnenblumenfee

 :wache!: Ich hab das Thema mal verschoben. Es geht hier nicht um einen literarischen Einzelfall, sondern eine generelle Frage der Herangehensweise und gehört daher nicht in "Autoren helfen Autoren"  :)

Zum Thema: Ich schreibe auch fast immer einfach runter und lese während des ersten Entwurfs fast gar nicht nach, höchstens die letzten paar Absätze, um mich nach einer Pause wieder in die Szene einzufinden, oder um etwas Konkretes nachzuschauen. Wenn mir später etwas einfällt, was ich ändern möchte, mache ich mir eine Notiz dazu. Manchmal, wenn mir partout keine passende Formulierung einfallen will, schreibe ich es halt irgendwie und mache mir auch dazu eine Notiz. Beim ersten Schreiben geht es mir darum, irgendwie den Plot als Fließtext zu Papier zu bringen, nicht um irgendetwas schönes zu schreiben.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

Churke

Wenn man sein Geschreibsel furchtbar findet, beweist das, dass man eigenen Fehler gegenüber nicht blind ist. Damit erfüllt man die wichtigste Voraussetzung, um einen guten Roman zu schreiben.  :)

Die Unsicherheit rührt daher, dass man die konkreten Ursachen für dieses Bauchgefühl nicht namhaft machen kann. Dan muss man den Text genau analysieren. Sage ich, was ich damit sagen will? Stimmen die Figuren? Passen die Dialoge? Gibt es Logikfehler? Schreibe ich die falsche Geschichte?
Selbst wenn man die Fehler benennen kann, ist die Kuh noch nicht vom Eis, denn häufig ist der Text deshalb unzulänglich, weil man die Lösung eben noch nicht gefunden hat.

Ich persönlich schreibe dann nicht weiter. Lösen muss ich das Problem sowieso und es kann gut sein oder ist sogar wahrscheinlich, dass die Lösung künftige Kapitel beeinflusst.
Ausnahme ist der Anfang. Da ich den nach Abschluss des Romans sowieso meistens neu schreibe, kann der auch schon mal als abbruchreife Ruine stehen bleiben.

Elona

Da sollte man in meinen Augen auf alle Fälle zwei Dinge unterscheiden: Inhaltliche Änderungen oder stilistische Anpassungen.

Inhaltlich:
Bisher war ich Bauchschreiber und hatte das wie folgt gehandhabt:
Bei mir kommt es ganz schwer darauf an, wie sehr mich die Dinge stören, wenn ich sie nicht ändere. Falls ich beim Schreiben deshalb nicht mehr weiterkommen sollte, also eine Blockade habe, passe ich sie an und die Blockade verschwindet dann meistens ganz brav mit der Änderung.

Zukünftig werde ich versuchen das Manuskript komplett durchzuplotten, samt Szenenplan. Damit sollte der Plot soweit solide sein und es mehr Sinn machen, ihn zu schreiben und dann nach dem Ende zu korrigieren.

Stilistisch:
Da würde ich sagen, immer erst im Nachgang. Sonst wirst du nie fertig.


Die Gefahr vom Zurückgehen ist halt immer, dass man nie ein Ende drunter setzt und man sich immer im Kreis bewegt. In dem Fall würde ich dazu raten lieber runterzuschreiben. Korrigieren kann man später immer noch und hat dann wenigstens einen Text, mit dem man arbeiten kann. In meinen Augen gibt es auch nicht "den perfekten Text". Du wirst jedes Mal, wenn du das Dokument öffnest wieder etwas finden, was man anpassen könnte. Aber genau da liegt auch die Betonung drauf "könnte". An irgendeiner Stelle lässt man die Geschichte im Idealfall als Autor*in einfach los.

Aber am Ende gibt es dabei kein Richtig oder Falsch, sondern nur den Weg, der für jeden einzelnen, in dem Fall für dich, funktioniert. Also einfach ausprobieren, womit du dich wohler fühlst.  :vibes:

Anj

Meinen ersten Roman habe ich anfangs immer wieder überarbeitet, weil ich zu dem Zeitpunkt erstmalig mit Textkritik und Handwerk in Berührung kam. Und das hat mir und dem Text sehr gut getan.
Heute schreibe ich, lese mich ein bisschen ein und korrigiere dabei etwas, weil mir das ebenso wie Siara viel Spaß macht und weil ich nur grob plotte und meine Figuren deswegen die Szenen stark beim Schreiben bestimmen.

