• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Triggerwarnungen - wichtig oder überflüssig?

Begonnen von FeeamPC, 15. September 2019, 21:40:08

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

Dirk

Zugegeben, ich habe solche CNs auch schon gesehen. Genau genommen ist das ja auch keine so neue Erfindung. Viele Buecher haben ein "Vorwort", was letztlich oft auch nur CN in schoen zusammengefasster Form sind. Als Leser finde ich die schrecklich, weil es fuer mich immer so aussieht, als haette der Autor irgendwas vergessen. Wobei ich das Vorwort eines Dritten dann doch schon eher mag.

Fuer mich gehoert alles im Buch zu dem, was ich als Autor sagen moechte. Also gehoert dann eben manchmal auch etwas dazu, was nicht ganz so lustig ist. Zugegeben, ich teile auch gern in Kapitel, welche sich oft auch als eigene "Kurzgeschichte" verstehen lassen. DENNOCH: Was ich sagen will, wird sich nur erschliessen, wenn alles gelesen wurde. Und wer wissen moechte, was ich sagen will, muss dann halt auch ein paar persoenlich vielleicht unangenehme Dinge durchdenken.

Okay, primaer moechte ich natuerlich unterhalten. Sollte ich da mit einer Szene dann bei einzelnen Leuten daneben gehauen haben, dann legen diese halt das Buch weg und halten es fuer ein ganz schlechtes Machwerk. Gut, kann passieren. Aber dann haben sie wenigsten sich eine eigene Meinung zum Inhalt gebildet und nicht nur eine Meinung zu einzelnen Textschnipseln.

Valkyrie Tina

Zitat von: Zitkala am 14. März 2021, 19:32:51
In gewisser Form frage ich mich auch, ob es diese Inhalte wirklich braucht. Auch und gerade in den dazugehörigen Genren. Verstümmelte Leichen im Krimi oder Thriller – okay, manche Menschen sind halt schlimmer als Tiere. Aber so eine Folterszene aus Sicht des Täters? Oder Suizid in live? Welchen anderen Zweck als Schocken/ Katastrophentourismus hat das? Es will mir an sich nicht in den Kopf, warum man soetwas explizit darstellen muss. (Bei Snowpiercer habe ich weggeschaut, weil ich für mich entschieden habe, dass ich (erzwungene) Selbstverletzung nicht sehen will.) Wenn man sich also mit Content Notes und Content Warnings (= Trigger-Warnungen) auseinander setzt, wird man vielleicht feststellen, dass viele Szenen auch nicht nötig sind.

Auf der einen Seite ja. Auf der anderen Seite sind die Grenzen da bei verschiedenen Leuten auch sehr unterschiedlich. Für meine Mutter zum Beispiel ist alles was brutaler ist als ein Columbo "Muss man das jetzt wirklich zeigen?" Ich denke, es gibt Gründe, Sachen darzustellen, Wenn man manche Sachen nicht zeigt, heißt das halt auch, dass die Gefahr besteht, dass Sachen verharmlost werden. Aber ich glaub das ist eine ganz eigene (sehr interessante) Diskussion, welche Szenen und welches Maß an Brutalität angemessen sind.

Mondfräulein

@Dirk Das ist nicht der Sinn dahinter. Es geht nicht darum, dass Bücher anhand der CNs bewertet werden, sondern dass ich als Leserin eine informierte Entscheidung darüber treffen kann, welches Buch ich lesen möchte. Wenn ich mich mit einem Buch auseinandersetzen und verstehen will, was der*die Autor*in geschrieben hat, egal welche Themen er*sie behandelt, dann kann ich die CNs ja ignorieren. Aber bestimmte Themen sind für manche Menschen einfach mehr als nur ein wenig unangenehm. Wenn ich zum Beispiel selbst mit Essstörungen zu kämpfen habe, dann vermeide ich vielleicht Bücher, die das thematisieren, weil mich das einfach persönlich trifft, manchmal sogar triggert, und ich weiß, dass das meinen Therapiefortschritt zunichte machen kann. Das liegt dann natürlich nicht an der Person, die das Buch geschrieben hat, aber wenn ich weiß, dass ich so ein Buch nicht genießen könnte und mir das sogar schaden könnte, dann ist es doch besser, wenn ich das Buch vermeiden und stattdessen etwas anderes lesen kann. Es geht im Prinzip nur darum, dass ich nicht blind in das Buch hineingeworfen werde, wenn ich das nicht will (denn wie gesagt, ich kann die CNs auch ignorieren, sie stören ja nicht groß).

