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Triggerwarnungen - wichtig oder überflüssig?

Begonnen von FeeamPC, 15. September 2019, 21:40:08

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FeeamPC

Ich habe heute auf Amazon bei einem Buch eine Triggerwarnung gefunden.

"Dieses Buch enthält Gewalt".

Es ist nicht etwa ein Buch, bei dem man Gewalt nicht erwarten würde. Fantasy, bereits im Klappentext geht es um Kriege und Kampf. Würde da wirklich ein Leser keine Gewalt erwarten? Ich finde, das ist ein Negativ-Beispiel für das, worauf wir mit unerer Übervorsicht in Bezug auf Befindlichkeiten unserer Leser hinsteuern könnten.

https://www.amazon.de/Drachenkrankheit-Die-Drachenakademie-von-Alveria-ebook/dp/B07WSWFFLY

Ahneun

Hab mir mal den Link von "amazon" angeklickt.
Zitat von: Eva RichardsonDieser Roman enthält Gewalt.

Na ja, "wie überflüssig dürfen Triggerwarnungen sein?" in diesem Falle würde ich sie als überflüssig betrachten. Aber, so wie es sich für mich darstellt, - könnte es auch sein, dass die Autorin speziell darauf aufmerksam machen möchte? Quasi, verkaufsfördernd. Indem sie vor Gewaltszenen warnt, macht sie den Roman erst interessant. Oder möchte sie wirklich jedem Übel ihrer Leser aus dem Weg gehen?  :omn:
- Ein Diamant
ist

Robin

 :buch:  Schwierige Sache. Ich hab schon einige Diskussionen über Triggerwarnungen gelesen. Einige heißen sie sehr willkommen, vor allem bei Filmen/Büchern, wo es eben aus dem Nichts kommt, oder als großer Twist genommen wird, auf der anderen Seite grübeln die Psychologen, ob Triggerwarnungen nicht erst den Angstlevel noch heben, eben weil die betroffene Person sich dann alles mögliche schon ausmalt.

Aber manchmal muten sie schon eher so an, als wäre es besonders geschmacklose Werbung. "Oh ja, hier könnt ihr richtig super-duper-doll blutige Szenen lesen! Nur hier!"
~Work in Progress~

Zit

Ich finde nicht, dass der Klappentext darauf hinweist, dass man mit Kriegsszenen konfrontiert wird. Es wird nur gesagt, dass bei Versagen der Quest das Land Alveria am A* sein wird. Es könnte ja auch einfach nur eine Abenteuergeschichte sein, und der Krieg tobt nur im Hintergrund.

Was mich an der Warnung stört, ist eher wie unspezifisch sie ist. Was heißt schon "Gewalt"? Fliegen da Gedärme in schönster Poesie, Drachen beißen Köpfe ab, uns dröhnen Todesschreie, klirrende Klingen und Befehle auf dem Schlachtfeld in den Ohren – oder ist da nur eine arschige Figur, die unseren Helden mit Psychotricks und Hirnwäschegeschwurbel zusetzt? Mir wäre lieber, wenn zumindest hervor ginge, ob es sich um körperliche Gewalt, ausformulierte kriegerische Handlungen oder psychische Gewalt handelt.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Ahneun

Genau Zit, das meine ich mit Werbung für den Roman machen.
Hier wird der Leser (scheinbar) gewarnt, aber es ist ein neugierig machen, was da eigentlich mit "Gewalt" gemeint ist.
Ist dieser Hineis sogar verkaufsfördernd?
- Ein Diamant
ist

Shedzyala

#5
Ich habe bei meinem Roman die Inhaltswarnung Gewalt, obwohl es im Klappentext deutlich wird. Ich habe vorher mit einigen Leuten drüber gesprochen und da haben recht viele gesagt, dass es sie irritieren würde, wäre Gewalt nicht aufgeführt, obwohl es doch eigentlich so deutlich ist. Eben weil sie sich dann nicht sicher wären, ob das Weglassen Absicht wäre oder bewusst, weil es vllt nur den Anschein eines Kriegsromans hat und dann doch etwas ganz anderes ist. Und da dieses eine Wort die Warnungen nun echt nicht länger gemacht hat, habe ich es eben hingeschrieben. Ich persönlich finde es zwar nicht so wichtig, mich stört es aber auch nicht und es tut niemandem weh, wenn es da steht.

