Sagen wir: Es kommt darauf an.
Dieses Glattbügeln von besonders österreichischen und Schweizer Autor*innen ans "Bundesdeutsch" finde ich doof und forciere ich auch in meiner Arbeit als Lektorin nur dann, wenn es explizit gewünscht wird. Da ich vor zwei Jahren nach Österreich umgezogen bin, habe ich ein bisschen einen Blick dafür und es gibt Auftraggeber*innen im Korrektorat/Lektorat, die mich tatsächlich darum bitten, die Austriazismen rauszubügeln. (Wenn ich darum gebeten werde, tue ich es auch).
Ansonsten kommt es auf die Umstände an. Wenn der Text in Wien spielt, aber die Leute dort reden wie in Hamburg, ist das genauso befremdlich, da würde ich immer Lokalkolorit begrüßen.
Aber wenn ein Text in Bregenz spielt, wo man viele Wiener Ausdrücke nicht verwendet und daher eine Figur, wie "wienert", wahnsinnig auffallen würde, würde ich es anstreichen, wenn niemand was dazu sagt. In Vorarlberg sagt man zwar auch Semmel zum Brötchen, aber schon "Häferl" würde hier zu einer Nachfrage führen - man trinkt hier aus der "Schüssel"

Ich hatte aber auch schon einen Text, in dem der Protagonist ein Deutscher war, aber an einer deutschen Uni "Jus" studiert hat. Das ist schlicht und ergreifend falsch und muss dann zu "Jura" gebügelt werden, weil das Studienfach in Deutschland nun einmal anders heißt.
Mir selbst wurden im Lektorat Wörter angestrichen, die "DDR-Deutsch" sind. Ich bin 1997 nach Deutschland eingewandert, habe also mit der DDR nichts am Hut, aber man sagt im Osten nach wie vor "Plaste" und im Westen "Plastik" - mit der Begründung "Willst du denn, dass man deiner Sprache ansieht, dass du aus dem Osten bist?"
Ich habe zähneknirschend geändert, weil ich bei dem Lektorat andere Baustellen hatte und mich über paar Buchstaben nicht streiten wollte, aber an und für sich wäre es mir so egal ...
Um es kurz zu fassen:
- Bei Werken, die in Deutschland spielen und/oder bei denen die Protagonist*innen in Deutschland sozialisiert wurden: Bundesdeutsch mit regionalen Eigenheiten, die sich ja gut recherchieren lassen (man kann ja auch im TiZi gerne fragen, wie etwas in Region xy gesagt wird)
- Bei Werken, die in Österreich/der Schweiz/Belgien/Luxemburg spielen und/oder Prota dort sozialisiert wurde: Nach Möglichkeit sprachliche Eigenheiten in der Erzählstimme übernehmen, aber auf innerländliche Sprachvarianten Rücksicht nehmen (siehe mein Beispiel von den Wiener*innen in Vorarlberg)
Ich selbst schreibe vermutlich ... schwierig. Ich habe ja in Sachsen Deutsch gelernt, das hatte auch einen entsprechenden Einschlag. Dann habe ich in Mainz studiert, wo es ziemlich glattgebügelt wurde, aber parallel bin ich seit 2011 regelmäßig in Vorarlberg und wohne da seit 2017. Ich könnte also gar nicht genau sagen, was für ein Deutsch ich selbst schreibe.