Die Haltung, dass man sich auch mit unangenehmen Themen auseinandersetzen muss, finde ich arrogant. Ich möchte selbst entscheiden, womit ich mich auseinandersetzen muss. Nur weil Themen in unserer echten Welt schon eine Rolle spielen heißt das nicht, dass ich kein Recht habe, sie in Romanen zu vermeiden. Und natürlich spreche ich es niemandem ab, Bücher zu lesen, die unangenehme Themen behandeln. Ich spreche es niemandem ab, Bücher zu lesen, die unangenehme Gefühle hinterlassen. Aber ich sollte als Leserin entscheiden kann, ob ich so etwas lesen möchte oder nicht. Ich möchte entscheiden können, ob ich CNs lese oder nicht. Was ist so falsch daran?

Wildfee

Auch wenn ich als Leserin nicht von Inhalten getriggert werde (im Sinne dass ich psychisch bedingte Probleme bekam), gibt es dennoch mehr als genug Inhalte, die mich nicht nur ein Buch abbrechen ließen.
Ich wäre schon froh gewesen, wenn es da eine CN Warnung gegeben hätte, weil besagte Szenen/Inhalte ausschließlich in Büchern vorkamen, bei denen ich es nicht erwartet habe.

Als Leserin wünsche ich mir klar erkennbare Content Notes, abgestimmt auf das jeweilige Genre. Als Autorin bin ich dagegen unsicher, welche Content Notes ich erwähnen sollte, die über meine eigenen "geht gar nicht"-Inhalte hinaus gehen.

Amanita

Ich bin ganz klar dagegen Autoren vorzuschreiben, über manche Themen überhaupt nicht mehr zu schreiben, weil das irgendjemanden aus welchen Gründen auch immer stören könnte.
Gleichzeitig bin ich aber der Meinung, dass dem Leser auch die Möglichkeit gegeben werden sollte, selbst zu entscheiden, ob er ein Buch mit diesen Themen lesen möchte, oder eben nicht. Und dafür finde ich die Sache mit entsprechenden Warnungen ganz sinnvoll, am besten wie schon gesagt einfach mit ein paar standardisierten Kürzeln, die man auch einfach ignorieren kann, wenn es einem nicht wichtig ist, vorher über potenziell problematische Themen Bescheid zu wissen.

Arcor

Zitat von: Wildfee am 14. März 2021, 21:44:11
Als Autorin bin ich dagegen unsicher, welche Content Notes ich erwähnen sollte, die über meine eigenen "geht gar nicht"-Inhalte hinaus gehen.
Ich glaube, da kann man sich wirklich nur anhand einer gängigen Liste abarbeiten, was im eigenen Manuskript vorkommt. Man kann ja nicht alles vorhersehen, was eine*n Leser*in triggern könnte. Aber bildliche Darstellung von gewissen Dingen bzw. gewisse Themen lassen sich ja meist ganz gut ermitteln. Und im Zweifelsfall würde ich eher zwei Triggerwarnungen zu viel geben als eine zu wenig.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Anj