Vielleicht als Vergleich: Bei Computerspielen steht Gewalt auch bei Shootern in den Content Notes, obwohl es wohl nicht einmal weltfremde Eltern überraschen dürfte ;) Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass es dort deshalb Diskussionen gab.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Romy

Also ehrlich gesagt liest sich der Klappentext so wie der eines ganz gewöhnlichen High-Fantasyromans. Explizite Gewalt würde ich danach nun *eigentlich* nicht erwarten.
Ob die Triggerwarnung gerechtfertigt ist, könnte nur jemand beurteilen der das Buch gelesen hat. Also ja, wenn man auf der Suche nach expliziter Gewalt ist, könnte es schon sein, dass es einen Werbeeffekt hat. Wenn jemand einfach nur einen "gewöhnlichen" Fantasyroman lesen will, wird er ihn wohl eher nicht kaufen. Auf mich wirkt sowas eher abschreckend, ob nun gerechtfertigt oder nicht, es könnte also durchaus einige Leute vom Kauf abhalten. Am Ende läuft es vermutlich auf plus-minus-null raus.  :hmhm?:

Zit

#7
Zitat von: Shedzyala am 15. September 2019, 23:26:18
Vielleicht als Vergleich: Bei Computerspielen steht Gewalt auch bei Shootern in den Content Notes, obwohl es wohl nicht einmal weltfremde Eltern überraschen dürfte ;) Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass es dort deshalb Diskussionen gab.

Interessant. Bei den Spielen, die wir noch physisch haben, steht idR. nur USK 16 oder 18 drauf. Ich schätze, diese Warnungen sind nur Spezifizierungen/ Begründungen für die USK? Muss ich mir morgen mal im Laden anschauen.

Edit: Hast du einen Titel direkt an der Hand, nach dem ich gucken kann?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Maja

Ist generell "Gewalt" denn überhaupt rin Trigger? Aus meiner Erfahrung sind es spezifische Dinge, die alte Wunden aufreißen - "Gewalt" ist so ein weites Frld, dass ich nicht eriß, ob so eine unspezifische Warnung nicht mehr schadet als nützt, dass sich Leute allein durch die Warnung an Finge erinnert fühlen, die sich von den eigentlichen Szenen überhaupt nicht angesprochen gefühlt hätten.

Ein Opfer häuslicher Gewalt, zum Beispiel, muss nicht davon getriggert werden, wenn ein Kämpfer seinem Erzfeind den Kopf abschlägt, aber der generelle Warnhinweis "wenn du ein Problem mit Gewalt hast, lass besser die Finger davon" kann schon den Finger in die Wunde legen.

Jeden, der traumatisiert ist, triggert etwas anderes. Deswegen halte ich nichts von plalstiven, generalisierten Triggerwarnungen, die wirklich mehr wirken, sls sollten sie Aufmerksamkeit erregen. Besser ginde ich, wenn jemand mit rinrm konkreten Problem im Internet ein Verzeichnis hat "wenn du mit gensu dieser Thematik nicht konfrontiert werden möchtest, meide die folgenden Werke" - so kleinteilig wie nötig, um Kollateralschäden zu vermeiden. 

Als Autorin kenne ich nicht die Narben aller meiner Leser, und kann und will sie auch nicht alle kennen. Ich weiß, was mich srlbst triggert - und das sind Stellen, über die wahrscheinlich 99,9% aller Leser hinweglesen und sich nichts dabri denken, nicht die fetten, plakativen Stellen, sondern Kommentare, Bemerkungen, die mich in rin dunkles Lapitel in meiner Vergangenheit zurücknehmen und heulend zurücklassen.

Ich erwarte nicht, dass jemand Warnhinweise auf ein Buch druckt, um mich vor mir selbst zu beschützen. Mrin Problrm ist nicht das Buch, mein Problrm ist, was damals passiert ist, und wenn es nach all den Jahren immer noch so frisch ist,  heißt das gür mich, dass ich daran arbriten muss, das aufzuarbeiten. Aber allein mit dem Hinweis "Triggerwarnung: Mobbing" kommt schon so viel hoch, dass es weh tut - vielleicht deutlich mehr, als die entsprechende Szene selbst angerichtet hätte.