Was mich aber wirklich zum beenden eines Romans gebracht hat, war 1. die Regel, dass ich jeden Tag mind. 50 Worte zusätzlich schreiben musste (in der Regel war ich damit dann drin und hab deutlich mehr zu Papier gebracht) und dass ich ggf. nur das Gerippe der Szene skizziert habe, wenn noch irgendwas zur Ausarbeitung gefehlt hat. Als ich die Technik als "Layern" kennengelernt habe, war das sehr erleichternd, weil es sich damit nicht mehr faul oder falsch angefühlt hat, sondern einfach als die passende Schreibtechnik für diese Szene.
wenn ich nicht richtig reingekommen bin ins schreiben hat mir oft eine kleine Zusammenfassung dessen geholfen, was in den letzten Szenen passiert ist (allerdings schreibe ich meist linear in der 1. Person)

Auch Schreibbattles oder Ziele, die man öffentlich postet helfen mir mitunter, im Schreibfluss zu bleiben. Bzw. haben das getan, als ich noch wirklich aktiv geschrieben habe.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Inea

#12
Ich gehöre auch zu den Menschen, die schreiben, schreiben, schreiben müssen, ohne zurückblicken zu dürfen. Sonst verliere ich sofort den Mut und halte alles für schlecht. Wenn ich ein bisschen aus der Szene rausfalle, weil vielleicht das Telefon klingelt oder mir die Zeit ausgeht, lese ich manchmal noch ein paar Sätze nach, versuche dann aber darauf zu achten, sie nicht großartig umzuschreiben (Rechtschreibfehler oder vergessene Wörter schreibe ich dann meist dazu, das wars aber). Ich rufe mir dann das Bild der Szene in den Kopf und versuche einfach weiterzuschreiben.

Bei meinen Lieblingsszenen bin ich da oftmals allerdings nicht so diszipliniert. Wenn die fertig geschrieben sind und ich schon während des Schreibens das Gefühl hatte, dass es nicht so geworden ist, wie ich das wollte, wird sofort überarbeitet. Aber auch nur diese eine Szene.

FeeamPC

Ich sehe bei fast allen Manuskripten, dass die größten Korrekturen im Lektorat in den ersten paar Seiten stattfinden müssen. Das ist der Part, in dem die Autoren meist noch nicht richtig zu ihrer Erzählstimme gefunden haben. Wenn man da hängen bliebe und immer nur wieder korrigieren würde, käme man nie in den Bereich, wo man gut und flüssig schreibt. Deshalb auch meine Empfehlung: Weiterschreiben und erst dann korrigieren, wenn das Ganze fertig ist. Dann ist die Chance am größten, dass auch der Anfang wirklich den Eindruck macht, zum fertigen Werk zu gehören.

Windröschen

Durch zu viel Korrigieren, bevor das erste Manuskript steht habe ich mir selber schon einige Romanideen kaputt gemacht. Für mich funktioniert es am Besten - und da schließe ich mich hier ja auch der Mehrheit an - erst einmal einfach alles runter zu schreiben und im Nachhinein zu korrigieren und auszubessern, was doch nicht passt.
Ich bin inzwischen stärker zum Plotter geworden, heißt mein Roter Faden steht, bevor ich überhaupt anfange zu schreiben. Das verhindert, dass ich mich während dem Schreiben in größere Logikfallen verliere und vielleicht nicht mehr weiter komme.

Was ich allerdings mache, wenn ich einige Tage nicht zum Schreiben gekommen bin und wieder rein kommen möchte: Maximal 1 Kapitel zurück blättern und nachlesen. Auch dabei halte ich die Korrekturen möglichst klein, bessere nur Tippfehler oder grobe sprachliche Stolpersteine aus.
Alles Andere kommt, sobald das Manuskript fertig ist.
Search all things, Hold fast that which is true,
Take heed of many, the advice of few,
And always paddle your own canoe.
- Favorite Proverbs compiled by J. Goodfellow
(Goodfellow Chronicles von J.C. Mills)