#96
ZitatContent Notes basieren für mein Empfinden auf einem Solidar-Gedanken. Sich zu überlegen, wieviel deutsch lesende Leute das haben und wieviele davon wohl das Buch lesen mögen, ist da nicht zielführend.
Sondern eher sich daran orientieren,  was verbreitete und gewünschte Inhalte für CN sind
Unabhängig davon, dass ich Edit: Zitkala Mindi so verstanden habe, dass sie ja gerade sagt, dass CNs nicht nur für allgemein bekannte Dinge wie klassische Phobien oder Gewaltexsesse genutzt werden, die vielleicht einfach gestrichen werden können, möchte ich noch hinzufügen, dass nicht nur existierende Listen hilfreich sein könnten, sondern einfach auch generell ein aufmerksames Zuhören oder einfach mal erfragen "Was sind denn Themen, die du (=gleich unterschiedliche Leser*innen/Menschen) bei Serien, Filmen oder Bpchern eher vermeidest oder vermeiden würdest?"
Ich sehe die Gefahr von Spoilern auch eher gering, denn ich weiß von dem Hinweis auf ein Thema noch nicht, wie und in welchem Kontext es angewandt wird. Im Zweifel verweise ich auf den Spoiler und schaue, ob ich nur eine grobe Richtung vorgeben kann. Aber wenn es mich wirklich wirklich interessiert, kann ich ja auch eine zweite Person den Spoiler anschauen lassen (optimalerweise, wenn sie auch im Internet abrufbar sind, oder ich sage, ich will es verschenken und die Person hat Trigger und frage die Angestellten im Buchladen, ob sie für mich nachschauen können) und mir sagen lassen, ob es einer meiner Trigger ist oder nicht. Da ich das vor allem aus Filmen mit meiner Phobie kenne, wenn bestimmte Tiere unvorhersehbar auftauchen, bin ich sehr dafür, CNs voranzustellen.

Zudem finde ich einfach, dass es achtsamer macht dafür, dass andere Menschen anders empfinden als ich und ich finde, dass es manches auch wieder ins rechte Licht rückt, wenn mal gesagt wird, dass explizite oder sexualisierte Gewalt nicht völlig normal ist und damit wird es vielleicht irgendwann nicht mehr als Effekthascherei eingesetzt oder völlig gedankenlos, weil man es so gewohnt ist.
Und wie einige schon sagten, es sind nicht immer nur schlimme Trigger, sondern manchmal auch einfach Themen, die mir nicht gut tun und die ich gerade nicht brauchen kann, vor denen ich gern vorgewarnt wäre, sofern sie nicht genreimmanent sind. (Sexszenen oder Liebeskummer in Romance oder eben Blut in Vampirromanen und ein Mord im Krimi und psychische Grausamkeit in Pschothrillern wären da für mich so Beispiele)

Zur praktischen Umsetzung: Noch stellt sich die Frage bei mir nicht, aber ich würde CNs vermutlich auch einfach auf eine Seite stellen. Und ich fänd ein Nummernsystem für die Kapitel auch gar nicht schlecht. Es gibt Themen, die vermeide ich ganz und welche, auf die ich nur gern vorbereitet wäre.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Koboldkind

Solche Warnungen habe ich bisher nur bei Fanfictions gesehen und fand sie dahingehend hilfreich, dass ich explizite Folter oder wirklich depirimerende, hoffnungslose Storys umgehen konnte (Allerdings sind es gerne auch mal zu viele CNs, weil ein gutteil überflüssig ist, aber bei FFs will ich natürlich wissen, welche Charaktere mitspielen). Bei Büchenr habe ich so etwas noch nicht gesehen. UNd sicher wird es da nicht die Masse an CNs geben, sondern so wichtige wie explizite Darstellungen oder psychische Themen, die ich auch gerne wüsste. "Harmlose" Cns kenne ich allerdings nicht, da sie ja wahrscheinlich auch für mich harmlos wären. Eine Liste wäre da schön, was man alles erwähnen könnte. In den meisten Fällen wie z.B. Spinnen würde ich sie aber weg lassen.
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