Deswegen bin ich dafür, Triggerwarnungen dorthin zu tun, wo Leute sktiv danach suchen können, aber nicht dorthin, wo sie andere Leute triggern können.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Shedzyala

#9
Zitat
Interessant. Bei den Spielen, die wir noch physisch haben, steht idR. nur USK 16 oder 18 drauf. Ich schätze, diese Warnungen sind nur Spezifizierungen/ Begründungen für die USK? Muss ich mir morgen mal im Laden anschauen.

Edit: Hast du einen Titel direkt an der Hand, nach dem ich gucken kann?

Bei "Playerunknown's Battleground" und "Conan Exiles" steht es definitiv, und das waren tatsächlich die ersten beiden, bei denen ich bei Steam geklickt habe. Das sieht dann so aus, wie auf dem Screenshot.

@Maja Ich habe es bei mir Inhaltshinweise und nicht Triggerwarnungen genannt, weil ich es genauso verstehe: Nicht jeder mag jedes Thema, ohne dass es gleich ein Trigger sein muss. Ich hab aktuell zum Beispiel keine Lust, über Vergewaltigungen zu lesen, werde dadurch aber nicht getriggert. Für mich ist es ein Hilfsmittel, dass die richtigen Leser*innen die richtigen Bücher für sich finden. Über den psychologischen Hintergrund von Triggern kann ich nichts sagen, aber dafür kenne ich mich zu wenig damit aus.

Bei steht übrigens "Gewalt gegen Menschen und Kinder", also eine etwas genauere Einordnung. Und ja, Kinder sind natürlich auch Menschen, da ich aber weiß, dass das für manche ein sensibles Thema sein kann, wollte ich dabei noch einmal differenzieren.

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Maja

"Gewalt gegen Menschen und Kinder" ist aber ein wirklich sehr weites Feld. Da fallen dann nur Gewalt gegen Pfanzen, Tiere und Mineralien raus - es sagt nichts darüber, welche Art von Gewalt es ist. Psychische Gewalt und körperliche Gewalt sind zwei völlig verschiedene Dinge, trotzdem ist beides Gewalt. Oft wird unter "Gewalt" nur Blutvergießen verstanden, mir persönlich geht emotionale Gewalt viel, viel näher - aber wenn nur "Gewalt" drauf steht, weiß ich nicht, was mich erwartet. Und heißt der Deskriptor "Blut" nur, dass innerhalb des Buches Blut vergossen wird, oder dass mich detaillierte Beschreibungen von Blut in den verschiedensten Verwesungsstadien erwarten? Das ist für mich viel zu schwammig. Und ob die Triggerwarnung nun "Triggerwarnung" heißt oder "Inhaltshinweis" - wenn da draufsteht "Achtung, Vergewaltigung", dann kann das für ein Vergewaltigungsopfer schon zu viel sein.

Ein konkretes Beispiel für Trigger (nämlich meine), eine Sache, die wirklich jedem anderen wahrscheinlich am Poppes vorbeigeht und für die niemand eine Warnung aussprechen würde: Das eine ist, wenn ein mit Liebe gemachtes Geschenk vom Beschenkten nicht gewürdigt wird. Reißt mir das Herz raus. Stellen, an denen ich also nicht weiterlesen konnte: Wenn in "Karlsson vom Dach" Lillebrors Geschwister ihm einen Stoffhund schenken, obwohl er doch einen richtigen Hund haben will (selbst wenn der Stoffhund tatsächlich ein Gutschein für einen Echthund ist). Oder wenn in "Jan und das Wildpferd" Jan seine Weihnachtsgeschenke fallen lässt und bitterlich weint, weil er kein Pferd bekommen hat, sondern nur einen Tornister mit einem Pferdebild drauf. Oder die Stelle aus "Tschick", wo Maik für seine Angebetete das Bild gebastelt hat. Diese Stellen suchen mich Jahre später noch heim und lassen mich, allein durch die Erinnerung daran, heulen.