Araluen

Meine erste Reaktion auf das Thema war tatsächlich, ob ich dem Leser nun wirklich alles vorkauen und ihn in Watte packen muss. Beim weiteren Lesen fand ich meine Antwort darauf: Nein, denn damit haben Content Notes nichts zu tun. Es ist ein Zeichen von Solidarität, das den Leser nicht bevormundet, sondern ihm Entscheidungsfreiheit gibt.
Hätte ich mit 14 "Yin" von Pirincci gelesen, wenn mich Content Notes vor der sexualisierten Gewalt, Brutalität und Frauenfeindlichkeit gewarnt hätten? Vermutlich wäre ich in dem Sommerurlaub, in dem ich dieses Buch gelesen hatte, weniger verstört gewesen, weil ich es gar nicht erst gekauft hätte.
Was die Platzierung angeht, wäre ich für ein gut sichtbar, ohne aufdringlich zu sein (vielleicht nicht direkt auf dem Cover wie bei "Ich weiß es nicht" von Zorn, wobei das weniger eine Content Note als die eindringliche Bitte ist, nicht weiter zu lesen, wenn es belastet). Wenn ich Wert auf Content Notes lege, möchte ich sie nicht erst aufwändig suchen müssen. Wenn ich keinen Wert darauf lege, möchte ich sie einfach überblättern können. Mir gefällt der Vorschlag von @Mondfräulein, kapitelspezifische Content Notes auf der eigenen Homepage aufzulisten und im Buch selbst bei den allgemeinen Content Notes den Link zur Homepage zu hinterlegen. Im Buch spart es Platz, Kapitelanfänge werden nicht in ihrer Ästhetik gestört, wen es nicht interessiert, braucht es nicht sehen und wer es wissen möchte, weiß wo er es finden kann. Als netten Nebeneffekt generiert man so auch noch etwas Traffic auf der eigenen Homepage, was auch nicht schlecht ist.

Was den Inhalt der Content Notes angeht, möchte ich einmal fragen: gibt es tatsächlich Listen, in denen die gängigen Content Notes verzeichnet sind und wenn ja wo?
Davon abgesehen würde ich mich an den gesunden Menschenverstand halten und mir überlegen, was triggern könnte. Alles lässt sich damit freilich nicht abdecken. Ich stecke nicht in den Köpfen anderer Menschen und bin auch kein geschulter Psychologe. Aber man hat  die Möglichhkeit sich weiter zu entwickeln. Vielleicht übersehe ich einen Trigger, aber wenn ich davon erfahre, kann ich ihn beim nächsten Mal mit in die Liste aufnehmen, sofern er erneut zutrifft. Auf Content Notes zu verzichten, weil man befürchtet, nicht alle abzudecken oder abdecken zu können, halte ich nicht für zielführend. Wie meinte mein Ausbilder einmal zu mir? Nur wer arbeitet, kann Fehler machen und sie hinterher wieder gerade biegen.

Barra

#99
Was Araluen jüngst schreibt, dem schließe ich mich an. Ich habe den Thread jetzt seit ich ihn gestern hochgeholt habe, verfolgt, aber nicht mehr antworten können.

Gibt es eine Liste? Unabhängig von Kürzeln, Zahlencodes oder anderen Dingen (die es auch wieder nur komplizierter machen, wie ich finde). Denn für meine "Anonymen Antagonisten" habe ich durchaus CNs gesetzt, "Blut, Fightclub, Gewalt", aber eben so was wie "Erbrechen" nicht bedacht.

Und ich habe jetzt nur einen Blogbeitrag gefunden, der einfach mal einige Beispiele auflistet und würde so eine Liste gern hier im Zirkel ergänzen.


    explizite Darstellung oder Erwähnung körperlicher, seelischer oder sexualisierter Gewalt
    Krieg
    Suizid
    Essstörungen und Süchte (Alkohol, Drogen, Zwänge etc.)
    Selbstverletzung
    Rassismus, Sexismus, Homo-/Inter-/Transfeindlichkeit, Ableismus, Altersdiskriminierung, weitere Diskriminierungsformen
    Mobbing
    Bodyshaming
    Blut
    Sex
    Tod
    Spinnen und andere Tiere, die Angst oder Ekel auslösen können
    Tierquälerei
    ...

hier würd ich jetzt schon explizit ergänzen:

    Gewalt gegen Kinder, Verlust von Kindern
    Erbrechen (weil ich nicht weiß, ob es immer nur in Bezug auf Essstörungen triggert)

Dirk

#100
Zitat von: Mondfräulein am 14. März 2021, 20:46:42
Die Haltung, dass man sich auch mit unangenehmen Themen auseinandersetzen muss, finde ich arrogant.

Ja, das  ist es. Habe ich so aber auch nicht gefordert. Wer nicht gerade in einer Bibliothek arbeitet, wird nicht wahllos Buecher kaufen. Sondern anhand des Genres und der Buchbeschreibung eine bewusste Entscheidung treffen, sich mit genau diesem Thema befassen zu wollen. Insofern waere es verwerflich, bei diesen "Meta-Informationen" falsche Angaben zu machen.

Zitat von: Mondfräulein am 14. März 2021, 20:46:42Ich möchte selbst entscheiden, womit ich mich auseinandersetzen muss. Nur weil

Da bin ich ganz bei Dir. Aber CNs gehen deutlich darueber hinaus. Sie zerstoeren das Gesamtwerk, egal ob man sich nun dadurch vom Lesen einzelner Stellen abhalten laesst oder nicht. Denn auch letzteres hat allein durch die vorab gegebenen Hinweise zu einer Erwartungshaltung gefuehrt, welche sich so aus dem Text nicht ergibt. Okay, ich merke gerade, dass ich eine Ausnahme machen wuerde. Was ich in der Tat auch gerade fuer mein aktuelles Buch im Rohtext habe. Da ist ein Kapitel drin, wo ich direkt im ersten Absatz schreibe, was ungefaehr jetzt kommt und dass es fuers Verstaendnis der weiteren Geschichte nicht zwingend gelesen werden muss.

Genau deshalb bin ich gerade dabei, dieses Kapitel ganz rauszuwerfen! Weil wenn es nicht gebraucht wird, warum soll es dann ueberhaupt drin bleiben? Allerdings faellt mir rauswerfen gerade auch sehr schwer, denn eine Testleserin hatte es schon gelesen und war so begeistert, dass sie sich mehr in der Richtung wuenscht. Ergo: Wenn ich das Kapitel jetzt rauswerfe, kann ich sie auch nicht weiter lesen lassen. Ich bekomme es ja aus ihrem Kopf nicht mehr raus :-( Vielleicht kommt daher im Moment auch gerade meine grundsaetzliche Ablehnung von CNs, denn ich habe ohne viel Nachdenken einfach mal soein nicht notwendiges Stueck Text produziert ;-)

Zitat von: Mondfräulein am 14. März 2021, 20:46:42
Aber ich sollte als Leserin entscheiden kann, ob ich so etwas lesen möchte oder nicht. Ich möchte entscheiden können, ob ich CNs lese oder nicht. Was ist so falsch daran?

Da bin ich doch ganz bei Dir! Ich finde nur, dass CNs zu sehr ins Gesamtwerk eingreifen. Die Entscheidung sollte aber imho anhand der allgemeinen Inhaltsinformationen sich aufs gesamte Buch beziehen.

Mondfräulein

Ich finde es auch wichtig hier darauf zu achten, was das Genre an sich impliziert. Ich habe dieses Jahr zwei Bücher gelesen, die vom Genre her eher unter Chick Lit und Magical Realism fallen. Der Klappentext verspricht zauberhafte Liebesgeschichten, im Buch selbst kommt es dann sehr unerwartet zu Gewaltexzessen und der expliziten Darstellung einer Vergewaltigung, was ich wirklich nicht gut fand. Zum einen waren die Bücher echt schlecht, zum anderen kam es einfach so unerwartet.