Ein vielleicht etwas verbreiterer Trigger: Mutwillige Zerstörung von Gegenständen. Ich habe mich als Kind mehrere Jahre lang geweigert, die "Sendung mit der Maus" zu schauen, nachdem der Maulwurf dort Autoreifen zerstochen hat. Und den Maulwurf hasse ich bis heute. Oder die Szene aus "Tintenherz", wo die Bibliothek zerstört wird. Das sind ganz konkrete Dinge, die bei mir solche Reaktionen hervorrufen. Üblicherweise gilt: Je beiläufiger, je näher an meinem Leben, desto mehr berührt es mich. Große barbarische Gewaltorgien - das ist abstrakt, das kann man wegstecken, das ist Fiktion. Die Trigger liegen im Kleinen, nicht im Großen. Auch beim Thema Mobbing komme ich besser damit klar, wenn eine Figur im Buch von den Mitschülern verdroschen wird, obwohl mir genau das passiert ist, als wenn die Hauptfigur von ihren eigenen Freunden verraten wird. "Freunde, die zu Feinden werden" ist so ein Trope, dass mir persönlich zu nahe geht. Darüber will ich auch eigentlich keine Bücher lesen müssen - vor allem, weil das dann nicht mit einem Satz oder einer Szene getan ist, sondern den Plot eines ganzen Buches darstellt.

Brauche ich einen Warnhinweis? Nein. Aber das ist etwas, das geht üblicherweise aus dem Klappentext hervor. Wie auch, ob in einem Buch brutale Schlachten geschlagen oder Blut vergossen wird. Den Leserreaktionen nach bräuchte mein "Siegel" eher den Warnhinweis, dass darin wenig gekämpft wird, so viele haben sich darüber beklagt, dass die großen Schlachten fehlen - nicht, dass der Klappentext welche versprochen hätte, aber es ist eine Erwartungshaltung an das Genre High Fantasy.

Ich habe einmal im Leben eine Buchreihe gesehen, bei der ein Warnhinweis angebracht war. Das war der Manga "Naru Taru", der von der Optik her wie eine niedliche Kindergeschichte daherkommt, und auch der Klappentext des ersten Bandes ließ noch nichts böses ahnen, sich aber als ein mordsbrutales Stück voller körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt herausstellt. In solchen Fällen, wenn das Äußere eben nicht auf das Innere schließen lässt und ein Leser den Schock seines Lebens bekommt, bitte warnt. Aber warnt nicht vor allem. Sonst nutzt es sich ab, und dann werden die Warnungen nicht mehr warhrgenommen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Zit

#11
Ach so, diese Labels kenne ich. Das sind aber keine Triggerwarnungen sondern, ähnlich unserer FSK, freiwillige Ratings im Hinblick auf Jugendgefährdung. Eine Auflistung der Bedeutung hinter den Bezeichnungen findet man in der englischsprachigen Wikipedia. Damit haben die Bezeichnungen auch eine klar umrissene Definition und können verkürzt als Einwortratings auf den Produkten stehen. Trigger kann man so aber nicht verkürzen, weil es dafür (noch) keinen allgemein gültigen Schlüssel (im deutschsprachigen Raum*) gibt.

* Vielleicht sind die da im englischsprachigen Raum auch weiter. Die Diskussion um Trigger ist ja recht neu für unseren Buchmarkt.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Shedzyala

@Zitkalasa Deshalb sprach ich auch von Content Notes, nicht von Triggerwarnungen. Trigger können ja in der Tat alles sein, wie Maja schon ausgeführt hat. Das einzige Mal, dass ich tatsächlich getriggert wurde, war es auch ein einfacher, harmloser Satz, vor dem mich niemand hätte warnen können. Und vor dem ich bis dato gar nicht gewusst habe, dass ich einen Trigger gehabt hatte. (Ehrlich gesagt hab ich durch die ganze Debatte über Triggerwarnungen in Büchern überhaupt erst erfahren, dass ich damals getriggert wurde.) Deshalb spreche ich lieber von Inhaltshinweisen bzw. Content Notes, denn diese sind ja im englischen Sprachraum bereits erprobt, wie du schon sagtest. Fees Beispiel benutzt ja auch nirgends das Wort Trigger (sofern ich es nicht übersehen habe), deshalb wäre es vllt gut, hier nicht zwei verschiedene Dinge durcheinanderzubringen. Zu Triggern in Büchern im Allgemeinen finde ich übrigens den Blogartikel von @Lothen sehr schön übersichtlich.