Zitat von: Barra am 15. März 2021, 09:10:45
Und ich habe jetzt nur einen Blogbeitrag gefunden, der einfach mal einige Beispiele auflistet und würde so eine Liste gern hier im Zirkel ergänzen.


    explizite Darstellung oder Erwähnung körperlicher, seelischer oder sexualisierter Gewalt
    Krieg
    Suizid
    Essstörungen und Süchte (Alkohol, Drogen, Zwänge etc.)
    Selbstverletzung
    Rassismus, Sexismus, Homo-/Inter-/Transfeindlichkeit, Ableismus, Altersdiskriminierung, weitere Diskriminierungsformen
    Mobbing
    Bodyshaming
    Blut
    Sex
    Tod
    Spinnen und andere Tiere, die Angst oder Ekel auslösen können
    Tierquälerei
    ...

Die Liste finde ich schonmal gut. Bei Sex würde ich vielleicht ausdifferenzieren, wie explizit das vorkommt. Eventuell könnte man noch psychische Probleme mit dazunehmen, zum Beispiel Depressionen. Gewalt gegenüber Kindern ist bei vielen auch ein sehr sensibles Thema. Ansonsten gibt es hier glaube ich keine einheitliche Lösung. Wovon jemand getriggert wird ist sehr individuell. Ich kann nicht immer alles abdecken, aber ich kann es Personen etwas einfacher machen. Es zu versuchen ist besser als es nicht zu versuchen. Aber gerade bei so großen Triggern wie diesen hier ist es gut, sie aufzuführen.

Zitat von: Dirk am 15. März 2021, 09:13:58
Da bin ich ganz bei Dir. Aber CNs gehen deutlich darueber hinaus. Sie zerstoeren das Gesamtwerk, egal ob man sich nun dadurch vom Lesen einzelner Stellen abhalten laesst oder nicht. Denn auch letzteres hat allein durch die vorab gegebenen Hinweise zu einer Erwartungshaltung gefuehrt, welche sich so aus dem Text nicht ergibt.

CNs zerstören kein Gesamtwerk, das ist eine unnötig dramatische und unsinnige Aussage, bei der ich mich frage, ob dir klar ist, worüber wir hier eigentlich reden. Die Hinweise sind ja im Idealfall so gesetzt, dass ich sie leicht überblättern kann, sodass ich sie nur lese, wenn ich möchte. Und manche Menschen wollen gespoilert werden. Mich hat letztens bei einem Buch ein Aspekt so genervt, dass ich eine Freundin gebeten habe nachzuschauen, wie das ausgeht. Eine andere Freundin fragt mich oft, wie ein Buch ausgeht, weil sie das gerne weiß bevor sie es liest.

Manche Menschen werfen sich gerne blind in ein Buch und das ist in Ordnung, aber CNs sind nichts anderes als die Akzeptanz der Tatsache, dass halt nicht jeder so liest wie du. Manche wollen bestimmte Dinge wissen. Die können sie durch CNs schnell und problemlos herausfinden. Ich würde die CNs ehrlich gesagt auch nicht lesen und nicht lesen wollen, weil ich jegliche Spoiler gerne vermeide und das nicht wissen will. Wichtig ist aber, dass ich die Wahl habe, ob ich die CNs lese oder nicht. Ich finde es gut, dass es sie trotzdem gibt, weil ich anerkenne, dass nicht jeder so ist wie ich und dass ich meine Haltung da nicht jedem aufdrücken muss.

Araluen

Zitat von: Barra am 15. März 2021, 09:10:45
    explizite Darstellung oder Erwähnung körperlicher, seelischer oder sexualisierter Gewalt
    Krieg
    Suizid
    Essstörungen und Süchte (Alkohol, Drogen, Zwänge etc.)
    Selbstverletzung
    Rassismus, Sexismus, Homo-/Inter-/Transfeindlichkeit, Ableismus, Altersdiskriminierung, weitere Diskriminierungsformen
    Mobbing
    Bodyshaming
    Blut
    Sex
    Tod
    Spinnen und andere Tiere, die Angst oder Ekel auslösen können
    Tierquälerei
    ...

hier würd ich jetzt schon explizit ergänzen:

    Gewalt gegen Kinder, Verlust von Kindern
    Erbrechen (weil ich nicht weiß, ob es immer nur in Bezug auf Essstörungen triggert)
Ich kann an der Stelle Naturkatastrophen ergänzen. Das ist leider mein persönlicher Trigger geworden, wie ich feststellen musste. Wer einmal unter einem Bauum gelegen hat, möchte nicht unbedingt von Hurricans und Erdbeben lesen.
Aber was @Mondfräulein sagt:
ZitatIch finde es auch wichtig hier darauf zu achten, was das Genre an sich impliziert.
finde ich auch sehr wichtig. Ich brauche nicht vor Naturkatastrophen warnen, wenn ich einen Katasptrohenroman schreibe. Das ist schließlich das Thema. Wenn Genre und Thema darauf aber nicht per se schließen lassen, bin ich für so eine Warnung sehr dankbar.

@Dirk: Ich denke auch nicht, dass Content Notes das Gesamtwerk zerstören oder spoilern. Der Hinweis auf sexualisierte Gewalt, gibt mir ja nur den Hinweis, dass dies irgendwann im Lauf der Geschichte passieren wird, aber weder in welchem Kontext noch in welcher Art. Hiermit wird in meinen Augen weder eine Chrakterentwicklung vorweg genommen noch ein Twist. Ein Twist, der auf die Darstellung eines harten Triggers baut (damit mein ich jetzt Trigger, die auch von Nichtbetroffenen ohne großes Überlegen als triggerfähig eingestuft werden), würde ich ohnehin überdenken.

Evanesca Feuerblut

Weil hier nach Listen gefragt wurde - als ich das erste Mal für das Thema sensibilisiert wurde und noch keinen eigenen Kompass dafür hatte, habe ich mich an dieser Liste orientiert: https://www.doesthedogdie.com/
Dabei habe ich erst einmal nicht hinterfragt bzw. einige Punkte zwar eher als "typisch amerikanisch" (Flüche?!) abgespeichert oder mich gefragt, was genau dahinter steckt (Warum sollten Szenen, in denen wer duscht, problematisch sein?), aber trotzdem erst einmal übernommen. Ich hatte keine Ahnung, diese Liste bot eine Orientierung, mit der ich irgendwie arbeiten konnte.
Inzwischen kenne ich viele Leute, viele Geschichten, bin mir meiner eigenen Trigger mehr bewusst und ergänze auf den Listen beispielsweise Dinge, um die Leute in meinem Umkreis häufig bitten, die aber nicht auf der Homepage auftauchen.

ZitatCNs zerstören kein Gesamtwerk, das ist eine unnötig dramatische und unsinnige Aussage, bei der ich mich frage, ob dir klar ist, worüber wir hier eigentlich reden. Die Hinweise sind ja im Idealfall so gesetzt, dass ich sie leicht überblättern kann, sodass ich sie nur lese, wenn ich möchte. Und manche Menschen wollen gespoilert werden. Mich hat letztens bei einem Buch ein Aspekt so genervt, dass ich eine Freundin gebeten habe nachzuschauen, wie das ausgeht. Eine andere Freundin fragt mich oft, wie ein Buch ausgeht, weil sie das gerne weiß bevor sie es liest.