Denn auch wenn man durch ein Thema nicht unbedingt getriggert wird, manche Themen möchte man vllt vermeiden, weil sie einem nicht gefallen oder Unwohlsein auslösen. Bei mir ist das so mit meinem überwundenen Trigger. Das Thema triggert mich nicht mehr, aber ich fühle mich unwohl, wenn ich damit konfrontiert werde, und das wird wohl ein Leben lang so bleiben. Das heißt nicht, dass ich deshalb einen großen Bogen drum mache, aber ich bin gerne vorgewarnt, damit ich selbst entscheiden kann, ob ich mich gerade nach einer Konfrontation fühle oder es mich emotional zu sehr mitnehmen würde. Wie ich schon sagte, es geht darum, dass ein Buch die richtigen Leser*innen findet. Zumindest möchte ich nicht, dass sich Leser*innen bei meinem Büchern bloß deshalb unwohl fühlen, weil sie unvorbereitet an etwas aus ihrer Vergangenheit erinnert werden. Sie sollen sich unwohl fühlen, weil der Protagonist gerade sein eigenes Trauma aufarbeitet und nicht ihres ;)
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Trippelschritt

Es ist keine Triggerwarnung, weil Gewalt kein Trigger ist. Bevor dieses Wort in Mode kam, hieß es in den USA: Oops. I pushed (pressed) the wrong button.
Beide "Pulled the trigger" und "pushed the button" machen klar, worauf es ankommt. Lieber Leser, erwarte etwas, das dich möglicherweise unvorbereit erwischt und dem du nicht ausweichen kannst.
Es geht um so etwas wie Reiz und Reflex oder präziser gesagt: überstarke unwillkürliche Reaktion wie z.B. ein "flash back"

Ob man auch grundsätzlich vor Gewalt in einem Buch warnen sollte? Vielleicht wenn man Gewalt nicht erwartet. Aber vor dem Gruseln zu warnen, bevor ich eine Geisterbahn betrete ist in meinen Augen lächerlich. Wenn man das gedanklich weiterspinnt, würden wir von Warnungen überschwemmt, die dann durch ihre Fülle bedeutungslos würden. Wir kennen das bereits auf vielen Feldern, wo eine Warnung nur noch prophylaktsich abgesondert wird, um mögliche Haftpflichtverstöße abzuwehren.

Meine Meinung
Trippelschritt


Anj

Also einfach nur Gewalt als Warnung finde ich auch etwas breit gefasst, kenne es jetzt auch eher, dass "explizite Gewaltdarstellung" im TV üblich ist, wenn Blut und Co spritzen werden. Darunter kann für mich aber auch sexuelle Gewalt fallen. Psychoterror eher nicht, weil der schwierig bildhaft darstellbar ist. Für mich bedeutet das als Frage: Will ich das explizit sehen? Und das vollkommen unabhängig von irgendwelchen Triggeraspekten. Aber ich sollte meine Trigger gut genug kennen, um zu wissen, ob ich Gefahr laufe getriggert zu werden oder nicht.

Ich werde auch manchmal von Sätzen oder Situationen zum Weinen gebracht, aber ich würde nie erwarten, dass ein Autor mich davor warnt. Ich weiß, dass diese vorrangig bei Geschichten mit Romanzen irgendwelcher Art vorkommen und ich muss nunmal in Kauf nehmen, dass das in 90% der Bücher mindestens ein Nebenplot ist. Das zu Triggern zu zählen, vor denen gewarnt werden muss ist aus meiner Sicht aber überzogen. Triggerwarnungen sind nur dann notwendig, wenn Trigger völlig unerwartet auftauchen werden oder in der expliziten Beschreibung vom erwarteten Niveau des Genres abweichen. Vergewaltigungstrigger in einem historischen Roman halte ich eigentlich für übertrieben, weil sexuelle Gewalt vielfach die Norm (mindestens in der Ehe) war. Werden sie explizit ausgeschlachtet, sollte die Warnung drauf.
Aber das ist definitiv ein schwieriges Feld, eben weil Trigger letztlich völlig individuell sind und keine bestimmte Intensität oder ähnliches brauchen um als Trigger klassifiziert zu werden.

Daher: im verlinkten Beispiel finde ich es ebenfalls unsinnig, da es unspezifisch ist und nicht ersichtlich wird worin die Abweichung zur Genrenorm besteht.

Gleichzeitig, wenn ich als Autor den Impuls habe, eine Warnung draufzusetzen, würde ich es tun. Einfach weil ich gelernt habe, diesen Impulsen zu folgen. Und sei es in dem ich vielleicht nur auf Bücher verweise, die ähnliche Darstellungen haben.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.