Manche Menschen werfen sich gerne blind in ein Buch und das ist in Ordnung, aber CNs sind nichts anderes als die Akzeptanz der Tatsache, dass halt nicht jeder so liest wie du. Manche wollen bestimmte Dinge wissen. Die können sie durch CNs schnell und problemlos herausfinden. Ich würde die CNs ehrlich gesagt auch nicht lesen und nicht lesen wollen, weil ich jegliche Spoiler gerne vermeide und das nicht wissen will. Wichtig ist aber, dass ich die Wahl habe, ob ich die CNs lese oder nicht. Ich finde es gut, dass es sie trotzdem gibt, weil ich anerkenne, dass nicht jeder so ist wie ich und dass ich meine Haltung da nicht jedem aufdrücken muss.
Das. Genau das.
Und es geht hier auch um Solidarität und Zugänglichkeit - ich habe es recht gut und wenige harte Trigger, bei denen ich abbrechen müsste. Und die gehen auch oft aus dem Klappentext hervor, sodass ich entweder vorbereitet bin oder nicht lese. Aber es gibt Menschen, die darauf angewiesen sind, in irgendeiner Form vorgewarnt werden und dann ist "sollen die halt nix lesen" einfach nur ignorant, ableistisch und unsolidarisch.

phoe

Ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Thema bisher noch nicht wirklich befasst habe. Nicht, weil ich ignorant bin, sondern weil ich ein "dickes"Fell habe und mich so leicht nichts aus der Bahn wirft, wenn ich lese. Deswegen habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht.
Hinzu kommt, dass ich meist für Kinder oder Jugendliche schreibe und man da ohnehin auf seine Wortwahl und was man überhaupt reinschreiben "darf" ein sensibles Thema ist.
Durch die Diskussion habe ich jetzt überlegt, ob in einem meiner Bücher ein Content Notes (ich wäre sehr dankbar, wenn es hierfür einen deutschen - für mich verständlicheren - Ausdruck gäbe) oder sogar eine Triggerwarnung nötig gewesen wäre. Und tatsächlich gibt es da einiges, was für Jugendliche oder auch Erwachsene verstörend sein könnte. Das Buch wurde 2016 veröffentlicht. Und nun? Was mache ich damit?

Zitat von: Wildfee am 14. März 2021, 21:44:11

Ich wäre schon froh gewesen, wenn es da eine CN Warnung gegeben hätte, weil besagte Szenen/Inhalte ausschließlich in Büchern vorkamen, bei denen ich es nicht erwartet habe.

... Als Autorin bin ich dagegen unsicher, welche Content Notes ich erwähnen sollte, die über meine eigenen "geht gar nicht"-Inhalte hinaus gehen.
Hier bin ich ganz bei @Wildfee
z.B., wenn ich einen Krimi oder Fantasyroman lese, dann will ich da keine ausführlichen und erotischen Bettgeschichten der Akteure drin haben.
So passiert, als ich betagelesen habe. Die Autorin wusste von meiner Abneigung, ausführliche Bettszenen lesen zu müssen. Ich hatte nicht das erste Mal von ihr etwas gelesen. Nach dem ersten Drittel hab ich ihr gesagt, dass ich abbreche, weil das für mich ein Porno und kein Fantasyroman ist.

Als Leser*in ein Buch wegen weglegen zu müssen, auf das man sich eigentlich gefreut hat, ist wirklich nicht schön. Deswegen bin ich für CN.
Als Autorin habe ich die Unsicherheit jetzt auch. Soll ich gleich generell auf Verdacht eine Liste erstellen?


ZitatAber was @Mondfräulein sagt:
Zitat

    Ich finde es auch wichtig hier darauf zu achten, was das Genre an sich impliziert.

finde ich auch sehr wichtig. Ich brauche nicht vor Naturkatastrophen warnen, wenn ich einen Katasptrohenroman schreibe. Das ist schließlich das Thema. Wenn Genre und Thema darauf aber nicht per se schließen lassen, bin ich für so eine Warnung sehr dankbar.
Das klingt nachvollziehbar.